Helfen Sie uns, verdeckte Polit-Werbung zu enttarnen

4. Dezember 2017 20 Uhr

Dark Ads stehen im Verdacht, die Wahl von Donald Trump oder den Brexit begünstigt zu haben. Dark Ads – das sind politische Werbeanzeigen auf Facebook, die nur manche sehen. Sie werden punktgenau ausgespielt an ausgewählte Zielgruppen. Jemand interessiert sich für Gesundheitsthemen? Dann erhält er oder sie politische Botschaften zu diesem Thema. Im schlimmsten Fall angereichert mit Diffamierungen, Halbwahrheiten, Falschbehauptungen.

Herkömmliche Werbung – ein Plakat an der Strasse, ein Inserat in der Zeitung – ist öffentlich. Alle sehen das Gleiche. Auf Facebook können Parteien jedem Bürger, jeder Bürgerin eine andere Wahrheit präsentieren. Sie bekommen nur noch das gesagt, was sie wahrscheinlich hören wollen. Und niemand, ausser Facebook selbst, hat einen Überblick.

Dark Ads sind gekennzeichnet. Sie tragen, wie jede Werbung auf Facebook, den Zusatz «gesponsert». Aber die Anzeigen sind nur für den sichtbar, an den sie ausgespielt werden. Andere sehen andere Anzeigen. Kein Journalist, keine Forscherin kann bislang überprüfen, wer welche Botschaften gezeigt bekommt.

Längst nutzen politische Parteien in aller Welt diese Möglichkeit, den Wählerwillen zu manipulieren. Beim britischen Wahlkampf wurden – von beiden Seiten – binnen fünf Wochen rund 3 Millionen Pfund in Dark Ads investiert. Russische Agenturen sollen, um in den US-Wahlkampf einzugreifen, Dark Ads im Wert von 150 000 Dollar gebucht haben, die mutmasslich über 120 Millionen Amerikaner erreichten.

Und Facebook? Hat lange geschwiegen. Sich auf «Geschäftsgeheimnisse» berufen. Erst auf Druck des Kongresses hat Facebook-CEO Marc Zuckerberg angekündigt, für mehr Transparenz zu sorgen. Zunächst in den USA. Wann wird das umgesetzt, und wie? Ist völlig offen.

Dark Ads sind der Motor der globalen Facebook-Werbemaschinerie. Und eine Gefahr für die Demokratie.

Wie Sie uns helfen können

Hier kommen Sie ins Spiel, liebe Verlegerin, lieber Verleger, liebe Leserinnen und Leser der Republik. Zusammen mit Ihrer Hilfe wollen wir verborgene Polit-Werbung auf Facebook aufspüren.

Wir haben uns mit den Kollegen des amerikanischen Recherchebüros ProPublica zusammengetan. Sie haben eine Browser-Erweiterung programmiert, den «Political Ad Collector». Wir haben ihn für die Schweiz adaptiert. Es wäre grossartig, wenn Sie das Werbejägerprogramm in ihrem Browser installieren. Damit wir gemeinsam Licht in die obskure Welt der Dark Ads bringen.

Und das geht so:

  1. Installieren Sie das Add-On «Political Ad Collector» in Ihrem Browser.
  2. Oben rechts in der Menüleiste sehen Sie nun ein «P». Klicken Sie von nun an regelmässig darauf, wenn Sie Facebook im Browser aufgerufen haben.
  3. Klicken Sie auf das «P», öffnet sich ein Menü mit zwei Spalten. Wenn Sie auf «Anderen gezeigte Werbung» klicken, sehen Sie eine lange Liste von Anzeigen. Die bitten wir Sie zu klassifizieren. Ist es politische Werbung?* Dann klicken Sie auf den entsprechenden Reiter. Ist es Werbung für ein Produkt oder eine Veranstaltung? Dann klicken Sie auf «Andere Werbung».
  4. Die Daten werden von ProPublica gesammelt und uns zur Verfügung gestellt. So erfahren wir, welche politischen Kampagnen Ihnen präsentiert werden. Und was die anderen sehen. Wir sehen erstmals, mit welchen Werbebotschaften Schweizer Politikerinnen und Politiker, Parteien oder politische Interessengruppen bei Facebook auftreten.

* Unter «politischer Werbung» verstehen wir: Abstimmungs- und Wahlkampagnen von Parteien, Komitees, Interessengruppen und auch Privatpersonen. Grundsätzlich gilt: ordnen Sie lieber zu viel als zu wenig der Kategorie «politische Werbung» zu.

Screenshot der Browser-Erweiterung

Benutzen Sie Chrome oder Firefox? Dann installieren Sie die Erweiterung jetzt:

Leider gibt es den «Political Ad Collector» nicht für Safari und auch nicht für die Mobile Apps.

Wir garantieren: Wir haben keinerlei Zugriff auf Ihre persönlichen Daten. Sondern wir sehen lediglich die an Sie ausgespielten Werbeinhalte.

Wie wir recherchieren

Die Republik wird im Detail untersuchen, wie die Digitalisierung die Demokratie verändert. Das wird einer unserer Themenschwerpunkte sein.

Mit Ihrer Hilfe sind wir in der Lage, politische Werbung auf Facebook transparenter zu machen. Um Schmutzkampagnen, unhaltbare Wahlversprechen oder Fake News aufzudecken. Die gibt es auch in der Schweiz. Auch unsere Politiker und Parteien pumpen zunehmend Geld in Dark Ads. Um Abstimmungen zu beeinflussen und den Wählerwillen zu manipulieren. Bei «No Billag», bei den Zürcher Stadtratswahlen, und anderswo.

Haben Sie Fragen? Anregungen? Tipps? Dann freuen wir uns über Ihre Nachricht – an adrienne.fichter@republik.ch

Danke für Ihre Hilfe!

Gemeinsam mit Ihnen haben wir einen entscheidenden Unterschied gemacht

31. Mai 2017 20 Uhr

In seiner berühmten Rede an der Stanford-Universität gab Steve Jobs den Studenten den Rat: «Stay hungry. Stay foolish.»

Sie haben Hunger bewiesen. Und Verrücktheit. Und haben einen Unterschied gemacht. Sie haben in einer Branche, die vor allem schlechte Nachrichten kennt, ein Unternehmen gegründet. Und damit ein neues Modell für den Journalismus ermöglicht: die Republik.

Kurz, Sie haben etwas getan. Am Ende waren es 13 845 Menschen wie Sie. Aber jeder und jede von Ihnen hat einzeln eine Entscheidung getroffen.

Wir haben im letzten Monat mit vielen von Ihnen gesprochen. Und wissen, dass Sie aus vielen verschiedenen Gründen bei uns an Bord sind: aus Verantwortung für das Gemeinwesen. Aus Interesse an der Welt. Aus Sorge um das Mediensystem. Aus Neugier.

Wir danken jedem Einzelnen von Ihnen dafür. Und sind Ihnen verpflichtet. Nicht zuletzt, weil Ihre Stimme die einzige ist, die zählt. Denn wir haben keine Werbung. Und keine Stimmenmehrheit der Investoren. Wir haben also keinen anderen Kunden als: Sie. Und niemanden sonst in der Chefetage.

Bei der Republik werden Sie folglich (zu einem kleinen Teil) Verlegerin oder Verleger. Als solche oder solcher werden wir Sie regelmässig informieren: über alle Zahlen, Fehler, Erfolge und die wichtigen Entscheidungen in der Redaktion. Und werden Sie gelegentlich um eine Entscheidung bitten – aber nur, wenn wir die Antwort wirklich hören wollen. Und wir werden Ihre Kritik und Ihre Vorschläge für Themen entgegennehmen. Auch wenn wir nicht alle umsetzen. (Letzteres ist das Schicksal aller Verleger dieses Planeten. Es gibt keinen Grund, dass es Ihnen besser gehen sollte.)

Unter diesem Link finden Sie stellvertretend drei Vertretungen der Verlagsetage: die jüngste, den ältesten und den, der am weitesten entfernt wohnt.

Robert Berke, Mavie, Pierre Rom

In den letzten Tagen haben uns viele Leute gewarnt. Und uns geraten, die Erwartungen zu dämpfen. Weil wir sonst scheitern würden. Wir sehen das nicht so. Wir heissen Ihre Erwartungen willkommen. Es ist ein Fehler, seine Hoffnungen kleinzuhalten in der Hoffnung, keine Enttäuschungen zu erleben. Sie haben uns 240 Franken gezahlt. Und Ihr Vertrauen geschenkt. Sie haben ein Recht auf Erwartungen.

Nun ist es an uns, den richtigen Plan dafür umzusetzen. Wir werden in den nächsten Monaten daran arbeiten, etwas Brauchbares, Nützliches, Schönes auf die Beine zu stellen. Natürlich werden wir nicht von Anfang an perfekt sein. Und auch später nie. Aber es ist unsere Aufgabe, Ihrem Vertrauen gerecht zu werden. Und im Hintergrund eine solide Firma zu bauen. Und ein Magazin zu entwickeln, das Ihnen Klarheit, Ideen und Vergnügen verschafft. Das Sie zwar gelegentlich ärgert. Aber auch immer wieder stolz macht, Verlegerin oder Verleger der «Republik» zu sein.

Dazu brauchen Sie noch sechs Monate Geduld. Und wir noch sechs Monate Arbeit. Aber im Januar 2018 geht es los! Wir sind auch gespannt, wie es wird.

Heute bleibt uns nur, Ihnen ein letztes Mal zu danken. Ohne Sie wäre dieses Unternehmen nicht möglich. Eine Republik wird nie von wenigen Leuten gegründet, sondern immer nur von vielen. Und Sie haben das in den letzten fünf Wochen tatsächlich gemeinsam mit uns getan: eine Republik gegründet.

Video: Danke!

Wir freuen uns auf ein gemeinsames 2018.

Ihr Team der Republik und von Project R

Clara Vuillemin, Laurent Burst, Nadja Schnetzler, Richard Höchner, Susanne Sugimoto, Patrick Recher, Thomas Preusse, Andrea Arezina, Christof Moser, Constantin Seibt

PS: Die 14 000 Mitglieder für die Stelle eines Datenjournalisten oder einer Datenjournalistin haben wir nicht erreicht. Aber nur knapp verfehlt. Sobald wir ausgeschlafen haben, werden wir uns zusammensetzen und sehen, was zu tun ist.

PPS: Erwarten (und befürchten) Sie keine derartige Kadenz von Newslettern mehr. Wir werden Sie ab jetzt nur noch sehr sporadisch belästigen: Nur, wenn wir Grösseres fertig haben.

Drei aus Tausenden: Republik-Verleger im Kurzportr​ät

31. Mai 2017 17 Uhr

Am letzten Tag des Crowdfundings haben wir getan, was jede traditionsbewusste Redaktion tut: Wir haben uns die Porträts unserer Verlegerinnen und Verleger ins Büro gehängt. Um uns daran zu erinnern, für wen wir arbeiten.

Den Livestream mit Ihren Porträts finden Sie hier: Die Portraitwand der Republik-Verleger

Und nun, stellvertretend für unsere Verlegerinnen und Verleger: den ältesten, die jüngste – und den, der am weitesten weg wohnt.

