Was diese Woche wichtig war

Ein Mord treibt Frauen auf die Strassen, Fehlstart der CDU ins Super­wahljahr – und Briten rüsten auf

Woche 11/2021 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Reto Aschwanden, Ronja Beck, Oliver Fuchs, Daniel Graf, Marguerite Meyer und Cinzia Venafro, 19.03.2021

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Deutschland: Historische Nieder­lagen für die CDU zum Start ins Super­wahljahr

Darum geht es: Am Sonntag wurden in den Bundes­ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz neue Parlamente gewählt. In beiden Ländern wurde jeweils die grösste bisherige Regierungs­partei als stärkste Kraft bestätigt. In Rheinland-Pfalz hat Minister­präsidentin Malu Dreyer der zuletzt wenig erfolgs­verwöhnten SPD einen klaren Wahlsieg beschert, sie kann ihre Koalition mit FDP und Grünen fortsetzen. In Baden-Württemberg fuhren die Grünen mit dem amtierenden Minister­präsidenten Winfried Kretsch­mann gar das beste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Die CDU erleidet in beiden Ländern ein historisches Tief.

Warum das wichtig ist: Die Wahlen bildeten den Auftakt zum Super­wahljahr 2021, in dem noch vier weitere Landes­parlamente und ein neuer Bundestag gewählt werden. Die Ergebnisse gelten deshalb als erster Stimmungs­test. Zwar waren die hohe Popularität von Dreyer beziehungs­weise Kretschmann jeweils der wichtigste Erfolgs­faktor – die Verhältnisse sind also nur bedingt aussage­kräftig für die Situation ihrer Parteien im Bund. Für die CDU und den neuen Partei­vorsitzenden Armin Laschet sind die Niederlagen dennoch einschneidend, waren doch beide Länder einst Hochburgen der CDU, in denen sie zeitweise absolute Mehrheiten hielt. Nun ist rechnerisch auch in Baden-Württemberg eine Regierungs­bildung ohne CDU-Beteiligung möglich – was SPD-Kanzler­kandidat Olaf Scholz seit dem Wahlabend in ein Motto für das Super­wahljahr umzumünzen versucht.

Was als Nächstes geschieht: In Rheinland-Pfalz deutet alles auf eine Fortsetzung der sogenannten Ampel­koalition aus SPD, Grünen und FDP hin. Die «Ampel» ist jetzt auch eine Option für die Grünen in Baden-Württemberg, die bisher mit der CDU als Junior­partner regierten. Kretschmann – bekennender Konservativer innerhalb der grünen Partei – führt Sondierungs­gespräche für beide Optionen. Auf Bundes­ebene wollen Grüne und CDU nach Ostern ihre Kanzler­kandidatur bestimmen. Die Wahlen vom Wochen­ende haben die Diskussionen neu befeuert, ob für die Union Armin Laschet oder doch Markus Söder von der Schwester­partei CSU antreten wird. Für die Grünen werden entweder Annalena Baerbock oder Robert Habeck ins Rennen gehen.

Weltweite Proteste gegen Frauen­mord und Polizeigewalt

Darum geht es: Ein Mord an einer 33-jährigen Londoner Marketing­leiterin treibt die Engländerinnen auf die Strasse. Mehr als tausend Frauen versammelten sich vergangenen Samstag zu einer Mahnwache. Sie forderten mehr Schutz vor männlicher Gewalt. Die Polizei ging derart aggressiv gegen die Teilnehmerinnen der wegen Corona nicht bewilligten Demonstration vor, dass nun selbst konservative Politiker in England aktiv werden. Innen­ministerin Priti Patel verlangt von der Londoner Polizei eine Erklärung für die «verstörenden Vorfälle».

Demonstration gegen ein neues Polizei­gesetz, das der Polizei mehr Rechte gegen Demonstrantinnen gewährt (London, 16. März). Wiktor Szymanowicz/Barcroft Media/Getty Images

Warum das wichtig ist: Die Vorfälle in London finden weltweit Widerhall. Unter dem Hashtag #textmewhenyougethome berichten Frauen über die alltägliche Gefahr, der sie im öffentlichen Raum ausgesetzt sind. In Australien gehen die Frauen unter dem Motto #EnoughIsEnough gegen männliche Gewalt auf die Strasse. Durch den Mord in London flammt in Australien eine Diskussion über sexualisierte Gewalt wieder auf. Dort wurde 2019 eine Frau im Parlaments­gebäude vergewaltigt. Das Opfer sprach an der Demonstration in Canberra am Montag.

