Sie übernehmen gerne Verantwortung, sind belastbar und flexibel?
Die allermeisten Stelleninserate sind lieblos und voller Floskeln. Darauf kann man fast nur langweilig antworten. Warum sich auch Arbeitgeber mehr Mühe beim Schreiben geben sollten. «Humane Ressourcen», Folge 3.
Von Reto Hunziker (Text) und AHAOK (Illustration), 04.05.2021
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Hand aufs Herz: Wie viele spannende Stelleninserate haben Sie schon gelesen?
Einverstanden: Ist die Firma per se interessant oder stimmt das Anforderungsprofil mit dem eigenen überein, wirkt das schon recht attraktiv. Aber welches Inserat hat Ihnen Freude beim Lesen gebracht? So, dass Sie richtig Lust bekommen haben, sich zu bewerben?
Ja, das dachte ich mir.
Mittlerweile wirken die mit Bulletpoints übersäten Stellenanzeigen nämlich wie Zielscheiben in einem Schiessstand: Aufgaben mit Bulletpoints, Anforderungen mit Bulletpoints – und die einzelnen Treffer praktisch deckungsgleich: «exaktes und strukturiertes Arbeiten», «flexibel und belastbar», «gepflegtes und sicheres Auftreten», «sind es gewohnt, selbstständig zu arbeiten», «proaktiv im Umgang mit Veränderungen». Dann unter «was wir bieten»: «interessantes Wirkungsfeld», «Sinnhaftigkeit der Arbeit».
Ja, warum nicht? Man kann valable Punkte auch langweilig aufführen. Nur ist das ein wenig so, als würde Ryan Gosling in Lumpen gehüllt zur Oscarverleihung erscheinen. Nicht sehr inspirierend.
Wie liesse sich der Bewerbungsprozess entstauben? Die Jobvermittlung auf dem Arbeitsamt weniger bürokratisch gestalten? Der Stellensuche ihr Schrecken nehmen? Jobcoach Reto Hunziker geht in zehn Beiträgen der Frage nach, welche Fehler die verschiedenen Beteiligten – Firmen, Bewerberinnen, Ämter – immer wieder machen und wie ein humaner Stellenmarkt funktionieren könnte. Hier finden Sie den Auftakt mit den grundlegenden Fragen.
Ihre Inputs nimmt Reto Hunziker gerne auf. Was haben Sie auf dem Stellenmarkt erlebt? Mit welchen Schwierigkeiten sind Sie konfrontiert? Welche Fragen stellen Sie sich? Schreiben Sie es ins Dialogforum.
Wie die Arbeitgeberin jemanden sucht, der nicht bloss seinen Job macht, sondern auch gut ins Team passt und sich mit der Firma identifiziert, so suchen doch auch Stellensuchende mehr als bloss einen Job. «Eine berufliche Heimat» klingt zwar kitschig, kommt aber eigentlich recht nahe an das Gewünschte heran.
Nur: Wie soll ich das finden, wenn ich die Stellenanzeigen – nebst den erwarteten hard skills – kaum voneinander unterscheiden kann?
Wenn sich eine Firma nicht die Mühe gibt, sich darzustellen, so ist es mir im Gegenzug gar nicht möglich, zu eruieren, ob mir diese Firma gefallen könnte. Wo ich das einsetzen kann, was ich gelernt habe – so viel finde ich heraus. Aber etwas über die Stimmung, das Team, die Philosophie? Fehlanzeige.
Die richtigen Bewerberinnen ansprechen
Ein Inserat ist wie eine Visitenkarte, die einen ersten Eindruck vermittelt. Doch die meisten Firmen generieren ihre Anzeigen mittels Copy-and-paste.
Zu einem Teil ist das nachvollziehbar. Zu wenig Zeit, zu wenig Personal, ungeklärte Zuständigkeit, zu geringe Priorität: Der Einfachheit halber werden Masken verwendet und jedes Mal geringfügig angepasst. Wer macht sich denn die Mühe, hier etwas Ansprechendes zu formulieren?
Doch wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus. Wer langweilig anfängt, muss sich nicht wundern, wenn es uninspiriert zurückkommt. Ein frisches, extra für diese Stelle geschriebenes Inserat birgt dagegen viele Vorteile:
Es generiert Aufmerksamkeit, fällt in der Masse an Mainstream-Inseraten auf.
Pointierte Formulierungen, Humor und Tonalität helfen, die Interessierten von den Nichtinteressierten, also die Spreu vom Weizen, zu trennen.
Es motiviert. Wenn man es gut macht, bewegt es genau jene dazu, sich zu melden, die es animieren soll.
Auffallen, unterscheiden, motivieren: Ziemlich genau das, was Firmen von Bewerbenden (zu Recht!) verlangen, müssten sie also auch selbst tun. Auch sie könnten darlegen, warum man sich ausgerechnet bei ihnen bewerben soll.
Etwas Aufwand muss sein
Unternehmen wie die Verkehrsbetriebe Zürich VBZ oder Ikea haben gezeigt, dass es auch anders geht. Die VBZ haben eine Anzeige im Stil eines Tramlinienplans gestaltet – mit Haltestellennamen wie «Sichere Arbeitsplätze» und «Generalabonnement». Das schwedische Möbelhaus nimmt in Inseraten die eigenen Produkte auf die Schippe: «Wenn du LOKKA, NATURLIG und dennoch EFFEKTIV bist, passt du PERFEKT zu uns.»
Nur: Wer kreative Stellenanzeigen sucht, stösst immer wieder auf dieselben üblichen Verdächtigen – ein Indiz dafür, dass sie eben doch ziemlich rar sind.
Das liegt auch daran, dass fast immer etwas zurückkommt. Beliebte Stellen stossen ohnehin auf Resonanz – so wie eine 4-Zimmer-Wohnung in Basel-City für 1600 Franken sofort Mieter findet, selbst wenn sie im Inserat schlecht oder gar nicht fotografiert ist.
Und trotzdem, liebe Arbeitgeber: Können wir von euch nicht etwas mehr Engagement verlangen? Etwas mehr als nüchterne Factsheets mit Listen von Keywords? Ihr behauptet doch immer, dass ihr engagierte Mitarbeitende wollt.
Nun: Wer engagierte Mitarbeitende will, muss auch engagiert inserieren.
Lieblose Inserate sind eine Einladung, liebevolle sowieso
1. Nehmen Sie attraktive und lockere Stelleninserate als Steilvorlage. An Unternehmen, die Stellen humorvoll ausschreiben, dürfen Sie auch humorvoll zurückschreiben. Werden Sie geduzt, dürfen Sie zurückduzen. Begeistert Sie ein Inserat, dann lösen Sie Ihre innere Handbremse und zeigen Sie diese Begeisterung.
2. Nehmen Sie unattraktive und langweilige Stelleninserate als Steilvorlage. Wollen Sie den Job, obwohl er nicht gebührend beworben wird? Dann übernehmen Sie diesen Part und vermitteln Sie der Leserin, wie toll Sie diese Stelle finden beziehungsweise wie sehr Sie sie wollen.