Die Schweiz auf Abriss – Folge 7

Plädoyer für ein herrliches Durcheinander

Die Klimakrise verlangt eine neue Umbau- und Reparaturkultur. Für Architekten ist das kein Verlust, sondern eine Bereicherung. Für alle anderen auch.

Ein Essay von Palle Petersen, 22.03.2024

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Vorgelesen von Jonas Gygax
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Werden abgerissen und durch Hochhäuser ersetzt: Die Scheibenhäuser in Inwil bei Baar im Kanton Zug. Stefan Kaiser/Zuger Zeitung

Abriss oder Umbau? Seit einigen Jahren bewegt diese Frage die Architektinnen, Bauherrschaften, Ingenieure und Bauämter wie keine zweite.

2022 lancierten die Klima­aktivistinnen von Count­down 2030 den Abriss-Atlas und kuratierten die Ausstellung «Die Schweiz: Ein Abriss», um auf die ökologische und wohnpolitische Problematik hinzuweisen. Zeitgleich forderte der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten ein landesweites Abriss­moratorium. Dazu kommen Kongresse, Podien und Debatten um Einzel­projekte – etwa um das Luzerner Neubad, die Zürcher Maag-Hallen oder das Münchner BR-Studio. Und um viele, viele Wohn­siedlungen.

Die «Ersatz­neubau­walze» ist vor allem innerstädtisch zum Feind­bild geworden. In der Regel mischt sich dabei sozial­politische Kritik rund um Verdrängung, den Verlust von Identität und günstigem Wohnraum mit ökologischer Kritik rund um Abfall­berge und «graue Emissionen» – jene Treibhaus­gase, die nicht beim Gebäude­betrieb anfallen, sondern beim Bauen selbst, vom Rohstoff­abbau über die Verarbeitung bis zur Baustelle.

Die Schweiz auf Abriss

In der Schweiz werden jedes Jahr Tausende Häuser abgerissen. Das hat gravierende ökologische, ökonomische und wohn­politische Folgen. Eine gemeinsame Rechercheserie der Republik und von «Correctiv». Zur Übersicht.

Folge 3

Wenn Hei­mat­schüt­zer plötzlich für den Abriss sind

Folge 4

Grauzone

Folge 5

Grosse Wohnungen für grosse Löhne

Folge 6

Das grosse Geschäft mit Zwischen­nutzungen

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Plädoyer für ein herrliches Durch­ein­an­der

Ich will es genauer wissen: Wie stark belasten Abrisse das Klima?

Der Gebäude­sektor ist in der Schweiz für über 30 Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich. Etwa zwei Drittel davon entfallen auf den Betrieb, ein Drittel auf die Erstellung im Hoch- und Tiefbau.

Die Betriebs­emissionen entstehen vor allem beim Heizen. 2022 wurden 57 Prozent aller Wohn­gebäude mit Öl und Gas beheizt, bei 44 Prozent dienen fossile Energie­quellen auch zur Aufbereitung von Warmwasser. Der grösste Hebel für den Klimaschutz im Bausektor liegt also noch immer darin, Öl- und Gaskessel durch Wärme­pumpen zu ersetzen und die Gebäude besser zu dämmen. Diese Rezepte sind bekannt, gefördert und gefordert. Der Neubau ist hinreichend reguliert.

Die Erstellungs­emissionen, auch graue Emissionen genannt, entstehen beim Bauen selbst – vom Rohstoff­abbau und der Verarbeitung zu Bauprodukten über die Transporte zu Fabriken und Baustellen bis zur Energie für die Baumaschinen. Bei durchschnittlichen Neubauten machen sie etwa die Hälfte der Emissionen im gesamten Lebens­zyklus aus. Bei ambitionierten Neubauten sind es zwei Drittel und mehr. Der lebhafte Fachdiskurs rund um graue Emissionen ist darum richtig: Gesetzlich gibt es noch keine griffigen Anforderungen. Von einer vollständig dekarbonisierten Bauindustrie sind wir noch weit entfernt. Auf lange Sicht liegt hier die Knacknuss.