Robert Berke, Republik-Verleger, Bondi Beach, Sydney

Robert Berke

Wenn Robert Berke, Mathematiker und Vater von drei Kindern, vor dem Frühstück zum Surfen geht, sieht er einen Kilometer Strand vor sich. Und bereits Hunderte von muskelbepackten Leuten beim Frühsport. Denn der Bondi Beach bei Sydney ist einer der schönsten Strände des Planeten. Es gibt hier alles ausser Einsamkeit.

Berke war als Mathematiker in der Finanzindustrie. Und kündigte vor Kurzem, trotz hervorragendem Gehalt, «um Neues zu tun». Der Job sei zwar wegen des Einsatzes von künstlicher Intelligenz interessant gewesen – die Finanzbranche eher weniger.

So packt Berkes Familie. Und zieht ab Sommer nach Zürich.

Für die Republik entschied sich Berke aus drei Gründen:

  1. Weil fast alle Artikel, gerade über sein Fachgebiet, inakkurat sind.
  2. Weil er in Australien sah, wie «unvorstellbar schlecht» eine Zeitungslandschaft werden kann.
  3. Weil ihn Firmen interessieren, «die dasselbe anders machen».

Mavie, «Republik»-Verlegerin, 8 Monate

Mavie

Das Baby Mavie aus Chur lacht gern, schläft gern, brüllt kaum – und wird nur Menschen mit Ohrringen gefährlich. Sie liebt Gesang und Menschen: Bei Konzertbesuchen hüpfte sie im Bauch mit. Kurz, ihr Name «mein Leben» oder altfranzösisch «die Singdrossel» oder «Prinzessin der Weisheit» passt: Sie ist das friedvolle, satte, sanfte Baby, von dem man sonst nur liest.

Kurz: Wären alle wie Mavie, wäre das eine Katastrophe für den Journalismus. Denn dann gäbe es keine Nachrichten mehr. Sondern nur noch Gesang. Aber herzig und schön wäre es doch.

Pierre Rom, «Republik»-Verleger, 93 Jahre

Pierre Rom

Pierre Rom, 1924 geboren, Elektro­ingenieur, trat sehr jung, 1949, in eine Partei ein, weil er der Auffassung war, dass einer allein Probleme nicht lösen kann. Die letzten 13 Jahre vor der Pensionierung arbeitete er dann vollamtlich als Politiker: als Kantonalsekretär der FDP Bern.

Politik betrieb er mit dem Denken eines Ingenieurs: «Man muss Probleme in Einzelteile zerlegen, ohne den Zusammenhang zu vergessen. Ein guter Ingenieur muss jedes Problem von allen Seiten betrachten.» Deshalb ist er auch für Konsenspolitik: «Eine Partei hat nie die Lösung.» Je mehr Blickwinkel einbezogen würden, desto schwieriger würde die Lösung, aber desto solider.

Seit seiner Pensionierung schrieb Rom zehn Bücher – meist zu historischen Themen und um die eigenen Gedanken zu ordnen.

Für eine Verlegerschaft bei der Republik entschied er sich ebenfalls als Ingenieur: «Ich las es und dachte: Das ist die Lösung. Oder zumindest: eine Lösung.»

Und zwar für das Problem, dass Verlage von Inserenten umso abhängiger werden, je weniger es davon gibt.

Live – Die Portraitwand der Republik-Verleger

31. Mai 2017 07 Uhr

Hurray! Heute ist der letzte Tag des Republik-Crowdfundings. Die Büros schliessen punkt 20 Uhr. Um den Tag zu feiern, haben wir ihn gleich zum internationalen Tag der Verlegerinnen und Verleger ernannt.

Denn über 13 000 Leute hatten die Neugier, die Entschlusskraft und das Herz, bei der Republik zukünftiger Leser respektive zukünftige Leserin und damit per sofort auch zur Verlegerin oder zum Verleger zu werden.

Damit wir nie vergessen, für wen (und unter wem!) wir arbeiten, haben wir zur Feier des heutigen Verlegerinnen- und Verlegertages das getan, was alle traditionsbewussten Medien tun: Wir haben Ihre Porträts in unser zentrales Sitzungszimmer gehängt.

Hier, mit Dank an Sie, der Livestream aus unserem zentralen Büro im Hotel Rothaus:

Der Livestream ist vorbei.

Wir konnten leider nicht die klassische Variante wählen. Kein Zimmer mit über 13 000 Ölbildern ist noch bewohnbar. Also haben wir drei Flachbildschirme installiert, auf denen die Porträts unserer Verlegerinnen und Verleger eingespielt werden – in der Mitte jeweils das neuste Bild.

Falls Sie noch Verlegerin der ersten Stunde werden wollen, haben Sie noch genau bis 20 Uhr Zeit. Mitmachen.

Falls Sie schon Verleger der ersten Stunde sind, aber noch kein Foto hochgeladen haben, können Sie das jetzt nachholen.

Zuletzt noch ein Tipp. Sie können die Redaktion mittels Foto managen. Also ein freundliches Foto hochladen, wenn Sie mehr der kreative Boss sind. Oder ein strenges, wenn Sie uns zur Arbeit treiben wollen.

Verlegerin, Verleger: Der morgige 31. Mai wird Ihr Tag!

30. Mai 2017 01 Uhr

Über 200 Leute stehen um 7 Uhr morgens vor dem Hotel Rothaus an, um zu den Ersten zu gehören, die eine Republik Mitgliedschaft lösen.

Foto: Jan Bolomey

Vor exakt 34 Tagen standen wir als freie Menschen auf. In unserem Besitz war wenig mehr als ein Plan, eine Hoffnung und eine Portion Furcht.

Acht Stunden später war die Furcht Geschichte und die Freiheit auch. Wir hatten bereits 3000 Verlegerinnen und Verleger. Nur Tage später waren es 10 000. Nie hätten wir gedacht, dass so viele einzelne Menschen den Mut aufbringen, in ein neues Medienmodell zu investieren.

Morgen ist der letzte Tag des Republik-Crowdfundings – und damit der letzte Tag, an dem wir eine kleine Marketingagentur in eigener Sache sind. Die Agentur schliesst Mittwoch punkt 20 Uhr ihre Türen. Und wir machen uns an die Arbeit, ein neues Modell für unabhängigen Journalismus zu bauen: kompromisslos in der Qualität, leserfinanziert, ohne Werbung. Bevor es im Januar 2018 richtig losgeht.

Falls Sie sich fragen, was wir bis dahin tun: Wir haben drei Grossbaustellen.



  1. Wir müssen das Team in eine Firma mit seetüchtigen Strukturen umbauen – so etwas passiert nicht ohne Schmerzen.
  2. Wir müssen eine IT aufbauen, die so schön und selbstverständlich wirkt, als wäre sie nicht Technik, sondern ein Stück Natur.
  3. Wir müssen eine Redaktion zusammenstellen, die Können, Stil und Nerven hat. Denn sie wird sich im Sturm bewähren müssen.


Bei alldem wollen wir sorgfältig arbeiten. Der Erfolg der ersten Crowdfunding-Tage hat uns überrascht und zerzaust, aber nicht blind gemacht. Wir wissen, dass wir keine halben Lösungen durchwinken dürfen. Wir haben Ihnen ein Versprechen gegeben. Dass wir einen Journalismus machen werden, der Überblick und Klarheit liefert und Sie von Zeit zu Zeit stolz machen wird, Teil dieses Unternehmens zu sein. Sie haben uns Ihr Vertrauen geschenkt. Nun ist unsere Aufgabe, es zu rechtfertigen.

Aber noch sind zwei Tage Zeit. Und wir dachten, an unserem letzten Tag tun wir, was Agenturen gerne tun: einen Tag ausrufen. Wir ernennen den 31. Mai zum internationalen Tag der Verlegerinnen und Verleger. Und zwar deshalb, weil weltweit die Zahl der Verleger noch nie so wuchs wie im letzten Monat.

Der 31. Mai war bisher kein besonders wichtiger Tag. Die bedeutendsten Ereignisse waren: Die Römer ermordeten 455 ihren Kaiser Petronius Maximus, als dieser vor den Vandalen fliehen wollte. 1911 lief die Titanic vom Stapel. Und 1976 veranstalteten «The Who» das lauteste Rockkonzert der Geschichte. Es hat also noch Platz. Für Sie.

Nicht zuletzt, weil Verleger oder Verlegerin ein verantwortungsvoller Job ist. Und nicht immer der ruhigste: Jedes Medium, das einen Schuss Pulver wert ist, macht Lärm und Ärger. Sie werden es als Verleger, Verlegerin der Republik nicht immer einfach haben. (Auch das ein Versprechen.)

Zum Beispiel jetzt: Wir sind noch für zwei Tage im Crowdfunding. Es geht jetzt darum, den Datenjournalisten an Bord zu holen, für dessen Einstellung Sie gestimmt haben. Wir brauchen bis Mittwoch, 20 Uhr, 14 000 Mitglieder. Wenn Sie mithelfen möchten, teilen Sie diesen Post auf Facebook oder beenden Sie bis Mittwoch Ihre SMS mit «www.republik.ch kann ich dir wärmstens empfehlen!» (Oder, wenn Sie einen eher strategischen Charakter haben, mit: «… kann ich dir kaltblütig empfehlen!»)

Es bleiben noch 36 Stunden, um Verlegerin oder Verleger der ersten Stunde zu werden.

Mit Dank, dass Sie bei uns an Deck sind,

Ihr Team von der Republik und von Project R

PS: Nicht zuletzt rufen wir den internationalen Verlegertag aus, weil Sie die traditionellen Verleger aus ihrer relativen Einsamkeit befreit haben. Sagen wir, Sie treffen den Verlegerverbandspräsidenten Pietro Supino in einer Bar. Und kommen darauf zu sprechen, was man so beruflich macht. Und wenn er sagt: «Ich bin Verleger», dann freut er sich sicher, statt eines «Ah, interessant …» ein gut gelauntes «Ich auch!» zu hören.

Abstimmungs­resultat – analysiert von Claude Longchamp

28. Mai 2017 20 Uhr

Letzte Woche hatten Sie zum ersten Mal eine Entscheidung zu fällen. Und Sie haben sich vor der Verantwortung nicht gedrückt.

Dabei war Ihre Entscheidung nicht gerade einfach: Es ging um das Ziel für den Schlussspurt beim Crowdfunding. Und damit um die Frage, wie stabil das Fundament des Unternehmens ist. Denn die Republik braucht einen effizienten Schlussspurt. Schon ein paar hundert Leser mehr oder weniger machen für das Budget der Redaktion viel aus. Und die wird jedes zusätzliche Gramm Gehirn brauchen können. Nicht zuletzt, weil die Erwartungen nicht gerade klein sind.

Zur Wahl standen drei mögliche Ziele:

  1. ein Budget für Satire. Und damit mehr gefährliches Vergnügen;
  2. eine Stelle für Datenjournalismus. Und damit ein Gewinn an Erkenntnis;
  3. eine Stelle für eine Deutschland-Korrespondentin. Und damit die Expansion in einen gigantischen Markt.