Was als Nächstes geschieht: Immer mehr Frauen berichten weltweit von Belästigungen, die Bewegung reiht sich in die #MeToo-Proteste ein. In der Schweiz kassierte die Kapo St. Gallen in diesem Zusammen­hang letztes Wochen­ende einen Shitstorm: In einem unterdessen zurückgezogenen Ratgeber für Frauen betrieb sie victim blaming – schob die Verantwortung also auf Opfer statt auf Täter.

USA: Schmerz und Wut in der asiatischen Gemeinde

Darum geht es: In der Nacht auf Mittwoch (Ortszeit) attackierte ein 21-jähriger Mann im Norden der Stadt Atlanta drei Schönheits­salons. Er erschoss 8 Menschen – 6 davon asiatische Frauen – und verletzte mehrere weitere. Als Tatmotiv gab er nach seiner Festnahme «Sexsucht» an – er habe die «Verlockung» dieser Orte «eliminieren» wollen. Die Polizei sieht noch keine Belege für einen rassistischen Hinter­grund für die Tat.

Tatort Schönheits­salon «Gold Spa»: In den USA nehmen Hass­verbrechen gegen Menschen mit asiatischem Aussehen zu (Atlanta, 17. März). Christopher Aluka Berry/Reuters

Warum das wichtig ist: In den letzten Monaten häufen sich Berichte aus den USA über rassistisch motivierte Angriffe auf Menschen mit asiatischem Aussehen. Menschenrechts­organisationen sehen einen Zusammen­hang mit der Covid-Pandemie, die in China ihren Ursprung haben soll, und der scharfen Rhetorik gegen China unter Ex-Präsident Trump. Gemäss der aktuellsten Statistik des FBI richteten sich 2019 etwa 5 Prozent aller erfassten Hass­verbrechen gegen Asiaten.

Was als Nächstes geschieht: Die Morde könnten der Katalysator sein für eine breite gesellschaftliche Debatte über Rassismus und Gewalt – ähnlich jener vor bald einem Jahr nach der Tötung des Afro­amerikaners George Floyd. In der Kritik steht einmal mehr auch die Polizei. Der Sheriff, der die Medien über die Ermittlungen informierte, sagte, der Täter habe «einen schlechten Tag gehabt». Ausserdem soll er mehrere antichinesische Facebook-Beiträge verfasst haben.

Russland: Kreml macht Oppositionelle zu Kriminellen

Darum geht es: Am Samstag wurden bei einer Versammlung unabhängiger Lokal­politiker in Moskau alle rund 200 Anwesenden festgenommen. Die Verhafteten kamen nach einigen Stunden wieder frei, sehen sich aber mit dem Vorwurf der Zusammen­arbeit mit einer «unerwünschten Organisation» konfrontiert.

Polizeieinsatz gegen eine Veranstaltung der «Vereinigten Demokraten» am 13. März in Moskau. Hannah Wagner/picture alliance/dpa

Warum das wichtig ist: Die Festnahmen sind eine weitere Eskalation im Kampf des Kremls gegen die Opposition. Die Verhafteten sind gewählte Volks­vertreter aus dem ganzen Land. Ihr Vergehen: Sie stehen Wladimir Putin kritisch gegenüber. Das Eingreifen der Behörden – das nicht von der Moskauer Polizei, sondern vom Inland­geheimdienst ausgelöst worden sei – ist beispiellos: Noch nie wurde in Russland eine Konferenz von demokratisch legitimierten Politikerinnen gesprengt. Die Razzia zeigt: Im Kampf um die Kontrolle über das Land schreckt die russische Regierung nicht davor zurück, jede politische Bewegung zu kriminalisieren, die nicht unter ihrer Kontrolle steht.

Was als Nächstes geschieht: Im Herbst finden kommunale, regionale und nationale Parlaments­wahlen statt. Die Regierungs­partei «Einiges Russland» ist laut aktuellen Umfragen wenig beliebt, und in der Bevölkerung wächst der Unmut über die wirtschaftliche Lage. Darum geht der russische Präsident noch vehementer gegen die Opposition vor: Nach der Verurteilung des Kreml-Kritikers Alexei Nawalny und den Strafmassnahmen gegen Internet­dienstleister setzen die Verhaftungen der Lokal­politiker ein weiteres öffentlichkeits­wirksames Zeichen im Kampf gegen Andersdenkende.

