Einladung an Eric Gujer und Marc Walder

4. Mai 2017 17 Uhr

Mit dem Vorschlag für einen Pakt NZZ/Ringier/Republik

Sehr geehrter Herr Gujer, sehr geehrter Herr Walder

Kaum gegründet, planen wir bei der Republik die Zukunft. Und sprechen deshalb mit sehr vielen Leuten. Darunter sind selbstverständlich auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus den Häusern NZZ und Ringier.

Diese erzählten uns (unabhängig voneinander) dieselbe Geschichte. Mittwoch letzter Woche debattierten Ihre Redaktionen, was sie zum verblüffend undramatischen Start der Republik schreiben sollten. Der Grund war, dass die Republik eben den schnellsten Start in der Geschichte des Schweizer Crowdfundings hingelegt hatte. (Und wenig später auch den Weltrekord für Medien-Crowdfundings schlug.) Worauf Sie die Debatte Ihrer Redaktionen unterbrachen – und zwar radikal. Sie sprachen in Ihrem Unternehmen ein Schreibverbot über unser Unternehmen aus.

Eines, das im Fall der NZZ einen Tag hielt, im Falle Ringier bis heute.

Wie sich Anwesende erinnern, taten Sie, Herr Gujer, es in der NZZ mit dem Satz: «Wir machen keine Werbung für die Konkurrenz!» Während Sie, Herr Walder, Ihr Verbot mit der Begründung übermittelten, man solle keine «Gratis-Werbung» für die Republik machen.

Das ist natürlich Ihr volles Recht. Ihre Häuser können schreiben und nicht schreiben, was Sie wollen.

Trotzdem finden wir Ihre Entscheidung ein wenig übertrieben. Sind Sie sicher, dass Sie unser Projekt nicht etwas überschätzen? Die NZZ existiert seit 237 Jahren, Ringier seit 184 Jahren, die Republik war zum Zeitpunkt Ihres Verbots gerade ein paar Minuten alt. Der Letzte, der solche Furcht vor Neugeborenen zeigte, war König Herodes.

Es beruhigt Sie sicher, dass wir Ihnen nichts übel nehmen. Wir sehen die Sache als – weit übertriebenes – Kompliment. Und wir werden uns auch keinesfalls revanchieren, etwa durch einen Gegenboykott. Die Republik wird selbstverständlich (und ohne Vorurteile) auch über Ihre Unternehmen schreiben, sobald diese etwas Interessantes tun. Beispielsweise, wenn sie einen Weltrekord brechen.

Leicht irritierend finden wir allerdings, dass Sie, wenn wir Ihrer Meinung nach Zweifelhaftes treiben, nicht zur klassischen Antwort des Journalismus greifen: zur Recherche. Dabei gäbe es durchaus mehrere heikle Punkte, wo sich zu graben lohnte. Denn die Republik ist ein Hochrisiko-Projekt. Sicher, im Moment sieht alles oberflächlich nach Erfolg aus. Aber mit etwas Erfahrung sieht man mehrere Klippen, an denen das Unternehmen scheitern könnte.

Hier einige Tipps, wo wir recherchieren würden, wenn wir Sie wären:

  • Die Republik versucht sehr viel gleichzeitig zu erfinden: ein neues Geschäftsmodell, ein neues Journalismuskonzept, neue Besitzverhältnisse, eine neue IT-Architektur (Open Source), ein neues Verhältnis zum Publikum mit den Lesern als Verlegerinnen – gut möglich, dass das tödlich viel Ehrgeiz ist. Wie will das Management der Gefahr der Überkomplexität begegnen?
  • Das Projekt hatte bereits mehrere Formen. Die Republik startete als Feierabend-Verschwörung, mutierte zum Ideen-Entwicklungslabor und in den letzten Wochen wiederum zu einer ziemlich effizienten Marketingmaschine. Nun häutet es sich erneut. Ab Ende Mai muss die Republik in sieben Monaten zu einer Firma und einer Redaktion umgebaut werden, unter dem Druck von Zeit und enormen Erwartungen. So etwas passiert nicht ohne Schmerzen.
  • Sicher, 10 700 zukünftige Leserinnen und Leser, die im Voraus 240 Franken bezahlten, sind ein überwältigender Vertrauensbeweis. Aber mit welchen Mitteln will die Redaktion 10 700 Blind Dates in 10 700 Ehen verwandeln?
  • Der häufigste Todeszeitpunkt für Start-up-Firmen, liest man, kommt nach drei Jahren. Dann, wenn alle Beteiligten ein Privatleben wollen und die Firma selbst längst nicht mehr das neueste, heisseste Ding im Quartier ist. Wie verwandelt man eine Rebellion in eine Institution?

Das sind nur ein paar Vorschläge für eine skeptische Recherche. Uns fallen durchaus ein paar weitere heikle Punkte ein.

Aber mit Sicherheit nicht alle. Und deshalb bedauern wir Ihren spontanen Boykott aufrichtig. Weil sowohl die NZZ wie Ringier ein paar hervorragende Spezialisten an Bord haben. Die bei uns die Schwachstellen entlarven könnten, die wir noch nicht kennen. Denn nichts ist für Menschen, Unternehmen, Staaten so gefährlich wie die blinden Flecken.

Das ist auch der Sinn von harter Kritik, ja überhaupt der Sinn einer funktionierenden Presse. Sie ärgert, manchmal sogar sehr, aber sie verbessert.

Es freut uns sehr, dass Sie, Herr Gujer, Ihr radikales Verbot inzwischen überdacht haben. Und erlaubten, dass heute Morgen eine kurze, kritische Analyse zur Republik in der NZZ erschien. Wir rechnen Ihnen das hoch an. Es ist das Zeichen eines souveränen Kopfes, sein Urteil zu ändern, wenn es nicht mehr der Wirklichkeit entspricht. Wir hoffen, dass wir in ähnlichen Fällen die Grösse aufbringen, Ihrem Vorbild zu folgen.

Trotzdem scheint es uns verblüffend, dass der einzige Artikel, der die Republik-Geschichte wirklich in die Tiefe recherchierte, ausgerechnet aus New York kam. Von Frau Alison Langley von der Columbia Journalism Review. Sie finden ihn hier.

Und deshalb, lieber Herr Gujer, lieber Herr Walder, laden wir Sie – einzeln oder gemeinsam – zu einem Tee, Kaffee (oder auch zu etwas Härterem) in unsere Firma im Hotel Rothaus ein. Lassen Sie uns in Ruhe mögliche Differenzen bereinigen. Und einen Pakt schmieden: Wir kritisieren Sie, Sie kritisieren uns – zu unserem beiderseitigen Vorteil.

Damit, sehr geehrte Kollegen, heissen wir Sie willkommen an Bord!

Mit herzlichen Grüssen von der Langstrasse an die Falken- und die Dufourstrasse,

Ihre Crew von der Republik und Project R

PS: an unsere Leser und Leserinnen: Natürlich freuen wir uns, wenn Sie diesen und andere Posts der Republik teilen. Wir sind beim Crowdfunding auf Sie angewiesen – umso mehr, wenn die Berichterstattung in den klassischen Medien wenig interessiert bleiben sollte.

PPS: Aber noch mehr zählen wir auf Ihre aufrichtige Kritik, sobald wir 2018 gestartet sind. Wir wollen Sie nicht nur als Leser, sondern auch ein wenig als Verlegerin. Und schätzen Ihre Skepsis mindestens genauso hoch wie Ihr Vertrauen.

PPPS: Falls Sie noch nicht an Bord sind, aber zu unseren zukünftigen Kritikern und Kritikerinnen gehören wollen – hier haben Sie die Möglichkeit, das zu ändern: republik.ch

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