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Simon Reber
Software Entwickler, Familienvater
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Wenn ich vorher noch Zweifel hatte, dieses Interview hat sie ausgeräumt. Ich werde für die Justizinitiatve votieren.
Wenn das einzige Argument für den Status Quo ist, 'dass es sich bewährt hat', dann läuten bei mir die Alarmglocken.
Das jetzige System ist, wie die intransparente Parteienfinanzierung und der hemmungslose Lobbyismus im Parlament, eine legalisierte Art der Korruption.
Die Versuche, die wiederholten Einflussnahmen seiner Partei als Einzelfälle darzustellen, rundet das Bild eines strammen SVPlers ab.

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Geht mir gleich. Der skizzierte Gegenvorschlag hätte mir ja auch gefallen, aber im Moment bevorzuge ich, dass etwas geschieht über den Status Quo.

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Nach meiner Erfahrung sind Richter am ehesten Faul, Dumm und parteiisch. Diese Erfahrung bzieht sich hauptsaechlich auf Bezirksgerichte. Aber wenn ein "Richter"nicht mal weiss um was es geht, also die Ankalgeschrift nicht gelesen hat, oder nicht lesen konnte, stimmt vieles nicht. Und wenn ein "Richter"den Klaeger zu ueberzeugen versucht dass "die arme Firma" Ueberstunden nicht bezahlen muss, (entgegen dem Gesetz, Arbeitsvertrag und Gesatsarbeitsvertrag) oder wenigstens Fr.2000.- statt die geforderten Fr.13'000.-, da kriegte ich den Eindruck ich hab es mit Idioten zu tun!

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Lucia Herrmann
Community @ Republik
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Herr S., bitte unterlassen Sie diese Art von beleidigenden Verallgemeinerungen hier im Dialog. Solche Äusserungen tragen in keinster Weise zu einer konstruktiven Diskussion bei und haben deshalb hier nichts zu suchen.
Es ist ganz grundsätzlich eine sehr schlechte Idee, von einzelnen Begegnungen auf eine gesamte Berufsgruppe zu schliessen. Das Ergebnis wird der Wirklichkeit nie gerecht.

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Die Justizinitiative bezieht sich ausschliesslich auf BundesrichterInnen - an Bezirksgerichten ändert sie nichts. Und Beleidigungen helfen schon gar nichts.

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Die Antworten von P. Guidon vermitteln mir den Eindruck, dass hier tatsächlich keiner der landesweit bekannten und berüchtigten SVP-Demagogen spricht. Dass er sich mit der Richtervereinigung zusammen für einen praktikablen Gegenvorschlag einsetzte, der bekannte Schwächen des bestehenden Systems eliminieren sollte (n.a. Wiederwahlverfahren mit latentem Abstrafungspotenzial, keine parteilosen Richter) spricht meines Erachtens für seine persönliche Integrität. Weshalb der Bundesrat sich gleichwohl nicht zu einem Gegenvorschlag aufraffen wollte, bleibt für mich umso schleierhafter.

Was ich indessen nicht begreife, ist die öffentliche Wortstille, welche die gemässigteren SVP-Exponenten (so auch Richter P. Guideon) regelmässig ereilt, wenn die erwähnten Partei-Schreihälse wiederholt ihre gesellschaftsspalterischen und menschenverachtenden Rauchpetarden starten.

Der Grund, weshalb ich für die Initiative - trotz der Angriffspunkte, die sie inhaltlich bietet (Bsp. Auswahl der Fachkommission) - stimmen werde, ist simpel die Gewaltentrennung. Was ist von einem System zu halten, bei dem die Legislative ihre oberste, jeglicher Unabhängigkeit verpflichteten Überwachungsinstanz - einhergehend mit einer obligatorischen Parteizugehörigkeit der zu Wählenden - selber festlegt? Zumal dieses System auch weiterhin (und unverständlicherweise) kein Verfassungsgericht kennt.

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Dass die Schweiz kein Verfassungsgericht kennt, ist nicht ganz richtig; vielmehr handelt es sich um einen eingeschränkte Verfassungsgerichtsbarkeit. Das Bundesgericht darf - aufgrund deren demokratischer Legitimation - keine Bundesgesetze auf ihre Verfassungsmässigkeit überprüfen und es darf nur eine konkrete Normenkontrolle vornehmen.

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Das Bundesgericht könnte mit Blick auf die EMRK auch Bundesgesetze überprüfen und aussetzen, tut es aber so gut wie nie...
Wieso nur?

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Besten Dank Herr F. für Ihre erhellende und geschätzte Präzisierung. Mit Blick auf die von M. F. weiter unten vorgebrachten Bedenken wäre das Verfassungsgericht vielleicht doch die geeignetere Institution; irgendwie ist es doch seltsam und nachgerade peinlich, wenn man als Schweizer*in keine andere Wahl hat, als den europäischen Gerichtshof zu bemühen.

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Nennen Sie mir bitte ein Land, in welchem die Politik keine Rolle bei der Ernennung der Richterinnen und Richter spielt. Ich kenne keines. Durch die Justizinitiative würde die Kompetenz der Ernennung von der Legislative auf die Judikative übertragen, indem der Bundesrat die Kompetenz erhielte, das Expertengremium zusammenzustellen, das die Wählbaren bestimmen würde. Das Expertengremium wäre damit demokratisch weit weniger abgestützt als die Fraktionen im Parlament mit ihrem Vorschlagsrecht in der Gerichtskommission. Pointiert betrachtet würden diverse Klüngel (die einzelnen Fraktionen) durch einen Klüngel (das Expertengremium des Bundesrates) ersetzt. Ob dies à la longue zu einer höheren gesellschaftlichen Akzeptanz der Rechtsprechung führen würde, wage ich zu bezweifeln. Dass die Schweiz für Bundesgesetze kein Verfassungsgericht kennt (und zwar wegen Art. 190 BV, der Bundesgesetze für die rechtsanwendenden Behörden - ungeachtet einer allfälligen Verfassungswidrigkeit - als massgeblich erklärt), spricht gerade dafür, die Kompetenz der Richterernennung bei der Bundesversammlung zu belassen, weil eben die Rechtsprechung die Gesetzgebung der Bundesversammlung grundsätzlich nicht tangiert (was man bedauern kann oder auch nicht). Demgegenüber sind die Gerichte in weiten Teilen kompetent, die Verfügungen der Exekutive - und damit auch Verfügungen der unter der Leitung des Bundesrates stehenden Bundesverwaltung - zu überprüfen. Abgesehen davon können die Gerichte Verordnungen des Bundesrates auf ihre Verfassungsmässigkeit zu überprüfen. A la longue sähe ich daher die Gefahr, dass der Bundesrat versucht sein könnte, durch die geeignete Besetzung des Expertengremiums indirekt Einfluss auf die Richterwahlen zu nehmen, da die Gerichte die Arbeit der Bundesexekutive tangieren. Demgegenüber hat das gegenwärtige System mit der Wiederwahl des von der SVP nicht mehr empfohlenen Bundesrichters Donzallaz den Stresstest bestanden. Last but not least sind die Richterwahlen in einem grösseren Zusammenhang mit der Parteienfinanzierung zu sehen. Parteien des linken Spektrums werden massgeblich durch die Abgaben ihrer Mandatsträgerinnen und Mandatsträger (in Legislative, Exekutive und Judikate) finanziert (regelmässig 10 Prozent der Einkünfte). Derartige Finanzierung ist weitaus besser geeignet, die Unabhängigkeit der Mandatsträgerinnen und Mandatsträger zu gewährleisten, als erhebliche externe Finanzierung. Die Annahme der Justizinitiative würde die Parteifinanzierung der Parteien des linken Spektrums damit stärker tangieren als diejenige des rechten Spektrums, die von ihren Mandatsträgerinnen und Mandatsträger weitaus niedrigere Beiträge einkassieren.

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Eine nette Story. Dann gibt es auch noch Richter, zumindest an niederen Gerichten, welche kompromittiert sind. Wo immer die selben Anwaelte erfolgreich mit banalsten Manoevern ihre Faelle gewinnen, obwohl die Richter intervenieren muessten. Ich muss jetzt ein paar Detail bringen, sonst bleibt's zu theoretisch.