Nicht wenige wären von diesem Trilemma gelähmt worden: So wie (jedenfalls in der Theorie) ein Esel zwischen drei exakt gleich weit entfernten Heuhaufen verhungert. 

Sie hingegen haben sich ohne Zögern ins Geheu geworfen. Und das nicht nur mit Ihrer Stimme, sondern auch mit Argumenten. Auf unserer Abstimmungsseite haben wir Ihre 1104 Plädoyers gelesen – eines überzeugender als das vorherige. Und bis Sonntagmittag stimmten 6062 von Ihnen ab – rund 49 Prozent der Verlagsetage.

Erfreulicherweise haben Sie eine deutliche Entscheidung getroffen. Wir haben die Resultate – zur Feier Ihres ersten Jobs als Verleger – verfilmt. Und haben dafür den Pionier des schweizerischen Datenjournalismus gewinnen können: Claude Longchamp. Also den Mann, der im Schweizer Fernsehen als Erster mit statistischen Methoden Abstimmungen kommentierte. Und darauf in den folgenden 25 Jahren lückenlos jede einzelne Abstimmung.

Eigentlich war Claude Longchamp letzten Sonntag vom Job des SRG-Abstimmungsanalysten zurückgetreten. Zur Premiere der Demokratie in der Republik gibt er nun ein kurzes Comeback, bevor er eine Weltreise antritt. (Merci und gute Fahrt, Herr Longchamp!)

Hier also das Video: mit Claude Longchamps letzter Abstimmungsanalyse.

Video: Analyse von Claude Longchamp

Damit steht das Ergebnis fest: Das Ziel für den Schlussspurt der Republik ist – mit einer satten Mehrheit von 58 Prozent – eine Stelle für einen Datenjournalisten oder eine Datenjournalistin.

Das allerdings nur für den Fall, dass die Republik auch ihr letztes Ziel erreicht: 14 000 Mitglieder. Und das bis nächsten Mittwoch, 31. Mai, Punkt 20 Uhr. Denn dann endet das Crowdfunding. Schaffen wir das Ziel nicht, müssen wir die Anstellung vertagen. Zwar mit wundem Herzen, aber mit kühlem Kopf: Denn es wäre unverantwortlich, die Fixkosten ohne regelmässige Einnahmen zu steigern. Mit weniger als 14 000 Mitgliedern wäre eine zusätzliche Redaktionsstelle ein Geschäftsrisiko.

Wachsen wir auf 14 000 Mitglieder, werden wir Ihre Entscheidung selbstverständlich umsetzen. Einige von uns durchaus mit ein wenig Melancholie: Wir in der Crew waren zu etwa gleichen Teilen für Satire, Deutschland und Daten.

Aber wir haben uns vorgenommen, auf Sie zu hören. Nicht zuletzt haben Sie als Verlegerin mit Ihrem 58-%-Entscheid (ein wenig) die Strategie unseres Unternehmens beeinflusst. Dahingehend:

  • in Richtung Stärkung von Recherche – auf Kosten des Vergnügens und geschäftlicher Abenteuer;
  • in Richtung digitaler Journalismus auf der Höhe der Zeit – einer, der die Chancen von Suchmaschinen, Statistiken, Modellen nutzt;
  • in Richtung einer noch engeren Verzahnung von Redaktion und IT;
  • in Richtung Zweisamkeit. Mit Ihrem Entscheid beenden Sie (falls es mit den 14 000 klappt) die Einsamkeit unseres Datenjournalisten Thomas Preusse, der nun eine Komplizin oder einen Komplizen bekommt.

Damit zu unserem Aufruf an Sie, nicht zuletzt, wenn Sie für den Datenjournalisten-Job stimmten: Bis zum Crowdfunding-Schluss bleiben nur noch drei Tage Zeit. Telefonieren Sie mit zwei, drei Ihrer unentschlossenen Freundinnen und Bekannten. Oder schreiben Sie ihnen ein Mail. Mit einer knappen Begründung, warum es sich lohnt, kurz vor Torschluss noch zu einer Gründungsverlegerin der Republik zu werden. (Etwa: «Nicht nur Journalismus ist eine Investition wert. Sondern jetzt auch: Datenjournalismus!»)

Der Link dazu: www.republik.ch

Nun, was die Abstimmungsverlierer betrifft, die mit guten Gründen für Satire oder die Deutschland-Korrespondentin waren: Willkommen im Unternehmertum. Denn in vernünftigen Firmen hat jede Entscheidung ihren Preis – jedes Budget ist die Entscheidung gegen ein anderes. Es wäre unverantwortlich, anders zu rechnen.

Wir zählen trotzdem darauf, dass auch Sie zwei, drei unentschlossene Freunde beim Bier, am Telefon oder per Mail dazu drängen, Verlegerinnen der Republik zu werden. Schon deshalb, weil das Datenjournalismus-Ziel nicht von wenigen erreicht werden kann. Sondern nur von vielen.

Natürlich werden wir die Republik nicht völlig ohne Satire machen – kein politisches Magazin der Welt kann auf konzentriertes Vergnügen verzichten. (Obwohl das Vergnügen natürlich auch in jedem ernsthaften Artikel stecken muss – in unserem Magazin sollen die Journalisten leiden, nicht die Leserinnen.) Aber machen Sie sich keine Illusionen, dass Sie keine Einbusse erleiden: Wir werden Satire nicht ins Kerngeschäft integrieren.

Aber da die politische Komik auf 31 Prozent kam und viele glühende Anhänger hat, versprechen wir für den erstaunlichen Fall, dass die Republik bis Mittwoch, 20 Uhr 14 500 Verlegerinnen hat, trotz allem ein Budget für Satire. Und zwar eines mit einem Plan, der sich nach einer Anregung eines unserer Verleger (danke, Herr Gabriel Vetter!) verbessert hat: Wir werden den Satirikerinnen von Fall zu Fall einen unserer Rechercheure zur Seite stellen. Damit präziser geschossen werden kann.

Aber auch mit dieser Verbesserung können wir das Budget nur halb so gross gestalten wie im Fall eines Abstimmungssiegs geplant.

Das, weil wir Ihrem Beispiel folgen. Sie haben die letzte Woche Verantwortung bewiesen – durch Ihre Beteiligung an der Abstimmung. Und durch eine höchst disziplinierte Debatte mit oft brillanten Argumenten. Also nehmen wir auch unseren Teil der Verantwortung wahr. Und die heisst: Disziplin beim Budget.

So – und damit hinein in die letzten drei Tage der Republik-Gründung! Mit Dank für Ihre Hilfe, Ihr Engagement und Ihre Entscheidung.

Ihre Crew der Republik und von Project R

PS: Was die Deutschland-Stelle angeht, vertagen wir die Entscheidung auf 2019 – erst einmal müssen wir uns im Kernmarkt beweisen. (Zum Trost: Ein weisser Fleck wird Deutschland trotzdem nicht bleiben – wir haben mit Ihrer Unterstützung ein grosszügiges Einkaufsbudget für herausragende internationale Autorinnen und Autoren geschaffen.)

PPS: Falls Sie noch nicht Verlegerin der Republik sind, aber noch Gründungsverleger werden wollen – jetzt mitmachen.

PPPS: Zum Schluss das Motto dieses Newsletters, geschrieben von Alfred Döblin: «Der Verleger schielt mit einem Auge nach dem Schriftsteller, mit dem anderen nach dem Publikum. Aber das dritte Auge, das Auge der Weisheit, blickt unbeirrt ins Portemonnaie.»

Die Republik führt die Demokratie ein

22. Mai 2017 07 Uhr

Ladies and Gentlemen,

wir versprachen Ihnen, dass Sie bei der Republik nicht nur Leser werden, sondern auch ein wenig Verlegerin. Das war kein risikofreies Versprechen. Nicht für uns. Und nicht für Sie. Denn es heisst, dass Sie bei der Republik ein wenig Mitverantwortung tragen.

Wir dachten, wir fangen gleich einmal an, Sie in den Schlamassel zu ziehen. Und führen – 26 Tage nach der Gründung der Republik – die Demokratie ein. Auch, um Erfahrungen zu sammeln, wie eine Verlegerversammlung mit über 12 000 Köpfen funktionieren könnte. Immerhin ist die Republik weltweit das erste Medium mit diesem Modell.

Damit, Frau Verlegerin, Herr Verleger, zu Ihrem Dilemma. Sie müssen sich zwischen drei Möglichkeiten entscheiden. Sind Sie a) für gefährliches Vergnügen, b) für zeitgemässe Recherche oder c) für eine strategische Expansion?

Sie haben die Aufgabe, das letzte Ziel des Crowdfundings zu bestimmen. Und sind damit für den Erfolg des Schlussspurts mitverantwortlich. Zur Wahl stehen:

  1. ein Budget für die kompromisslosesten Satirikerinnen und Satiriker, die sich kaufen lassen,
  2. die Anstellung eines Datenjournalisten (oder einer Datenjournalistin),
  3. die Anstellung einer Deutschland-Korrespondentin (oder eines Deutschland-Korrespondenten).

Ihr Entscheid wird dadurch ein wenig komplexer, weil Sie bei ihm zwei Dinge berücksichtigen müssen. Was wäre die ideale Verstärkung für die Republik-Redaktion? Und: Welches dieser Ziele würde dem Schluss des Crowdfundings am meisten Schwung geben?

Denn Ihre Entscheidung ist durchaus auch eine Marketingfrage. Ein Crowdfunding funktioniert wie ein Film: Der Schluss ist so wichtig wie der Anfang. Zwar war der erste Tag des Republik-Crowdfundings derart atemberaubend, dass wir ihn nie mehr erreichen werden: Damals verfolgten Hunderte von Leuten den steigenden Ticker wie eine Fernsehshow. Aber zum Schluss wollen wir noch einmal Gas geben. Und dazu brauchen wir ein möglichst begeisterndes Ziel.

Nur, welches? Die Entscheidung können Sie über unsere Abstimmungsseite treffen. Und zwar ab sofort die ganze Woche lang. Bis Sonntag, 28. Mai, 12 Uhr. Jedes bisherige und neue Mitglied hat eine Stimme.

Damit Sie, als Verleger und Verlegerin, Ihre Stimme nicht unüberlegt verschwenden, können Sie debattieren. Und auf unserer Verlegerinnenseite ein Plädoyer für den Vorschlag Ihrer Wahl abgeben. Damit es nicht unübersichtlich wird, täglich höchstens eines.

Ausserdem können Sie die Vorschläge Ihrer Verlegerinnen-Kollegen bewerten: die überzeugenden nach oben, die schwächeren nach unten.

Die Crew der Republik wird sich nicht heraushalten. Sie wird in den Wahlkampf ziehen. Da alle drei Ziele entschiedene Anhänger haben, erwarten wir im Büro keine friedliche Woche. Aber Demokratie ist nichts für Kuscheltiere.

Hier geht es direkt zur Abstimmung.

Last, not least ein paar Argumente, warum Sie sich für das eine, das andere oder das Dritte entscheiden sollten:

Satire-Budget

Sich über Politik zu informieren, ist die Sache jedes Staatsbürgers, jeder Staatsbürgerin. Aber das Herz sinkt manchmal dabei. So ein schöner Morgen, und schon wieder der finstere Quark.

