Anklage gegen Trump, Finnland tritt der Nato bei – und CS-Aktionäre machen ihrem Ärger Luft
Woche 14/2023 – das Nachrichtenbriefing aus der Republik-Redaktion.
Von Ronja Beck, Angela Gross, Timo Kollbrunner, Karen Merkel und Basil Schöni, 07.04.2023
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Ukraine: Finnland ist 31. Nato-Mitglied, Rätsel um Anschlag auf prorussischen Blogger
Das Kriegsgeschehen: Die Schlacht um die ostukrainische Stadt Bachmut gilt mittlerweile als die längste und blutigste des Krieges, diese Woche verstärkten die russischen Truppen ihre Angriffe. Am Montag hatte der Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin behauptet, die Stadt Bachmut sei «aus rechtlicher Sicht» eingenommen worden. Das ukrainische Militär widersprach: Bachmut werde nach wie vor gehalten.
Präsident Wolodimir Selenski deutete allerdings erstmals an, dass sich die ukrainischen Truppen aus Bachmut zurückziehen könnten, falls sie Gefahr liefen, eingekreist zu werden. Allgemein wird erwartet, dass die Ukraine im Osten bald eine Gegenoffensive starten wird. Aus Kiew waren gestern erstmals Zeichen zu vernehmen, dass die ukrainische Führung nach dieser Offensive bereit sein könnte, mit Russland über die Krim zu verhandeln. Gemäss britischen Geheimdienstinformationen plant Russland derweil den Aufbau weiterer Söldnertruppen, die sich besser kontrollieren lassen als die Gruppe Wagner.
Die internationalen Entwicklungen: Seit Dienstag ist Finnland offizielles Mitglied der Militärallianz Nato – als 31. Land. Der finnische Aussenminister übergab die Beitrittsurkunde am Nato-Hauptquartier in Brüssel an US-Aussenminister Antony Blinken. Die Nato stellte zudem weitere Hilfe für die Ukraine in Aussicht – was dem Land den Weg zu einer dereinstigen Nato-Mitgliedschaft ebnen soll.
Russland kündigte «Gegenmassnahmen» gegen die Erweiterung der Nato an. Der russische Verteidigungsminister hat zudem bestätigt, dem verbündeten Belarus einen «atomwaffenfähigen Raketenkomplex» übergeben zu haben. Gleichzeitig gab Russland am Mittwoch bekannt, eine Schutzzone um das Atomkraftwerk Saporischschja zu unterstützen, wie sie die Internationale Atomenergiebehörde verlangt.
Zum ersten April hat Russland turnusgemäss den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat übernommen. Selenski bezeichnete dies als «Bankrott» für den Sicherheitsrat und forderte eine Reform des Gremiums. Als am Mittwoch bei einer Sitzung des Sicherheitsrates die per internationalem Haftbefehl gesuchte Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa per Video zugeschaltet wurde, verliessen die Vertreter der USA und Grossbritanniens den Raum. Der Uno-Menschenrechtsrat hatte Russland zuvor aufgefordert, die Deportation von ukrainischen Kindern zu beenden.
Am Sonntag ist der prorussische Militärblogger Maxim Fomin bei einem Bombenanschlag in einem Café in Sankt Petersburg getötet worden. Über 30 Personen sollen verletzt worden sein. Offenbar wurde dem Blogger von einer Frau eine Büste übergeben, die danach explodierte. Das Café gehört Jewgeni Prigoschin, dem Chef der Gruppe Wagner. Wer hinter dem Anschlag steckt, ist bislang unklar: Eine 26-Jährige wurde festgenommen und angeklagt. Russland machte den ukrainischen Geheimdienst für das Attentat verantwortlich, Prigoschin bezweifelte eine ukrainische Urheberschaft. Das russische Parlament kündigte an, die Terrorgesetzgebung zu verschärfen.
Am Donnerstag trafen sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping. Macron und Xi forderten rasche Friedensgespräche zwischen Kiew und Moskau. Auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und Europa kamen zur Sprache.