Vor diesem Hintergrund ist der Baubestand doppelt wichtig: Einerseits ist die energetische Sanierung der Nachkriegs­bauten wichtiger als noch höhere Anforderungen im Neubau­bereich. Zweitens stecken allein in der Tragstruktur und den Fassaden knapp zwei Drittel der grauen Emissionen eines Hauses. Gelingt es, diese bei einem Umbau­projekt zu erhalten, ist viel gewonnen – zumal die grauen Emissionen auf einen Schlag und ganz am Anfang anfallen, nicht über Jahrzehnte. Angesichts drohender Kipp­punkte lohnt es sich darum, ein Gebäude mit minimalem Ressourcen­aufwand für eine weitere Nutzungs­phase zu ertüchtigen und erst danach zu ersetzen.

Diese Kritik ist berechtigt. Nebst Suffizienz­fragen – wie Komfort­ansprüche oder Flächen­verbrauch pro Kopf – ist eine Umbau- und Reparatur­kultur der grösste Hebel für eine klima­taugliche und kreislauf­fähige Baukultur. So sinnvoll es ist, Staub­sauger ins Repaircafé zu tragen und Hosen zum Quartier­schneider: Im Bausektor spielt die Ressourcen-Musik, und was schon da ist, muss nicht gebaut werden.

Umbauen als Gebot der Stunde, als sozio­ökologischer Imperativ: Was heisst das für Architektinnen? Sind ihre Kreativität und Freiheit bedroht? Geht der Baukunst der Schöpfungsakt verloren?

Mais au contraire!

Mythos weisses Blatt

Die Vorstellung, der Neubau sei interessanter als der Umbau, beruht auf der verklärten Vorstellung des grossen Wurfs auf dem weissen Blatt. Die Realität ist profaner. Architektur ist nur selten Selbst­zweck oder Kunst. In der Regel ist sie eine Dienstleistung für Bauherrschaften und die Gesellschaft. Und darum zu Recht unfrei.

Erstens entsteht Architektur in einem rechtlichen Rahmen: Bund, Kantone und Gemeinden verabschieden Richt- und Zonen­pläne, Energie- und Umwelt­auflagen, Regeln zum Brand- und Lärmschutz und vielerlei mehr. Baugesetze regeln detailliert Nutzungen und Abstände, wie steil ein Dach sein darf, wie breit ein Attika­geschoss et cetera. Dazu kommen knapp tausend Baunormen und Ordnungen des Schweizer Ingenieur- und Architekten­vereins und Nachhaltigkeits­labels als endlose Check­listen. Die Regulations­dichte im Bauen ist enorm, bisweilen absurd.

Zweitens entsteht Architektur in einem Auftrags­verhältnis: Professionelle Bauherren definieren vor dem Entwurf viele Parameter en détail. Im Wohnungsbau heisst es dann: 4,5 Zimmer mit 105 bis 110 Quadratmetern, Individual­zimmer 13 bis 14 Quadratmeter, Bad mit Wanne und Tumbler 8 Quadratmeter, Küchen offen im Wohnraum. Manchmal sind nicht nur die Zahl der Küchen­elemente, sondern auch das Material der Abdeckung oder der Wandputz vor dem Entwurf gesetzt. Und auch unterwegs gilt: Wie in jedem Beruf sind die Bedürfnisse und Vorlieben der Kundschaft zwar diskutierbar, aber entscheidend.

Drittens entsteht Architektur mit den Möglichkeiten der Bauindustrie: Repräsentative Firmensitze, Museen oder Villen mit üppigen Budgets sind Ausnahmen. Im normalen Büro- oder Wohnungsbau stecken die Baukosten einen engen Rahmen ab. Da ist der Holzbau schnell zu teuer und nur die günstigste Fassade liegt drin. Die Gestaltungs­freiheit schrumpft in solchen Fällen zu aufmunternden Farb­spielen oder einem hübschen Handlauf.

Viertens entsteht Architektur in einem kulturellen und sozialen Kontext: Paragrafen und Kommissionen überwachen die «befriedigende Gesamt­wirkung» von Bauten in ihrer Umgebung. Ein Glaskubus in der Altstadt oder ein quietsch­gelbes Haus im Gründerzeit­quartier? Schwierig. Dazu kommen stilistische Vorlieben und relevante Themen der Gegenwart. Was man als Architektin auch tut, immer positioniert man sich in der Szene und im Zeitgeist.

Angesichts all dieser Einschränkungen ist das Architektur­schaffen wie ein hochkomplexes Tetris-Spiel. In der A-Liga des Architektur­wettbewerbs staunt man, wie verschiedene Büros dieselbe Aufgabe ganz unterschiedlich lösen. In der C-Liga dagegen, in der allgemeinen Bauproduktion landauf, landab, entstehen bedrückend einheitliche Neubau­quartiere.

