Geschmacksache – Folge 19

Das Zmorge – wenn es denn sein muss – bitte mit selbst gemachtem Granola.

Geschmacksache

Die schrecklichste Mahlzeit des Tages

Keine Lust auf Frühstück? Ein aufgetakeltes Gipfeli und ein geröstetes Müesli können helfen, den kulinarischen Start in den Tag angenehm zu gestalten. Geschmack­sache, Folge 19.

Von Michael Rüegg (Text) und Carmen Palma (Bild), 14.04.2021

Ich mag Mittagessen, etwa an einem Sonntag. Das ist eine längere Angelegenheit mit mehreren Gängen und setzt ungefähr eine Flasche Wein pro Person voraus. Gefolgt von einem ausgiebigen Spaziergang.

Die leichtere, kürzere Variante nenne ich gerne «Lunch». Meine Lunches bestehen häufig aus einem oder zwei Gängen, den Wein kann man auch mal weglassen.

Seit einiger Zeit spreche ich gerne von Abend­essen anstelle von Nacht­essen. Dies, nachdem mich mal ein Deutscher gefragt hat, ob wir in der Schweiz allen Ernstes mitten in der Nacht essen würden. Nein, war meine Antwort, das typische Schweizer Nacht­essen beginnt um 18 Uhr. Zumindest war das während meiner Kindheit so. Mittlerweile haben wir gelernt, etwas später zu dinieren.

Ähnlich verhält es sich mit dem Zmorge, den Friedrich Dürrenmatt in seinem Stück «Romulus der Grosse» als «Morgen­essen» übersetzte. Ein Schauspieler mokierte sich während der Proben über den Helvetismus. Das heisse auf Deutsch korrekter­weise «Frühstück». Dürrenmatt nahm die Kritik mit einem Augen­zwinkern auf: Er liess im Dialog den Kammer­diener seinen Kaiser korrigieren. Daraufhin Romulus: «Das Morgenessen. Was in meinem Hause klassisches Latein ist, bestimme ich.»

Zu den aussterbenden Zwischen­mahlzeiten gehört zweifellos der Znüni, da die meisten von uns nicht mehr um sechs Uhr in der Früh am Fliessband stehen – der Kalorien­verbrauch im Grossraum­büro hält sich in gewissen Grenzen. Gelegentlich sieht man im öffentlichen Raum oder auf Baustellen noch Hand­werker an Sandwiches nagen. Auch der Zvieri ist, wenn überhaupt, eine derart schnelle Angelegenheit, dass er kaum erwähnt gehört. Der Mitternachts­snack hingegen beschränkt sich für jüngere Leute auf den Besuch eines Kebab­standes in der Ausgeh­meile. Etwas gereiftere Individuen sorgen etwa an Hochzeits­feiern für Gulasch­suppen oder Wienerli, um dem ansteigenden Alkohol­pegel der Gäste etwas Deftiges entgegenzusetzen.

Die edelste Art des Zvieri ist der High Tea oder Afternoon Tea. Zu einem Kännchen Tee aus erlesenen Blättern werden dann Gurken­sandwiches, scones mit clotted cream und Erdbeer­konfitüre sowie Gebäck gereicht. Ein solcher Tee ist schon per se eine sehr entspannende Angelegenheit; ein, zwei Gläser Champagner tragen noch zusätzlich dazu bei.

Von den Frühstücks­gewohnheiten eines Balten

Von all den hier erwähnten Gelegenheiten zur Nahrungs­aufnahme hasse ich das Frühstück am meisten – mit Abstand. Seine zwanghafte Überhöhung zur «wichtigsten Mahlzeit» des Tages ist gerade in Zeiten wachsender Popularität von Intervall­diäten einfach nur lachhaft. Es gibt viele Dinge, die ich nach dem Aufstehen gerne tue, etwa die Republik lesen oder die Nachrichten auf Radio France hören. Aber mir den Bauch vollschlagen gehört definitiv nicht dazu.

