Zack, Job weg
Es kann jeden treffen. Auch Bewerbungscoaches. Unser Autor war vor kurzem selbst auf Stellensuche. Und lernte dabei einiges dazu. «Humane Ressourcen», Folge 7.
Von Reto Hunziker und AHAOK (Illustration), 01.06.2021
Die Republik ist ein digitales Magazin für Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur – finanziert von seinen Leserinnen. Es ist komplett werbefrei und unabhängig. Überzeugen Sie sich selber: Lesen Sie 21 Tage lang kostenlos und unverbindlich Probe:
Ausgerechnet. Mitten in dieser Beitragsserie, mit der ich Stellensuchenden Mut machen, Vorurteile abbauen und vermeintliche Regeln hinterfragen will. Zack, war ich selber ohne Job. Ohne Not, ohne Vorwarnung, ohne plausible Begründung. Einfach passiert.
Der Bewerbungscoach auf Stellensuche, die RAV-Beraterin muss selbst zum RAV, die Personalfachfrau im Recruiting-Prozess – logisch, dass es das auch gibt. Eine gewisse Ironie schwingt trotzdem mit.
Es war nicht das erste Mal, dass ich auf Stellensuche war. Aber das erste Mal, dass ich nicht aus freiem Willen nach etwas Neuem Ausschau hielt. Ausserdem stellte es meine Premiere auf dem RAV dar, das ich bislang als Partner kannte. Folgendes habe ich gelernt:
1. Alles ist flüchtig
Notiz an mich selbst: Sei immer auf alles vorbereitet. Es ist nicht so, dass ich noch nie gehört hätte, ich solle schätzen, was ich habe, weil es schnell verflogen sein könnte. Aber ich habe mich doch sehr auf meinen vermeintlich sicheren Job verlassen. Acht Jahre gute Arbeit geleistet und loyal gewesen, total mit der Firma identifiziert – das müsste doch eine Bank sein, meinte ich. Denkste! Nichts ist garantiert, und selbst der beste Job kann rasch zum Albtraum werden. Umso mehr habe ich mir vorgenommen, mir noch mehr Resilienz anzutrainieren und das Leben als ständige Veränderung zu betrachten. Für ein Gewohnheitstier, das Konstanz liebt, gar nicht so einfach.
2. Die Unsicherheit kommt schnell und heftig
Mit dem Job fällt eine gewisse Sicherheit weg, das war mir klar. Dennoch überraschte es mich, wie schnell sich nach der Kündigung bei mir die Unsicherheit einnistete. Selbstzweifel zum Beispiel. Kann ich wirklich so viel, wie ich bisher dachte? Als Angestellter hielt ich mich immer für einen ziemlich guten Fang, sowohl persönlich als auch fachlich. Kaum in der beruflichen Schwebe, stellte ich mich und meine Fähigkeiten infrage. Ein paar wenige Absagen genügten, um zu merken: Niemand hat auf mich gewartet. Das sehr klare Machtgefüge – der Daumen des Arbeitgebers zeigt nach oben oder unten – verstärkte dies noch. Positiv betrachtet: Es erdet auch. Gerade weil es mich auf meinem eigenen Terrain traf, hat mich der Jobverlust schlagartig aus meiner komfortablen Expertenrolle katapultiert. Nun musste ich für einmal selber beweisen, was ich wirklich draufhabe.
Wie liesse sich der Bewerbungsprozess entstauben? Die Jobvermittlung auf dem Arbeitsamt weniger bürokratisch gestalten? Der Stellensuche ihr Schrecken nehmen? Jobcoach Reto Hunziker geht in zehn Beiträgen der Frage nach, welche Fehler die verschiedenen Beteiligten – Firmen, Bewerberinnen, Ämter – immer wieder machen und wie ein humaner Stellenmarkt funktionieren könnte. Hier finden Sie den Auftakt mit den grundlegenden Fragen.
Ihre Inputs nimmt Reto Hunziker gerne auf. Was haben Sie auf dem Stellenmarkt erlebt? Mit welchen Schwierigkeiten sind Sie konfrontiert? Welche Fragen stellen Sie sich? Schreiben Sie es ins Dialogforum.
3. Es deprimiert
Knapp ein Jahr Homeoffice hatte ich bereits hinter mir. Und jetzt war ich auch noch gezwungen, mich zu Hause mit mir selbst und meiner beruflichen Zukunft zu beschäftigen. Sehr schnell hatte ich das Gefühl, mir falle die Decke auf den Kopf. Zum Glück steckte mein Arbeitskollege in derselben Situation. Wir tauschten uns aus, schmiedeten Pläne, diskutierten – wenn auch vornehmlich online. Mir hat das geholfen. Ich möchte mir nicht ausmalen, wie mich diese Situation auf Dauer belastet hätte, hätte ich mich niemandem mitteilen können.