  • Scheidungsverfahren. Der zu Schroepfende erscheint unerwartet mit Anwalt, die Gegenpartei ohne, obwohl das so abgemacht war. Der Richter muesste einen neuen Termin geben, mit je einem Anwalt.

  • Scheidungsverfahren. Der zu Schroepfende wird vom teuersten Anwalt am Platz als praktisch mittellos dargestellt. Obwohl die Gegenpartei nach einem Vermoegensstatus fragt, geht der Richter nicht darauf ein.

  • Scheidungsverfahren. Der zu Schroepfende wird als krebskrank im letzten Stadium dargestellt, um die moeglichen Verpflichtungen bis zu seinem Tod nicht zu behandeln. Nachher gab's die grosse Party.
    Meine Ansicht deckt sich mit M.Sigrist. Richter tendieren dazu faul und dumm zu sein. Eigentlich sollte ein Richter smarter wie ein Anwalt sein. Die Berufslaufbahn scheint das zu verhindern, eher das Gegenteil zu foerdern. Das Spielchen laeuft eigentlich immer so, dass der smarte Anwalt, daher der Teuerste, den Richter uebertoelpelt. Wer den besseren Anwalt hat, gewinnt. Dh eigentlich koennen wir die Show sein lassen. Eine Qualitaetskontrolle ware zwingend noetig. Wenn das naechst hoehere Gericht zB 3 Mal Verfahrensfehler feststellt, ist der Richter draussen. Jetzt duerfen dieselben Fehler beliebig oft wiederholt werden.

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Lucia Herrmann
Community @ Republik
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Lieber Herr B., die «Details» die Sie hier ausführen: Um was für Anekdoten handelt es sich hier? Haben Sie an diesen Verfahren mitgewirkt, waren Sie direkt davon betroffen oder haben Sie bloss mal irgendwo davon gehört?
Auch hier: Sachliche Kritik immer gerne, aber bitte bleiben Sie präzise. Schliessen Sie nicht von einzelnen Geschichten auf allgemeine Tendenzen und «immer so ablaufende Spielchen». Mit solchen Argumenten verwässert eine Diskussion.

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Ich war nahe genug dran, fuer noch mehr Details, auch zu Anwaelten. Und das "gleiche Spielchen" ist von nicht ganz so nahe verfolgten Faellen. Aber ja, ueberlassen wir diese Folgerung den Lesern. Die ganze Story um aufzuzeigen, dass nicht alles in diesem Umfeld so glatt ist wie das Interview vermuten lassen koennte. Ohne jetzt eine Aussage zu machen, ob Zufallswahl besser waere wie eine Parlamentswahl.
Edit. Die Anektoten koennte ich weglassen, die Forderung nach Qualitaetskontrolle nicht.

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Persönliche Anekdoten sind eben genau das: persönliche Anekdoten. Sie sagen absolut nichts über allgemeine Zustände. Dass Gerichte Fehler machen, ist unbestritten - auch RichterInnen sind nur Menschen. Und dass Menschen, die man mag, vor Gericht unterliegen, heisst noch nicht, dass das Urteil falsch war.
Aber was hier im Zusammenhang mit der Justizinitiave vergessen geht: Diese bezieht sich ausschliesslich auf BundesrichterInnen - erst- oder zweitinstanzlich passiert ändert sich durch die Justizinitiative gar nichts.
Fehler werden auch künftig gemacht werden - auf jeder Ebene der Justiz. Die "Qualitätskontrolle" gibt es bereits: die nächste Instanz. Jede andere ist abzulehnen - sie würde die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz verletzen.

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Die naechst hoehere Instanz anzurufen ist nicht jedem gegeben. Denn man muss einen signifikanten Betrag proportional zum Streitwert vorschiessen. Dieses naechst hoehere Gericht kostet nochmals, und kann nur Verfahrensfehler beurteilen. Und dann ist das Urteil nicht aufgehoben, sondern zurueck an die niedere Instanz geschoben, welche dann das Urteil nicht auf Gewaehrleistung/Garantie korrigiert. Oder doch ? Die Zeit laeuft, und kostet. Viele Klaeger koennen sich einen Weiterzug nicht leisten. Das jetzige Vorgehen, der Zurueckweisung beruht nicht auf Lernfaehigkeit, das Gericht welches einen Verfahrensfehler beging, beging nur ein "Uups", kann wieder mal vorkommen. Das war's. Allenfalls auf Kosten der Staatskasse.
Edit. Die genannten Anektoten waren Verfahrensfehler, nicht einfach ein Urteil das mir nicht passt.

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Frau S., ich wünsche Ihnen viel Glück Ihre Rechte durchzusetzen, sollten Sie es einmal mit einem Schweizer Gericht zu tun bekommen.

Z.B. aus BGE 142 III 433 E. 4.3.2:
"Die aus dem verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) fliessende Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen, verlangt nicht, dass diese sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt; vielmehr genügt es, wenn der Entscheid gegebenenfalls sachgerecht angefochten werden kann [...]. Die Begründung muss kurz die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die es seinen Entscheid stützt. [...]
Diesen Anforderungen genügt das vorinstanzliche Urteil. [...]"

Die Gerichte müssen sich somit nicht mit den vorgebrachten Argumenten auseinandersetzen. Wenn es ein Gericht gut mit Ihnen meint, dann wird es Ihre Argumente behandeln.
Wenn nicht, dann kann das Gericht auch einfach einen vorgesehenen Entscheid fällen und nur das behandeln, was diesen Entscheid nicht gefährdet.
Sie können den Entscheid ja immer noch sachgerecht anfechten... (Bei der nächsthöheren Instanz, die aber natürlich ebenso verfahren kann...)

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"...dass sich die SVP für eine freie und neutrale Schweiz, für die direkte Demokratie und das Prinzip der Eigen­verantwortung einsetzt." Sagt Guidon. Aber das machen andere Parteien auch. Nur die Gewichtungen sind verschieden. Seine Aussage sagt deutlich nichts. Bei der Eigenverantwortung geht es der SVP vor allem um die Eigenverantwortung als Millionär noch mehr Millionen zu verdienen mit Hilfe schlecht bezahlter Angestellter und auf Kosten der Umwelt. Und die freie und neutrale Schweiz der SVP ist gar nicht die Schweiz, denn sie wollen dem Staat die Luft abschnüren. Am liebsten hätten sie eine Schweiz AG. Damit sie schalten und profitieren können. Der Rest ihrer Erzählungen von Unabhängigkeit, Kuhglocken, Fahnenschwingen, etc. ist Beigemüse fürs Volk. Als Opium.

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Na ja, in erster Linie ging es bei diesem Interview ja um die Arbeit der Richter:innen und um den Einfluss des Parteibuchs (egal welches) beim Richterjob. Nicht um die SVP. Ich sprach mit dem amtierenden Präsidenten der Schweizerischen Richtervereinigung, es ist Zufall, dass dieser Richter Mitglied der SVP ist. Das war nicht ausschlaggebend für die Wahl des Interviewpartners. Es ist übrigens unglaublich schwierig, amtierende Richter:innen zu finden, die sich öffentlich äussern. Ich rechne es Herrn Guidon hoch an, dass er sich diesem Interview gestellt hat.

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Sehr schönes Interview. Abgeklärt, auch Xenophon und Zweig fanden ihre Plätzchen. Und jetzt habe ich doch ein paar Bedenken:

Es trifft zu, dass das Richteramt letztlich grösser sein kann als die Person, die es ausübt. Aber kleine Richter können dieses Amt ganz schön klein machen. Als ich noch am Gericht arbeitete, habe ich das mehr als einmal erlebt. Wie schnell das mit der richterlichen Abgeklärtheit gehen kann, zeigte sich, als einem Präsidenten, der sein Büro nicht abgeschlossen hatte, ausgerechnet während einer Verhandlung, in welcher er vollstes Verständnis mit einem Drogen-Kleinhändler gezeigt hatte, die Brieftasche gestohlen wurde. (Er hatte tatsächlich herausgefunden, dass Betrug beim Drogenhandel gar nicht möglich sei, weil man mit Drogen ja nicht handeln dürfe.) Und dann kam die Kollision mit der Wirklichkeit. Und die banale Lebenserfahrung bewirkte eine Metamorphose. Von nun an urteilte er hart und scharf. So klein wurde hier das Amt.