Alles ist Umbau

Freilich bewegt sich auch der Umbau im Korsett von Recht und Auftrag, Industrie und Kontext. Ist Umbauen also dasselbe wie Neubauen? Der Wiener Architekt Hermann Czech beschäftigt sich seit den 1970ern mit dieser Frage und kommt zum umgekehrten Schluss: «Der Umbau ist ein architektur­theoretisch wichtiges Thema; vielleicht das zentrale überhaupt – weil im Grunde alles Umbau ist.»

Was Czech meint: Ob man nun auf einer leeren oder leer geräumten Parzelle ein Haus entwirft oder ein bestehendes umbaut, immer verändert man bauend einen Status quo, immer handelt man in einem Geflecht vorgegebener Bedingungen. Dazu kommt: Selbst der Entwurf eines Neubaus auf der grünen Wiese ist je länger, je mehr wie ein Umbau. Einmal getroffene Entscheidungen rückgängig zu machen, ist eine Umplanung und kann aufwendiger sein, als einen real existierenden Raum zu verändern.

So gesehen sind beim Umbau bloss eine Reihe von Entscheidungen bereits getroffen. Letztlich stellen sich sämtliche Fragen, die es auch im Neubau gibt, bloss kommt der Bau­bestand als weitere Ebene hinzu. Der Umbau ist, wenn überhaupt anders, dann vielschichtiger und interessanter.

Die Freiheiten des Umbaus

Die vom Bestand vorgegebenen Entscheidungen sind nicht Einschränkungen, sondern architektonische Chancen. Es ist kein Zufall, meint das Wort «Occasionen» sowohl Gebrauchtwaren als auch Gelegenheiten.

Da sind die räumlichen Gelegen­heiten: Im weiten Stützen­raster ehemaliger Industrie­bauten lässt sich fast alles einrichten – Loft oder Gross-WG, Co-Workingspace oder Klein­theater, Yoga­studio oder Supermarkt. Dank eines über­dimensionierten Kellers, den man so nie mehr bauen würde, lässt sich Gewerbe ansiedeln, das viel Lager­platz und tiefe Mieten braucht. Ist ein Haus vermeintlich zu breit, ersparen Stauräume in der dunklen Mitte den Mieterinnen den Weg in den Keller. Selbst kleine, tiefe und schmale Räume haben Potenzial.

Damit zu den sozialen Gelegenheiten: Ausgerechnet die Siedlungen der Nachkriegszeit mit kompakten Wohnungen und moderatem Komfort bieten die Chance, günstigen Wohnraum zu erhalten. Viele Mieter sind bereit, für eine zentrale Lage Abstriche zu machen. Und Investoren tun gut daran, ihre Portfolios zu diversifizieren. Kein Wohn­segment ist so krisenfest wie das preisgünstige.

Lediglich zwei der vier Scheibenhäuser sind derart baufällig, dass die Substanz nicht mehr genutzt werden kann. Abgerissen und ersetzt werden aber alle vier. Jules Vogt/ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv

Zu den Bildern

Die Scheiben­häuser in Inwil bei Baar entstanden in zwei Etappen, 1965 und 1968. Nebst dem Angebot der insgesamt 4 Gebäude mit je 54 Wohnungen haben die «Scheiben» auch einen kultur­geschichtlichen Wert: Es kam erstmals das Bausystem W62 zum Einsatz, eine Fertigbau­weise, wie sie in der Nachkriegszeit oft verwendet wurde. Den heute üblichen Anforderungen werden die in die Jahre gekommenen Häuser nicht mehr gerecht, insbesondere die beiden Bauten der ersten Etappe. Eine Zustands­analyse, die von den Eigentümerinnen (Pensions­kasse der V-ZUG AG und Pensions­kasse BVK) in Auftrag gegeben wurde, stellt fest, dass der Erhalt der Scheiben und eine entsprechende Gesamt­erneuerung unverhältnismässig sei.

Das war die Ausgangslage für den Architektur- und Planungs­wettbewerb für die Neugestaltung des Areals. Gewonnen hat diesen ein Projekt vom Studio Märkli (zusammen mit Christophe Girot Landschafts­architektur), das den Rückbau und Ersatz­neubau wie vorgegeben umsetzt und vier neue Hochhäuser vorsieht.

