Briefing aus Bern

Das Parlament wird transparenter, die Verhandlungen mit der EU beginnen – und wie heilig ist der Sonntag?

Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (269).

Von Lukas Häuptli und Priscilla Imboden, 14.03.2024

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Vorgelesen von Regula Imboden
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Vor lauter Nachrichten den Überblick verloren? Jeden Donnerstag fassen wir für Sie das Wichtigste aus Parlament, Regierung und Verwaltung zusammen.

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Das eidgenössische Parlament ist so durchsichtig wie noch nie. Das zeigt die neuste Auswertung des Vereins Lobbywatch, der sich für Transparenz bei Ämtern und Neben­ämtern der Parlamenta­rierinnen einsetzt. 56 Prozent aller National- und Ständeräte legen gegenüber Lobbywatch offen, wie viel sie mit ihren Mandaten in Verwaltungs­räten, Stiftungsräten, Beiräten, Vereins­vorständen und anderen Gremien verdienen. Sie tun dies freiwillig, denn sie sind gemäss Parlaments­gesetz lediglich dazu verpflichtet, die Ämter offen­zulegen und anzugeben, ob sie bezahlt sind oder nicht.

56 Prozent – damit sind weit mehr Parlaments­mitglieder als früher bereit, Transparenz zu schaffen. In der letzten entsprechenden Erhebung von Lobbywatch im Jahr 2018 gab nur jede vierte National- oder Ständerätin an, wie viel sie mit den Mandaten verdient.

Allerdings bestehen noch heute grosse Unterschiede zwischen den Fraktionen und den Kammern. Bei den Grünen legten 96 Prozent der Fraktions­mitglieder ihre Einkünfte offen, gefolgt von der SP mit 94 Prozent, den Grün­liberalen mit 64 Prozent, der Mitte-EVP-Fraktion mit 48 Prozent und der SVP mit 41 Prozent. Schlusslicht bildet die FDP-Fraktion: Nur knapp jeder dritte Freisinnige war bereit, Auskunft zu geben.

Und: Der Nationalrat als Ganzes ist mit 63 Prozent deutlich transparenter als der Ständerat mit 39 Prozent. Weiter zeigt sich, dass Frauen öfter als Männer und jüngere Parlaments­mitglieder öfter als ältere ihre Einkünfte aus Neben­ämtern offenlegen.

Den Verein Lobbywatch gibt es seit 10 Jahren. In dieser Zeit habe sich sehr viel verändert, sagt Otto Hostettler, Mitbegründer und Co-Präsident. «Früher wurden wir immer mal wieder auch mit persönlichen Beleidigungen eingedeckt, heute werden wir von den Parlaments­mitgliedern weitgehend respektiert. Viele haben erkannt, dass Transparenz ihre Glaub­würdigkeit stärkt. Andere haben aber die Zeichen der Zeit bis heute nicht erkannt.»

Gut möglich, dass sich das bald ändert. Ein Vorstoss der früheren grünen Ständerätin Lisa Mazzone verlangt nämlich, dass künftig alle Parlaments­mitglieder ihre Einkünfte (oder zumindest die Band­breiten ihrer Einkünfte) angeben müssen.

Und damit zum Briefing aus Bern.

Bundesrat will EU-Verhandlungen bald beginnen

Worum es geht: Der Bundesrat hat am Freitag das Mandat für die Verhandlungen mit der Europäischen Union verabschiedet und das ganze Dokument öffentlich gemacht. Er habe einen Grossteil der Empfehlungen übernommen, welche die Parlaments­kommissionen, Verbände, Gewerkschaften und Kantone in der Konsultation abgegeben hätten, heisst es in einer Mitteilung.

Warum das wichtig ist: Der Bundesrat will die Beziehungen mit der EU weiter­entwickeln – auch auf Druck der Union. So soll in Zukunft ein Schieds­gericht und letztlich der Europäische Gerichtshof über Streitigkeiten zwischen den beiden Vertrags­parteien entscheiden. Auch will die Schweiz EU-Recht im Bereich der bilateralen Abkommen automatisch übernehmen. Macht sie das nicht, kann die EU Gegen­massnahmen erlassen. Über deren Verhältnis­mässigkeit soll aber das Schieds­gericht entscheiden, wie es im jetzt verabschiedeten Mandat heisst. Im Entwurf dazu vom letzten Dezember hatte der Passus noch gefehlt. Auch hat der Bundesrat die Ziele bei der Regulierung der Zuwanderung geschärft. Konkret könnte die Schweiz damit in den Verhandlungen auf eine Schutz­klausel pochen, mit der die Zahl der Zuzüger in die Schweiz begrenzt würde.