Satire ist das Zaubermittel, politischen Quark zum Frühstücksquark zu machen. Sie ist die böse Fee, die Dummheit in Brillanz, Anrüchiges in ein Soufflé und die aufrechte Verantwortung des Staatsbürgers in ein erfreulich kindisches Vergnügen verwandelt.

Und sie ist die modernste Form des Journalismus: In den USA berichteten die Komiker John Oliver von «Last Week Tonight» oder Jon Stewart und Trevor Noah von der «Daily Show» oft weit präziser über den Aufstieg Trumps und komplexe politisch-wirtschaftliche Zusammenhänge als ihre Konkurrenten des Kabelfernsehens, die Komplexität für publikumsabstossend hielten.

Und in der Schweiz ist die Tradition der Humorfreiheit längst Geschichte. Komische Könnerinnen wie Hazel Brugger, Gabriel Vetter, Lara Stoll, Giacobbo und Müller, Knackeboul, Bendrit Bajra, Manuel Stahlberger, Uta Köbernick, Dominic Deville, Renato Kaiser oder Güzin Kar erzählen oft Interessanteres über das Leben und das Land als ein kompaktes Bündel Zeitungspapier.

Zwar ist unsere Aufgabe als leserfinanziertes Medium klar. Bei uns müssen die Autoren leiden, nicht die Leserinnen. Denn wenn Sie uns nicht mit Vergnügen lesen, sind wir tot. Wir wissen: Ein gutes Magazin ist halb Waffe, halb Waffel. Aber Verstärkung könnte nicht schaden.

Für Sie als Geschäftsleute könnte interessant sein, dass das Publikum, das sich mit politischer Satire erobern lässt, das junge ist. Das müssen Sie abwägen mit dem Ärger, den diese Form macht. Bei Mitverlegerinnen, die die eigene Meinung wie einen Schweif tragen: Wenn jemand draufsteht, schreien sie.

Datenjournalismus-Stelle

Der Job der Republik ist das Komplexe, Verwickelte, Dunkle, kurz: die Zusammenhänge. Denn hier macht Journalismus Sinn. Weil man diese Zusammenhänge oft nicht am Cafétisch findet. Sondern nur durch Recherche.

Lange Zeit war der einzige Ort, Verwickeltes zu entwirren, der einzelne Kopf. Der füllte sich, wurde krank und gebar dann meist unter Schmerzen ein Buch, einen Film, einen Artikel. Aber das ist nicht mehr der einzige Weg. Bei Korruption etwa, bei globalen Entwicklungen wie dem Klimawandel, bei Datenkonvoluten wie den Panama Papers reicht der Kopf längst nicht mehr aus. Man braucht Suchmaschinen, Gewichtungen, Modelle.

So komplex die Programme sind, so handfest sind dann die Ergebnisse: In den USA etwa programmierte Pro Publica eine Suchmaschine für Doktoren. Man gibt den Namen seines Arztes ein und sieht, wie viele Gelder er von Pharmafirmen bekommt. Und wie viele Medikamente er verschreibt. Oder: Unser Frontend-Programmierer Thomas Preusse, damals noch bei der NZZ, machte einen Datendump aus der kasachischen Regierung durchsuchbar. Worauf man die Beweise fand, dass die damalige Nationalratspräsidentin Christa Markwalder einen Vorstoss der kasachischen Regierung wortwörtlich eingereicht hatte. Wofür die Lobbyistin, die ihn ihr geschrieben hatte, exakt 7188 Franken 48 Rappen erhielt.

Faszinierend ist, dass Datenjournalismus Fehler des Kopfes korrigiert. Etwa den, dass alles schlechter wird. Wer sich etwa auf der Seite «Our World in Data» des Ökonomen Max Roser tummelt, sieht, wie atemberaubend gut sich die Menschheit in den letzten 200 Jahren gemacht hat: etwa in Sachen Kindersterblichkeit, Einkommen, Wissen, Gleichheit, Demokratie.

Kurz: Daten lesen, darstellen, interpretieren gehört zum Handwerk des Kopfs, der nicht auf die eigene Unfehlbarkeit vertraut. Als Verleger sollten Sie sicherstellen, dass Ihre Journalisten auf dem neuesten Stand dabei sind. Und als Geschäftsfrau daran denken, dass die Republik damit ein wachsendes Publikum erobern kann: die Nerds.

Deutschland-Stelle

Der Deutschschweizer Markt ist vergleichsweise klein: 5,5 Millionen Leute. Deutschland dagegen ist ein Gigant: 82 Millionen. Schafft die Republik auch nur minimal den Sprung über die Grenze, ist ihr Überleben komfortabel gesichert.

Doch dieser Sprung ist noch keiner Schweizer Zeitung ernsthaft gelungen. Der Grund ist, dass Journalismus die Kunst des Heiklen ist. Bewegt sich ein Artikel nur im grünen Bereich allgemeiner Übereinkunft, langweilt er. Spannung erzeugen nur Artikel, die ein Wagnis eingehen. Und irgendwo den roten Bereich berühren – ein politisches, persönliches, gesellschaftliches oder formales Tabu streifen. Zwar sollte man am Ende wieder im Grünen landen, sonst setzt es Ärger. Aber ohne Wagnis keine Aufmerksamkeit.

Um diese Bereiche zu kennen, muss man ein feines Ohr für die Zwischentöne haben. Also die ungeschriebenen Regeln gut kennen, die man dann bricht. Eine Zeit lang importierte der Ringier-Verlag etwa deutsche Chefredaktoren. Alles hartgesottene Profis. Aber alle versagten. Deshalb, weil sie die Zwischentöne nicht lesen konnten. Und nicht wussten, was ein Skandal, was eine eingerannte offene Tür und was schlicht eine Absurdität war.

Aus dem Grund mangelnder Kenntnis packten nur wenige Schweizer Journalisten in Deutschland ihre Chance. Für Sie als Republik-Verleger wäre ein Korrespondent sozusagen der Kundschafter für eine mögliche Expansion – und für Sie als Leserin die Chance, die Verhältnisse im mächtigsten Land der EU näher kennenzulernen.

So weit die ersten Informationen.

Die Abstimmungs- und Debattenseite finden Sie hier.

Willkommen im Unternehmertum!

Ihre Crew von der Republik und von Project R

PS: Sie müssen keine Angst haben, dass wir in Zukunft dauernd abstimmen werden. Sie werden uns viele Entscheidungen, geschäftlicher Natur wie im Journalismus, nicht abnehmen können. Immerhin bezahlen Sie uns dafür, dass wir diesen Job erledigen. Aber von Zeit zu Zeit, wenn wir eine vernünftige Frage zu stellen haben, werden wir das tun.

PPS: Falls Sie diese Abstimmung unbedingt gewinnen wollen, überzeugen Sie gleich gelagerte Freunde, ebenfalls Verlegerinnen zu werden.

Wer sind Sie?

15. Mai 2017 07 Uhr

Wir haben zum Start der Republik einiges darüber geschrieben, wer wir sind. Nun ist mehr als die Hälfte der Kampagne vorbei. Und wir können endlich über ein wirklich interessantes Thema reden: wer Sie sind.

Bericht lesen und Visualisierungen ansehen

Zwischenziel für 12 000 steht

11. Mai 2017 17 Uhr

Jeder Experte wird Ihnen sagen, wie unverzichtbar Zwischenziele bei einem Crowdfunding sind. Die Sache funktioniert wie bei Videogames, wo nach jedem Level Extras freigeschaltet werden – Waffen, Zusatzleben oder Herzchen. Das motiviert die Leute, dranzubleiben.

Nun, mit dem Sprung auf über 10 000 Verlegerinnen und Verleger haben Sie bereits folgende Extras freigeschaltet: vier statt zwei Ausbildungsplätze, die Stelle einer zusätzlichen Redaktorin (Nummer 11 lebt!), vier Monsterrecherchen pro Jahr (à 60 000 Franken) und ein Budget für den Einkauf von internationalen Autorinnen und Autoren. Das ist grossartig, hilft uns sehr, und wir sind Ihnen zu Dank verpflichtet.

Für das Erreichen von 12 000 Mitgliedern versprachen wir Ihnen eine überzeugende Idee, die wir beim Erreichen des Ziels bekannt geben wollten. Um ehrlich zu sein, brauchten wir etwas Zeit. Der Raketenstart des Crowdfundings hatte uns überrumpelt. Keine vernünftige Planung konnte davon ausgehen, dass Sie bereits nach zwei Tagen den Weltrekord für Medien-Crowdfunding brechen würden.

Um ehrlich zu bleiben: Wir haben uns über das neue Extra ziemlich hart gestritten. Fast zwei Dutzend Vorschläge wurden debattiert. Sie reichten vom Übersetzerdienst ins Französische bis zu einem Faktencheckbüro für Politikerinnen und Politiker. Fast alle fanden ein, zwei feurige Befürworter. Aber alle auch entschiedene Gegnerschaft: zu aufwendig, zu albern, zu wenig nah beim Kerngeschäft.

Unsere Crew besteht zwar aus freundlichen Leuten. Aber nicht immer.

Doch die Auseinandersetzung hat sich gelohnt. Nach langem Hin und Her sind wir auf eine passende Idee für die Erreichung des Zwischenziels von 12 000 Mitgliedern gekommen. Sie ist, nach unserem Wissen, eine echte Neuheit in der Geschichte der Crowdfundings. Ein Zwischenziel, das noch nie jemand steckte. Und es passt perfekt zu unserem gemeinsamen Unternehmen.

Das spektakuläre Extra, das wir beim Erreichen von 12 000 Mitgliedern versprechen, ist: nichts Neues.

Die Entscheidung fällt uns durchaus schwer. Wir würden gerne weitere verführerische Zwischenziele aufschalten. Denn wir können jede weitere Leserin, jeden weiteren Verleger brauchen. Und jede weitere Unterstützung bei der Werbung zum Crowdfunding. Denn jedes zusätzliche Mitglied stabilisiert die Republik.

Trotzdem lassen wir es. Denn so attraktiv neue Extras wären, so unklug wäre es, Dinge zu versprechen, die uns dann binden. Sicher, die Republik sieht zwar im Moment furchtbar nach Erfolg aus: Medien-Crowdfunding-Weltrekord, 2,7 Millionen Franken gesammelt, ein Artikel in der «Columbia Journalism Review» etc. Aber sie bleibt ein Hochrisiko-Projekt.

Dass wir Sie als zukünftige Leser auch als Verlegerinnen anreden, ist mehr als eine Floskel. Wir sehen die Republik ernsthaft als gemeinsames Unternehmen an. Natürlich können Sie uns nicht die Arbeit abnehmen: weder heute beim Aufbau der Firma noch morgen beim Machen von Journalismus. Aber wir wollen mit Ihnen auf Augenhöhe reden. Und Ihnen keinen Unfug erzählen. Und keinen Unfug vorschlagen.

Tatsache ist: Jeder undurchdachte Ausbau würde vom Wesentlichen ablenken. Der Job, den wir Ihnen versprochen haben, ist folgender: ein neues Geschäftsmodell für unabhängigen Journalismus aufzubauen – kompromisslos in der Qualität, leserfinanziert, ohne Werbung. Und Ihnen damit ein eigenes Expeditionsteam in die Wirklichkeit zu liefern: für Klarheit und Überblick in den grossen Fragen, Themen, Debatten. Damit Sie bessere Entscheidungen treffen können.