Richter werden ist schön und bringt Ansehen. Aber es ist – wie Herr Guidon sagt – nicht nur mit Arbeit verbunden, sondern auch belastend. Am Stammtisch wissen alle, wer wie lange in die Kiste gehört: fast alle für fast immer. Wenn man allerdings einen solchen Entscheid treffen muss und den Mann (kaum Frauen, sorry) vor sich sieht, ist das eine ganz andere Sache. Auch die Anordnung von Untersuchungshaft und die tägliche Auseinandersetzung mit einer in der Haft leidenden Person, belastet schwer und schwerer.

Man stelle sich einmal einen Richter vor, der über eine Forderung von Fr. 30 Millionen gegen eine Bank entscheiden soll. Die Bank hat unendliche Mittel und unendlich Anwälte. Bei der Gegenpartei ist alles sehr endlich. Und jetzt entscheidet der Richter gegen die Bank. Was passiert? Natürlich wird das Urteil weitergezogen. Die Anwälte werden – nicht mit dem Zweihänder, an den man denkt – sondern mit schärfstens geschliffenen und gespitzten Floretten gegen den bzw. die Richter vorgehen, jeden der Zwischenentscheide anfechten und den Endentscheid völlig auseinandernehmen.

Das ist das normale Brot eines Richters. Er/sie wollte richten, also soll sie/er es auch tun. Aber es geht noch viel weiter: die Anwälte sind in den Justizkommissionen der Parlamente und werden sich dort austauschen und "schwierige Richter" ausbremsen, denn Beförderungen laufen immer über die Parlamente.

Soweit so schlecht. Aber es ist noch viel schlechter, denn wir wissen alle, dass die SVP
– von "ihren" Richtern verlangt, Ermessensfragen im Sinne der Partei zu entscheiden,
– sogar entsprechende Selbstverpflichtungen verlangt, die sie ausgerchnet (die Leute haben Humor) als "Ehrencharta" bezeichnen, dabei ist es ein schriftlich erklärter Ehrverzicht,
– Richter, welche nicht im Sinne der Partei urteilen, abwählen will und bei der Wiederwahl abstraft.

Das ist ganz genau das, was unter keinen Umständen vorkommen soll. Genau so war es in der DDR, wo die Gerichte parteiisch, d.h. im Sinne der Partei entscheiden mussten – und das hier bei einer Partei, die sich vorgeblich "für eine freie und neutrale Schweiz, für die direkte Demokratie und das Prinzip der Eigen­verantwortung einsetzt."

Wie heisst es so schön: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. (Ich bin Atheist, aber der die Weisheit von 1 Johannes 2 stimmt eben doch: "15 »Hütet euch vor den falschen Propheten! Sie sehen zwar aus wie Schafe, die zur Herde gehören, in Wirklichkeit sind sie Wölfe, die auf Raub aus sind. 16 An ihren Taten sind sie zu erkennen. Von Dornengestrüpp lassen sich keine Weintrauben pflücken und von Disteln keine Feigen.")

Für Herrn Guidon ist es gut, wenn die Richter ein Parteibuch haben und man es kennt, denn das sei Transparenz. Das ist es natürlich gerade nicht, denn niemand wird bei einem für die SVP interessanten Thema den Richter mit der Begründung ablehnen können, er sei in der SVP.

Liegt nun alles an der SVP? Natürlich nicht. Ich kannte einen ziemlich guten Juristen, Mitglied der SP mit einem kleinen Gut in der Toskana. Und der wurde nicht Bezirksrichter, weil eine Frau vorgezogen wurde. Wie konnte der jammern, dass man doch nicht auch noch eine Geschlechtsumwandlung verlangen könne. Es machte ihn völlig kaputt. Und er wurde umso braver und schaffte es vier Jahre später dann doch. Weil er so rüebig war, wurde er nach zehn Jahren Oberrichter und fährt nun nicht mehr mit dem Toyota in die Toskana, sondern mit dem Mercedes.

Ich schliesse:

Es menschelt gerade auch bei den Richtern. Sie sind oft gescheiter, aber selten reifer als wir Hinz und Kunz.

Die Arbeit als Richter ist sehr schwer. Folglich muss möglichst jeder Druck von ihnen ferngehalten werden, damit sie so gut entscheiden können, wie sie es halt können.

Genau das will die SVP von Herrn Guidon nicht. Sie setzt Richter, welche nicht in ihrem Sinne entscheiden, unter Druck. Die Partei tut das ganz offen. Sie schwatzt nicht nur davon, sondern zieht es voll durch.

Völlig gruusig ist doch, dass im Kanton Zürich alle bis auf einen SVP-Richter unter dem SVP-Joch hindurch gingen und versprachen, nicht unabhängig sondern eben im Sinne der Partei zu entscheiden. Was sind das für Leute? Sie geben sich als unabhängig und nur dem Recht verpflichtet aus, sie klopfen sich dröhnend auf die Brust und sie verpflichten sich, genau das nicht zu sein, sondern im Sinne der Politiker zu entscheiden, welche sie aufstellen. Und SVP-Richter Guidon: Unschön, einmalige Sache, kein breites Problem. Alles schon gut. Und natürlich fällt ihm noch Stefan Zweig ein, der sagte, Unabhängigkeit existiere nur im Individuum – gebildet, belesen, wunderbar. Aber was soll uns das sagen? Völlig unklar. Dass Richter Guidon sagt, jeder Richter müsse sich für seine Unabhängigkeit wehren – genau, richtig, endlich sehen wir es gleich. Und dann fügt er bei: "Das ist in Bezug auf die «Ehrencharta» offenbar gelungen. Und im Fall Donzallaz auch."

Wie bitte, wie war das nun? Haben alle bis auf einen Richter ihre Unabhängigkeit verkauft oder war es umgekehrt? Versuchte die SVP, den parteifernen Richter loszuwerden, oder versuchte sie es nicht? Was Richter Guidon hier macht, hat einen Namen: Zwiedenk: "Durch dieses propagierte Denken, bei dem zwei widersprüchliche oder sich gegenseitig ausschließende Überzeugungen aufrechtzuerhalten und beide zu akzeptieren sind, setzt die herrschende Kaste die Gesetze der Logik außer Kraft. Dadurch wird das Denken der Parteimitglieder schwammig und in Zweideutigkeit gehalten, wodurch schnelle Kurswechsel des Regimes auf eigentümliche Weise sofort akzeptiert werden können…" (Wikipedia). Und genau so kommt es auch hier heraus: Richter Guidon kann nicht sagen, ob er die "Ehrencharta" unterschrieben hätte: Gott sei Dank kennt er den Wortlaut nicht und bringt stattdessen Gemeinplätze. Toni Brunner kugelt sich.

Diese frechen, verfassungsfeindlichen und massiven Einflussnahmen und dieser windelweiche Widerstand dagegen, diese Förderung von Opportunisten können wir nur beenden, wenn die Klügsten und Wägsten als Richterinnen nominiert und dann so viele, wie es braucht, durch Losentscheid ein für allemal gewählt und so von Druckversuchen befreit arbeiten können.

Am Schluss erwähne ich auf einmal Richterinnen. Warum? Weil die meisten, die ich kennenlernte (bis auf eine) geradeaus dachten und handelten, auch Fehler machten wie wir alle, aber kaum abgefeimte Winkelzüge und richtig gute Kerle waren.

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Die Mitgliedschaft bei der SVP sagt eben auch etwas über die ethische Grundhaltung aus. Die SVP Parteileitung kennt nur Macht und Geld als Leitmotiv - das Fussvolk trottet mehrheitlich hintendrein. Sonst würde in dieser Pandemie nicht andauernd die Mär von "Diktatur" über unserer Regierung verbreitet und als wählerstärkste Partei nicht die Impfwoche des Bundes aktiv hintertrieben. Natürlich erinnert sich Herr Guidon nicht an den "Ehrenkodex" für Richter im Kt. Zürich, so wie BR Maurer sich nicht daran erinnern konnte, woher das Freiheit-Treichler-Leibchen kam, das er sich bei einer Veranstaltung in diesem Sommer übergezogen hatte.

