Was diese Woche wichtig war

Das Hassverbrechen in Hanau, die BBC in Gefahr – und was Geld so alles möglich macht

Woche 08/2020 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Philipp Albrecht, Ronja Beck und Oliver Fuchs, 21.02.2020

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Hassverbrechen in Hessen erschüttert Deutschland

Darum geht es: In der deutschen Stadt Hanau in Hessen hat ein Mann 10 Menschen und sich selbst getötet. Der 43-jährige Tobias R. hat am Mittwoch um 22 Uhr vor einer Shisha-Bar das Feuer eröffnet und 4 Menschen erschossen. Er zog weiter und tötete an einem zweiten Standort weitere 5 Menschen. Am frühen Donnerstag­morgen fanden die Beamten den Attentäter tot in seiner Wohnung auf. Ebenfalls in der Wohnung fanden sie die Leiche seiner Mutter.

In der Bar Midnight in Hanau wurden 4 Menschen erschossen. Martin Meissner/AP Photo/Keystone

Warum das wichtig ist: Die Polizei hat die mutmassliche Tatwaffe sowie ein Bekenner­schreiben und mehrere Videos sicher­gestellt. Ein Video soll Tobias R. 6 Tage vor der Tat veröffentlicht haben. Darin schildert R. auf Englisch Verschwörungs­theorien (die wir nicht weiterverbreiten). Am Donnerstag hat die deutsche General­bundes­anwaltschaft den Fall übernommen. An einer Presse­konferenz am Donnerstag­nachmittag sprach Generalbundesanwalt Peter Frank von einer «Art Manifest», das der mutmassliche Täter nebst den Videos auf seine Website geladen hatte. Das Material weise eine «zutiefst rassistische Gesinnung» auf, so Frank. Die General­bundesanwaltschaft ermittelt wegen Terror­verdachts. In ihrer kurzen Ansprache am Donnerstag­mittag bezeichnete Bundeskanzlerin Angela Merkel Rassismus als «Gift». Die Opfer haben alle Migrations­hintergrund. Der mutmassliche Täter Tobias R. soll als Sport­schütze registriert und legal im Besitz einer Waffe gewesen sein. Er sei weder der Polizei noch als fremden­feindlich bekannt gewesen, sagte der hessische Innen­minister Peter Beuth (CDU). Am Donnerstag­abend kam es in verschiedenen Städten Deutschlands zu Mahn­wachen und Kundgebungen zum Gedenken an die Opfer und als Zeichen gegen den Rechtsextremismus.

Was als Nächstes geschieht: FDP-Chef Christian Lindner forderte «eine Generalinventur aller bestehenden und aller geplanten Massnahmen gegen rechten Terror». Der Innen­ausschuss im Bundestag will kommenden Donnerstag eine Sonder­sitzung zum Attentat abhalten. Die weiteren Ermittlungen der General­bundesanwaltschaft würden sich insbesondere darauf konzentrieren, mögliche Mitwisser oder Komplizen ausfindig zu machen.

Die UBS erhält einen neuen Chef

Darum geht es: Nach neuneinhalb Jahren als CEO verlässt Sergio Ermotti die UBS. Sein Nachfolger wird der Nieder­länder Ralph Hamers, der seit 2013 die Bank ING führte.

Der Neue: Ralph Hamers wird ab 1. November als CEO die Geschicke der UBS leiten. Walter Bieri/Keystone

