Armeechef will kräftig aufrüsten, Lockerungen für Zweitwohnungen – und Gesundheitspolitiker zeigen Herz für die Tabakindustrie
Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (243).
Von Adrienne Fichter und Lukas Häuptli, 24.08.2023
Vor lauter Nachrichten den Überblick verloren? Jeden Donnerstag fassen wir für Sie das Wichtigste aus Parlament, Regierung und Verwaltung zusammen.
Kommen Sie an Bord, und abonnieren Sie unser wöchentliches «Briefing aus Bern»!
Armeechef Thomas Süssli will die Gunst der Stunde nutzen. Seit anderthalb Jahren ist in der Ukraine Krieg, und auch deswegen steigt in der Schweizer Bevölkerung die Zustimmung zur Armee. Zu einer «vollständig ausgerüsteten» Armee.
Nur, sagte Süssli am letzten Donnerstag vor den Medien, sei die Armee nicht vollständig ausgerüstet. Sie brauche bessere Bodentruppen, bessere Luftverteidigung, bessere IT, besseren Cyberschutz, bessere überhaupt.
Die dafür notwendigen Beschaffungen sollen bis im Jahr 2031 getätigt sein und 13 Milliarden Franken kosten. Ob es so weit kommt, ist noch nicht klar. Süsslis Informationsoffensive kam, bevor sich Verteidigungsministerin Viola Amherd, der Gesamtbundesrat und das Parlament mit seinem Plan beschäftigt hatten.
13 Milliarden Franken bis 2031? Dazu eine kurze Einordnung: 2021 betrugen die Verteidigungsausgaben der Schweiz 5,9 Milliarden Franken; das waren rund 0,8 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Mit dem zusätzlichen Geld käme die Schweiz bis Anfang des nächsten Jahrzehnts auf einen Armeeaufwand von rund einem BIP-Prozent (was das Parlament im Übrigen auch will). Das wären dann Ausgaben fürs Militär, wie sie die Schweiz letztmals Anfang der 1990er-Jahre, unmittelbar nach Ende des Kalten Kriegs, getätigt hatte.
Bleibt nur noch der Hinweis, dass die Schweizer Bevölkerung eine «vollständig ausgerüstete Armee» zwar wichtiger findet als auch schon. Die Landesverteidigung aber erachtet sie lediglich als eine Aufgabe unter vielen. Auf der Rangliste der «wichtigsten politischen Herausforderungen» der Schweiz liegt die Verteidigung im aktuellen Wahlbarometer lediglich auf Rang 16. Weit hinter – zum Beispiel – dem Klimawandel, den Krankenkassenprämien und der Migration.
Und damit zum Briefing aus Bern.
Bundesrat bremst Kommissionen beim Zweitwohnungsgesetz
Worum es geht: Der Bundesrat will das Zweitwohnungsgesetz lockern – aber weniger stark als die zuständigen Kommissionen von National- und Ständerat. Gemäss Bundesrat soll man in Tourismusorten künftig Wohnungen abreissen und durch neue ersetzen können, die um 30 Prozent grösser sind. Zusätzliche Wohnungen, die im Rahmen einer Vergrösserung entstehen, dürften aber nur als Erstwohnungen genutzt werden.
Warum das wichtig ist: Die Schweizer Stimmberechtigten hatten die Zweitwohnungsinitiative 2012 mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 50,6 Prozent angenommen. Die Initiative stammte von der Fondation Franz Weber und «Helvetia Nostra» und verlangte, dass der Anteil der Zweitwohnungen an allen Wohnungen einer Gemeinde 20 Prozent nicht übersteigen darf. Acht Jahre später forderte der Bündner Nationalrat Martin Candinas (Mitte) mit einer parlamentarischen Initiative die Lockerung des entsprechenden Zweitwohnungsgesetzes. Demnach soll man Wohnungen, die vor 2012 gebaut worden waren, abreissen und durch grössere Zweitwohnungen ersetzen dürfen. Damit würden, so Candinas, «zusätzliche Übernachtungen generiert und die Wertschöpfung gesteigert». Candinas’ Vorstoss fand in den Umwelt- und Raumplanungskommissionen sowohl von National- als auch Ständerat eine Mehrheit.