Das ist riskant genug. Die Liste einiger Klippen für den weiteren Aufbau der Republik finden Sie hier:

  1. Laut Businessplan muss die Republik in fünf Jahren 22 000 Mitglieder gewinnen, bis das Modell selbsttragend funktioniert. Mehr als die Hälfte der Mitglieder kam bereits zusammen. Weit mehr als vorhergesehen, aber immer noch weit weg vom Ziel. Nicht zuletzt, weil uns alle Expertinnen warnen, dass nach einem Jahr die Hälfte nicht erneuert. Wir werden zwar einige Ideen haben, damit dies nicht passiert – aber wer weiss.
  2. Der Plan für die Republik war und ist: Das Magazin gross genug zu bauen, damit es schlagkräftig ist, aber auch schlank genug, damit es überlebt. Es wäre Unfug, mit der explosiv gewachsenen Leserschaft ebenso explosiv die Aufgaben zu erhöhen.
  3. Trotz aller Schlankheit steckt eine Menge Komplexität in unseren Plänen. Wir planen ein neues Businessmodell, einen aufs Wesentliche konzentrierten Journalismus, ein neuartiges Verhältnis zu Lesern als Verlegerinnen, eine neue IT-Architektur (open source), eine möglichst flache Hierarchie, ein möglichst diverses Team. An Ehrgeiz mangelt es nicht. Im guten Fall gelingt uns ein Wurf aus einem Guss. Im schlechten Fall droht uns Überkomplexität – und Feuer an Bord.
  4. Ab Ende Mai eröffnen wir drei Grossbaustellen: 1. Wir müssen das intime Entwicklungsteam in eine funktionierende Firma und Redaktion umbauen. 2. Wir müssen die Redaktion zusammenstellen und zu einer Einheit zusammenschmieden, die brauchbare Ware liefert. 3. Wir müssen eine IT-Plattform bauen, die so einfach, schön, unauffällig ist, als wäre sie nicht ein Stück Technik, sondern ein Stück Natur.

Entscheidend für den Erfolg unseres Unternehmens wird die Konzentration aufs Wesentliche sein. Also nicht nur, was wir tun, sondern auch, was wir lassen.

Fangen wir damit an. Also: keine Zwischenziele, die vom Plan ablenken. Kein Bullshit.

Derzeit reist die Crew der Republik und von Project R kreuz und quer durch die Schweiz und bis nach Deutschland, um mit möglichst vielen von Ihnen über Ihre Vorstellungen und Wünsche zu reden. Die Liste aller Veranstaltungen finden Sie hier.

Herzlich!

Ihre Crew der Republik und von Project R

PS: Unser momentaner Verzicht auf neue Ziele schliesst nicht aus, dass wir doch noch neue Zwischenziele setzen werden. Tatsächlich ist es so, dass wir an einer Idee arbeiten.

PPS: Falls Sie mit dem Gedanken spielen, bei uns an Bord zu kommen, tun Sie es vor Sonntag Mittag. Denn dann schaffen Sie es noch in unsere spektakuläre Abonnentinnen-Statistik am Montag. Dort erfahren Sie, wer Sie alle sind: Wo Sie wohnen, wie alt Sie sind, wie schnell Sie abonnierten – und wie es um Ihre Zahlungsmoral steht.

Einladung an Eric Gujer und Marc Walder

4. Mai 2017 17 Uhr

Mit dem Vorschlag für einen Pakt NZZ/Ringier/Republik

Sehr geehrter Herr Gujer, sehr geehrter Herr Walder

Kaum gegründet, planen wir bei der Republik die Zukunft. Und sprechen deshalb mit sehr vielen Leuten. Darunter sind selbstverständlich auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus den Häusern NZZ und Ringier.

Diese erzählten uns (unabhängig voneinander) dieselbe Geschichte. Mittwoch letzter Woche debattierten Ihre Redaktionen, was sie zum verblüffend undramatischen Start der Republik schreiben sollten. Der Grund war, dass die Republik eben den schnellsten Start in der Geschichte des Schweizer Crowdfundings hingelegt hatte. (Und wenig später auch den Weltrekord für Medien-Crowdfundings schlug.) Worauf Sie die Debatte Ihrer Redaktionen unterbrachen – und zwar radikal. Sie sprachen in Ihrem Unternehmen ein Schreibverbot über unser Unternehmen aus.

Eines, das im Fall der NZZ einen Tag hielt, im Falle Ringier bis heute.

Wie sich Anwesende erinnern, taten Sie, Herr Gujer, es in der NZZ mit dem Satz: «Wir machen keine Werbung für die Konkurrenz!» Während Sie, Herr Walder, Ihr Verbot mit der Begründung übermittelten, man solle keine «Gratis-Werbung» für die Republik machen.

Das ist natürlich Ihr volles Recht. Ihre Häuser können schreiben und nicht schreiben, was Sie wollen.

Trotzdem finden wir Ihre Entscheidung ein wenig übertrieben. Sind Sie sicher, dass Sie unser Projekt nicht etwas überschätzen? Die NZZ existiert seit 237 Jahren, Ringier seit 184 Jahren, die Republik war zum Zeitpunkt Ihres Verbots gerade ein paar Minuten alt. Der Letzte, der solche Furcht vor Neugeborenen zeigte, war König Herodes.

Es beruhigt Sie sicher, dass wir Ihnen nichts übel nehmen. Wir sehen die Sache als – weit übertriebenes – Kompliment. Und wir werden uns auch keinesfalls revanchieren, etwa durch einen Gegenboykott. Die Republik wird selbstverständlich (und ohne Vorurteile) auch über Ihre Unternehmen schreiben, sobald diese etwas Interessantes tun. Beispielsweise, wenn sie einen Weltrekord brechen.

Leicht irritierend finden wir allerdings, dass Sie, wenn wir Ihrer Meinung nach Zweifelhaftes treiben, nicht zur klassischen Antwort des Journalismus greifen: zur Recherche. Dabei gäbe es durchaus mehrere heikle Punkte, wo sich zu graben lohnte. Denn die Republik ist ein Hochrisiko-Projekt. Sicher, im Moment sieht alles oberflächlich nach Erfolg aus. Aber mit etwas Erfahrung sieht man mehrere Klippen, an denen das Unternehmen scheitern könnte.

Hier einige Tipps, wo wir recherchieren würden, wenn wir Sie wären:

  • Die Republik versucht sehr viel gleichzeitig zu erfinden: ein neues Geschäftsmodell, ein neues Journalismuskonzept, neue Besitzverhältnisse, eine neue IT-Architektur (Open Source), ein neues Verhältnis zum Publikum mit den Lesern als Verlegerinnen – gut möglich, dass das tödlich viel Ehrgeiz ist. Wie will das Management der Gefahr der Überkomplexität begegnen?
  • Das Projekt hatte bereits mehrere Formen. Die Republik startete als Feierabend-Verschwörung, mutierte zum Ideen-Entwicklungslabor und in den letzten Wochen wiederum zu einer ziemlich effizienten Marketingmaschine. Nun häutet es sich erneut. Ab Ende Mai muss die Republik in sieben Monaten zu einer Firma und einer Redaktion umgebaut werden, unter dem Druck von Zeit und enormen Erwartungen. So etwas passiert nicht ohne Schmerzen.
  • Sicher, 10 700 zukünftige Leserinnen und Leser, die im Voraus 240 Franken bezahlten, sind ein überwältigender Vertrauensbeweis. Aber mit welchen Mitteln will die Redaktion 10 700 Blind Dates in 10 700 Ehen verwandeln?
  • Der häufigste Todeszeitpunkt für Start-up-Firmen, liest man, kommt nach drei Jahren. Dann, wenn alle Beteiligten ein Privatleben wollen und die Firma selbst längst nicht mehr das neueste, heisseste Ding im Quartier ist. Wie verwandelt man eine Rebellion in eine Institution?

Das sind nur ein paar Vorschläge für eine skeptische Recherche. Uns fallen durchaus ein paar weitere heikle Punkte ein.

Aber mit Sicherheit nicht alle. Und deshalb bedauern wir Ihren spontanen Boykott aufrichtig. Weil sowohl die NZZ wie Ringier ein paar hervorragende Spezialisten an Bord haben. Die bei uns die Schwachstellen entlarven könnten, die wir noch nicht kennen. Denn nichts ist für Menschen, Unternehmen, Staaten so gefährlich wie die blinden Flecken.

Das ist auch der Sinn von harter Kritik, ja überhaupt der Sinn einer funktionierenden Presse. Sie ärgert, manchmal sogar sehr, aber sie verbessert.

Es freut uns sehr, dass Sie, Herr Gujer, Ihr radikales Verbot inzwischen überdacht haben. Und erlaubten, dass heute Morgen eine kurze, kritische Analyse zur Republik in der NZZ erschien. Wir rechnen Ihnen das hoch an. Es ist das Zeichen eines souveränen Kopfes, sein Urteil zu ändern, wenn es nicht mehr der Wirklichkeit entspricht. Wir hoffen, dass wir in ähnlichen Fällen die Grösse aufbringen, Ihrem Vorbild zu folgen.

Trotzdem scheint es uns verblüffend, dass der einzige Artikel, der die Republik-Geschichte wirklich in die Tiefe recherchierte, ausgerechnet aus New York kam. Von Frau Alison Langley von der Columbia Journalism Review. Sie finden ihn hier.

Und deshalb, lieber Herr Gujer, lieber Herr Walder, laden wir Sie – einzeln oder gemeinsam – zu einem Tee, Kaffee (oder auch zu etwas Härterem) in unsere Firma im Hotel Rothaus ein. Lassen Sie uns in Ruhe mögliche Differenzen bereinigen. Und einen Pakt schmieden: Wir kritisieren Sie, Sie kritisieren uns – zu unserem beiderseitigen Vorteil.

Damit, sehr geehrte Kollegen, heissen wir Sie willkommen an Bord!

Mit herzlichen Grüssen von der Langstrasse an die Falken- und die Dufourstrasse,

Ihre Crew von der Republik und Project R

PS: an unsere Leser und Leserinnen: Natürlich freuen wir uns, wenn Sie diesen und andere Posts der Republik teilen. Wir sind beim Crowdfunding auf Sie angewiesen – umso mehr, wenn die Berichterstattung in den klassischen Medien wenig interessiert bleiben sollte.

PPS: Aber noch mehr zählen wir auf Ihre aufrichtige Kritik, sobald wir 2018 gestartet sind. Wir wollen Sie nicht nur als Leser, sondern auch ein wenig als Verlegerin. Und schätzen Ihre Skepsis mindestens genauso hoch wie Ihr Vertrauen.

PPPS: Falls Sie noch nicht an Bord sind, aber zu unseren zukünftigen Kritikern und Kritikerinnen gehören wollen – hier haben Sie die Möglichkeit, das zu ändern: republik.ch

Breaking News: Wir sind nun eine mittlere Rebellion

1. Mai 2017 12 Uhr

Sie sind nun über 10 000 Mitglieder, zukünftige Leser, zukünftige Verlegerinnen. Merci, über 10 000 Mal!