Grossbritannien: Nach dem Brexit der Blick nach Asien

Darum geht es: Diese Woche hat Premier­minister Boris Johnson erstmals im Detail aufgezeigt, welche neue Rolle das von ihm proklamierte «globale Gross­britannien» nach dem EU-Ausstieg einnehmen soll. Die zwei Hauptlinien im 114 Seiten dicken «Blueprint»: Washington vor Brüssel – und ein Fokus auf Asien.

Warum das wichtig ist: Gemeinsam mit dem «grössten Verbündeten in allen Belangen» (den USA) wolle man China und Russland die Stirn bieten, sagte Johnson am Dienstag im Parlament. Dazu soll der jährliche Rüstungs­haushalt um umgerechnet rund 30 Milliarden Franken erhöht, zusätzliche Nuklear­raketen angeschafft – und der Flugzeug­träger Queen Elizabeth umgehend nach Asien verlegt werden.

Was als Nächstes geschieht: Beobachterinnen sprechen von der grössten Neuausrichtung der britischen Aussen­politik seit dem Ende des Kalten Kriegs. Andere sehen Johnsons «Tilt» nach Asien als «atemberaubende Dummheit», die in einem Krieg mit China enden könnte.

Corona: Wirbel um Impfstoff von Astra Zeneca

Darum geht es: Mehrere europäische Länder haben den Einsatz des Impfstoffes von Astra Zeneca vorläufig gestoppt. In Deutschland war nach der Impfung bei sieben Personen mit Vorerkrankungen eine seltene Form von Thrombose, also ein Blut­gerinnsel, im Gehirn aufgetreten. Drei von ihnen starben. Das Paul-Ehrlich-Institut (das deutsche Bundes­institut für Impfstoffe und biomedizinische Arznei­mittel) empfahl am Dienstag, den Impfstoff im Sinne eine Vorsichts­massnahme auszusetzen, bis ein allfälliger Zusammen­hang geklärt ist.

Warum das wichtig ist: Der Impfstoff, der von der schwedischen Pharma­firma Astra Zeneca in Zusammen­arbeit mit der Universität Oxford entwickelt wurde, ist eines von vier in der EU zugelassenen Vakzinen. Das Image ist schon länger angeschlagen, obwohl sehr gute Resultate erzielt wurden. Der Impfstoff gilt als Hoffnungs­träger, weil er günstig und einfach zu lagern ist. Das macht ihn besonders für breit angelegte Impf­aktionen sowie für weniger wohl­habende Länder attraktiv.

Was als Nächstes geschieht: Bereits am Mittwoch hatte die Weltgesundheits­organisation WHO empfohlen, die Impfung mit Astra Zeneca weiter­zuführen. Die Vorteile in der Pandemie­bekämpfung würden die Risiken überwiegen, so die WHO. Gestern Donnerstag erklärte die europäische Arzneimittel­behörde EMA, der Impfstoff sei «sicher und effektiv», und empfahl die weitere Verwendung. Es soll jedoch eine extra Warnung vor seltenen Blut­gerinnseln in Hirnvenen bei den möglichen Neben­wirkungen erwähnt werden. Bei den Unter­suchungen der letzten Tage konnte kein Zusammen­hang mit gewöhnlichen Thrombosen festgestellt werden. In der Schweiz ist das Mittel bisher nicht zugelassen, weil die Arzneimittel­behörde Swissmedic auf ergänzende Daten wartet.

