Was diese Woche wichtig war

Haftbefehl gegen Putin, Macron treibt Renten­reform voran – und die UBS will einen CS-Entscheid rückgängig machen

Woche 12/2023 – das Nachrichten­briefing aus der Republik-Redaktion.

Von Philipp Albrecht, Angela Gross, Timo Kollbrunner, Marie-José Kolly, Basil Schöni und Jeremy Stucki, 24.03.2023

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Vorgelesen von Jonas Rüegg Caputo
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Ukraine: Putin angeklagt, Xi Jinping in Moskau, die EU beschafft Munition

Das Kriegsgeschehen: Die Gefechte um das seit sieben Monaten umkämpfte ostukrainische Bachmut dauern an. Gemäss Informationen des britischen Verteidigungs­ministeriums soll Russland jedoch Einheiten aus dem Gebiet abgezogen haben. Nach Einschätzungen der US-Denkfabrik «Institute for the Study of War» rücken die Russen nicht mehr weiter vor. Gestern Donnerstag kündigten die ukrainischen Streitkräfte eine baldige Gegen­offensive an.

Am Mittwoch besuchte Präsident Wolodimir Selenski Stellungen nahe der Front bei Bachmut. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Wochen­ende erst die Krim, dann auch erstmals das besetzte Mariupol besucht.

Die Internationale Atomenergie­behörde brachte gestern erneut ihre Besorgnis in Bezug auf die Sicherheit des von russischen Truppen besetzten Atomkraftwerks Saporischschja zum Ausdruck: Die Lage sei «prekär».

Auf der von Russland annektierten Krim kam es am Montag­abend offenbar zu einem ukrainischen Drohnen­angriff auf einen russischen Raketen­transport.

Nach dem Raketenangriff: Zerstörte Häuser in Saporischschja im Südosten der Ukraine. Oleksii Kovaliov/Avalon/Keystone

Die internationalen Entwicklungen: Der Internationale Strafgerichts­hof (ICC) hat vergangenen Freitag einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin erlassen. Dieser sei mutmasslich «persönlich strafrechtlich verantwortlich» für das Kriegs­verbrechen der rechtswidrigen Deportation von Kindern aus den besetzten Gebieten der Ukraine nach Russland, hiess es in einer Mitteilung. Der Gerichtshof schrieb auch die russische Kinderrechts­beauftragte Maria Lwowa-Belowa zur Verhaftung aus.

Der Haftbefehl gegen Putin hat in erster Linie symbolische Bedeutung. Weil Russland (wie auch die USA und China) den Internationalen Strafgerichts­hof nicht anerkennt, hat Putin nicht zu befürchten, verhaftet zu werden, solange er in Russland bleibt. Selenski bezeichnete den Haftbefehl dennoch als eine «historische Entscheidung», US-Präsident Biden als «gerechtfertigt».

Ein Sprecher des Kreml teilte mit, der Haftbefehl sei in Bezug auf Russland «null und nichtig». Der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew kokettierte gar mit einem Raketen­angriff auf die Gerichts­gebäude in Den Haag und sagte, eine allfällige Festnahme Putins wäre eine «Kriegserklärung». Russland leitete seinerseits ein Strafverfahren gegen den Internationalen Strafgerichtshof ein.

Rückendeckung erhielt Putin von Chinas Präsident Xi Jinping, der am Montag zu einem Staatsbesuch in Moskau eintraf. China sei bereit, «fest an der Seite Russlands zu stehen», sagte Xi Jinping und lud Putin trotz des Haftbefehls ein, China zu besuchen. Die Präsidenten unterzeichneten zwei Abkommen zum Ausbau der wirtschaftlichen und strategischen Partnerschaft bis 2030. Putin nannte den von China im Februar vorgestellten 12-Punkte-«Friedensplan» für die Ukraine eine mögliche «Grundlage für eine friedliche Lösung».

Die demonstrierte Nähe von Xi Jinping zu seinem «alten Freund» Putin lässt es unwahrscheinlich werden, dass China eine Vermittler­rolle übernehmen kann. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte China vor allfälligen Waffen­lieferungen an Russland.

Zeitgleich mit Xi Jinpings Besuch in Russland besuchte Japans Regierungs­chef Fumio Kishida am Dienstag die Ukraine, wo er in Kiew Selenski zu Gesprächen traf.