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Herr Guidon hatte durchaus Kenntnis vom Zürcher Ehrenkodex, er hat ihn einfach nie zu Gesicht bekommen, wie er im Interview sagt. Und er hätte ihn nie unterschrieben. Ich denke, man kann ihm das Vorgehen der Zürcher SVP nicht vorwerfen. Aber lesen Sie zu diesem Thema das Interview mit Martin Burger, dem ehemaligen Zürcher Obergerichtspräsidenten: https://www.republik.ch/2020/09/23/…erview-svp

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Leserin
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Nettes Interview. Heile Welt, leider oftmals etwas weit weg von der Realität. Aufgrund eigener Erfahrungen sowie diverser Artikel in der Republik und anderen Medien habe ich meine Zweifel. Zweifel an der Integrität, persönlichen Eignung, Unabhängigkeit und Sozialkompetenz etlicher Richter*Innen. Bespiele aus der Republik: Teure Unschuld vom 3.11.21, Das Bundes-Problemgericht vom 27.08.21, Entschuldigung, das sind Polizeistaatmethoden vom 22.06.21.

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Geschätzte Leserin, es ist ungerecht, die Richterinnen und Richter alle in den gleichen Topf zu werfen. Es gibt differenziert denkende, fachkundige, engagierte, offene Persönlichkeiten, die sich selbst hinterfragen und eine innere Unabhängigkeit leben. Solche Richterpersönlichkeiten findet man quer durch die Parteienlandschaft. Ich persönlich stufe den Parteienproporz als problematisch ein (vor allem den Ausschluss der Parteilosen), spreche den Richter:innen aber nicht generell die Fähigkeit ab, unabhängig vom Parteibuch Recht zu sprechen. Beste Grüsse, Brigitte Hürlimann

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Leserin
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Geehrte Frau Hürlimann, zur Präzisierung. Ich schreibe von etlichen und nicht von allen Richter*Innen. Selbstverständlich glaube ich Ihnen, das es auch viele „gute“ Richter*Innen gibt. Danke für Ihre Kenntnisnahme und Ihre ebenso spannenden wie lehrreichen Artikel.

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em. Gerichtsdolmetscherin
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Mich hat der Umgang der Justiz mit Klimaaktivisten hellhörig gemacht. Ganz sicher muss etwas geschehen. Deshalb stimme ich einmal mehr so ab, wie ich mir wünsche, dass der Stein ins Rollen kommt. Also pro. Ich weiss, dass diese Initiative keine schnelle Lösung bringen wird. Sie macht aber auf einen sehr unbefriedigenden Zustand aufmerksam. Herr Professor nennt ja einige andere Kriterien. Dass ein Mann integer sein kann, der der SVP angehört, und dass er im Amt weise entscheiden kann, haben mir schon zwei solcher Männer vorgeführt. Da hab ich keine Vorurteile.

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Zusammenfassend findet Herr Guidon (so wie ich es lese), die Richterauswahl sollte eigentlich nicht von der Politik erfolgen. Er ist für eine Öffnung des Richteramts auch für Parteilose. Die Wiederwahl von Richtern sollte abgeschafft werden...
Dafür, dass er die Initiative insgesamt ablehnt, scheint er sehr grosse Teile davon zu unterstützen (wie auch Andere vor mir bereits angemerkt haben)...

Das System hätte sich bewährt! Aber inwiefern hat es sich bewährt?
Vor Kurzem hat man noch von einem Gerichtspräsidenten(!) berichtet, der Kollegen beleidigt, Beweise unterschlägt, das rechtliche Gehör verweigert und Untersuchungen dahingehend schönt, um ein gewolltes Ergebnis abliefern zu können. Dies im Rahmen einer Untersuchung von Vorkommnissen am Bundesstrafgericht. Wieso sollte die Handhabe aber in regulären Urteilen anders aussehen?
Diese Personalie ist die Ausgeburt des bestehenden Systems. Was für Auswahlkriterien sind denn effektiv von Bedeutung?

Eine Grundeigenschaft, welche mit dem aktuellen Wahlsystem und der dadurch erfolgten Selektion den Richtern eingepflanzt wird, ist die Vorgabe: Widerspreche nicht der Politik.
Sind Gerichte nur Empfehlsempfänger oder sollten diese die anderen Staatsgewalten im Zweifel auch in die Schranken weisen können?
Der Grundpfeiler des Richteramts wäre für mich aber eben auch der Umstand, dass insbesondere das Bundesgericht als Teil der Gewaltenteilung die Arbeit der Legislative und Exekutive auch kontrollieren, kritisieren und zur Not auch zurückweisen kann.

Die gerichtliche Handhabe mag für einen Grossteil der Bevölkerung vielleicht tatsächlich ganz gut funktionieren, denn die im Parlament vertreten Parteien finden bei der Gesetzgebung einen Konsens für die jeweils eigene Zielgruppe.
Aber was ist mit Minderheiten, die nicht im politischen Spektrum der Bundeshausparteien vertreten sind?

Nimmt man als Beispiel den Fall des Witwers, der mit der Adoleszenz seiner Kinder die Witwenrente verliert (anders als bei einer Frau)(EGMR B. c. SUISSE 78630/12). Das Bundesgericht hatte in diesem Fall im Urteil selbst festgestellt, diese Handhabe sei eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung und damit eigentlich verfassungswidrig. Mit Verweis auf den Willen des Gesetzgebers wurde dem aber keine Abhilfe geschaffen. Anstelle die Rechte des Einzelnen zu verteidigen, stösst das Bundesgericht den Betroffenen in den Abgrund!
Wie kann ein Gericht, welches sich selbst dazu zwingt ein Urteil basierend auf einer selbst festgestellten Verfassungswidrigkeit zu sprechen, wie kann ein solches Gericht frei, unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet sein?

Etwas früher gab es den Fall eines von Invalidität betroffenen Heimbewohners. Laut Bundesgerichtsurteil (8C_390/2019) darf der Betroffene nicht von einem Heim im Kanton Jura zu einem Heim im Kanton Waadt wechseln, da aufgrund der finanziellen Regelungen der Kanton Jura weiterhin für die Kosten aufkommen müsste und dies für die Bevölkerung im Kanton Jura unzumutbar sei. Anders ausgedrückt, von Invalidität Betroffene eines reichen Kantons haben freie Auswahl sich in der ganzen Schweiz niederzulassen, solche eines armen Kantons nicht.
Der Einzelne hat aber weder das vorherrschende Finanzierungssystem zu verantworten noch kann er es verändern. Die Politik könnte Veränderungen bewirken. Das Bundesgericht könnte die Politik zu Anpassungen ermutigen, indem es die Rechte des Einzelnen stärkt und eine festgestellte Diskriminierung nicht lediglich mit dem Verweis auf politische Gegebenheiten entkräftet.
Für mich abermals ein Urteil, in dem das Gericht die Rechte des Einzelnen ignoriert um einen Konflikt mit dem Gesetzgeber zu vermeiden.

Gestern wurde vom EGMR ein Urteil veröffentlich, (geht aber wohl noch an die grosse Kammer) welches die richterliche Unabhängigkeit im Falle von Polen untersucht (Dolińska - Ficek and Ozimek v. Poland).
Es findet augenscheinlich wenig Resonanz in der Schweizer Medienlandschaft.
Als Reaktion darauf, dass die Auswahlkommission für Richterwahlen durch eine Justizreform in Polen dahingehend geändert wurde, wonach Richterkandidaten neu zum Grossteil vom Parlament bestimmt werden, heisst es im Urteil mitunter:

"316. [...] [the court] would reiterate that “independence of a tribunal established by law” refers to the necessary personal and institutional independence that is required for impartial decision-making, and it is thus a prerequisite for impartiality. It characterises both (i) a state of mind, which denotes a judge’s imperviousness to external pressure as a matter of moral integrity, and (ii) a set of institutional and operational arrangements – involving both a procedure by which judges can be appointed in a manner that ensures their independence and selection criteria based on merit –, which must provide safeguards against undue influence and/or unfettered discretion of the other State powers, both at the initial stage of the appointment of a judge and during the exercise of his or her duties (see Guðmundur Andri Ástráðsson, cited above, § 234, and the case-law cited therein).
[...]
349. [...] A procedure for appointing judges which, as in the present case, discloses undue influence of the legislative and executive powers on the appointment of judges is per se incompatible with Article 6 § 1 of the Convention and, as such, amounts to a fundamental irregularity adversely affecting the whole process and compromising the legitimacy of a court composed of the judges so appointed."