4. Nein, es gibt definitiv keinen goldenen Weg
Natürlich versuchte ich selbst, das zu berücksichtigen, was ich auch anderen Stellensuchenden rate. So bewarb ich mich, so gut es ging, nur auf Stellen, die ich auch gerne bekommen hätte. Die Reaktionen, die ich auf meine Bewerbungen erhielt, waren erfreulich. Balsam für mich – irgendwas schien ich also doch zu können. Trotzdem bekam ich natürlich Absagen, wurde nicht zum Gespräch eingeladen. Ich versuchte, dieser Tatsache nicht zu viel Bedeutung beizumessen. Immerhin war die Art und Weise, wie ich mich bewerbe, für mich stimmig (wobei ich immer wieder Details änderte und verbesserte).
5. Das Prinzip Hoffnung
Vielleicht ging das nur mir so, aber die Hoffnung vernebelte meine Wahrnehmung. Zum Beispiel interpretierte ich viel in ein Inserat hinein, so, dass es für mich passte. Nur um später zu merken, dass ich es mir schöngelesen hatte. Oder war das Stelleninserat schlicht zu vage? Jedenfalls dachte ich zu oft: «Das passt ja perfekt zu mir», und war zu selten skeptisch. Umso grösser dann die Enttäuschung. Sonst halte ich mich für einigermassen realistisch, aber hier dominierte das Wunschdenken. Rational betrachtet: Gemessen an der tatsächlichen Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Stelle zu bekommen, war ich überoptimistisch, und meine Erwartungen waren zu hoch.
6. Stellensuchend ist nicht arbeitslos
Sich beim RAV anmelden, Dutzende Formulare ausfüllen, Arbeitsbemühungen dokumentieren – und dann noch die eigentliche Stellensuche. Wer das seriös machen will, hat einiges zu tun. Diesen Aspekt hatte ich unterschätzt. Auf Anhieb verschickte ich zwar sechs Bewerbungen, aber der anfängliche Aktivismus liess schnell nach. Ich konnte mir angesichts des ernüchternden Angebots nicht vorstellen, jeden Monat zehn Bewerbungen zu verschicken. Erfreulicherweise liess sich mein RAV-Berater auf acht Bewerbungen pro Monat drücken. Im Gespräch redete er mir gut zu.
7. Das Ziel ist das Ziel
Stellensuchende sind nach einer Weile ziemlich geübt darin, sich zu bewerben. Das ist wohl ungefähr das einzig Positive an der Angelegenheit. Wie optimistisch ich auch zu sein versuche, viel mehr kann ich der Sache nicht abgewinnen. Für mich zählte nicht der Weg, sondern das Resultat. Und das sieht bei mir so aus: acht Bewerbungen verschickt, fünf Absagen erhalten, dreimal zum Gespräch eingeladen, zwei Zusagen bekommen, Stellenantritt Anfang Juni. Ich bin erleichtert, dieses Kapitel so schnell wieder schliessen zu können und trotzdem alles andere als eine Notlösung gefunden zu haben.
Ich kann nicht behaupten, ich wüsste jetzt, wie sich jede und jeder einzelne Stellensuchende fühlt. Aber den Sog, der einen in negative Gedanken und Gefühle zu reissen droht, kann ich nun besser nachvollziehen. Genauso den Drang, möglichst schnell wieder aus diesem Zustand herauszukommen.
In diesem Sinne gehen meine Tipps diesmal auch an mich selber.
Besser gerüstet: Tipps für den Umgang mit einem Jobverlust
1. Nicht nur reagieren, sondern auch agieren: Ich hab mich auf ausgeschriebene Stellen verlassen. Das nächste Mal möchte ich initiativer an die Sache gehen und mehr netzwerken.
2. Den Tag strukturieren: Ich habe mich zu sehr treiben lassen und dann gemerkt, dass mir klare Abläufe fehlen. Bei der nächsten Stellensuche werde ich mich besser organisieren, den Tag planen und einteilen (und beispielsweise auch Sport fix einbauen).
3. Antizipieren: Ein nächstes Mal möchte ich besser auf einen allfälligen Jobverlust vorbereitet sein – mit Alternativplänen, einer aktuell gehaltenen Liste spannender Firmen und interessanten Weiterbildungsmöglichkeiten.