Wie es weitergeht: Der Bundesrat will die Verhandlungen über die Weiter­entwicklung der bilateralen Verträge noch in diesem Monat beginnen. Das ist möglich, weil am Dienstag auch das Verhandlungs­mandat der EU von deren Mitglieds­staaten verabschiedet worden ist.

Mehr Läden sollen sonntags offen haben

Worum es geht: Der Nationalrat will, dass künftig alle kleineren Lebens­mittel­läden in der Schweiz am Sonntag offen haben dürfen. Er hat am Dienstag eine entsprechende Motion des Walliser FDP-Nationalrats Philippe Nantermod angenommen. Für den Vorstoss stimmten FDP, GLP sowie die Mehrheit der SVP- und der Mitte-Fraktion.

Warum das wichtig ist: An Sonntagen sind in der Schweiz bekanntlich die meisten Läden geschlossen – weil Arbeiten an Sonntagen grundsätzlich verboten ist. Allerdings bestehen zahlreiche Ausnahmen: So dürfen Kioske, Bäckereien und Familien­betriebe sowie gewisse Geschäfte in Bahnhöfen, auf Flughäfen und in Winter­sport­orten sonntags offen haben. Neben dem Vorstoss von Nantermod gibt es weitere Pläne, die Ausnahme­bestimmungen auszudehnen. So will Wirtschafts­minister Guy Parmelin Sonntags­verkäufe auch den Luxus- und Souvenir­läden in den Tourismus­zonen der grossen Schweizer Städte erlauben. Und der Kanton Zürich fordert mit einer Standes­initiative, die Zahl der gesetzlich erlaubten Sonntags­verkäufe von 4 auf 12 pro Jahr zu erhöhen. All diese Pläne und die damit verbundenen Lockerungen des Sonntags­arbeits­verbots stossen bei den Gewerkschaften auf harsche Kritik.

Wie es weitergeht: Als Nächstes wird der Ständerat über die Motion von Nantermod befinden.

Schweiz unterzeichnet Freihandels­vertrag mit Indien

Worum es geht: Die Schweiz sowie die drei weiteren Efta-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein haben am vergangenen Sonntag ein Freihandels­abkommen mit Indien unterzeichnet. Das sei ein «bedeutender Meilenstein der schweizerischen Handels­politik», schreibt das feder­führende Wirtschafts­departement in einer Mitteilung.

Warum das wichtig ist: Mit dem Abkommen wollen die Efta und Indien den gegenseitigen Handel intensivieren. So verpflichtet sich Indien, seine Zölle auf Industrie­produkte aus Efta-Staaten entweder massiv zu senken oder sogar ganz zu streichen. Im Gegenzug sollen die vier Staaten in Indien Investitionen in der Höhe von rund 100 Milliarden Dollar tätigen. Auch gelten in den Efta-Staaten künftig erleichterte Aufenthalts­bedingungen für indische Staats­angehörige. Vom Freihandels­abkommen wird in erster Linie die Schweizer Maschinen­industrie profitieren. Indien war 2022 das zweit­wichtigste Exportland der Schweiz in Asien (und zwar hinter China).

Wie es weitergeht: Der Freihandels­vertrag mit Indien muss noch vom National- und Ständerat genehmigt werden. Sollte dagegen das Referendum ergriffen werden, haben die Stimm­berechtigten das letzte Wort.

Stress der Woche

Wenn Bundes­rätinnen im Parlament Fragen von Ratsmitgliedern beantworten, ist das in aller Regel ein Ritual mit begrenztem Informations- und Unterhaltungs­wert. Die Fragen sind absehbar und partei­politisch gefärbt, die Antworten knapp und voll von magistralen Floskeln. Anders am letzten Montag. Nationalrats­präsident Eric Nussbaumer hat das Wort für die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage eben Innen­ministerin Elisabeth Baume-Schneider erteilt – als diese bemerkt, dass ihr die Unterlagen zum Geschäft fehlen. Sie dreht sich auf ihrem Stuhl, sie schüttelt den Kopf, sie verwirft die Hände (wie auf einem Video zu sehen ist, das eine Journalistin auf der Plattform X gepostet hat). Und während die Bundesrätin aus dem Jura unruhiger und unruhiger wird, hört man im Hintergrund den Ratspräsidenten sagen: «Ganz entspannt, ganz entspannt, wir schauen, wie wir das lösen können.» Und wie er nachschiebt, weil sich die Bundesrätin kaum beruhigt: «Vielleicht kann man das noch auf Französisch übersetzen: Kein Stress.»

Illustration: Till Lauer

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