In der Schweiz wird die Richter(aus)wahl vollumfänglich von der Legislative bestimmt! Das Auswahlverfahren ist undurchsichtigt und schliesst die grösste Gruppe, die der parteilosen Bewerber, ohne gesetzliche Grundlage aus. Richter haben eine Mandatssteuern an die Partei zu zahlen, sie müssen auf Wiederwahl hoffen und werden offen für missliebige Urteile angegriffen... Es ist mir sehr schleierhaft, wie das Schweizer System mit den im Urteil genannten Grundlagen zur richterlichen Unabhängigkeit vereinbar sein soll.

Bei der langen Tradition dieses Vorgehens in der Schweiz wundert es mich, dass sich der EGMR noch nie mit dem Thema der richterlichen Unabhängigkeit in der Schweiz befasst hat...

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Ihr Beispiel mit dem Renten-Urteil hat nichts mit einem parteigebundenen Gericht zu tun udn auch nichts mit einem "Durchgriff" der Regierung auf die Justiz, sondern mit dem Willen von Parlament und Stimmberechtigten, in der Schweiz keine Verfassungsgerichtsbarkeit zu haben. Das Bundesgericht muss sich an geltende Gesetze halten, auch wenn diese verfassungswirdrig sind, weil es (laut Verfassung) keine Kompetenz hat, solche Gesetze zu ändern. Diese Kompetenz haben in der Schweiz nur das Parlament und die Stimmberechtigten. Jedes Gericht muss sich an die geltenden Gesetze halten - auch das Bundesgericht (wäre ja auch noch schöner, wenn's anders wäre und Gerichte sich über Gesetze hinwegsetzen könnten). Dem Bundesgericht blieb gar nichts anderes übrig, als den Mann - wie Sie das sagen - "in den Abgrund zu stossen". Eben weil es sich an Schweizer Recht halten muss. Es gibt nur zwei Lösungen (mit oder ohne Justizinitiative); Parlament und Volk beschliessen keine verfassungswidrigen Gesetze und/oder man schafft ein Verfassungsgericht.

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Frau S., das Renten-Urteil hat sehr wohl mit dem parteihörigen Gericht und der Justizinitiative zu tun.

Auch die Bundesverfassung und insbesondere das Völkerrecht (hier gemeint die EMRK) sind in der Schweiz geltendes Recht. Insbesondere die Menschenrechtskonvention mit grösserer Tragweite als Bundesgesetze.
Nach Art. 190 BV ist das Bundesgericht nicht nur an die Bundesgesetze gebunden, sondern eben auch an das Völkerrecht (sprich die EMRK).
Damit wäre indirekt aber auch eine Verfassungsgerichtsbarkeit gegeben, denn die EMRK ist vollkommen in der Bundesverfassung abgebildet.

Es geht nicht darum, dass das Bundesgericht Gesetze ändern können müsste, es geht lediglich darum, dass das Bundesgericht im Einzelfall die bestimmte Anwendung eines Gesetzes versagt, da ein übergeordnetes Recht dem entgegensteht.
Und genau das könnte es schon jetzt. Und es arbeitet auch jetzt schon so, denn nach einer Verurteilung durch den EMRK hebt das Gericht den früheren Entscheid auf und versagt dann im Zweifel die Anwendung des Bundesgesetzes.
Aber in diesem Fall müssen die Richter sich nicht für diese Entscheidung vor dem Parlament verantworten. In diesem Fall können sie die "Schuld" auf den EGMR schieben. Kein Wunder, dass der EGMR bei manchen Parteien so schlecht im Kurs steht. Und ich nehme stark an, dass schon während der Urteilsfindung diese Rahmenbedingungen mit eine Rolle spielen.

Im Renten-Urteil hätte das Gericht schon damals anders entscheiden können (mir ist aber dabei bewusst, dass die EMRK-Verletzung im Urteil erwogen wurde), auch im Fall des erwähnten Heimbewohners hätte das Bundesgericht mit Blick auf die EMRK anders entscheiden können.
Ich bin mir sicher, dass es mit Annahme der Justizinitiative irgendwann mutigere Richter geben wird, die es auch wagen dem Parlament zu widersprechen!

Und noch zu der Formulierung "in den Abgrund stossen", da Sie es aufgegriffen haben:
Ich hatte diese Worte bewusst gewählt, nicht um damit Stimmung zu machen, sondern weil es die Situation der Betroffenen treffend beschreibt.
In meinen Augen ist es eine Schande, wie die Schweizer Justiz mit einzelnen Rechtssuchenden umgeht.
Es gibt Menschen, wie den Witwer im Renten-Urteil, die sind von einer staatlichen Leistung abhängig. Ihre einzige Hoffnung ist der Gang vor das Gericht. Und ich nehme an, die Meisten vertrauen innerlich darauf, falls Ihnen eine Ungerechtigkeit widerfährt, dass dies vom Gericht behoben wird. Im Falle des Witwers hat das Gericht diesem indirekt sogar Recht gegeben, aber dann doch anders entschieden. Vielleicht gab ihm nur dieser Umstand die Kraft den Fall weiter zu ziehen. In anderen Fällen gibt das Gericht keinen Hinweis auf einen Zwiespalt (denn wie wir uns in einem anderen Beitrag ausgetauscht haben, muss das Gericht die Argumentation der Beschwerde nicht zwingend aufgreifen). In anderen Fällen stürzen sich die Betroffenen vielleicht von einer Brücke.

Die Aussage, das Volk wolle generell keine Verfassungsgerichtsbarkeit, empfinde ich von Ihnen nicht korrekt wiedergegeben. Das Stimmvolk hat 1939 die explizite Verfassungsgerichtsbarkeit abgelehnt. Wollen Sie aus solch einem alten Entscheid unter der damaligen Situation wirklich etwas für die Gegenwart ableiten? Die Zustimmung zur Totalrevision der Bundesverfassung als Gradmesser zu verwenden halte ich auch nicht für valide, denn das Stimmvolk hat nicht eine Version ohne Verfassungsgerichtsbarkeit einer mit vorgezogen. Man könnte auch aus der Ablehnung der Selbstbestimmungsinitiative den Wunsch der Bevölkerung nach Überprüfbarkeit von staatlichem Handeln herleiten, was indirekt eben eine Verfassungsgerichtsbarkeit herstellt.
In mehreren parlamentarischen Vorstössen wurde die Verfassungsgerichtsbarkeit zwischenzeitlich wiederkehrend gefordert, aber jeweils von der Legislative verworfen.

Sie sagen, das Parlament und Volk dürften eben keine verfassungswidrigen Gesetze beschliessen. Ich denke, Sie wissen, dass dies illusorisch ist. Wenn das Volk ein Gesetz gutheisst, bedeutet das nicht, dass in keinem Einzelfall ein Problem auftreten kann, es bedeutet lediglich, dass das Volk diesen Themenbereich in dieser Art gesetzlich geregelt haben will. Daraus zu folgern, das Volk schliesse dadurch jegliche entstehende Verfassungswidrigkeit aus, ist ein Streben nach Perfekton, welchem der Einzelfall nie gerecht werden kann.
Mir ist schon bewusst, dass das Initiativrecht gemeinsam mit dessen Verfassungsrang verworren ist, was auch in Art.190 BV hineinspielt. Auch mir gefallen manche Teile der Justizinitiative nicht und natürlich wird die Initiative nicht alle Probleme lösen. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Das Parlament hätte es in der Hand gehabt, einen angepassten Gegenvorschlag auszuarbeiten. Dem hat man sich aber verweigert.

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Die Aussage des Titels heisst ja nicht, dass es tatsächlich - und jedem einzelnen Fall - so ist. Man kann sie auch als Postulat verstehen und davon ausgehen, dass eine erhebliche Anzahl Richter diesem Anspruch nicht gerecht wird. Ich stelle mir vor, dass es kaum eine grössere Erschütterung des Vertrauens in den Rechtsstaat gibt als ein richterliches Urteil, dem der Ruch der Abhängigkeit von persönlichen bzw. parteilichen Werthaltungen anhaftet. Noch schlimmer, wenn, wie hier in wenigen Kommentaren unterstellt, Desinteresse und ungenügende Kenntnisse hinzukommen. Die Justizinitiative wurde, zumindest teilweise, aus solchen Erfahrungen lanciert. Sie hebt einen wunden Punkt im Justizsystem hervor. Warum sich das Parlament einer Reform im Sinne der Vorschläge der Richterinnenvereinigung verweigert, kann ich mir nur damit erklären, dass die Parteien einen Einfluss auf die Rechtssprechung haben wollen. Und das darf nicht sein.