Am Montag einigten sich die EU-Staaten darauf, der Ukraine in den nächsten zwölf Monaten eine Million Granaten zu liefern. Dafür sollen rund 2 Milliarden Euro an EU-Mitteln mobilisiert werden. Dass die EU-Länder gemeinsam Waffen einkaufen, ist eine Premiere.

Auch US-Aussenminister Antony Blinken kündigte weitere 350 Millionen US-Dollar Militär­hilfe für die Ukraine an. Zudem wollen die USA die Lieferung von Panzern beschleunigen. Der Internationale Währungs­fonds teilte am Dienstag mit, der Ukraine solle ein Kredit­programm über 15,6 Milliarden US-Dollar gewährt werden.

Gemäss einem Bericht der Weltbank, der ukrainischen Regierung und der Europäischen Kommission hat der russische Angriff bislang 135 Milliarden Dollar Schaden an Gebäuden und Infrastruktur verursacht. Der Wiederaufbau werde schätzungsweise 411 Milliarden US-Dollar kosten.

Vergangenen Freitag hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan angekündigt, dem Nato-Beitritt Finnlands zuzustimmen. Den Beitritt Schwedens blockiert die Türkei jedoch weiterhin, genauso wie Ungarn, das auch dem finnischen Beitritt nicht zugestimmt hat. Am Mittwoch sprach sich das schwedische Parlament für einen Nato-Beitritt aus.

Am Samstag hatte Erdoğan zudem bekannt gegeben, Russland und die Ukraine hätten sich auf eine Verlängerung des auslaufenden Getreide­abkommens um 60 Tage geeinigt. Russland drohte jedoch gleich wieder mit dem Aus für das Abkommen.

Frankreich: Regierung übersteht Misstrauens­voten und will Renten­reform noch dieses Jahr umsetzen

Darum geht es: Die französische Regierung hat ihre umstrittene Renten­reform ohne Abstimmung im Parlament beschlossen. Laut Präsident Emmanuel Macron soll das Gesetz per Ende Jahr in Kraft treten. Am Donnerstag blockierten Demonstrierende in mehreren Orten Strassen, Schienen oder Eingänge. Die Polizei rechnete mit bis zu 800’000 Menschen.

Abgeschirmt gegen die Rauchpetarden der französischen Polizei: Kundgebung gegen die Erhöhung des Rentenalters in Nantes. Jeremias Gonzalez/AP/Keystone

Warum das wichtig ist: Mit der Reform möchte die Regierung das Renten­eintrittsalter von 62 auf 64 Jahre erhöhen. In Frankreich protestieren bereits seit Januar Millionen Menschen gegen die Reform, es kam zu gewaltsamen Ausschreitungen. Da eine Mehrheit für die Reform unsicher schien, verhinderte die französische Regierung letzte Woche mit einem Sonder­artikel der Verfassung die Abstimmung im Parlament. Daraufhin sprach die Opposition der Regierung das Misstrauen aus, wobei die kritischen Stimmen nicht nur von ganz links und rechts, sondern auch von den Republikanern kamen. Die beiden entsprechenden Anträge wurden am Montag im Parlament knapp abgelehnt. Damit gilt die Renten­reform als angenommen, Premier­ministerin Élisabeth Borne und ihr Kabinett bleiben im Amt. Die Lage hat sich auch nach den Abstimmungen über die Misstrauens­anträge nicht beruhigt: In Paris kam es zu mehreren gewaltsamen Auseinander­setzungen mit der Polizei, über 100 Menschen wurden festgenommen. Mehrere Politiker forderten, dass Premier­ministerin Borne zurücktritt.

Was als Nächstes geschieht: Bevor das Gesetz endgültig in Kraft tritt, wird es vom Verfassungsrat geprüft. Präsident Macron kündigte am Mittwoch im französischen Fernsehen weitere Reformen an. Er wolle die Gespräche mit den Sozial­partnern wieder aufnehmen, so Macron. Die Proteste gegen die Renten­reform bezeichnete er im Interview als «nicht legitim».

UBS schlägt bei der CS ersten Pflock ein

Darum geht es: Die UBS-Führung setzt erste Massnahmen bei der am Sonntag übernommenen Rivalin Credit Suisse um. Wie die «Financial Times» am Dienstag berichtete, soll ein richtungs­weisender Entscheid im risikobehafteten CS-Investment­banking vom letzten Herbst rückgängig gemacht werden. Konkret geht es um einen Deal mit dem ehemaligen CS-Verwaltungsrat Michael Klein, der die US-Traditions­marke First Boston wiederbeleben wollte.