Interessanter ist aber ein Blick auf das zweit­platzierte Projekt von Oxid Architektur (mit Schmid Landschafts­architekten). Oxid Architektur schlägt entgegen der Ausschreibung vor, die beiden neueren Scheiben zu erhalten und zu ertüchtigen. Die beiden älteren würden durch Holz­neubauten ersetzt, die wie die Bestands­bauten strukturiert sind und somit den Ausdruck der Siedlung erhalten. Für die weiter bestehenden Scheiben würde zusätzlicher Wohnraum durch einen neuen Kopfbau geschaffen und ausserdem die Wohnungen den heutigen Standards angepasst.

Die Jury begrüsst diesen Vorschlag und bestätigt die wirtschaftliche Machbarkeit, entscheidet sich aber doch für den Ersatz­neubau. Aus der Sicht der Eigentümerinnen die wirtschaftlichere Lösung. Würde die verbaute graue Energie in diese Rechnung fliessen, wäre die Antwort nicht mehr ganz so klar.

Visualisierung, wie die Scheiben hätten aussehen können. Links der ertüchtigte Bau, rechts der neue Holzbau. Oxid Architektur/Atelier Brunecky

Schliesslich gibt es die gestalterischen Gelegenheiten: ein ungewöhnliches Fenster­format, ein eigenwillig gefärbter Stahl­träger, eine überraschende Stufe, ein unüblicher Bodenbelag, eine rätselhafte Nische in der Wand. Was es auch ist, der Umbau bietet zahllose Gelegenheiten zur Inspiration. Sie können für kleine Abwechslungen sorgen, Irritationen im besten Sinne, oder zum entwurfs­bestimmenden Thema heranwachsen. Im Spiel mit den Zeitschichten können Spannung und Identität entstehen, was bei Neubauten keineswegs einfacher ist.

Verdichtung und Geld

Aus Sicht der Architektur ist der Umbau also keine minderwertige Aufgabe. Ökologisch und sozial, räumlich und gestalterisch bietet er Chancen. Trotzdem sind die vielen Abrisse kein Zufall.

Der wichtigste Treiber ist die Immobilien­ökonomie. Ab einer gewissen Eingriffs­tiefe gilt der Umbau als «neubaugleich». Dann gelten dieselben tausend Baunormen. Neue Lifte für alters- und behinderten­gerechte Wohnungen einzubauen, eine schwache Struktur für drei weitere Stock­werke zu verstärken oder dünne Decken an den heutigen Brand- und Schallschutz anzupassen – all das ist enorm aufwendig. Und damit teuer. In solchen Fällen ist der Umbau kaum günstiger als der Neubau. Weniger Material heisst zwar weniger CO2, aber oft auch mehr Arbeit. Während der Neubau in grossen Elementen aufgestellt werden kann, ist der Umbau handwerklicher und kleinteiliger.

In diesem Kontext lautet ein typisches Szenario so: Eine Wohn­siedlung aus der Nachkriegs­zeit steht zum Verkauf. Sie ist in kritischem Zustand, das Grundstück hat einige Nutzungs­reserven, der Wohnungsmix und die Grundrisse sind veraltet. Eine verantwortungs­volle Investorin untersucht beide Varianten, Neubau und Umbau, bevor sie ihr Gebot abgibt. Unterm Strich wirft der investierte Franken beim Ersatz­neubau mit ideal auf den Markt zugeschnittenen Wohnungen letztlich mehr Gewinn ab. Wer von einem anderen Szenario ausgeht, hat im Bieterverfahren keine Chance, denn alle rechnen mit derselben Rendite. Der Abriss ist unvermeidbar. It’s the economy, stupid!

Es geht dabei nicht um «böse Investorinnen», sondern um systemische Mechanismen in einem heiss umkämpften Markt. Das gilt notabene auch für die Nachfrage­seite. Die Verdichtung ist politisch unbestritten, und ohnehin drängen immer mehr Gutverdienende mit entsprechenden Ansprüchen an Wohnungs­grössen, Ausstattung und Komfort in die Zentren. Die sanfte Sanierung ist zwar am ökologischsten pro Kopf, das Nachfrage­problem löst sie nicht. Anders gesagt: Unser aller Zahlungs­bereitschaft und Ansprüche bestimmen die Kalkulationen am Markt. Der Abriss sind wir.