Wolodimir Selenski hat sich bei einem Besuch in Polen für die militärische Hilfe aus dem Nachbarland bedankt und einen Vorvertrag für den Kauf von rund hundert Panzern unterschrieben. Polen will zudem sechs weitere Kampfjets liefern. Begleitet wurde der Besuch von Protesten von Bäuerinnen, die unter einem Getreidepreiszerfall aufgrund von zollfreien Einfuhren aus der Ukraine leiden. Der polnische Landwirtschaftsminister trat aus Solidarität mit ihnen zurück.
Der Internationale Währungsfonds hat letzten Freitag ein Kreditprogramm für die Ukraine über vier Jahre in der Höhe von 15,6 Milliarden Dollar abgesegnet. Einen ersten Kredit in der Höhe von 2,7 Milliarden Dollar wurde bereits ausbezahlt. Die USA haben der Ukraine weitere Militärhilfe im Umfang von insgesamt 2,6 Milliarden US-Dollar zugesagt.
Und: Lettland hat beschlossen, als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg die Wehrpflicht wieder einzuführen.
USA: Trump muss sich vor Gericht verantworten
Darum geht es: Diese Woche wurde Donald Trump in New York angeklagt. Er ist der erste ehemalige US-Präsident, der sich vor einem Strafgericht verantworten muss. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, er habe in 34 Fällen Geschäftsunterlagen gefälscht, um schädliche Informationen während des Wahlkampfes 2016 zu verbergen. Am Dienstag wurde die Anklageschrift vom demokratischen Oberstaatsanwalt Alvin Bragg verlesen.
Warum das wichtig ist: Donald Trump wies alle erhobenen Vorwürfe zurück und plädierte auf unschuldig. Nur wenige Stunden nach der Verlesung der Anklageschrift sagte Trump in einer Rede, die Anklage sei politisch motiviert und eine massive Wahlbeeinflussung. Experten gehen davon aus, dass Trump im Wahlkampf um das Präsidentenamt sogar von der Anklage profitieren könnte. Insbesondere, weil diese eher dünn ausfällt und sogar unter Trump-Kritikerinnen für Skepsis sorgt. Im Zentrum stehen mehrere Schweigegeldzahlungen während des Wahlkampfes 2016; unter anderem an die Pornodarstellerin Stormy Daniels, die behauptet, eine Affäre mit Trump gehabt zu haben. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Trump, verschiedene Skandale vertuscht zu haben, um seine Wahlchancen zu erhöhen. Damit habe er gegen eine Reihe von Gesetzen verstossen. Gegen Trump wird noch in weiteren Fällen ermittelt. Unter anderem untersucht ein Sonderermittler Trumps Rolle beim Sturm auf das Kapitol. Diese Woche wurde bekannt, dass sein ehemaliger Vizepräsident Mike Pence dazu vor Gericht aussagen wird.
Was als Nächstes geschieht: Am Mittwoch forderte Trump auf seiner Social-Media-Plattform die republikanischen Abgeordneten auf, die Gelder für das Justizministerium zu streichen, «bis sie wieder zu Sinnen kommen». Der Prozess gegen den ehemaligen Präsidenten wird voraussichtlich im Dezember starten. Dann muss Trump erneut vor Gericht erscheinen.
Bankenfusion: Emotionen und Tiefstapelei an den Generalversammlungen, Bundesrat streicht Boni
Darum geht es: Die Credit Suisse und die UBS hielten diese Woche ihre Generalversammlungen ab. Bei der CS im Zürcher Hallenstadion wurde es wie erwartet emotional. An der GV der neuen Megabank UBS tags darauf bemühte sich die anwesende Chefetage um Tiefstapelei. Derweil erhörte der Bundesrat die zahlreichen Rufe gegen die Bankerboni.