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Ich weiss nicht, ob das jemanden hier interessiert: werde mit Inbrunst ja stimmen. Die Macht, die die Parteien, insbesondere die SVP auf die Richter ausüben ist unerträglich. Pro Gewaltenteilung. Pro Rechtsstaat.

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Es braucht nur ein Blick in die USA und es wird klar, dass nicht Politiker die Richter bestimmen sollltem. Legislative und Justiz müssen unabhängig sein auch was den Wahlprozess angeht.

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Marius Schären
Texter, Bilder
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Ich bitte um Nachsicht für die folgende lange Zitate-Liste. Aber in meinen Augen nennt Patrick Guidon gleich selbst jede Menge Argumente, die gegen das aktuelle System sprechen und/oder kein Grund für die Parteizugehörigkeitsvoraussetzung sind.
Und wie schon Simon Reber vor mir kommentierte: Das immer wieder hervorgebrachte Argument, das System habe sich «bewährt», ohne dass konkrete Belege dafür genannt werden, beelendet eigentlich nur...
Also, was spricht alles gegen das «bewährte» System? Richter Patrick Guidon (Fragen: Brigitte Hürlimann):

Die menschlichen Eigenschaften, Fähigkeiten, Schwächen und Erfahrungen spielen beim Richten eine Rolle.

Ich behaupte, dass Sie am Ende einer Urteils­beratung nicht herausfinden würden, welche Richter in welcher Partei sind.

Wichtig ist, ich kann es nicht genug betonen, dass die Richter selbstkritisch bleiben, sich hinterfragen. Dass sie sich bewusst sind, was beim Urteilen alles auch noch eine Rolle spielt.

Ich wusste aber, dass ich für meinen Berufstraum, Richter zu werden, früher oder später einer politischen Partei beitreten muss.

Diese karrierebedingten Parteieintritte oder -wechsel führen die Vorstellung, dass die Partei­mitgliedschaft die Wertehaltung der Richterinnen transparent machen soll, ad absurdum.
Das ist richtig, falls der Parteieintritt oder der Parteiwechsel nicht der Wertehaltung entspricht.

In der Bundes­verfassung steht, dass Richterinnen und Richter unabhängig und nur dem Recht verpflichtet sind.

Die periodische Wiederwahl von Richterinnen ist problematisch.

Für meine richterliche Arbeit sind Verfassung und Gesetz massgebend. Andere Leitlinien gibt es nicht, und anderen Leitlinien würde ich mich nicht verpflichten.

Wie erwähnt bin ich für eine Öffnung des heutigen Wahlsystems für Parteilose. Aber ich bin gegen die gänzliche Abschaffung des Parteiproporzes. Das System hat sich grundsätzlich bewährt.

Um das [die persönlichen hintergründe einer richterperson] auszugleichen, ist es vor allem bei Ermessens­entscheiden wichtig, dass ein Gremium entscheidet, also mehrere Richterinnen und Richter. Damit wird am ehesten ein ausgewogenes Urteil gewährleistet.

Heute können die meisten Parteien, von links bis rechts, bei den Richterwahlen nicht mehr auf einen riesigen Pool an langjährigen Partei­mitgliedern zurückgreifen. Da können interne Parteiverdienste nicht den Ausschlag dafür geben, ob man vorgeschlagen wird oder nicht.

Es mag wohl sein, dass Juristen heute vermehrt im Hinblick auf eine Vakanz einer Partei beitreten.

Dann hätten auch Parteilose eine Chance?
Ja, denn die Fachkommission würde die Kandidaturen nach festgelegten Kriterien prüfen: Fachkompetenz, Sozialkompetenz, Lebens­erfahrung, Geschlecht und Sprache. Auch Nicht­parteimitglieder können ihre Kandidaturen einreichen. Eine ausgewogene Zusammensetzung der Gerichte nach weltanschaulichen Kriterien muss dabei ein Ziel bleiben. Unabhängig davon, ob jemand in einer Partei ist oder nicht.

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Was mich bei der Justizinitiative befremdet ist die Haltung der Parteien. Sämtliche Parteien sind dagegen. Eine solche Konstellation sollte hellhörig machen. 95% der Bevölkerung (die Parteilosen) sind nicht repräsentiert. Selbst die sogenannten liberalen Parteien sind dagegen. Dabei ist das Anliegen doch urliberal. Gewaltenteilung. Unabhängigkeit. Das ist das was die Initiative will. Also geht es bei den Parolen der Parteien um etwas anderes. Nämlich um Macht und Pfründe. Woher nehmen die Parteien das Geld wenn die Mandatssteuern entfallen? Wie können die Parteien auf die Justiz Einfluss nehmen wenn die Parteizugehörigkeit und die Wiederwahl entfällt?
Wie wichtig eine wirklich unabhängige Justiz ist sieht man immer wieder im Ausland (USA, Türkei, Polen Ungarn, Unrechtsstaaten……). Dort nehmen Regierungen regelmässig Einfluss auf die Justiz. Dann entsetzten wir uns hier. Aber die Mechanismen für solches Verhalten sind hier bei uns genau so vorhanden. Deshalb kann man das bestehende System nicht mit gutem Gewissen verteidigen. Die Justizinitiative ist ein erster Schritt in eine wirklich wirksamen Gewaltenteilung.

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Herr Baumberger, Sie sprechen einerseits von der Einflussnahme von Regierungen, andererseits von der Haltung der Parteien in der Schweiz. Da liegen aber grundsätzliche Unterschiede vor. Regierungen greifen auf die Justiz durch, wenn es dafür gesetzliche Möglichkeiten gibt (siehe derzeit Polen). Die gibt es in der Schweiz aber nicht. Der Bundesrat hat keine Handhabe, dem Bundesgericht irgendetwas zu befehlen oder es an irgendeinem Urteil zu hindern.
Die Parteien in der Schweiz sind logischerweise daran interessiert, dass sie bei der Besetzung der RichterInnenstellen berücksichtigt werden. Die Begründung liegt ja darin, dass die BürgerInnen entsprechend ihrer - durch demokratische Wahlen kund getanen - Einstellung vertreten sein sollen. Heute sollte man aber wohl auch all die Nicht-WählerInnen berücksichtigen und evtl. zwei oder drei Sitze generell für Parteilose reservieren. Auch wenn niemand weiss, welche Haltung Nicht-WählerInnen eigentlich einnehmen.
Auch ein Lossystem würde ja nichts daran ändern, dass BewerberInnen Parteimitglieder sein könnten. Die Kommission, die unter den BewerberInnen aussucht, wüsste dann vermutlich immer noch bei der Mehrzahl der BewerberInnen, welche politische Einstellung sie haben. Da es sich um erfahrene JuristInnen handeln muss, kommt ein Teil der BerwerberInnen auch weiterhin wohl aus kantonalen Gerichten, die genau gleich besetzt werden, wie heute das Bundesgericht. Es wären also auch nach Annahme der Justizinitiative wohl mehrheitlich Parteimitglieder im "Lösli-Sack". Da dann ja aber "blind" ausgelost wird, könnte hypothetisch auch der Fall eintreten, dass sehr viele - oder gar alle - Ausgelosten aus der selben Partei kämen. Eine Korrektur wäre dann aber nicht mehr möglich - unter Umständen wäre das Gericht dann für sehr lange Zeit sehr einseitig zusammengesetzt.

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Frau S.,
lasst uns doch einmal ein wenig spekulieren. Angenommen aus welchem Grund auch immer würde die SVP die Mehrheit im Parlament erlangen.
Als Folge davon würden linientreue Richter gewählt, Abweichler abgewählt. Es gibt einen Aufschrei aber so what. Polen lässt grüssen. Dazu braucht es keine Regierung die eine gesetzliche Handhabe hat. Also ist doch das System nicht i.O. oder sehen sie das anders? Wenn ja würde mich interessieren warum.