Damit ändert sich der Status unseres gemeinsamen Unternehmens. Noch letzten Mittwoch schrieben wir: «Die Republik ist eine kleine Rebellion für Journalismus. Und gegen die Grossverlage.» Doch über 10 000 Leute sind keine kleine Rebellion mehr. Sondern eine mittlere.

Die Republik wuchs derart schnell, dass wir im Hotel Rothaus kaum Zeit hatten, durchzuatmen. Zwar vermuteten ein paar Leute, dass bei uns seit Tagen die Korken knallten. Schön wärs. Geknallt haben sie nur für fünf Minuten, letzten Mittwoch. Als wir das Minimalziel erreichten: die eigene Existenz. Es gab ein kurzes Hurray! Und ein paar lange Umarmungen. Und dann ging es zurück an die Arbeit.

Jetzt wissen wir, wie sich unerwarteter Erfolg anfühlt: struppig. Wenn Sie Ende Woche bei uns vorbeigekommen wären, hätten Sie ein gutes Dutzend Leute angetroffen, die aussahen, als hätten sie unter der Brücke geschlafen. Oder – im Fall unserer IT-Crew – überhaupt nicht.

Und so ist es auch. Wir fühlen uns nicht als Siegerinnen, sondern als Überlebende. Sie haben uns in wenigen Tagen ein überwältigendes Vertrauen ausgesprochen. Und ein Mandat gegeben: ein neues Modell für den Journalismus aufzubauen, kompromisslos in der Qualität, finanziert von den Leserinnen, ohne Werbung und ohne Bullshit.

Und Hölle ja, darüber freuen wir uns, Müdigkeit hin, Müdigkeit her. Wir freuen uns sogar sehr. Es wird keine kleine Aufgabe, Sie mit einem journalistischen Produkt zu überzeugen statt nur mit einem Plan. Immerhin sind Sie über 10 000. Aber es ist ein echtes gemeinsames Abenteuer. Wir werden alle Neuland betreten.

Die Zahl 10 000, gebildet aus vielen Portrait Fotos in Schwarz-Weiss

Bis Ende Mai läuft das Crowdfunding. Wir werden kreuz und quer durchs Land reisen, als wären wir die Flipperkugeln und die Schweiz der Kasten. Weil wir mit möglichst vielen von unseren zukünftigen Leserinnen reden wollen. Dann folgen zwei Wochen Schlaf und 6,5 Monate Aufbau. Wir müssen eine möglichst schöne, schlanke, einfache IT bauen (die Druckmaschine des 21. Jahrhunderts). Und eine möglichst schlagkräftige Redaktion gründen, gemischt nach Erfahrungen, Kenntnissen, Männern und Frauen. Und ab Januar 2018 geht es los.

Aber das ist Zukunft. Übers Wochenende hatten wir erstmals etwas Zeit zum Nachdenken. Und uns wurde klar, dass wir den Run auf die Republik keineswegs nur der Leistung der Kerncrew verdanken. Und auch nicht nur unserer rund fünf Dutzend Beraterinnen und Helfern im Hintergrund. Sondern auch der Leistung von unzähligen Journalistenkollegen. Und zwar nicht ihrer schlechten Leistungen. Sondern ihrer exzellenten.

Denn ohne dass man hervorragende Arbeit kennt, gibt es auch kein Bedürfnis nach ihr. Nur naive Leute wünschen sich schwache Konkurrenz. Denn im Journalismus wie im Leben ist man nur so gross wie die Leute an den Nebentischen – mal ein paar Zentimeter grösser, mal kleiner. Wer immer sich unter Zwerge begibt, um ein Riese zu sein, schrumpft schnell.

Insofern verbeugen wir uns offiziell vor der Konkurrenz. Sie macht unter harten Bedingungen oft hervorragende Arbeit: die Schweizer Seiten der «Zeit» etwa. Oder die WOZ, die mit dem monströs langen Islamistenporträt den Artikel des Jahres brachte. Oder der «Schweizer Monat», der es schaffte, den engen Gürtel der eigenen Ideologie zu sprengen, und der immer liberaler wird.

Sie alle schreiben regelmässig beneidenswerte Artikel – und beneidenswert schwarze Zahlen.

Aber auch die grosse Konkurrenz ist besser als ihr Ruf. Der «Tages-Anzeiger» etwa hat einen herausragenden Hintergrundteil und mit dem Quartett Loser/Cassidy/Häfliger/Lenz das schlagkräftigste Inland-Ressort seit Jahrzehnten. Und die NZZ hat zwar die Neigung, die Welt wie ein Theaterkritiker zu behandeln: Die Wirklichkeit wird hart getadelt, wenn sie nicht dem Lehrbuch entspricht. Aber ihre Breite und Sorgfalt bleiben vorbildlich. Und ihr Verlag ist der letzte der drei Grossverlage, der radikal auf Publizistik setzt.

Ebenso haben wir Respekt vor der AZ-Gruppe: Die Wanner-Familie ist die letzte echte Verlegerdynastie des Landes. Wie alle echten Verleger hat sie eine Leidenschaft für das Portemonnaie, aber auch für verlegerische Kühnheit: Watson, die «Schweiz am Wochenende» oder die «Aargauer Zeitung» sind von Ehrgeiz geprägt.

Selbst die SVP-nahe Presse leistet immer wieder Exzellentes. Die «Weltwoche» etwa mit der Recherche, die den SVP-Bundesratskandidaten Bruno Zuppiger abschoss. Oder kurz vor seinem Tod ein letztes Porträt des Literatur-Nobelpreisträgers Dario Fo brachte, geschrieben als Dario-Fo-Drama: Es war ein kleines Meisterwerk.

Wir von der Republik sind dagegen, einfach aus Prinzip Dinge schlecht zu finden, selbst wenn man die Urheberin nicht mag. Oder die Leistungen der Konkurrenz kleinzureden. Und wir hoffen, dass unsere Leser, Abonnentinnen und Verleger das auch so halten. Denn ein klarer Blick auf die Welt braucht zwei Dinge: Genauigkeit und Grosszügigkeit – eigentlich sind beide dasselbe.

Wir sind überzeugt, dass die mittlere Rebellion unserer zukünftigen Leser sich nicht gegen die Journalistinnen richtet. Sondern für sie einsteht. Und für ihre Arbeit. Der durchaus spürbare Zorn hinter der Rebellion richtet sich gegen die Urheber der Unzufriedenheit: das Management der grossen Verlage.

Denn dieses schafft Bedingungen, unter denen vernünftiger Journalismus nicht mehr möglich ist. So etwa entstanden Online-Tretmühlen, wo junge Journalisten ein bis drei Artikel pro Tag schreiben – bei diesem Ausstoss würde selbst ein Pulitzer-Preisträger keine vernünftige Arbeit machen. Die Karriere der Jungjournalistinnen sieht dann so aus: Sie verrichten ein paar Jahre anonyme Akkordarbeit, bevor sie ausgebrannt den Beruf wechseln. Und niemand wusste, dass sie da waren.

Oder: In grossen Zeitungen werden immer mehr Funktionen auf eine schrumpfende Anzahl von Leuten verteilt – ohne Budget. Das Organisationsmodell dieser Zeitungen gleicht dann einem Ehepaar mit zu kurzer Bettdecke (einfach mit 150 Leuten): Wo immer man gerade ein Körperteil bedeckt, wird an einer anderen Stelle einer frei.

Oder: In seriösen Wirtschaftszeitungen wird zunehmend über «Konvergenz» gesprochen. Und damit ist nicht mehr die Konvergenz von Print und Online gemeint. Sondern die Konvergenz zwischen Redaktion und Werbeabteilung. In den gemeinsamen Sitzungen fallen dann Sätze wie: «Über Salt dürft ihr ab jetzt wieder kritisch schreiben – die schalten keine Inserate mehr.»

Das Unfaire daran ist, dass dafür nicht die Chefetage, sondern die Journalisten geradestehen müssen. Wird eine Zeitung kaputtgespart oder kaputtorganisiert, merkt man das als Leser oder Leserin nur langsam. Sie wird einfach immer nur etwas dünner und grauer. Eine Zeitung stirbt nicht mit einem Knall, sondern mit einem Winseln. Wird sie dann eingestellt, weint ihr kaum jemand eine Träne nach – weil die Redaktion ja schon lange schlechte Arbeit machte. Dabei war das nicht das Versagen der Journalisten, sondern ein Managemententscheid Jahre vorher.

Deshalb:

Verlagsmanager, Verlagsmanagerinnen! Gegen euch richtet sich diese mittlere Rebellion der Republik! Denn ihr vergesst eure Verpflichtungen. Die Verpflichtungen gegenüber den Leuten, die bei euch arbeiten, damit sie die Chance haben, überhaupt gute Arbeit zu tun. Gegenüber euren Lesern und Leserinnen, die nicht mit halbfertiger Ware beliefert werden wollen. Und gegenüber der Öffentlichkeit: Denn auch in einer Demokratie werden durch schlechte Informationen schlechte Entscheidungen gefällt.

Wir von der Republik wissen, dass eure Aufgabe nicht leicht ist. Die Inserate verschwinden im Netz, damit Umsatz und Einnahmen. Wir verstehen, dass hart kalkuliert werden muss. Dass euer Job vielleicht der schwierigste in der ganzen Branche ist. Aber das rechtfertigt nicht, ihn schludrig zu tun. Unser Vorschlag wäre: 1. Redet vor euren Entscheiden mit der Redaktion – was braucht sie, was nicht, um gute Arbeit zu tun? 2. Spart – aber klug, mit teilweisem Ausbau. Konzentriert die Kräfte, wo euer Produkt sinnvolle und exzellente Arbeit tun kann – und streicht bei dem Rest. 3. Teilt dann euren Leserinnen und Lesern mit, was ihr tut, warum ihr es tut, wie ihr es tut – sie werden es verstehen.

In der Krise zeigt sich, wer Kopf und Herz hat. Es ist Zeit, sich zu bewähren.

Jedenfalls, geehrte Kolleginnen Journalisten, geehrte Kollegen Verlegerinnen: Die Republik hat alles Interesse an eurem Wohl. An einer starken, brillanten, tatkräftigen Konkurrenz. Denn man lebt und arbeitet nie allein. Und man wächst nur gemeinsam.

Wir von der Republik wünschen euch nur das Beste.

Über den Tellerrand der Republik

29. April 2017 10 Uhr

Gratulation zu Ihrer Kühnheit! Sie haben in Ihrer Funktion als Verlegerin und Verleger ein kleines Stück Pressegeschichte geschrieben: Soeben haben Sie die teuersten Storys in der Schweizer Presse bewilligt. Wir werden pro Jahr vier Monsterrecherchen in Auftrag geben – mit einem durchschnittlichen Budget von 60 000 Franken. Damit schaffen wir einen entscheidenden Unterschied im Mediensystem: kein uns bekanntes Schweizer Medium investiert so viel Zeit – also Geld – in journalistische Recherchen. Damit können wir zum Beispiel Datenjournalistinnen zwei, drei Monate lang Daten durchforsten lassen oder Reporter so lange wie nötig auf Recherche schicken. Mit dem Zweck, dass die Republik als schlankes Medium regelmässig die weit finanzkräftigere Konkurrenz schlagen kann. Und das nicht nur mit Ideen, sondern auch der zweitschrecklichsten publizistischen Waffe, die je erfunden wurde: mit Geld.

