Liebe Leserinnen und Leser – and everyone beyond
Acht Menschen – mindestens! – dürften im Moment mit reichlich Rückenwind durchs Leben segeln: Sie haben sich verliebt.
Und zwar dank der Verkupplungsplattform «Be My Quarantine» – kurz BMQ – die für coronabedingt weggefallene Zufallstreffen einen Schicksalsersatz anbietet. Unsere freie Autorin Flavia von Gunten hat sich das aussergewöhnliche Online-Dating-Modell angeschaut. Denn BMQ arrangiert Blind Dates nicht auf der Basis von hübschen Bildern, sondern zieht einen ausgeklügelten Fragebogen zu Hilfe, der unter anderem Bescheid wissen will über den Inhalt des Kühlschranks der oder des Befragten, die Gestaltung eines typischen Samstags oder die Funktionsweise des Geistes (chaotisch versus strukturiert).
«Plattformgründerin Selina Sutter, 30-jährig, aus Zürich, liest die Antworten und schickt potenzielle Pärchen auf ein einstündiges Zoom-Date.
Ihre Methode? ‹Bauchgefühl.›
Ihr Aufwand? ‹Eine Stunde pro Match.›
Ihr Lohn? ‹Megaviel Spass.›
5000 Menschen aus der ganzen Schweiz, aus Deutschland, Österreich, Australien und Kolumbien haben sich auf der Plattform registriert, nachdem diese im letzten Frühling lanciert worden war; 1000 potenzielle Pärchen kombinierten Sutter, ihre beiden Mitinitiatorinnen und 20 Freiwillige daraus. Man rechne: Mehr als die Hälfte aller Registrierten verblieb ohne Date.
Neben der zeitlichen Überforderung der match maker und den geografischen Distanzen zwischen den Singles liegt das vor allem daran, dass viel weniger Hetero-Männer als Hetero-Frauen den Fragebogen ausgefüllt haben. Selina Sutter ‹will nicht zu tief in der Stereotyp-Schublade wühlen›, glaubt aber, dass Frauen untereinander häufiger über Dating sprechen und sich BMQ empfohlen haben. Als entspannte Alternative zu Dating-Apps, auf denen Hetero-Frauen in der Unterzahl und Matches unverbindlich sind.
Was BMQ ausserdem abhebt von Tinder und Co.: Einzig Sutter und ihr Team sehen die Anmeldungen. Niemand muss sich also vor potenziellen Gaffern fürchten und kann so ungehemmt extravagante Vorlieben preisgeben oder sich neu erfinden. Wie etwa die Frau, die Puppen sammelt und Häuser für sie baut. Oder jene Frau, die mit 50 Jahren das erste Mal nach einer weiblichen Partnerin sucht.
Besonders fest freut sich Selina Sutter, wenn sie auf Fragebögen älterer Menschen stösst, die nicht unbedingt zur Zielgruppe von Dating-Apps gehören. ‹Im Alter verändern sich die Ansprüche: Es geht weniger ums Aussehen, sondern die Leute suchen nach einem Fels, an den angelehnt sie ihr Leben bestreiten können.› Sutter erinnert sich an den von ihr ermöglichten Match eines 82-jährigen Mannes und einer 79-jährigen Frau: Er konnte den Fragebogen selbstständig ausfüllen; sie erhielt Unterstützung von der Tochter.
Ob dieses Treffen zu einer Veränderung des Beziehungsstatus geführt hat, weiss Selina Sutter – wie bei den allermeisten anderen Treffen – nicht. Kenntnis hat sie lediglich von vier Pärchen. ‹Ich rechne aber mit einer hohen Dunkelziffer.›
Aktuell ist die Anmeldung für die zweite Runde offen. Platz und geografischer Radius sind dieses Mal limitiert: 500 Hetero-Frauen, 500 Hetero-Männer und 500 LGBTQIA+-Menschen aus Zürich können mitmachen. Gesucht werden vor allem noch: Hetero-Männer.»
Die wichtigsten Nachrichten des Tages
Die Finanzkommission des Nationalrats unterstützt höhere Pandemiegelder. Sie empfiehlt dem Nationalrat, die vom Bundesrat beantragten ausserordentlichen Nachtragskredite gutzuheissen. Damit folgt sie der Finanzkommission des Ständerats. Es handelt sich dabei um Kredite in Höhe von 14,3 Milliarden Franken. Auch verlangt die Kommission, dass die vorgesehenen Härtefallhilfen in den Kantonen rascher ausbezahlt werden sollten.
Die Kantone schliessen ihre Restaurantterrassen in den Skigebieten nun doch. Zunächst hatten sich sechs Kantone geweigert, der Bestimmung des Bundesrats vom Mittwoch Folge zu leisten. Nun schliesst Uri zusammen mit Graubünden die Terrassen heute Freitag, Ob- und Nidwalden, Schwyz, Glarus und das Tessin schliessen die Aussenbereiche ihrer Skibeizen am Sonntagabend um 17 Uhr.