Die schlimmste Variante des Frühstücks ist der Brunch. Ein Brunch vernichtet einen ganzen Tag. Man geht nach viel zu vielen Stunden heim und mag überhaupt nichts mehr anstellen. Und dann hat man ausgerechnet während des «Tatorts» plötzlich wieder Hunger.

Diesen Winter habe ich mich mit einem gestrandeten Balten aus London angefreundet. Er gelangte auf der Flucht vor einer scheiternden Beziehung irgendwie zwischen zwei Lockdowns nach Zürich und beabsichtigte, eine Weile zu bleiben. Die Weile wurde dann länger, als Quarantänen aufploppten und Flüge gestrichen wurden. Der Balte hauste bei Bekannten in der Nähe, deren Bleibe sich durch eine ausnehmend schlechte Internet­verbindung und jegliche Absenz von Handy­signalen auszeichnet. Also erhielt er tagsüber häufig bei mir Asyl. Wir richteten uns einen Co-Working-Space ein. Er sass mit seinem Laptop am Esstisch, ich im Büro. Gelegentlich servierte ich ihm Grüntee, oder wir trafen uns auf eine Zigarette auf dem Balkon. Es war ein bisschen wie in einem richtigen Büro, seine Präsenz wirkte meinem Einsamkeits­gefühl entgegen.

Relativ schnell bemerkte der Balte, dass ich seine Anwesenheit zum Anlass nahm, meine Küche etwas häufiger zu benützen, als wenn ich alleine bin. Schliesslich war er trotz allem eine Art Gast. Manchmal kam er erst am frühen Nachmittag und bettelte um Frühstück. Das fand ich seltsam, aber als Gastgeber hat man die Absichten seiner Gäste nicht zu hinterfragen. Ich löste die Angelegenheit dadurch, dass er Frühstück und ich Lunch ass, wobei die Speisen auf dem Teller nicht selten die gleichen waren.

Eine richtig gute Schweinerei

Da mein Fitness­studio seit Wochen Staub ansetzt, versuche ich, mich beim Essen etwas am Riemen zu reissen. Während der Balte (er ist ehemaliger Spitzen­sportler) weniger Panik vor Fett­pölsterchen hat und ausserdem einen fantastischen Stoffwechsel sein Eigen nennen darf.

Für ihn erfand ich eine kleine Mahlzeit, die ich «Pimp your Croissant» nenne. Sie entstand, nachdem er sich über das armselige Angebot in Schweizer Bäckereien enerviert hatte. (Nachdem ich in den letzten Jahren doch einige Zeit in Frankreich verbracht habe, muss ich ihm beipflichten.)

Das geht so: Man kauft im Supermarkt diese grossen französischen Croissants, dazu Bratspeck und Käse. Dann schneidet man das Croissant in der Mitte auf, bestreicht die untere Innenseite mit Butter, brät den Speck knusprig, legt ihn auf die gebutterte Seite, darauf ein paar Scheiben Gruyère surchoix oder rezenten Bergkäse. Das Croissant wird zugeklappt und geht für gute fünf Minuten in den 200 Grad heissen Ofen, Ober- und Unterhitze. Bis der Käse geschmolzen ist. Was man danach auf dem Teller vorfindet, ist eine absolute Erfüllung. Man kann sogar ein Croissant nehmen, das bereits einen Tag alt ist und eigentlich ausgemustert gehört.

Natürlich könnte ich so etwas nicht jeden Tag verzehren. Wir haben auch noch mit anderen Sandwiches experimentiert. Etwa mit dem «Avocado Melt» aus dem Ofen. Dazu bestreicht man ein aufgeschnittenes Silser­brötli mit reichlich Philadelphia, legt Avocado­scheiben drauf, würzt mit Salz, Pfeffer und geräuchertem Paprika, deckt das Ganze mit Käse und legt es dann offen gute fünf Minuten in den heissen Ofen, beide Brotseiten gen Himmel blickend.