Sodass Sie regelmässig Ihren Freunden und Feinden sagen können: Tja, wenn Sie wissen wollen, wer hinter dieser Geschichte steckte – das war zu einem Neuntausendstel … ich. Denn Sie haben diesen Entscheid ermöglicht, indem Sie bereits 9000 Mitglieder sind. Weit mehr als jeder Medienexperte erwartete. Aus der kleinen Rebellion für Journalismus und gegen die Grossverlage ist längst eine mittlere Rebellion geworden.

Damit zu unserem nächsten Vorschlag, um mit einem schlanken Budget möglichst herausragenden Journalismus zu machen: Wir nutzen den Standortvorteil der Schweiz. Und richten bei 10 000 Abonnenten und Verlegerinnen ein festes Budget ein, um herausragende Profis im Ausland einzukaufen.

Für Eilige ist der Plan bereits glasklar. Falls Sie ihn unterstützen wollen, weiter rechts können Sie mitmachen.

Die Sorgfältigen unter Ihnen wollen mit Sicherheit mehr Informationen vor ihrer Entscheidung. Nachfolgend also unser Plan.

Erfolg ist wunderbar, aber auch gefährlich. Mit der wachsenden Zahl an Lesern und Leserinnen wächst auch unsere Verantwortung. Es ist keine Option, so viel Vertrauen, so viele Erwartungen zu enttäuschen.

Und das wird nicht einfach. Am Mittwochmorgen um 6.59 Uhr hatte die Republik exakt 19 Mitglieder. Jetzt, am Samstagmorgen, sind es 9007. Betrachtet man unsere Community-Seite, findet man 2000 Fotos der Republik-Abonnentinnen und -Abonnentesn – Leute jeden Alters, jeden Berufs, sogar fast jeder politischen Ausrichtung. Und seit der Nachricht vom Medien-Crowdfunding-Weltrekord sind immer mehr Gesichter aus Deutschland und Österreich darunter.

Und all diesen Leuten haben wir ein nicht kleines Versprechen gegeben: Für sie ihr privates Expeditionsteam in der Welt zu sein.

Nun wäre es unverantwortlich, auf das explosive Wachstum unserer Leserschaft mit einem explosiven Wachstum unserer Redaktion zu antworten. Die Fixkosten würden schnell ins Untragbare steigen. Der Grund dafür ist einfach: Unsere Büroräume befinden sich in Zürich. Und dort kostet bereits ein einziger Kaffee so viel wie in den ärmsten Ländern eine Monatsmiete.

Leben und Löhne sind hier absurd teuer. Trotzdem hat die Schweiz zwei Standortvorteile für ein journalistisches Projekt: 1. Die Schweiz hat eine lange Tradition des freien Worts. Und kaum eine Geschichte der Zensur. 2. Nicht nur ein Schweizer Kaffee erscheint im Ausland absurd teuer. Sondern auch ein Schweizer Honorar.

Das heisst: Zahlen wir im Ausland ein faires Schweizer Honorar, wird aus dem fairen Honorar ein hervorragendes. Und für hervorragende Honorare bekommt man hervorragende Leute.

Kurz, mit dem neuen Einkaufsbudget kann die Republik hervorragende Reporterinnen, Experten, Schriftstellerinnen, Rechercheure im Ausland für einmalige oder ständige Mitarbeit gewinnen. Also wirkliche Könnerinnen, die zudem noch über das eigene Land weit besser Bescheid wissen als der beste Reporter, der für zwei Wochen einfliegt. Die Republik könnte Richtung USA, Südamerika, Afrika, Asien expandieren. Und das, ohne ihr Budget in die Luft zu jagen.

Was uns an diesem Plan besonders gefällt: Er ist eine Win-win-win-Situation. Sie gewinnen hervorragende Artikel, wir gewinnen hervorragende Autoren – und die Autorinnen gewinnen ebenfalls: 1. Ein hervorragendes Honorar. Und 2. haben sie noch zusätzlich die Möglichkeit, ihren Artikel in der eigenen Sprache ein zweites Mal zu verkaufen.

Genau bedacht, ist es ein teuflisch guter Plan – einfach ohne teuflisch.

Überzeugt er Sie auch, dann unterstützen Sie ihn gleich hier rechts.

Und ja, es wäre einfach unglaublich, wenige Tage nach dem Start 10 000 Mitglieder zu haben!

Weltrekord für journalistisches Crowdfunding

27. April 2017 20 Uhr

In unserem Newsletter von heute morgen baten wir Sie um einen klassischen verlegerischen Entscheid: Um eine elfte Redaktionsstelle. Wir würden eine schaffen, falls 7000 Mitglieder zusammenkämen.

Nun, Sie haben für einen Verleger untypisch schnell geantwortet. Um Punkt 14.30 hatte die Republik 7001 Mitglieder. Einmal mehr: Danke! Und: Wow! Sie haben soeben das Berufsleben eines Menschen entscheidend verändert. Und Sie haben uns ein vielleicht entscheidendes Stück Grösse verschafft.

Genau darüber müssen wir uns unterhalten. Der Ansturm von Lesern und Verlegerinnen auf die Republik freut uns natürlich. Gestern Abend um 20 Uhr brach die Republik den Schweizer Rekord für Crowdfundings. Und heute haben wir zusammen einen Weltrekord gebrochen: Die Republik ist seit heute, 14.30, das grösste Medien-Crowdfunding der Welt.) (Den Rekord hielt bisher unser holländisches Vorbild «De Correspondent» mit 1,7 Millionen Dollar. Wir gemeinsam haben ihn geschlagen, bei Redaktionsschluss mit 1 844 000 Franken.)

Bildschirm zeigt Webseite des Crowdfunding bei Stand 7272 Mitglieder

Die gute Nachricht dabei ist: Sie sind grossartig! Die schlechte Nachricht dabei ist: Wir werden es auch sein müssen. Denn wir sehen den Rekord nicht nur als Anlass zur Freude. (Zu grosser Freude!) Wir sehen ihn auch als Auftrag. Und zwar als Auftrag, ihrem Vertrauen gerecht zu werden. Wir dürfen es nicht vermasseln. Wir müssen überzeugende Arbeit machen. Und gelegentlich sogar noch mehr: aussergewöhnliche Arbeit, die Sie begeistert.

Und zwar deshalb: Sie werden sich zwar – wie alle Verleger weltweit – immer wieder über uns ärgern. Aber unser Job ist auch, dass Sie auch immer wieder stolz sein können, Teil der Republik zu sein. Und das schafft man nicht durch Routine, nur durch Aussergewöhnliches.

Damit zu unserem gemeinsamen Problem. Trotz aller Euphorie ist die Republik ein sehr schlank geplantes Medium. Sie soll ja auf einem kleinen Markt überleben. Dass heisst: Wir treten gegen weit grössere Redaktionen an. Und müssen trotzdem einen Unterschied machen. Denn sonst hätte das ganze Unternehmen keinen Sinn. Kurz: Wir müssen die grösseren Redaktionen bei grossen Themen regelmässig überflügelt.

Wie wollen wir das tun? Unsere publizistische David-gegen-Goliath-Strategie, in äusserster Kurzform, hat die Formel: Fokus! Fokus! Weitwinkel!

Der Weitwinkel wird darin bestehen, dass wir alles, was wir machen, gross machen. Es braucht Weite im Blick, Weite in der Recherche, Grosszügigkeit in der Aufmachung. Und nicht zuletzt braucht es Grosszügigkeit im Herzen.

Denn guter Journalismus ist alles andere als ein nacktes Abbild der Wirklichkeit. Hitchcock sagte einmal, ein Film sei das Leben, aus dem man die langweiligen Momente heraus geschnitten habe. Dasselbe gilt auch für Journalismus. Grosser Journalismus ist wenig larger than life. Er bringt die besten Geschichten, die besten Szenen, die besten Zitate und Argumente. Und streicht alles andere. Er filtert. Und er holt aus. Er beschreibt nicht das Ereignis, sondern die Bedeutung des Ereignisses, nicht das Problem, sondern die Tiefe des Problems, nicht nur das Leben, sondern mit Respekt dem Leben: seiner Wildheit, Schönheit, Unberechenbarkeit. Die traurigste Lüge von schlechtem Journalismus ist, dass das Leben grau, mickrig und langweilig ist.

Grösse ist weniger eine Frage der Zahl, sondern von Haltung. Sie gehört bei gutem Journalismus quasi zur Berufskleidung. So wie der Banker am Morgen seine Krawatte, so muss man als Journalist am Morgen - noch unrasiert, mit dem Kaffeebecher in der Hand – einen unsichtbaren Mantel aus Grösse anziehen. Dabei spielt es keine Rolle, wie klein und hässlich man privat ist. Denn ohne etwas Grösse und Grosszügigkeit schreibt man kleine, bösartige, sinnlose Geschichten.

Unser Plan ist: Wir machen die grössten und aufwändigsten Recherchen der Schweiz. Indem wir ein Budget für jährlich vier Monsterrecherchen eröffnen: Jede Story im Schnitt 60 000 Franken teuer. Wir nehmen das Budget für die vier Monsterrecherchen definitiv in das Konzept für die Republik auf, sobald wir 9000 Mitglieder haben.

Leicht ausführlicher gesagt: Wir planen zwar eine kleine Redaktion – aber eine, die hart debattiert: Was sie tut, was sie lässt. Und dann ihre Kräfte genau dort fokussiert, wo es interessant wird. Zum zweiten fokussieren wir auf: Sie. Wir schalten keine Werbung, haben also keinen anderen Kunden.

Kurz: Wir werden bei unserem Produkt auf Konzentration und Grösse setzen. Egal, wie klein unsere Redaktion ist. Egal, wie zweifelhaft wir auch privat sein mögen.

Noch einmal: Danke für den Weltrekord.

Stelle Nummer 11

27. April 2017 07 Uhr

Unser nächstes Ziel. 7000 Mitglieder. Stelle Nummer 11

Der gestrige Tag entwickelte sich in rasendem Tempo. Und mit ihm die Republik. Gestern um 7 Uhr am Morgen war die Republik noch Plan, Hoffnung, Projekt. Wenige Stunden später, um 15 Uhr, ist sie bereits eine Tatsache geworden. Gegründet von 3000 zukünftigen Lesern und Verlegerinnen.

Bereits kurz nach Beginn erklärten die Profis, kein Crowdfunding in der Schweiz sei je erfolgreicher gestartet, als dasjenige der Republik. Gestern, kurz vor 20 Uhr, brach die Republik nach nur 13 Stunden den absoluten Crowdfunding-Rekord in der Schweiz: 4600 Menschen zahlten insgesamt über 1,2 Millionen Franken.

Und jetzt, kurz vor 8 Uhr, hat die „Republik“ bereits 5871 Mitglieder. Wir haben versprochen, in diesem Fall die Ausbildungsplätze von 2 auf 4 zu verdoppeln. Wir werden dieses Versprechen halten.