Warum das wichtig ist: Es ist die grosse Frage nach der Übernahme: Was hat die UBS mit der CS nun vor? Am Sonntag­abend an der Berner Presse­konferenz konnte der UBS-Präsident nichts Konkretes zum Zeitplan sagen. Doch bereits zwei Tage später zeigt sich, dass die Führung der neuen Megabank in einem für sie besonders sensiblen Bereich aufs Gas drückt. Es geht um das Investment­banking, das die UBS seit ihrer eigenen Rettung 2008 stark herunter­gefahren hatte. Die CS ihrerseits entschied sich letzten Herbst, einen grossen Teil ihres Investment­bankings auszugliedern. Dazu verschmolz sie ihr Kapitalmarkt- und Beratungs­geschäft mit der 40-köpfigen Beratungs­boutique ihres Ex-Verwaltungsrats Michael Klein. Die Fusion kostete die CS 175 Millionen Dollar, plus 10 Millionen, die als Beratungs­honorar an Klein persönlich gingen. Die UBS hat laut Bericht nun Juristen damit beauftragt, zu prüfen, wie der Vertrag zwischen der CS und Klein so günstig wie möglich aufgelöst werden kann. Dieser habe von unverhältnis­mässig guten Konditionen profitiert.

Was als Nächstes geschieht: Wie die Sache weitergeht, ist unklar. Weder die UBS noch Klein wollen sich dazu äussern. Falls sich die beiden Parteien nicht finden sollten, droht eine jahrelange juristische Auseinander­setzung.

Weltklimarat: 1,5 Grad werden bereits 2030 überschritten

Darum geht es: Am Montag hat der Weltklimarat (IPCC) in Interlaken seinen neuen Abschlussbericht zur globalen Erderwärmung veröffentlicht. Laut IPCC wird die globale Erwärmung die 1,5-Grad-Grenze bereits 2030 überschreiten.

Schlechte Neuigkeiten: Der niederländische Klimaexperte Detlef van Vuuren erklärt den Medien an der IPCC-Konferenz in Interlaken die wichtigsten Erkenntnisse des aktuellen Reports. Ramon van Flymen/ANP/Keystone

Warum das wichtig ist: Die negativen Folgen der Erderwärmung zeigen sich laut Studienautor Erich Fischer vor allem in den aktuellen Wetter­extremen: Beispielsweise erlebt Europa derzeit eine ungewöhnliche Winter­dürre, in Argentinien bangen Bauern aufgrund der Trockenheit um ihre Ernte. Laut IPCC-Bericht hat sich die Erdoberfläche vor allem in den letzten 20 Jahren stark erwärmt. Die durchschnittlichen Treibhausgas­emissionen waren aber zwischen 2010 und 2019 so hoch wie noch nie. Um die Pariser Klimaziele – nach denen die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden soll – zu erreichen, müssten die Treibhausgas­emissionen bis 2030 halbiert werden. Laut Fischer wären dazu wirksame klima­politische Massnahmen nötig.

Was als Nächstes geschieht: Im Prinzip muss die Politik die im IPCC-Bericht präsentierten Massnahmen umsetzen. 190 Staaten anerkennen diesen als neuesten Stand der Wissenschaft.

Zum Schluss: Kein Horror-Winnie-the-Pooh für Hongkong

Im Januar feierte der Film «Winnie the Pooh: Blood and Honey» Welt­premiere in den Kinos. In seiner Adaption des Kinderbuch­klassikers «Winnie the Pooh» erzählt der britische Filme­macher Rhys Frake-Waterfield, wie die süssen Tiere aus der Kinder­geschichte verwildern, einen Hass auf Menschen entwickeln und diese mit Vorschlag­hammer und Holzhäcksler ermorden. Am 23. März sollte der Film auch in Hongkong starten. Doch daraus wird nun nichts. Der örtliche Film­vertrieb gab bekannt, dass die Premiere abgesagt wurde. Die beteiligten Kinos machten «technische Gründe» geltend. Womöglich steckt hinter den Absagen aber eher Politik: Seit einem Treffen des chinesischen Präsidenten Xi Jinping mit Barack Obama im Jahr 2013 verspottet das Internet Xi Jinping regelmässig, indem es ihn als Winnie the Pooh darstellt. Schon 2018 wurde deswegen ein Winnie-the-Pooh-Film in China verboten.