Soll es weniger Abrisse geben, sind darum vor allem andere Rahmen­bedingungen gefragt. CO2-Abgaben für kostenwahre Material­preise, reduzierte Mehrwert­steuern auf Umbau­arbeiten, Flächen­bonus für Bestandes­erhalt und -malus für den Abriss junger Bauten, gesetzliche Grenzwerte für graue Emissionen mit ambitioniertem Absenk­pfad, höhere Entsorgungs­gebühren, kluge Wohnschutz­gesetze et cetera. Anreize und Plattformen zum Wohnungs­wechsel könnten den Nachfrage­druck lindern. Auf der Angebots­seite fällt es nicht gewinn­orientierten Immobilien­playern wie Genossen­schaften, Stiftungen und kommunalen Wohnbau­trägern leichter, andere Prioritäten zu setzen.

«Wicked problems» brauchen schmutzige Lösungen

Abriss oder Umbau? Die eingangs gestellte Frage ist letztlich ein wicked problem mit vielen Stakeholdern und wider­sprüchlichen Interessen. Massenhaft Ersatzneubau­projekte sind ökologisch und sozial problematisch. Ein Abriss­moratorium dagegen ist keine Lösung für den Wohnungs­mangel, zumindest in einer freien Gesellschaft mit starken Eigentums­rechten, hohen Ansprüchen und Wünschen. Also in der Realität.

In dieser Realität ist Bauen ein politischer Akt in einem politischen Umfeld und braucht darum eine politische Antwort – den Kompromiss. Die Zukunft liegt weder einzig im Tabula-rasa-Ersatz­neubau noch in der sanften Minimal­sanierung, sondern in unreinen, «schmutzigen» Zwischenlösungen.

Im Architektur­projekt heisst das: Manche Gebäude oder Teile bleiben stehen. Andere verschwinden. Bei wieder anderen lässt sich darauf und daran bauen. Manchmal bleibt dabei nur das Tragwerk erhalten, manchmal auch die Fassade, manchmal selbst Küchen und Heiz­körper, manchmal der Dachstuhl, manchmal nicht.

Als Architektin heisst das: Umbau und Neubau zugleich. Also die denkbar interessanteste Aufgabe.

Für die Gesellschaft heisst das: ein herrliches Durch- und Miteinander von Altem und Neuem, hohen und tiefen Häusern, kleinen und grossen Wohnungen, günstigen und teuren. Je kleinteiliger diese Mischung, desto spannender das Stadtbild und desto vielfältiger die Nachbarschaft. Und das wiederum stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Zum Autor

Palle Petersen ist Architekt und Aktivist bei Countdown 2030. Von Mitte 2022 bis Anfang 2024 arbeitete er als Lead Sustainability beim Architektur­büro Herzog & de Meuron in Basel, zuvor als freier Autor und fester Redaktor bei der Fachzeitschrift «Hochparterre».

Die Schweiz auf Abriss – die Recherche geht weiter

In den vergangenen Monaten haben die Republik und «Correctiv» Sie dazu aufgerufen, uns Gebäude zu nennen, die abgerissen wurden oder noch werden. Hunderte von Ihnen haben mitgemacht. Im von Countdown 2030 entwickelten Abriss-Atlas sind inzwischen fast 1500 Gebäude verzeichnet. Auch auf Basis dieser Daten haben wir Geschichten zu den ökologischen, ökonomischen und wohn­politischen Folgen der aktuellen Abriss­praxis recherchiert und veröffentlicht. Mit diesem Essay endet die siebenteilige Serie «Die Schweiz auf Abriss», doch die Recherchen gehen weiter.

Wenn Sie von einem Gebäude wissen, das abgerissen werden soll, freuen wir uns auf Ihren Eintrag im Abriss-Atlas. Wir werden jedem Einzelnen davon nachgehen. Gerne können Sie uns auf diesem Weg auch vertrauliche Mitteilungen zukommen lassen, auf Wunsch auch anonym.

Der «Correctiv-Crowd-Newsroom» ist ein gemein­nütziges Projekt, das Bürgerinnen bei journalistischen Recherchen miteinbezieht. Unterstützt wir der Abriss-Atlas von der Toni Piëch Foundation und der Stiftung Mercator Schweiz.

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Wenn Hei­mat­schüt­zer plötzlich für den Abriss sind

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Grauzone

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Grosse Wohnungen für grosse Löhne

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Das grosse Geschäft mit Zwischen­nutzungen

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