Was diese Woche wichtig war

Erstes Urteil wegen Folter in Syrien, sterben für die Fussball-WM – und Hoffnung für Kulturschaffende

Woche 08/2021 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Reto Aschwanden, Ronja Beck, Oliver Fuchs und Bettina Hamilton-Irvine, 26.02.2021

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Wegweisendes Urteil gegen Assads Schergen

Darum geht es: Das Oberlandesgericht im deutschen Koblenz hat einen Agenten des syrischen Geheim­dienstes zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Der Mann ist schuldig der Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Warum das wichtig ist: Es handelt sich um den weltweit ersten Prozess, in dem Folter und Mord durch das syrische Regime verhandelt wurden. Das Verfahren fusst auf dem Weltrechtsprinzip: Demnach können Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlich­keit in jedem Land verfolgt werden. Der Prozess signalisiert, dass sich Kriegs­verbrecher nirgends vor Straf­verfolgung sicher fühlen können. In Koblenz stand das ganze System von Machthaber Bashar al-Assad vor Gericht, denn der Angeklagte, der als Flüchtling in Deutschland lebt, bestritt die Vorwürfe nicht, sondern sagte aus, er und seine Familie hätten getötet werden können, wenn er die Befehle nicht ausgeführt hätte.

Was als Nächstes geschieht: In einem zweiten Verfahren wird das Urteil gegen den Hauptangeklagten von Koblenz im Herbst erwartet. Weitere Prozesse in anderen europäischen Ländern gegen Beteiligte an den systematischen Folterungen und Morden in Syrien dürften folgen. Ein Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof dürfte hingegen von Russland und China vereitelt werden.

Iran stockt seine Uranvorräte massiv auf

Darum geht es: Iran hat seinen Vorrat an angereichertem Uran seit November weiter ausgebaut und verfügt mittlerweile über fast 3 Tonnen davon. Seit November sind weitere 500 Kilogramm dazugekommen. Dies steht in einem noch unveröffentlichten Bericht der Internationalen Atomenergie­behörde, auf den sich mehrere Nachrichten­agenturen übereinstimmend beziehen. Gemäss dem internationalen Atomabkommen von 2015 dürfte Iran nicht mehr als 200 Kilogramm angereichertes reines Uran besitzen.

Satellitenaufnahme aus der Gegend der Urananreicherungsanlage in Natanz.Satellite Image 2019 Maxar Technologies/Getty Images

Warum das wichtig ist: Das Atomabkommen soll Iran daran hindern, eine Atombombe zu bauen. Doch seit die USA aus dem Vertrag ausgestiegen sind und Wirtschafts­sanktionen gegen Iran verhängt haben, hat Teheran mehrfach demonstrativ gegen die Auflagen verstossen. Mittlerweile könnte das Land nach der Einschätzung von Israel innerhalb von sechs Monaten eine Atombombe herstellen. (Wobei Israel als Gegner des Iran ein Interesse daran hat, die iranischen Kapazitäten als möglichst gross darzustellen.)

Was als Nächstes geschieht: Die neue US-Regierung unter Präsident Joe Biden ist grundsätzlich bereit, der Atom­vereinbarung wieder beizutreten. Sie fordert vom Iran aber ein Zeichen des guten Willens. Für den Iran wiederum ist eine Rückkehr der USA zum Atomdeal Voraussetzung dafür, sich selber wieder an die Regeln zu halten. Teheran hat am Sonntag mit der Internationalen Atomenergie­behörde vereinbart, die Zusammenarbeit weiterzuführen, aber deren Kontrollen drei Monate lang einzuschränken. Liegt bis dann eine politische Lösung vor, werden die Einschränkungen wieder aufgehoben.

Das grosse Sterben auf den WM-Baustellen

Darum geht es: Seit Katar 2010 die Fussball-Weltmeisterschaft 2022 zugesprochen wurde, sind im Land mehr als 6500 Arbeits­migranten ums Leben gekommen. Laut Recherchen des «Guardian» stammten sie aus Pakistan, Nepal, Bangladesh und Sri Lanka. Weitere Todesopfer kommen aus Kenia und von den Philippinen, doch lässt sich deren Zahl nicht beziffern.

Gefährliche Jobbedingungen: Arbeitsmigranten beim Bau einer Zufahrtsstrasse zu einem Hotel in der katarischen Hauptstadt Doha. Sean Gallup/Getty Images

Warum das wichtig ist: Schon lange gibt es Kritik an den Arbeits­bedingungen in Katar. In Medienberichten ist von «modernen Sklaven» die Rede. Die Todeszahlen des «Guardian» zeigen nun die Konsequenzen des Baubooms im Vorfeld der WM. Das Emirat am Persischen Golf erstellt sieben Stadien, U-Bahnen und einen neuen Flughafen sowie eine komplette Stadt, in der 2022 der WM-Final ausgetragen werden soll. Laut offiziellen Angaben handelt es sich in den meisten Fällen um «natürliche Todesursachen», was daran liege, dass die Behörden nicht so genau hinschauen und akuten Herz- oder Atemstillstand angeben würden. Tatsächlich dürften sich viele der Verstorbenen in der brutalen Sommerhitze von Katar mit Temperaturen bis zu 50 Grad buchstäblich zu Tode geschuftet haben.