Das heisst: Sie haben gestern an diesem kalten und nassen Mittwoch auf einen Schlag unglaublich viel möglich gemacht. Sie haben das Leben von zwei jungen Menschen verändert, die davon noch gar nichts wissen. (Hoffentlich zum Guten!) Und davor haben Sie in nicht einmal acht Stunden ein neues Modell für Journalismus im Schweizer Medienmarkt verankert.

Die Entschiedenheit, mit der Sie das taten, verblüfft sogar uns. Und es wird auch die Strategen in den Verlagsetagen verblüffen. Und, wie wir hoffen, auch einige Ihrer Pläne ändern lassen. Denn seit heute ist klar: Journalismus, konzentriert auf das Wesentliche, ohne Bullshit, hat ein Publikum. Und zwar ein leidenschaftliches. 240 Franken sind ein Bekenntnis. Und ein Auftrag.

Unsere Aufgabe wird sein, Ihnen für Ihren Mut keine Schande zu machen. So, dass Sie stolz sein können, bei uns zu einem kleinen Teil Verlegerin zu sein. Darum haben wir als nächstes Ziel einen klassischen Personalentscheid gewählt, so wie Verlagschefs ihn oft treffen müssen. Wir beantragen die Stelle Nummer 11.

Bis heute planten wir eine Redaktion von zehn Leuten. Als wir unser Magazin entwickelten, schien uns das die minimale Anzahl, mit denen man genug verschiedene Fähigkeiten an Bord holt. So, dass die Republik zwar schlank genug zum Überleben ist, aber schlagkräftig genug für die öffentliche Debatte.

Nur: Eine Frau oder ein Mann mehr kann einer Redaktion ungeheuer viel bringen. Denn guter Journalismus braucht Menschen mit eigenem Kopf. Ein guter Journalist, eine gute Journalistin hat Stärken, Obsessionen und Schwächen, kurz: einen unkopierbaren, eigenen Blick. Gute Leute kann man feuern oder vergessen, aber nicht ersetzen.

Und Redaktionsmitglied Nummer 11 wird genau diese Leistung bringen: Unkopierbares. Stellen wir 11 nie an, werden Sie 11 nie vermissen. Stellen wir 11 an, werden Sie 11 vermissen, wenn 11 geht.

Ein einzelner Mensch verändert viel. So, wie Sie heute schon viel verändert haben. Deshalb, geehrte gegenwärtige Verleger, geehrte zukünftige Verlegerinnen - wir würden 11 gern einstellen. Sobald die „Republik“ 7000 Mitglieder hat. Denn wir sind wirklich neugierig, wer 11 ist.

Und Sie verändern ein weiteres Leben. Wir sind zuversichtlich, dass das Leben von 11 dadurch interessanter wird. Und Ihres auch.

Unser nächstes Ziel 5000

26. April 2017 17 Uhr

Wir haben es zusammen mit Ihnen geschafft!

Heute morgen sind wir als freie Menschen aufgestanden. Und jetzt, seit 15 Uhr, haben wir über 3000 Verlegerinnen und Verleger. Die Republik wird gegründet! Wir danken Ihnen für Ihren Mut, für Ihr Geld, für Ihre Schnelligkeit, für Ihr Vertrauen! Und heissen Sie als unsere neuen Arbeitgeber willkommen!

Das alles ging so schnell, dass wir noch nicht einmal Zeit gefunden haben, uns vor der neuen Verantwortung zu fürchten. Heute morgen dachten wir noch an ganz anderes. In der Nacht hat keiner von uns mehr als drei Stunden geschlafen. Die einen mit der Ausrede, dass sie durcharbeiteten. Der Rest ohne Ausrede.

Eigentlich glaubten wir, dass es einen Monat brauchen würde, 3000 von Ihnen zu überzeugen. In Wahrheit dauerte es nicht einmal einen Tag. Keiner von uns hat damit gerechnet. Denn das wäre jenseits der Realität gewesen. Aber die «Republik» hat am ersten Tag den Startrekord von Crowdfundings in der Schweiz pulverisiert.

Nun gibt es für niemanden mehr ein Entkommen. Die Investoren werden die versprochenen 3,5 Millionen Franken zahlen. Und wir wissen, dass wir in Ihrer Schuld stehen: Wir haben bisher hektoliterweise Hoffnung verkauft. Und müssen Sie nun über Jahre in kleinen Fläschchen zurückzahlen.

Doch fürs Erste geht es jetzt darum, das nächste Ziel zu erreichen. Schon aus sportlicher Sicht. Den Crowdfunding-Rekord hält bis jetzt unsere eigene Kampagnenchefin Andrea Arezina. Sie sammelte gegen die SVP-Durchsetzungsinititiative 1,2 Millionen Franken. Im Augenblick liegen wir bei 1 016 181 Franken. Wir haben also die seit unserer Kindheit erträumte Chance, wie Lucky Luke schneller zu sein als unser Schatten. Also Andrea mit Andrea zu schlagen.

Bildschirm zeigt Webseite des Crowdfunding bei Stand eine Million Franken

Darüber hinaus geht es um die Zukunft der jungen «Republik». Das Crowdfunding ist nur das erste Problem. Denn wir müssen in fünf Jahren 22000 Abonnenten und Abonnentinnen (Verleger und Verlegerinnen) erreichen. Denn dann sind wir selbsttragend. Also endgültig unabhängig von Kapital aller Art. Und wir haben erreicht, worum es uns letztlich geht. Den Beweis, dass ein neues, vernünftigeres Modell für Journalismus funktioniert.

Denn es geht uns nicht nur um uns. Es geht uns auch um die Institution des Journalismus: um eine gesunde Presse als manchmal verspielten, aber trotzdem unverzichtbaren Wachhund der Demokratie. Deshalb haben wir beschlossen, etwas für die Institution des Journalismus zu tun. Bei 5000 Lesern und Leserinnen verdoppeln wir die Zahl unserer Ausbildungsplätze von 2 auf 4.

Denn Zukunft heisst Nachwuchs. Und man fördert am besten durch Chancen. Wenn man sich an sein Leben erinnert, waren es immer dieselben Situationen, in denen man wuchs. Dann, wenn man zwei Dinge bekam: Freundlichkeit und Verantwortung. Freundlichkeit können wir fast immer aufbringen. Und an Verantwortung werden wir ganze Kessel verteilen können.

Aber zuvor: Danke! Sie haben sehr viel möglich gemacht. Und Sie haben einen echten Unterschied gemacht. Für uns, die wir diese Nacht vielleicht schlafen werden – mit einem Job statt einem Traum. Und für das Schweizer Mediensystem: Seit heute 15 Uhr gibt es nun ein neues, fremdartiges Wickelkind zwischen Zeitungen mit über 100 Jahren Tradition.

Nicht zuletzt wird sich der Schweizer Verlegerverband freuen. Er hat nun statt etwa 300 neu 3300 potentielle Mitglieder. Das wird eine Generalversammlung nächstes Jahr!

Ladies and Gentlemen, willkommen an Bord! Und: Danke!

Wir schreiben Journalismus­geschichte

26. April 2017 12 Uhr

Eigentlich hätten wir uns den ersten Morgen des Crowdfundings etwas intimer vorgestellt. Poetischer. Ein, zwei Dutzend Leute. Milde Frühlingsluft. Verschlafene Gespräche beim Kaffee. Ein ruhiger Start. So war es nicht. Gar nicht. Es war so: Eine Schlange von ein, zweihundert Leuten. Im Schneeregen. Statt Frühling gab es die Sorte nasse, dunkle Kälte, die alle unrasiert aussehen liess: Männer, Frauen, sogar das Baby im Wagen. Dann, nach Türöffnung drinnen ein Gedränge wie in einem Club, dazu der Geruch nach Aufregung, Hund und nassem Mantel. Es war wirklich ganz anders, als wir dachten. Im Parterre rannte unsere Crew, im ersten Stock ächzte unsere Website. Und die Kaffeemaschine erlebte den schlimmsten Morgen seit ihrer Auslieferung aus der Fabrik.

Leute stehen im Regen vor dem Hotel Rothaus schlange

Himmel und Hölle! Wir hätten nie geglaubt, dass so viele Leute um diese Zeit kommen würden, bei diesem Wetter. Und das, um für ein Abonnement für Journalismus auf dem Internet zu zahlen. Wir waren verblüfft, glücklich und überwältigt. Und wir hatten viel zu wenig Regenschirme. Wir entschuldigen uns bei allen, die nass wurden: Seht es als Taufe — ihr seid unsere Helden und Heldinnen. Und wir danken Euch! Und allen die auf dem Netz abonnierten! (Es gibt auch eine vernünftige Art, Held oder Heldin zu werden, im Bett oder Bürostuhl.) Irgendwann, gegen 9:45, registrierte Held oder Heldin Nummer 1000. Jetzt, um 12:15 sind es über 2000 Leute. Ehrlich gesagt, hätten wir diesen Ansturm nie erwartet! Schon gar nicht so früh am Tag. Danke!

Dank Ihnen schreiben wir gerade Journalismusgeschichte. Denn bisher gab es es in allen Redaktionen auf dieser Welt ein einziges, allen gemeinsames, inoffizielles Motto: «Die zynischste Bemerkung auf diesem Planeten lautet: Guten Morgen!» Und heute wurde das widerlegt. Ja, das Wetter war scheusslich. Und wir sahen auch so aus. Und es gab zu wenig Schirme. Aber es war ein grossartiger Morgen.

Merci!

Wer ist Crowdfunding?

26. April 2017 07 Uhr

Dialog des Tages zwischen Flavia Kleiner (Operation Libero) und Christoph Blocher (SVP) im Migros-Magazin:

Blocher: «Und oft ist Libero einfach ein Arm der Wirtschaft – mindestens teilweise kam auch Geld von dort.»
Kleiner: «Von der Wirtschaft hat uns niemand was bezahlt.»
Blocher: «Ich habe andere Informationen. Sie haben von Wirtschaftsverbänden Geld bekommen. Geben Sie’s doch zu!»
Kleiner: «Nein, echt nicht. Wollen Sie sich unsere Abrechnung anschauen?» (greift zum Computer und schaltet ihn an)
Blocher: «Wer zahlt denn Ihre 300 Stellenprozent?»
Kleiner: «Crowdfunding.»
Blocher: «Wer ist das?»

Ausschnitt aus Zeitung mit Interview, im Hintergrund die Gesichter von Flavia Kleiner und Christof Blocher

Nun startet das Crowdfunding für die Republik. Und Christoph Blocher wird nicht dabei sein: Weil er nicht weiss, wer ein Crowdfunding ist. Und die Wirtschaft wird auch nicht dabei sein: Weil sie in andere Branchen investiert als in Journalismus.

Bleiben also nur: Sie, der Leser. Und Sie, die Leserin.

Ab heute Mittwoch, 7 Uhr, läuft das Crowdfunding. Und damit ist es Zeit für eine Entscheidung. Die Zeit für die Entscheidung über unser Unternehmen. Und ein neues Modell für Journalismus.

Es ist Ihre Entscheidung.