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"Da liegen aber grundsätzliche Unterschiede vor. Regierungen greifen auf die Justiz durch, wenn es dafür gesetzliche Möglichkeiten gibt (siehe derzeit Polen). Die gibt es in der Schweiz aber nicht. Der Bundesrat hat keine Handhabe, dem Bundesgericht irgendetwas zu befehlen oder es an irgendeinem Urteil zu hindern."

Wieso wird dann dem Bundesgericht nicht erlaubt Bundesgesetze auf deren Verfassungsmässigkeit hin zu untersuchen?

Auszug aus einem Urteil (9C_617/2011):
"3.5 Der gesetzlichen Regelung des Anspruchs auf eine Witwerrente liegt die Überlegung zu Grunde, der Ehemann komme im Allgemeinen für den Lebensunterhalt der Ehefrau auf. [...] Der Bundesrat schlug im Rahmen der 10. AHV-Revision die Einführung eines beschränkten Witwerrentenanspruches in der AHV vor (BBl 1990 II 37 f., 155 f.). Die Räte entschieden sich für die bis heute gültig gebliebene Regelung, wonach die verwitwete Frau selbst dann in den Genuss der Witwenrente kommt, wenn sie zu keinem Zeitpunkt auf die Erfüllung der zivilrechtlichen Unterhaltspflicht gemäss altem Eherecht durch den Ehegatten angewiesen war, während das gleiche Recht auf Hinterlassenenrente dem verwitweten Ehemann nicht zugestanden wird. Dass dies eine unzulässige, Art. 4 Abs. 2 aBV zuwiderlaufende geschlechtsspezifische Unterscheidung bedeutet, war den Räten bewusst [...]. Der Gesetzgeber hat mit der unterschiedlichen Regelung der Voraussetzungen für Witwen- und Witwerrente somit explizit eine geschlechtsspezifische Unterscheidung vorgenommen, die sich weder wegen biologischer noch wegen funktionaler Verschiedenheiten aufdrängt. Der Bundesrat hat in seiner Botschaft zur (abgelehnten) 11. AHV-Revision (BBl 2000 1959 f.) klar darauf hingewiesen, die Regelung, wonach Witwer nur solange Anspruch auf Witwerrente haben, als das jüngste Kind unter 18 Jahre alt ist, widerspreche dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Frau und Mann, weswegen die Leistungsberechtigung vereinheitlicht werden müsse. Der Bundesrat wollte - dem Gedanken des Versorgerschadens entsprechend - die Anspruchsvoraussetzungen für die Witwenrente an jene für die Witwerrente angleichen. Nach dem Scheitern der 11. AHV-Revision blieb es bis heute bei der dargestellten, für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebenden (Art. 190 BV) Bestimmung."

Somit wird dem Bundesgericht sehr wohl vorgegeben, welche Urteile es fällen muss. In diesem Fall muss das Bundesgericht ein Urteil fällen, welches nach eigener Überzeugung auf einer verfassungswidrigen Grundlage basiert.

Von der Rechtslage bei den Richterwahlen herrschen in der Schweiz im Prinzip zudem sehr ähnliche Bedingungen vor wie in Polen. Die Richterwahl geschieht vollumfänglich vom Parlament (in Polen ist dies eine der angeprangerten Veränderungen, da früher Parlamentarier nur zu einem geringen Teil im Wahlgremium vertreten waren). In Polen wurde eine Disziplinarstelle geschaffen, welche Richter bestrafen kann. Wenngleich nicht so unmittelbar, so gibt es in der Schweiz etwas zumindest Vergleichbares, denn alle 6 Jahre können alle Richter abgewählt werden.
Der einzige Schutz ist, dass hierzulande eine breiter aufgestellte Parteienlandschaft vorherrscht, was aber nicht in Stein gemeisselt sein muss, wie auch von Herrn Baumberger erwähnt.

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In einem längeren Kommentar habe ich fast nur auf die SVP fokussiert. Das war vielleicht nicht ganz fair. Hier als Antwort auf Ihre Frage: Die Parteien erheben von ihren Mandatsträgern Parteisteuern. Diese sind sehr wichtige Einnahmen, ganz besonders bei den Parteien, welche nicht/weniger von der Wirtschaft finanziert werden. Folglich hängen alle Parteien an diesem System.

Im Kanton Zürich gab es vor etwa 20 Jahren deswegen einen ordentlichen Wirbel. Den Mandatsträgern wurde gedroht, zahlungswillige Gegenkandidaten aufzustellen. Den Wirbel gab es, weil ein Richter oder Staatsanwalt Anzeige wegen Nötigung oder Erpressung erstattete.

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Sie sprechen mir aus der Seele Herr Baumberger: Mit Ausnahme von Lukas Reimann (SVP!) unterstützt zudem kein einziger Parlamentarier die Initiative. Das muss in der Tat hellhörig machen (s. die von Ihnen in den Raum gestellten Beweggründe)…

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Herr Guidon hat seinen Standpunkt nachvollziehbar geschildert: Ganz unparteiisch ist niemand, deshalb deklariert man seine Werte besser transparent, zum Beispiel mit der Wahl der Parteimitgliedschaft. Wenn wertefreie Richtsprüche schon nicht realistisch sind, sollten sie in der Summe wenigstens den Werten der Bevölkerung entsprechen. Trotzdem wage ich es kaum, den Gedanken zu Ende zu denken.
Denn das würde bedeuten, dass bei Verschiebungen von Wahlresultaten parallell zur Zusammensetzung des Parlaments auch die Zusammensetzung der Richterschaft angepasst werden sollte. Und wir müssten Verständnis für die polnischen Rechtsparteien haben, die nach ihrem Wahlsieg unbeliebige Altrichter loswerden wollen. Ist so gesehen ja nur konsequent.
Kann es nicht auch sein, dass durch diese Relativierung der Wertefreiheit beim Richten die interessengebundenen Richtsprüche geradezu legitimiert werden? Erinnern wir uns, nur 5 Jahre ist's her, da hat der Tagi nachgewiesen, dass Asylentscheide signifikant von der Parteizugehörigkeit des Richters beeinflusst werden: "https://blog.tagesanzeiger.ch/daten…gschancen". Finden wir das wirklich gut? Und: beschränkt sich das Phänomen in diesem Ausmass auf das Asylwesen? Wir können die Antwort nur ahnen, denn: Nur im Asylwesen gibt es genug gleichgelagerte Fälle, um dem Phänomen mit Statistik zu Leibe zu rücken.

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"Ich muss daran erinnern, dass wir Richterinnen und Richter allein dem Recht verpflichtet sind..."

Mmmh, wenn ich mir anschaue, was aus ablehnenden Rekursen bei negativen Asylverfahren geworden ist, dann frage ich mich, wer eine solche Märchenstunde glaubt...

Wenn jemand einen ablehnenden Asylentscheid erhält, der auch vor dem Bundesverwaltungsgericht als höchste Instanz bestätigt wird, gibt es für die meisten Gefüchteten nur 2 Optionen: Nothilfe in der Schweiz, weil sie nicht in ihr Herkunftsland zurückgeschafft werden können, oder in ein anderes Land weiterfliehen....
Wegen der Corona-Pandemie wurden die sog. "Dublin-Rückführungen" in das Land, in dem das erste Asylgesuch gestellt wurde, gestoppt. In den allermeisten Fällen gibt es dann ein neues Asylverfahren in einem zweiten Land.

Nicht immer gelingt es mir, den Kontakt zu diesen Menschen über die Jahre aufrecht zu erhalten. Aber in den letzten Monaten bekam ich von drei meiner Kontakte Rückmeldungen: Einer hat in Belgien Asyl erhalten und macht jetzt eine Ausbildung. Zwei weitere haben in Grossbritannien Asyl erhalten.

Wohlgemerkt: Bei allen drei hatte zuvor die Schweiz die Asylgesuche in 2 Instanzen abgelehnt (SEM und BVG).
Was ist das für ein "Recht", dem "Richterinnen und Richter allein ...verpflichtet sind"?
Offenbar gilt im übrigen Europa ein anderes "Recht"?!?