Zum Schluss: Esoterik wirkt

Die Schweizer Firma Wasser­matrix bietet ein Gerät an, mit dem sich «hexagonales Wasser» herstellen lässt. «Diese Handsonde dient dazu, das Wasser zu informieren bzw. zu strukturieren und zu energetisieren», heisst es in der Beschreibung. Derart behandeltes Wasser soll die Selbstheilungs­kräfte ansprechen und namentlich gegen Elektro­smog schützen. Ein Segen für die Gesundheit, und die ist viel wert, auch wenn mehrere tausend Franken manchem vielleicht viel scheinen für esoterischen Hokuspokus. Aber Obacht: Das Gerät wirkt – wenn auch nicht unbedingt im Sinne des Erfinders. Die Bundes­netz­agentur in Deutschland hat nämlich festgestellt, dass dieser Wasser­strukturierer Störungen in einem Frequenz­bereich verursacht, den Amateur­funker verwenden. Darum hat sie das Gerät verboten. Die Firma Wasser­matrix bittet ihre Kundschaft nun, die Sonde nur noch mit einer geeigneten Abschirmung zu nutzen. Leider ohne Angaben dazu, wie sich die Abschirmung auf die Strukturierung des Wassers auswirkt.

Was sonst noch wichtig war

  • Frankreich: Künftig soll Geschlechts­verkehr mit Jugendlichen unter 15 Jahren als Vergewaltigung gelten. Ausgenommen sind Beziehungen unter Jugendlichen. Das neue Gesetz ist eine Reaktion auf eine Reihe von Pädophilie­skandalen im Land.

  • Türkei: Die prokurdische Partei HDP soll verboten werden. Der von Präsident Recep Tayyip Erdoğan eingesetzte Ober­staatsanwalt wirft der drittgrössten Partei des türkischen Parlaments vor, sie arbeite an der Zerstörung der Einheit der Nation.

  • Tansania: Präsident John Magufuli ist tot. Nach offiziellen Angaben versagte sein Herz. Allerdings wird spekuliert, dass er an Covid-19 starb, was von bitterer Ironie wäre, weil Magufuli die Krankheit lange verharmloste.

  • USA I: Die Stadt Minneapolis bezahlt der Familie von George Floyd Schmerzens­geld in der Höhe von 27 Millionen Dollar. Im Haupt­prozess ist der Polizist, der Floyd getötet hatte, neu auch für «Mord dritten Grades» angeklagt, was mit bis zu 25 Jahren Haft bestraft werden kann.

  • Katholische Kirche: Der Vatikan hält fest, dass gleich­geschlechtliche Beziehungen keinen kirchlichen Segen erhalten dürfen. Denn Gott könne keine Sünde segnen. In der Vergangenheit hatte sich der Papst für eingetragene gleich­geschlechtliche Partnerschaften ausgesprochen.

  • OECD: Mathias Cormann ist neuer General­sekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammen­arbeit und Entwicklung. Eine umstrittene Wahl, denn er war als australischer Finanz­minister ein Gegner von CO2-Steuern. Der Schweizer Kandidat Philipp Hildebrand hatte seine Bewerbung zurückgezogen, weil er für sein Programm, mit dem er unter anderem das Netto-null-Emissions­ziel vorantreiben wollte, zu wenig Unterstützung gefunden hatte.

Die Top-Storys

Der Fisch stinkt von der Mitte Wer in Basel gerade nicht weiss, wo man jemanden treffen könnte, landet meist im Unter­nehmen Mitte. Das Kaffeehaus im Herzen der Stadt gilt als Institution. Die WOZ bringt diese nun ins Wanken mit einer Recherche, in der sie aufzeigt, wie das Unter­nehmen gegen einen mutmasslichen Fall von sexueller Belästigung vorgeht. Spoiler: eigentlich gar nicht.

Wenn der Vorhang fällt Mit dem gleichen Thema hat auch die Berliner Volksbühne gröbere Probleme. Die TAZ berichtet von zahlreichen Beschwerden, die Mitarbeiterinnen gegen Intendant Klaus Dörr vorbringen. Die Spannbreite reicht von sexistischen Äusserungen über anzügliche Blicke und Droh­gebärden bis hin zu heimlichem Fotografieren unter den Rock. Klaus Dörr ist nach der Publikation als Intendant zurückgetreten.

Der aus der Reihe tanzt Der ungarische Premier­minister Viktor Orbán strebt nach maximaler Macht im eigenen Land. Grundrechte sind für ihn bloss Steine im Weg. Die EU stürzt er damit in einen inneren Konflikt. Arte zeigt eine Dokumentation, die eigentlich ein Politthriller ist: ein Kampf im Spannungs­feld zwischen demokratischen Werten und einem bedrohten Bündnis.

Illustration: Till Lauer

Was diese Woche wichtig war

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