Wie es weitergeht: In einem nächsten Schritt wird der Nationalrat über Candinas’ parlamentarische Initiative befinden.
Gesundheitskommission setzt sich für Tabakindustrie ein
Worum es geht: Die Gesundheitskommission des Ständerats weicht das Tabakproduktegesetz, in dem auch die Initiative «Kinder ohne Tabak» umgesetzt wird, in verschiedenen Punkten auf. Im Gegensatz zum Bundesrat will die Kommission Tabakwerbung in Zeitungen und Zeitschriften für Erwachsene so wenig verbieten wie Tabakwerbung im öffentlichen Raum – «sofern diese für Minderjährige weder sichtbar noch zugänglich ist».
Warum das wichtig ist: Die Tabakindustrie hat im Parlament eine starke Lobby. Es ist davon auszugehen, dass diese auch bei der Umsetzung der 2022 angenommenen Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» Einfluss nimmt. Jedenfalls will die ständerätliche Gesundheitskommission die Initiative «mit Augenmass» umsetzen und verschiedene Passagen aus dem Gesetzesvorschlag des Bundesrats streichen. Neben der Aufhebung der Werbeeinschränkungen schlägt die Kommission auch vor, dass die Tabakindustrie ihre Werbeausgaben nicht wie vorgeschlagen melden muss.
Wie es weitergeht: Der Ständerat wird die Vorlage in der Herbstsession beraten. Diese beginnt am 11. September.
Hacker stehlen Daten der Kantonspolizei Bern
Worum es geht: Unbekannte haben im Internet geheime Daten von rund 2800 Mitarbeitern der Kantonspolizei Bern gestohlen. Sie nutzten dabei eine Sicherheitslücke der App «MobileIron», welche die Kantonspolizei Bern anwendet. Bei den gestohlenen Daten handelt es sich um Namen und Telefonnummern der Polizistinnen.
Warum das wichtig ist: Kriminelle können die Daten für sogenannte Identitätsdiebstähle und für Phishing-Angriffe nutzen. Der Hackerangriff reiht sich ein in eine ganze Reihe von Cyberattacken auf öffentliche Institutionen und deren IT-Dienstleister in den letzten Wochen. Am bekanntesten ist der Angriff auf die Firma Xplain, die als Lieferantin für Bundesbehörden wie Fedpol oder VBS digitale Produkte angeboten hatte. Dieser Vorfall war so gravierend, dass der Bundesrat einen Krisenstab einsetzte und eine unabhängige Untersuchung in Auftrag gab.
Wie es weitergeht: Im Darknet sind noch keine Daten aus dem Angriff auf die Berner Kantonspolizei aufgetaucht. Unklar ist, wer die Hacker sind. Die Berner Kantonspolizei hat zur Aufklärung auch strafrechtliche Schritte eingeleitet.
Wahlplakat der Woche
Der 50-jährige Waadtländer Eric Bonjour will für die SVP in den Nationalrat. Deshalb erzählt er auf seiner Website, wer er ist (Ökonom, Vater dreier Söhne, Kunstliebhaber) und wofür er sich in Bern einsetzen will (Reform des Rentensystems, Neutralität, Sicherheit). Noch ein wenig knapper verkündet Bonjour seine Botschaft auf seinen Wahlplakaten. «Für eine sichere und freie Zukunft» steht da. Und davor: «23. Oktober – eidgenössische Wahlen». Ganz so sicher ist diese Zukunft allerdings nicht: Die Wahlen finden nämlich am 22. Oktober statt.
Illustration: Till Lauer