Warum das wichtig ist: Auch wenn die beiden Gross­banken UBS und Credit Suisse seit der Finanz­krise Zehntausende Arbeits­plätze abgebaut haben und ihr Beitrag an das Brutto­inland­produkt stark geschrumpft ist, bleiben sie die Fixsterne der Schweizer Wirtschaft. Bei Chefwechseln greifen die Finanz­journalisten mindestens so beflissen in die Tasten wie ihre Kollegen aus dem Politik­ressort, wenn eine Bundes­rätin abtritt. Zwei Wochen nach dem angekündigten Rückzug von CS-Chef Tidjane Thiam gab nun Konkurrentin UBS ihrerseits das Ende der Amtszeit von CEO Sergio Ermotti bekannt. Der Tessiner führte die Bank seit 2011 und hat erfolgreich das riskante Investment­banking ab- und das ruhigere Wealth Management aufgebaut. In dieser Disziplin ist die UBS heute die grösste Bank der Welt – sie verwaltet Vermögen im Wert von 2,5 Billionen Franken. Zudem ist der Aktienkurs der UBS in Ermottis Zeit massgeblich gestiegen. Allerdings verführt die Tatsache, dass ihn ein Externer ablöst, zu Spekulationen. Schliesslich wurde in den letzten Monaten wiederholt der Name der COO Sabine Keller-Busse als mögliche Nachfolgerin genannt. Dass nun jemand von der Konkurrenz geholt wird, erstaunt viele Beobachter. Üblicher­weise werden nur in Krisen­zeiten externe Nachfolger gesucht.

Was als Nächstes geschieht: Hamers wird im September bei der UBS einsteigen und am 1. November den Chefsessel übernehmen. Was Ermotti vorhat, ist noch unklar. Schon seit einiger Zeit wird gemunkelt, dass er 2022 Axel Weber als Präsident der UBS ablösen könnte.

Britische Regierung will die BBC massiv verkleinern

Darum geht es: Am Sonntag berichtete «The Sunday Times», dass die Johnson-Regierung die BBC offenbar fundamental umkrempeln will. Sie beruft sich auf eine hochrangige Regierungs­quelle. Demnach soll die Rundfunk­gebühr abgeschafft und durch ein freiwilliges Abomodell ersetzt werden. Die meisten Radio­stationen sollen abgestossen, die Website eingedampft – und mehrere Fernseh­sender ganz eingestellt werden. Einzig der internationale «World Service» soll ausgebaut werden.

Warum das wichtig ist: Die BBC ist die grösste und älteste öffentliche Sende­anstalt der Welt. Und schon länger im Visier der Konservativen. Bereits unter Premierministerin Margaret Thatcher gab es Pläne, die BBC zu verkleinern oder sie dazu zu zwingen, Werbung zu schalten. Aber nie stand die BBC so offen zur Disposition wie unter Johnson. Minister sind angewiesen, nicht in der BBC aufzutreten. Die Rede zum EU-Austritt hielt Johnson nicht im Fernsehen, sondern via Facebook-Übertragung. Die Regierung wirft der BBC Einseitigkeit und Verschwendung vor. Zudem waren einzelne Exponenten der Anstalt in die Kritik geraten, weil sie sich für Reden bezahlen liessen.

Was als Nächstes geschieht: Sollte Johnson diese Pläne in die Tat umsetzen wollen, dürfte er auf Widerstand stossen. In der Bevölkerung ist die BBC gemäss Umfragen nach wie vor sehr beliebt. Bereits fortgeschrittener ist der Plan, die Strafen für das Nichtbezahlen der BBC-Gebühr abzuschaffen. Auch das könnte bei der Anstalt zu Engpässen führen.

Türkei: Freispruch im Gezi-Prozess – und erneute Haft

Darum geht es: In der Türkei sind der Intellektuelle Osman Kavala und 9 weitere Angeklagte am Dienstag vor Gericht freigesprochen worden. Den Bürgerrechts­aktivisten war vorgeworfen worden, die Gezi-Proteste 2013 in Istanbul organisiert zu haben mit dem «Umsturz» der Regierung als Ziel.