Warum das wichtig ist: CS-Präsident Axel Lehmann machte an der letzten Generalversammlung seiner Bank vor über 1700 Aktionärinnen keinen Hehl aus der misslichen Lage: Man sei um einen internen Kulturwandel bemüht gewesen, habe die Abwärtsspirale stoppen wollen, sagte Lehmann und entschuldigte sich bei den Aktionären dafür, dies nicht geschafft zu haben. Zahlreiche Aktionärinnen betraten daraufhin die Bühne und liessen ihrem Frust freien Lauf. An der GV der UBS bemühte sich der anwesende Verwaltungsrat, Bedenken vor einer Übergrösse der neuen Bank abzuwehren. Gleichentags beteuerte auch die viel kritisierte Finanzmarktaufsicht Finma, die Übernahme sei der beste Weg gewesen, und forderte, bei fehlerhaftem Geschäftsgebaren künftig Bussen verhängen zu können. Die wuchtigste Mitteilung kam diese Woche jedoch aus dem Bundesrat: In den obersten drei Führungsetagen müssen rund 1000 Mitarbeitende der CS ganz oder teilweise auf ihre Boni verzichten.
Was als Nächstes geschieht: Die Übernahme der CS soll in den nächsten Wochen finalisiert werden. Wie an der Generalversammlung der UBS verkündet, soll die Marke aber noch einige Jahre bestehen bleiben. Klar ist: Für zahlreiche Mitarbeitende der beiden Banken wird die Fusion ein bitteres Ende nehmen. Gemäss der «Sonntagszeitung» könnten weltweit bis zu 30’000 Stellen wegfallen.
Zum Schluss: Zwei giftige Vogelarten entdeckt (ja, es gibt giftige Vögel)
Ein Forscherteam hat in den Dschungeln Neuguineas zwei neue giftige Vogelarten entdeckt. Das ist bemerkenswert, denn zum letzten Mal ist das vor über zwanzig Jahren passiert. Die Vögel stellen das Gift nicht selber her, sondern nehmen es aus der Umwelt auf und speichern es in ihrer Haut und ihren Federn. Ihnen selbst kann das Nervengift nichts anhaben, da sie über eine genetische Mutation verfügen, die dessen Wirkmechanismus neutralisiert. Sie ähneln damit den bekannteren Pfeilgiftfröschen, die die gleiche Art von Gift auf sich tragen und eine ähnliche Mutation aufweisen, aber deutlich gefährlicher sind. Während ein Kontakt mit den Fröschen bei Menschen zu tödlichen Vergiftungen führen kann, führte das Entnehmen von Federn bei einem Forscher bloss zu tränenden Augen und einer laufenden Nase: «Es ist ein bisschen wie Zwiebeln schneiden», meinte dieser dazu, «einfach mit einem Nervengift».
Was sonst noch wichtig war
Israel I: Der rechtsextreme Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir soll eine ihm direkt unterstellte Nationalgarde bekommen. Das sicherte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu Ben-Gvir zu, nachdem dieser mit seinem Rücktritt gedroht hatte. Am Wochenende genehmigte die Regierung die Gründung der Nationalgarde. Die Pläne beunruhigen die Polizei und das Militär. Sie dürften die Proteste auf Israels Strassen weiter befeuern.
Israel II: Am Tempelberg in Jerusalem kam es diese Woche mehrmals zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinenserinnen, die sich in der Al-Aqsa-Moschee verbarrikadiert hatten. Die Uno und die USA warnten vor einer neuerlichen Eskalation der Gewalt. Gestern meldete Israel, aus dem Libanon mit Raketen angegriffen worden zu sein. Israel feuerte daraufhin offenbar Granaten auf den Libanon ab.
Den Haag: Am Internationalen Gerichtshof in Den Haag hat diese Woche der Prozess gegen Kosovos Ex-Präsident Hashim Thaçi begonnen. Ihm werden schwere Verbrechen während des Kosovo-Kriegs vorgeworfen. Darunter fast 100 Morde, Folter und Verschleppung.
USA I: Gemäss eigenen Angaben tötete am Dienstag ein US-Kommando bei einem Einsatz in Syrien ein ranghohes Mitglied der radikalislamischen Miliz «Islamischer Staat». Es handle sich um Chalid Ajdd Ahmed al-Dschaburi, der mehrere in Europa verübte IS-Anschläge geplant haben soll.
USA II: Am Mittwoch traf sich Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen in Kalifornien mit dem Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses Kevin McCarthy. China, das die demokratische Insel Taiwan als Teil seines Staatsgebietes sieht, wertet das Treffen als Provokation und kündigte eine «entschlossene Reaktion» an.
