Abstimmungs­resultat – analysiert von Claude Longchamp

28. Mai 2017 20 Uhr

Letzte Woche hatten Sie zum ersten Mal eine Entscheidung zu fällen. Und Sie haben sich vor der Verantwortung nicht gedrückt.

Dabei war Ihre Entscheidung nicht gerade einfach: Es ging um das Ziel für den Schlussspurt beim Crowdfunding. Und damit um die Frage, wie stabil das Fundament des Unternehmens ist. Denn die Republik braucht einen effizienten Schlussspurt. Schon ein paar hundert Leser mehr oder weniger machen für das Budget der Redaktion viel aus. Und die wird jedes zusätzliche Gramm Gehirn brauchen können. Nicht zuletzt, weil die Erwartungen nicht gerade klein sind.

Zur Wahl standen drei mögliche Ziele:

  1. ein Budget für Satire. Und damit mehr gefährliches Vergnügen;
  2. eine Stelle für Datenjournalismus. Und damit ein Gewinn an Erkenntnis;
  3. eine Stelle für eine Deutschland-Korrespondentin. Und damit die Expansion in einen gigantischen Markt.

Nicht wenige wären von diesem Trilemma gelähmt worden: So wie (jedenfalls in der Theorie) ein Esel zwischen drei exakt gleich weit entfernten Heuhaufen verhungert. 

Sie hingegen haben sich ohne Zögern ins Geheu geworfen. Und das nicht nur mit Ihrer Stimme, sondern auch mit Argumenten. Auf unserer Abstimmungsseite haben wir Ihre 1104 Plädoyers gelesen – eines überzeugender als das vorherige. Und bis Sonntagmittag stimmten 6062 von Ihnen ab – rund 49 Prozent der Verlagsetage.

Erfreulicherweise haben Sie eine deutliche Entscheidung getroffen. Wir haben die Resultate – zur Feier Ihres ersten Jobs als Verleger – verfilmt. Und haben dafür den Pionier des schweizerischen Datenjournalismus gewinnen können: Claude Longchamp. Also den Mann, der im Schweizer Fernsehen als Erster mit statistischen Methoden Abstimmungen kommentierte. Und darauf in den folgenden 25 Jahren lückenlos jede einzelne Abstimmung.

Eigentlich war Claude Longchamp letzten Sonntag vom Job des SRG-Abstimmungsanalysten zurückgetreten. Zur Premiere der Demokratie in der Republik gibt er nun ein kurzes Comeback, bevor er eine Weltreise antritt. (Merci und gute Fahrt, Herr Longchamp!)

Hier also das Video: mit Claude Longchamps letzter Abstimmungsanalyse.

Video: Analyse von Claude Longchamp

Damit steht das Ergebnis fest: Das Ziel für den Schlussspurt der Republik ist – mit einer satten Mehrheit von 58 Prozent – eine Stelle für einen Datenjournalisten oder eine Datenjournalistin.

Das allerdings nur für den Fall, dass die Republik auch ihr letztes Ziel erreicht: 14 000 Mitglieder. Und das bis nächsten Mittwoch, 31. Mai, Punkt 20 Uhr. Denn dann endet das Crowdfunding. Schaffen wir das Ziel nicht, müssen wir die Anstellung vertagen. Zwar mit wundem Herzen, aber mit kühlem Kopf: Denn es wäre unverantwortlich, die Fixkosten ohne regelmässige Einnahmen zu steigern. Mit weniger als 14 000 Mitgliedern wäre eine zusätzliche Redaktionsstelle ein Geschäftsrisiko.

Wachsen wir auf 14 000 Mitglieder, werden wir Ihre Entscheidung selbstverständlich umsetzen. Einige von uns durchaus mit ein wenig Melancholie: Wir in der Crew waren zu etwa gleichen Teilen für Satire, Deutschland und Daten.

Aber wir haben uns vorgenommen, auf Sie zu hören. Nicht zuletzt haben Sie als Verlegerin mit Ihrem 58-%-Entscheid (ein wenig) die Strategie unseres Unternehmens beeinflusst. Dahingehend:

  • in Richtung Stärkung von Recherche – auf Kosten des Vergnügens und geschäftlicher Abenteuer;
  • in Richtung digitaler Journalismus auf der Höhe der Zeit – einer, der die Chancen von Suchmaschinen, Statistiken, Modellen nutzt;
  • in Richtung einer noch engeren Verzahnung von Redaktion und IT;
  • in Richtung Zweisamkeit. Mit Ihrem Entscheid beenden Sie (falls es mit den 14 000 klappt) die Einsamkeit unseres Datenjournalisten Thomas Preusse, der nun eine Komplizin oder einen Komplizen bekommt.