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Es gäbe ja auch noch die Möglichkeit, dass die Asylgesetze der beteiligten Länder nicht alle völlig gleich sind - dass das Schweizer Asyl- sowie das Ausländerrecht härter sind, als jene in Belgien und/oder dem UK. Oder, dass die im Asylverfahren Beschäftigten, die die Geflüchteten z.B. befragten, in der Schweiz andere Dinge erfragt/erhoben haben, als jene in Belgien und im UK. In beiden Fällen wären es nicht die RichterInnen, die an den unterschiedlichen Urteilen "schuld" wären. Sie hätten sich an Schweizer Gesetze gehalten, die von Parlament und Stimmberechtigten erlassen wurden....

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In einem der erwähnten Asylverfahren z.B. wurde die erste Befragung in einer in der Schule erlernten Sprache durchgeführt, nur die zweite dann in der Muttersprache.
Der ablehnende Bescheid wurde daraufhin mit angeblichen Widersprüchen zwischen den beiden Interviews und damit der "Unglaubwürdigkeit" des Asylsuchenden begründet. Nur ein Jahr zuvor hatte ein UNO-Gericht in einem anderen Fall die Praxis der Schweiz, Befragungen nicht in der Muttersprache durchzuführen und Asylsuchenden die Möglichkeit zu verwehren, ihre Asylgründe in ihrer eigenen Sprache darzulegen, scharf kritisiert und eine Wiederholung eines Asylverfahrens erzwungen.
Der Richter am Bundesverwaltungsgericht hielt diese Argumentation für nicht gültig: Im UN-Fall seien beide Anhörungen nicht in der Muttersprache geführt worden. Im vorliegenden sei die 2. Anhörung in der Muttersprache geführt worden. Formaljuristisch ist das wohl richtig, faktisch aber bleibt es rassistisch. Diesen Entscheid umzustossen, hätte ein erneutes Verfahren vor dem UNO-Gericht in Genf erfordert und 2-3 Jahre Wartezeit unter Notrecht bedeutet. Der Mann ging lieber nach England - und hatte ein Jahr später einen positiven Asylentscheid....

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Ich glaube, Ihre Meinung ist nicht ganz richtig - auch wenn alles stimmt, was Sie schreiben. Aber es gilt die Offizialmaxime, d.h. das Gericht muss aufgrund des möglichst richtig und vollständig festgestellten Sachverhalt entscheiden und diesen allenfalls ergänzen lassen - ganz anders als etwa im Zivilprozess, wo die von Ihnen genannten Unterschiede viel mehr ins Gewicht fallen.

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Ich bin definitiv dafür, dass Richter NICHT durch das Parlament gewählt werden, denn auf diese Art kommen nur Parteizugehörige zum Zug, welche sich auch noch durch den 'Kickback' an ihre Partei (bis zu 20'000 FR. pro Jahr) für die Wahl ins Amt 'bedanken' müssen. Wenn wir wirklich sauber sein wollten, dürften Parteizugehörige gar nicht richten, denn schon die Bezeichnung Partei-Zugehörigkeit sagt ja gerade, dass eine bestimmte 'Parteiigkeit', also Abhängigkeit, vorliegt.
Die Initiative 'flickt' die Situation ein Stück weit, natürlich nicht 100%, was illousorisch ist: Denn das Gremium (gem. Initiativtext die Fachkommission ), welche die Kandidaten für die Auslosung bestimmt, ist ja wohl kaum völlig unparteiisch (aus dem neuen BV Art 188a Abs 3: "Die Mitglieder der Fachkommission werden vom Bundesrat für eine einmalige Amtsdauer von zwölf Jahren gewählt." Leider wurde die Grösse der Fachkommission nicht festgelegt.) Aber immerhin: Es wird für die Parteien doch viel schwieriger, Juristen ins Bundesrichteramt zu hieven, welche ihnen tendenziell willfährig sind (und welchen sie bei Missfallen die Wiederwahl vermiesen und sie so unter Druck setzen können). Wir laufen mit diesem Verfahren auch nicht Gefahr, ungeeignete Kandidaten zu wählen - gegenteiligen Behauptungen zum Trotz. Denn die Fachkommission kann nur fachlich geeignete Personen für den Losentscheid nominieren.
Deshalb: JA zum Losentscheid für Bundesrichterwahl gemäss der vorligenden Initiative, JA zu Justizinitiative!

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"Als Strafrichter wird mir immer wieder bewusst, dass auch ich auf dem Platz eines Beschuldigten sitzen könnte, hätte ich im Leben nicht so viel Glück gehabt".

Dass Erfolg nie nur auf "Eigenleistung" basiert, sondern sehr viel mit Zufall zu tun hat (wo geboren, Gesundheit, soziales Umfeld, etc.), wollen viele nicht wahrhaben. Denn dann könnte man sich nicht nur auf die Schultern klopfen. Nur schon der Zufall in der Schweiz zu leben beträgt bei 8 Mrd. 1 : 1000.

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Wann bringt die Republik noch die andere Perspektive zur Vorlage?

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Wenn es um richterliche Unabhängigkeit geht, wird generell auf die Verankerung der Unabhängigkeit in der BV verwiesen. Bei inneren Vorgängen, wie das nun mal bei Abhängigkeitsfragen oft der Fall ist, ist das kein "Beweis" der Unabhängigkeit. Die heutige Verknüpfung von Richteramt und Parteizugehörigkeit verhindert sehr viele kompetente Richter. Der Pool ist klein. Die Qualität leidet m.E. zwangsläufig.

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Ein ausgezeichnet geführtes und spannendes Interview. Chapeau!

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(von der Moderation verborgen)

Ich habe den Kommentar gelöscht. Unterlassen Sie persönliche Angriffe und Beleidigungen. Beim Wiederholungsfall werden wir Sie sperren.

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Kommentar ohne Beleidigung (Diese bezog sich auf den Interviewten): Frau Herrmann und Frau S.: Nur Einzelfälle, nuur Einzelfälle. Klar. Ihre Herangehensweise an Erlebnisberichte finde ich weder konstruktiv noch korrekt. Eine Person, welche eigene Erfahrungen wiedergibt sollte man ernst nehmen. Den Hinweis auf die Tatsache, dass es eben "nur" ein Erfahrungsbericht ist, kann frau dann ja trotzdem machen. Sie bringen wiederum auch keine Nachweise dafür, dass das Gesagte nicht stimmt. Müssen sie nicht, stimme ich zu. Aber die Aussagen als unrelevante Anekdoten zu entwerten und sich zu bemühen, dass diese unterbunden werden...problematisch to say the least! Dagegen muss überall angekämpft werden, egal ob bei Vergewaltigungsopfern, Unrecht erfahrenden Flüchtenden, unter Repression leidenden Aktivistinnen, (...).
Ausserdem: Auch wenn die Richter:innen immer nur perfekte Urteile sprechen würden, wären diese in vielen Angelegenheiten immer noch ungerecht. Da stört mich ehrlichgesagt der naive Frame des Interviews. Auch durch ein Interview zur Initiative hätte dies besser gemacht werden können. Was, wenn das Gesetz selbst ein Problem darstellt - Thema PMT z.B.? Ich weiss, Thema war die Initiative, trotzdem stört es mich Interviews und Artikel zu lesen die auf so einer tiefen Höhe fliegen und darum gehts mir in meiner Kritik.
Sehr gelungen finde ich jedoch, wie die Widersprüche des Interviewten aufgezeigt werden. Er lebt "bewusst" in einer bunt durchmischten Gegend und ist "überzeugtes" Parteimitglied der SVP? Natürlich. Auch die Widersprüche seiner Antworten zu der Unabhängigkeit der (anderen) Richter ist unglaublich. Trotz allem auch gerne gelesen, danke!
Edit: Rechtschreibung und stilistische Fehler.

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Johanna Wunderle
Muttersprache NL
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Patrick Guidons Aussagen haben mir grossen Eindruck gemacht und sehr gut gefallen. Ein Richter der integer ist und der die wesentlichen Voraussetzungen sieht für dieses wichtige Amt.

Das war der erste Teil.

Die Ernüchterung kam im zweiten Teil beim Motiv der Parteizugehörigkeit. Da macht Herr Guidon einen akrobatischen Sprung von Xenophons Wertvorstellungen zu denen der jetzigen SVP.
Fazit: Die Justizinitiative bekommt mein JA

Und wieder vielen Dank an Brigitte Hürlimann für das ausgezeichnete Interview.

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