Basel-Stadt will breiter präventiv auf neue Infektionen testen. Es arbeite derzeit an einem entsprechenden Konzept, teilte das basel-städtische Gesundheitsdepartement mit. Die präventiven Tests sollen in Schulen, sozialmedizinischen Institutionen, in Firmen und in der Bevölkerung durchgeführt werden.
Die EU will auf die Sommerferiensaison einen Impfpass einführen. Gestern Donnerstag haben die Staats- und Regierungschefs der Länder der Europäischen Union über das weitere koordinierte Pandemievorgehen beraten. Dabei hoben sie Reisebeschränkungen nicht auf, aber sie einigten sich auf die Einführung eines EU-weit gültigen Impfpasses. Er soll digital sein und als App auf dem Smartphone oder als ausdruckbarer Code daherkommen. Die EU will ihn bis zu den Sommerferien ausarbeiten.
Und zum Schluss: Der Lagebericht zur Woche
Vergangene Woche haben wir an dieser Stelle geschrieben: Es sieht gut aus. Der Trend ging nach unten, sowohl bei den Neuansteckungen wie auch bei den Todesfällen. Wir haben auch geschrieben: Optimal ist anders, denn bereits letzte Woche ist der R-Wert (der angibt, wie viele weitere Personen ein infizierter Mensch im Schnitt ansteckt) zwar gesunken, aber sehr langsam.
Diese Woche beschloss der Bundesrat erste Öffnungsschritte. Ab kommendem Montag dürfen die Läden, Museen, Zoos und andere Lokalitäten öffnen. In einem zweiten Öffnungsschritt könnten am 22. März unter anderem Restaurants wieder aufgehen – wenn es «die epidemiologische Lage erlaubt». (Hier lesen Sie mehr zu den Details des Beschlusses und auch die Voraussetzungen für den zweiten Öffnungsschritt.)
Doch wie schaut diese Lage aus? Noch handelt es sich um einige Tage, aber: Der Abwärtstrend bei den Neuansteckungen wurde gestoppt. Es sei aktuell kein wirklicher Rückgang zu verzeichnen, «eher eine Stagnation», sagte denn auch die Berner Kantonsärztin Linda Nartey an der heutigen Medienkonferenz der Fachspezialistinnen in Bern.
Auch ein Blick auf den R-Wert lässt aufhorchen: In der Schweiz liegt er bei rund 1. «Mehrere Kantone haben einen R-Wert, der auch wieder über 1 steigt, auch wenn das fluktuiert», sagte Virginie Masserey vom Bundesamt für Gesundheit heute Freitag. Es komme immer wieder zu Ausbrüchen in Schulen und Gesundheitseinrichtungen.
Zur Vorsicht sollte ebenfalls mahnen, dass die Anzahl der Tests heruntergegangen ist. Und je weniger getestet wird, desto weniger aussagekräftig sind die Resultate dieser Tests – weil der Gesamtüberblick blinde Flecke aufweist. Zusätzlich nehmen die ansteckenderen Varianten des Virus am Anteil der Neuinfektionen zu.
Taskforce-Leiter Martin Ackermann betonte heute, die Erkenntnis aus der ersten und zweiten Welle sei, dass die Zahlen bei exponentiellem Wachstum sehr schnell in die Höhe schiessen könnten. Das «sollten wir bei unserem weiteren Vorgehen stets in Betracht ziehen, damit wir nicht ein drittes Mal vor der gleichen Situation stehen», so Ackermann.
Im Moment schaut es grob zusammengefasst so aus: Die Anzahl der Neuansteckungen liegt in einem ähnlichen Bereich wie auf dem Höhepunkt der ersten Welle. Die Todeszahlen und Hospitalisationen sind aktuell tief. Der Abwärtstrend der neuen Infektionen stagniert jedoch. Am Montag öffnet die Schweiz in einer ersten Etappe. Seien wir wachsam.
Bleiben Sie umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund. Und lassen Sie sich die Sonne am Wochenende ein bisschen ins Gesicht scheinen.
Marie-José Kolly und Marguerite Meyer
PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.
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PPPS: Kennen Sie die Kaiviti Silktails? Wir kannten sie bis vor kurzem auch nicht. Das Rugby-League-Team aus Fidschi befindet sich derzeit in Australien, um sich sieben Monate lang auf den Ron Massey Cup vorzubereiten und daran teilzunehmen, der vergangenes Jahr aufgrund der Pandemie ausgefallen war. Australien hat derzeit kaum Fälle, dafür strenge Einreisebestimmungen – und so musste sich auch das Team für 14 Tage in Hotelquarantäne begeben. Zum Quarantäne-Ende bedankten sich die Spieler mit einer inbrünstigen Balkonperformance beim Hotelpersonal. (Nein, das sind keine Tränen der Rührung, ich schwör!)
Hinweis: Die erste Fassung dieses Newsletters enthielt einen falschen Namen. Das haben wir in der Online-Ausgabe korrigiert: Die freie Autorin heisst Flavia von Gunten.