Damit zu unserem Aufruf an Sie, nicht zuletzt, wenn Sie für den Datenjournalisten-Job stimmten: Bis zum Crowdfunding-Schluss bleiben nur noch drei Tage Zeit. Telefonieren Sie mit zwei, drei Ihrer unentschlossenen Freundinnen und Bekannten. Oder schreiben Sie ihnen ein Mail. Mit einer knappen Begründung, warum es sich lohnt, kurz vor Torschluss noch zu einer Gründungsverlegerin der Republik zu werden. (Etwa: «Nicht nur Journalismus ist eine Investition wert. Sondern jetzt auch: Datenjournalismus!»)

Der Link dazu: www.republik.ch

Nun, was die Abstimmungsverlierer betrifft, die mit guten Gründen für Satire oder die Deutschland-Korrespondentin waren: Willkommen im Unternehmertum. Denn in vernünftigen Firmen hat jede Entscheidung ihren Preis – jedes Budget ist die Entscheidung gegen ein anderes. Es wäre unverantwortlich, anders zu rechnen.

Wir zählen trotzdem darauf, dass auch Sie zwei, drei unentschlossene Freunde beim Bier, am Telefon oder per Mail dazu drängen, Verlegerinnen der Republik zu werden. Schon deshalb, weil das Datenjournalismus-Ziel nicht von wenigen erreicht werden kann. Sondern nur von vielen.

Natürlich werden wir die Republik nicht völlig ohne Satire machen – kein politisches Magazin der Welt kann auf konzentriertes Vergnügen verzichten. (Obwohl das Vergnügen natürlich auch in jedem ernsthaften Artikel stecken muss – in unserem Magazin sollen die Journalisten leiden, nicht die Leserinnen.) Aber machen Sie sich keine Illusionen, dass Sie keine Einbusse erleiden: Wir werden Satire nicht ins Kerngeschäft integrieren.

Aber da die politische Komik auf 31 Prozent kam und viele glühende Anhänger hat, versprechen wir für den erstaunlichen Fall, dass die Republik bis Mittwoch, 20 Uhr 14 500 Verlegerinnen hat, trotz allem ein Budget für Satire. Und zwar eines mit einem Plan, der sich nach einer Anregung eines unserer Verleger (danke, Herr Gabriel Vetter!) verbessert hat: Wir werden den Satirikerinnen von Fall zu Fall einen unserer Rechercheure zur Seite stellen. Damit präziser geschossen werden kann.

Aber auch mit dieser Verbesserung können wir das Budget nur halb so gross gestalten wie im Fall eines Abstimmungssiegs geplant.

Das, weil wir Ihrem Beispiel folgen. Sie haben die letzte Woche Verantwortung bewiesen – durch Ihre Beteiligung an der Abstimmung. Und durch eine höchst disziplinierte Debatte mit oft brillanten Argumenten. Also nehmen wir auch unseren Teil der Verantwortung wahr. Und die heisst: Disziplin beim Budget.

So – und damit hinein in die letzten drei Tage der Republik-Gründung! Mit Dank für Ihre Hilfe, Ihr Engagement und Ihre Entscheidung.

Ihre Crew der Republik und von Project R

PS: Was die Deutschland-Stelle angeht, vertagen wir die Entscheidung auf 2019 – erst einmal müssen wir uns im Kernmarkt beweisen. (Zum Trost: Ein weisser Fleck wird Deutschland trotzdem nicht bleiben – wir haben mit Ihrer Unterstützung ein grosszügiges Einkaufsbudget für herausragende internationale Autorinnen und Autoren geschaffen.)

PPS: Falls Sie noch nicht Verlegerin der Republik sind, aber noch Gründungsverleger werden wollen – jetzt mitmachen.

PPPS: Zum Schluss das Motto dieses Newsletters, geschrieben von Alfred Döblin: «Der Verleger schielt mit einem Auge nach dem Schriftsteller, mit dem anderen nach dem Publikum. Aber das dritte Auge, das Auge der Weisheit, blickt unbeirrt ins Portemonnaie.»

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