Unterstützer und Angehörige von Osman Kavala warten auf das Urteil. Erdem Sahin/EPA/Keystone

Warum das wichtig ist: Die Proteste begannen im Mai 2013 in Istanbul und richteten sich ursprünglich gegen eine geplante Bebauung des Gezi-Parks. Nach dem gewaltsamen Eingreifen der Polizei opponierten die Demonstranten gegen die autoritäre Politik des damaligen Minister­präsidenten und heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Landesweit gingen Aktivisten auf die Strassen, die Solidarität war auch im Ausland gross. Kultur­mäzen Osman Kavala befindet sich seit 2017 in Untersuchungs­haft. Der Europäische Gerichtshof für Menschen­rechte verlangte im Dezember 2019 seine Freilassung. Die Istanbuler Staats­anwaltschaft wiederum forderte eine lebenslange Haftstrafe. Das Gericht von Silivri bei Istanbul sprach ihn und 9 weitere Angeklagte schliesslich aufgrund mangelnder Beweise frei.

Was als Nächstes geschieht: Osman Kavala konnte das Gefängnis nicht verlassen: Noch am Tag der Urteils­verkündung erliess die Istanbuler Staatsanwaltschaft einen neuen Haftbefehl gegen ihn, diesmal im Zusammen­hang mit dem gescheiterten Putsch­versuch im Juni 2016. Zudem hat der Rat der Richter und Staats­anwälte eine Untersuchung gegen die Richter im Gezi-Prozess eingeleitet. Sie wollen überprüfen, ob das Urteil möglicher­weise fehlerhaft gewesen sei. Die Staats­anwaltschaft hat zudem angekündigt, die Freisprüche für die Aktivisten anzufechten.

Zum Schluss: Reiche Männer kaufen teure Sachen

Michael Bloomberg möchte Präsident der USA werden – aber möglichst ohne den ganzen lästigen Wahlkampf davor. Der Ex-Bürgermeister von New York ist einer der zehn reichsten Männer der USA. Also versucht er sich die Nominierung der Demokraten kurzerhand zu kaufen. Gut möglich, dass das klappt. Obwohl er kaum Charisma, Übereinstimmungen mit der Parteibasis oder gute Antworten auf Rassismus- und Sexismusvorwürfe hat. Denn Bloomberg hat bis jetzt 233 Millionen Dollar in seinen Wahlkampf gepumpt, wie die «Washington Post» ausgerechnet hat. Das ist ein Vielfaches der Ausgaben aller anderen Kandidatinnen zusammen. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Bloomberg hat sich über die Jahre mit Hunderten von Millionen Gunst und Verbündete in der Partei erkauft. Apropos Eisberg: Jeff Bezos, der reichste Mann der Welt, will sich auch was kaufen. Je nach Interpretation: Massnahmen gegen den Klimakollaps – oder gute PR und Steuer­abschreiber. Kostenpunkt: 10 Milliarden.

Was sonst noch wichtig war

Top-Storys unserer Verlegerinnen und Verleger

Wieso sind arme Menschen arm? Weil sie ihren Hintern nicht hochkriegen, so das Vorurteil. Oder, wie der holländische Historiker Rutger Bregman schreibt: Weil Armut verdammt viel mit unserem Gehirn macht. Und zwar so viel, dass es nur ein wirklich wirksames Mittel dagegen gibt: Geld. «Gib einem Mann einen Fisch», schreibt Verlegerin Y. Z., «und du ernährst ihn für einen Tag. Lehre einen Mann zu fischen, und du ernährst ihn für sein Leben.» Oder doch nicht? Den Beitrag lesen Sie im «Correspondent».

Grow, grow, grow your boat Alles ist gut, solange die Wirtschaft wächst. Mit Blick auf die Klimakrise hat die Maxime der traditionellen Ökonomie etwas an Pfupf verloren. Ist sie heute noch haltbar? Die Top-Story von Verlegerin K. P. lesen Sie im «New Yorker».

Aufruhr auf Russisch «Wer wissen möchte, wie Russland heute tickt, liest am besten ‹Dekoder›», schreibt Verleger und manchmal auch Republik-Autor Timo Posselt. Und teilt die Multimedia-Geschichte über Proteste in einem Land, in dem Proteste als sinnlos gelten.

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Illustration: Till Lauer

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