Was als Nächstes geschieht: Eine Regierungskommission in Katar forderte schon 2014 eine Untersuchung über die verstorbenen Arbeits­migranten und routinemässige Autopsien. Beides geschah nicht. Der Weltfussballverband Fifa betont in einer Stellungnahme zum Artikel, wie wichtig die Einhaltung von Arbeits­rechten sei, und behauptet, im Vergleich zu anderen Grossprojekten sei die Todesrate auf den WM-Baustellen niedrig. Die WM nächstes Jahr wird aufgrund der Sommerhitze erstmals in den Monaten November und Dezember stattfinden.

Hoffnung auf unbürokratische Corona-Hilfe für Künstler

Darum geht es: Eine Art Grundeinkommen für Kulturschaffende, die wegen Corona nicht arbeiten können – so wollte die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr unbürokratisch Unterstützung bieten. Doch das Bundesamt für Kultur winkte ab: Ein solch pauschales Vorgehen entspreche nicht der Covid-Gesetzgebung, weshalb der Bund auch nicht wie im Gesetz vorgesehen die Hälfte finanzieren würde. Doch nun hat die juristische Überprüfung ergeben, dass das «Zürcher Modell» sehr wohl gesetzeskonform ist.

Nichts geht: Im Zürcher Theater Neumarkt wird das Bühnenbild für eine im Dezember 2020 geplante Aufführung abgebaut. Gaetan Bally/Keystone

Warum das wichtig ist: Die Corona-Massnahmen haben den Kultursektor besonders hart getroffen. Viele Künstlerinnen haben null Arbeit und damit auch kein Einkommen mehr. Die Beantragung von Hilfsgeldern ist mühsam, weil etwa für Musiker oder Schauspielerinnen der Nachweis entgangener Einnahmen kompliziert bis unmöglich ist. Das «Zürcher Modell» soll das Prozedere vereinfachen, indem es Betroffenen pauschal und befristet 3840 Franken pro Monat ausbezahlt. Unbürokratische und schnelle Hilfe ist nicht nur für Kunstschaffende existenziell, sondern für die Kultur per se. Welche Verheerungen Corona in der Kultur hinterlässt, zeigt sich derzeit in New York City: Dort sind seit Beginn der Pandemie zwei Drittel aller Jobs in Kunst und Kultur verloren gegangen.

Was als Nächstes geschieht: Damit Zürich (und andere Kantone) das Modell umsetzen können, muss der Bundesrat eine Verordnung anpassen, was er in Eigenregie tun könnte. Bereits in Kraft ist ein ähnliches Modell in Basel-Stadt, allerdings bezahlt dort der Kanton alles aus dem eigenen Sack.

Zum Schluss: Mars macht mobil

Am Freitagabend vor einer Woche ist zum vierten Mal ein Nasa-Roboter erfolgreich auf dem Mars gelandet. Dort gesellt sich die Perseverance jetzt zu ihren Geschwistern Sojourner, Opportunity und Curiosity. Rund um den Globus verfolgten die Menschen den Livestream. Und jubelten mit, als die Hightech-Box die ersten Schwarzweissbilder vom roten Planeten schickte. Good news, die wir grade alle gebrauchen können – und ein Meilenstein für die Raumforschung. Vor allem aber ist die Mission bis jetzt geniales Marketing. Computergrafiken während der Landung, eine versteckte Botschaft im BremsschirmSound vom Mars! Hat uns alles sehr mitgerissen, bis uns das deutsche Magazin «Golem» auf den Boden der budgettechnischen Tatsachen zurückgeholt hat. Es listet auf, was aus Kostengründen so alles gestrichen wurde. Und stimmte uns ziemlich pessimistisch, dass die von Perseverance gesammelten Bodenproben in vernünftiger Zeit zur Erde geflogen werden. Wir freuen uns trotzdem bereits auf die nächste Mission. Und einen Namen dafür wüssten wir auch schon: Publicity.

Was sonst noch wichtig war

  • USA I: Virginia schafft die Todesstrafe ab. «In Virginias langer Geschichte hat dieser Staat mehr Menschen hingerichtet als jeder andere Bundesstaat», sagte Gouverneur Ralph Northam: «Es ist Zeit, dass wir dieser Maschinerie des Todes ein Ende bereiten.»

Die Top-Storys

Zu Besuch bei den Masken-Millionären Wegen leerer Lager waren Masken zu Beginn der Pandemie auch in der Schweiz ein kostbares Gut. Die jungen Zürcher Luca Steffen und Jascha Rudolphi packten ihre Chance früh und wurden mit Masken­importen für den Bund in kürzester Zeit zu Millionären. Der Preis ihrer Ware: an der obersten Grenze. Die Qualität der Ware: fraglich. In der NZZ erzählen die beiden erstmals ausführlich ihre Version der Geschichte.

Wie wahr die Wahrheit wirklich ist Kriegs­verbrechen, Spionage, Korruption – das investigative Recherche­portal Bellingcat sieht seit 2014 genau hin und enthüllt immer wieder Geschichten, die mitten in komplizierte politische Geflechte hinein­treffen. Der Filmemacher Hans Pool durfte als erster die Journalisten begleiten. Die preisgekrönte Dokumentation ist nun in der Arte-Mediathek zu sehen.

Allein allein Viele Leute gerieten in dieser Pandemie an einen Punkt, an dem sie sich schrecklich einsam fühlten – kein Wunder, in Zeiten des Social Distancing. Für manche Menschen jedoch war dieses Gefühl auch vor der Pandemie schon Alltag. Das SRF hat einige Menschen begleitet, die sich von der Gesellschaft abgekapselt fühlen. Entstanden ist ein bedrückend ehrlicher Film.

Illustration: Till Lauer

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