Wem auch das zu schwer ist, kann sein Gewissen mit folgendem Müesli-Rezept kurieren, auch «Granola» genannt. Ich mache das seit Jahren regelmässig und finde damit sogar ein Frühstück ganz passabel. Ausserdem kann man es in kleinen Gläschen zubereiten und zum Brunch servieren. Man kann die Granola ruhig zwei, drei Wochen behalten und immer wieder davon zehren.

Granola mit Quark und Passionsfrucht

Zutaten: eine halbe Packung Flocken, z. B. Hafer­flocken oder eine 5-Flocken-Mischung, ein bis zwei Handvoll Nüsse (Pekan, Baum­nüsse, Nuss- und Kerne­mischung), 3–4 EL Kokos­flocken, 2–3 EL Butter, 2–3 EL Honig, eine Handvoll Trocken­früchte oder Beeren (z. B. Aprikosen, Ananas, Cranberrys), Halbfett­quark und pro Person eine Passionsfrucht.

  • Die Getreideflocken mit den gehackten Nüssen und den Kokos­flocken in einer Schüssel mischen.

  • In einem Pfännchen die Butter schmelzen und den Honig dazurühren. Die Butter-Honig-Mischung in die Schüssel geben und alles gut verrühren.

  • Das Flocken-Nuss-Gemisch auf einem mit Backtrenn­papier ausgelegten Blech verteilen und bei etwa 150 Grad 20 bis 30 Minuten im Ofen rösten. Dazwischen zweimal mit der Braten­schaufel untereinander­bringen, damit sich das Geröste etwas verteilt.

  • Derweil die Trocken­früchte oder getrockneten Beeren klein schneiden. Nachdem die Granola­mischung den Ofen verlassen hat, die Trocken­früchte und Beeren darunter­mischen und abkühlen lassen.

  • In einer kleinen Schüssel ein paar Esslöffel unserer soeben hergestellten Granola geben, je nach Gusto zwei, drei Esslöffel Quark dazu. Den Inhalt einer Passions­frucht mit dem Löffel auskratzen und über dem Quark verteilen. So viele Schüsselchen bereit­stellen, wie Gäste im Raum sind.

Anmerkung: Ich bin beim Honig immer etwas geizig, wers süsser mag, nimmt etwas mehr. Beim Butter sollte man nicht sparen. Ich habe nachgerechnet, dass hier auf rund acht Portionen so viel Butter kommt, wie man normaler­weise am Sonntag­morgen alleine auf den Zopf schmiert.

Noch eine Anmerkung: Auf einen Weintipp verzichte ich an dieser Stelle für einmal. Mein Favorit beim Tee wäre entweder eine ungesüsste Breakfast Blend oder – etwas extravaganter – eine irische Mischung mit einem Gutsch Schafsmilch. Ein Gläschen Smoothie als Extra ist auch nicht verkehrt.

Geschmacksache

Folge 3

Risotto aus dem Früch­te­korb

Folge 4

Au­ber­gi­nen­pa­sta

Folge 5

Nek­ta­ri­nen­sa­lat

Folge 6

Cannelloni

Folge 7

Macadamia Nut Pie

Folge 8

Hack

Folge 9

Ki­cher­erb­sen zum Apéritif

Folge 10

Mapo-Tofu

Folge 11

Kartoffeln mit bunten Saucen

Folge 12

Weih­nach­ten in Zeiten ku­li­na­ri­scher Monogamie

Folge 13

Mu­schel­pa­sta

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Mohnkuchen

Folge 15

Boeuf Bour­gu­i­gnon

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Chipotle Suppe

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Orec­chiet­te mit Cima di Rapa und Salsiccia

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Cholera

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Grünes Curry

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Carbonara

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Paneer mit einer Tomaten-Butter-Sauce

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Paella

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Potluck Christmas

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Pâté en croûte

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Zabaione

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Œufs en Meurette

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Donburi mit Pilzen und Zucchetti

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Ge­mü­se­sup­pe «Ver­nis­sa­ge»

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Ravioli «saucisson au choux»

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Zucchetti-«Pesto»

Folge 35

Mi­ni­ma­li­sti­sche Ki­cher­erb­sen­sup­pe