Was sonst noch wichtig war

  • Schweiz I: Die Schweizerische Nationalbank hat gestern wie erwartet den Leitzins einmal mehr erhöht – um 0,5 Prozentpunkte auf nun 1,5 Prozent. Damit folgt die SNB der US-Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank, die ihre Leitzinse am Mittwoch respektive letzte Woche ebenfalls erhöht hatten, um dem gestiegenen Inflations­druck entgegen­zuwirken.

  • Schweiz II: Im Fall Hefenhofen wurde der Hauptangeklagte vom Bezirksgericht in Arbon TG teilweise der Tierquälerei schuldig gesprochen. In den Hauptanklage­punkten wurde der Bauer jedoch freigesprochen und das Gericht sprach kein Tätigkeits­verbot aus.

  • Schweiz III: Im Kanton Zürich haben sich rund 40 Legehennen mit dem Vogelgrippe­virus angesteckt. Bisher hat sich das Virus in der Schweiz vor allem unter Wild­vögeln verbreitet. Laut einer Mitteilung des Bundesrats haben die Zürcher Behörden zusätzliche Schutz­massnahmen ergriffen.

  • Grossbritannien I: Ein unabhängiger Untersuchungs­bericht zeigt, dass die Londoner Metropolitan police strukturell rassistisch, frauenfeindlich und homophob ist. Gemäss Bericht erlebte ein Drittel der Frauen bei der Met Sexismus, und 12 Prozent wurden schon einmal bei der Arbeit belästigt.

  • Australien: Im australischen Bundesstaat New South Wales sind Millionen Fische verendet. Grund für die Natur­katastrophe ist laut den australischen Behörden die aktuelle Hitzewelle und der damit verbundene niedrige Sauerstoff­gehalt des Wassers.

  • Israel: Premierminister Benjamin Netanyahu möchte die von der Regierung geplante Justizreform abschwächen. Bereits seit zwei Monaten protestieren in Israel Tausende Menschen gegen das Gesetz, das die Unabhängigkeit der Justiz untergraben würde.

  • Uganda: Das ugandische Parlament hat ein striktes Anti-LGBT-Gesetz verabschiedet. Es sieht bis zu 10 Jahre Gefängnis vor, wenn sich eine Person als schwul, lesbisch oder transsexuell bezeichnet. «Schwere Homo­sexualität» kann gemäss Gesetz sogar mit dem Tod bestraft werden.

  • Uno: Der Tod der jungen Iranerin Mahsa Jina Amini war kein Unfall, sondern Ausdruck der brutalen Staatsgewalt im Iran. Ein Uno-Sonderbericht­erstatter präsentierte diese Woche erstmals Beweise dafür. Teheran weigert sich jedoch weiterhin, den Fall aufzuklären.

  • Europa: Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Asylanträge in der EU gemäss der Statistik­behörde Eurostat deutlich gestiegen: Insgesamt wurden in den 27 Mitglieds­staaten 881’200 Erstanträge gestellt, ein Plus von 64 Prozent zum Vorjahr. Zusätzlich suchten 4,3 Millionen Ukrainerinnen Schutz in der EU. Diese mussten kein Asylgesuch stellen.

Die Top-Storys

Wenn Menschen verschwinden In Grossbritannien werden jährlich rund 170’000 Menschen offiziell als vermisst gemeldet. Die häufigsten Gründe dafür sind nicht etwa Gewalt­verbrechen oder Entführungen, sondern die psychische Gesundheit. Im «Guardian» erzählt eine Betroffene, weshalb sie ihr Leben hinter sich gelassen hat, wie schwierig die Rückkehr war und weshalb sie sich mehr Unter­stützung von den Behörden gewünscht hätte.

Unter Verdacht In Rotterdam gibt es etwa 30’000 Menschen, die auf Sozial­leistungen angewiesen sind. 2017 hat die Stadt einen Algorithmus eingeführt, um Betrugs­fälle aufzudecken. «Lighthouse Reports» und «Wired» haben dieses System mithilfe des Quellcodes und der Original-Trainings­daten nachgebaut. In einer interaktiven Story zeigen sie auf, dass Faktoren wie Geschlecht, Herkunft und Sprache eine weit gewichtigere Rolle spielen, als sie sollten.

Shootingstar Kim de l’Horizon gewann letztes Jahr mit dem Romandebüt «Blutbuch» gleich den Schweizer und den Deutschen Buchpreis. In «Alles gesagt?», dem unendlichen Podcast der «Zeit», spricht die genderfluide Person aus Ostermundigen bei Bern 7 Stunden und 3 Minuten lang über Identität, Lebensstile und die Faszination von Hexen, liest vor und singt.

Illustration: Till Lauer

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