Iran: Die iranische Regierung kündigte an, die Kopftuchpflicht an Schulen und Universitäten wieder strenger zu kontrollieren und Verstösse härter zu bestrafen. Im September war die junge Iranerin Jina Mahsa Amini von der Sittenpolizei festgenommen worden und starb in Polizeigewahrsam. Seither tragen viele Frauen aus Protest kein Kopftuch mehr.
Frankreich: Bei den seit Mitte März anhaltenden Protesten gegen die Rentenreform sind laut Angaben des französischen Innenministeriums über 1000 Polizeibeamte und Feuerwehrleute verletzt worden. Derweil wird auch gegen 36 Beamtinnen ermittelt. Sie stehen unter dem Verdacht, mit übermässiger Gewalt gegen Demonstrierende vorgegangen zu sein.
Finnland: Bei den Parlamentswahlen holte die bürgerliche Sammlungspartei vor der rechtsnationalen Finnenpartei am meisten Sitze. Damit steht Finnland vor einem Regierungswechsel, die bisherige Ministerpräsidentin Sanna Marin wird ihren Posten abgeben müssen. Sie wird auch ihr Amt als Parteichefin der Sozialdemokraten niederlegen.
Montenegro: Der ehemalige Wirtschaftsminister Jakov Milatovic hat die Stichwahl um das Präsidentenamt gegen Milo Djukanovic klar gewonnen. Der bisherige Präsident Djukanovic dominierte die Politik in Montenegro über 30 Jahre. Sein Nachfolger Milatovic möchte die Verbindungen zu Serbien und der EU stärken und gegen die Korruption im Land angehen.
Bulgarien: Ein prowestliches Mitte-rechts-Bündnis hat die Parlamentswahlen in Bulgarien gewonnen. Insgesamt ziehen sechs Parteien ins bulgarische Parlament ein. Bulgarien hat bereits zum fünften Mal innerhalb von zwei Jahren ein neues Parlament gewählt. Die Bildung einer neuen Regierung dürfte auch dieses Mal schwierig werden.
Korruption: Ein Genfer Berufungsgericht hat den französisch-israelischen Milliardär Beny Steinmetz der Bestechung ausländischer Amtsträger schuldig gesprochen. Er soll bei der Vergabe von Schürfrechten in Guinea Schmiergeld in der Höhe von 8,5 Millionen Dollar an die vierte Ehefrau des verstorbenen Präsidenten bezahlt haben.
Die Top-Storys
Putins Cyberkrieg Die Moskauer IT-Firma NCT Vulkan entwickelt im Auftrag des russischen Verteidigungsministeriums und der Geheimdienste Infrastrukturen für staatliche Cyberangriffe und Desinformationskampagnen – gesteuert vom Kreml. Das zeigen investigative Recherchen von 50 Journalistinnen aus mehreren Medienhäusern. Wie die sogenannten «Vulkan-Files» durch ein Datenleck an die Medien gelangt sind und was sie enthüllen, erzählt eine Journalistin im Podcast der «Süddeutschen Zeitung».
Die Kehrseite des Booms Elektromobilität ist ein wesentlicher Bestandteil des Kampfes gegen die Klimakrise. Doch der Boom der Elektroautos hat eine dunkle Seite: die Abhängigkeit von bestimmten Rohstoffen. Ein Dokumentarfilm von «Arte» zeigt, wie in der Demokratischen Republik Kongo unter brutalen Bedingungen Kobalt geschürft wird und wie Chinas Dominanz auf dem Markt Europa in ein Abhängigkeitsverhältnis bringt.
Zeitzeugin «Autos fuhren ja noch fast keine», sagt Charlotte Kretschmann in Erinnerung an ihre frühe Kindheit. Mit 113 Jahren ist die gebürtige Breslauerin die älteste lebende Deutsche. Im Sonntagsinterview des Podcasts «Apokalypse & Filterkaffee» schildert Charlotte Kretschmann mit nahezu fotografischem Gedächtnis ihre Erfolge als junge Leichtathletin, Berufsweg, Ehe und Flucht im zweiten Weltkrieg. Und sie erzählt, was es bedeutet, alle anderen zu überleben.
Illustration: Till Lauer