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Liebe-dinös

26.02.2021

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Liebe Leserinnen und Leser – and everyone beyond

Acht Menschen – mindestens! – dürften im Moment mit reichlich Rücken­wind durchs Leben segeln: Sie haben sich verliebt.

Und zwar dank der Verkupplungs­plattform «Be My Quarantine» – kurz BMQ – die für corona­bedingt weggefallene Zufalls­treffen einen Schicksals­ersatz anbietet. Unsere freie Autorin Flavia von Gunten hat sich das ausser­gewöhnliche Online-Dating-Modell angeschaut. Denn BMQ arrangiert Blind Dates nicht auf der Basis von hübschen Bildern, sondern zieht einen ausgeklügelten Fragebogen zu Hilfe, der unter anderem Bescheid wissen will über den Inhalt des Kühl­schranks der oder des Befragten, die Gestaltung eines typischen Samstags oder die Funktions­weise des Geistes (chaotisch versus strukturiert).

«Plattformgründerin Selina Sutter, 30-jährig, aus Zürich, liest die Antworten und schickt potenzielle Pärchen auf ein einstündiges Zoom-Date.

Ihre Methode? ‹Bauchgefühl.›

Ihr Aufwand? ‹Eine Stunde pro Match.›

Ihr Lohn? ‹Megaviel Spass.›

5000 Menschen aus der ganzen Schweiz, aus Deutschland, Österreich, Australien und Kolumbien haben sich auf der Plattform registriert, nachdem diese im letzten Frühling lanciert worden war; 1000 potenzielle Pärchen kombinierten Sutter, ihre beiden Mitinitiatorinnen und 20 Freiwillige daraus. Man rechne: Mehr als die Hälfte aller Registrierten verblieb ohne Date.

Neben der zeitlichen Überforderung der match maker und den geografischen Distanzen zwischen den Singles liegt das vor allem daran, dass viel weniger Hetero-Männer als Hetero-Frauen den Fragebogen ausgefüllt haben. Selina Sutter ‹will nicht zu tief in der Stereotyp-Schublade wühlen›, glaubt aber, dass Frauen untereinander häufiger über Dating sprechen und sich BMQ empfohlen haben. Als entspannte Alternative zu Dating-Apps, auf denen Hetero-Frauen in der Unterzahl und Matches unverbindlich sind.

Was BMQ ausserdem abhebt von Tinder und Co.: Einzig Sutter und ihr Team sehen die Anmeldungen. Niemand muss sich also vor potenziellen Gaffern fürchten und kann so ungehemmt extravagante Vorlieben preisgeben oder sich neu erfinden. Wie etwa die Frau, die Puppen sammelt und Häuser für sie baut. Oder jene Frau, die mit 50 Jahren das erste Mal nach einer weiblichen Partnerin sucht.

Besonders fest freut sich Selina Sutter, wenn sie auf Frage­bögen älterer Menschen stösst, die nicht unbedingt zur Zielgruppe von Dating-Apps gehören. ‹Im Alter verändern sich die Ansprüche: Es geht weniger ums Aussehen, sondern die Leute suchen nach einem Fels, an den angelehnt sie ihr Leben bestreiten können.› Sutter erinnert sich an den von ihr ermöglichten Match eines 82-jährigen Mannes und einer 79-jährigen Frau: Er konnte den Fragebogen selbst­ständig ausfüllen; sie erhielt Unter­stützung von der Tochter.

Ob dieses Treffen zu einer Veränderung des Beziehungs­status geführt hat, weiss Selina Sutter – wie bei den allermeisten anderen Treffen – nicht. Kenntnis hat sie lediglich von vier Pärchen. ‹Ich rechne aber mit einer hohen Dunkelziffer.›

Aktuell ist die Anmeldung für die zweite Runde offen. Platz und geografischer Radius sind dieses Mal limitiert: 500 Hetero-Frauen, 500 Hetero-Männer und 500 LGBTQIA+-Menschen aus Zürich können mitmachen. Gesucht werden vor allem noch: Hetero-Männer.»

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

Die Finanzkommission des Nationalrats unterstützt höhere Pandemie­gelder. Sie empfiehlt dem Nationalrat, die vom Bundesrat beantragten ausserordentlichen Nachtragskredite gutzuheissen. Damit folgt sie der Finanz­kommission des Ständerats. Es handelt sich dabei um Kredite in Höhe von 14,3 Milliarden Franken. Auch verlangt die Kommission, dass die vorgesehenen Härtefall­hilfen in den Kantonen rascher ausbezahlt werden sollten.

Die Kantone schliessen ihre Restaurant­terrassen in den Skigebieten nun doch. Zunächst hatten sich sechs Kantone geweigert, der Bestimmung des Bundesrats vom Mittwoch Folge zu leisten. Nun schliesst Uri zusammen mit Graubünden die Terrassen heute Freitag, Ob- und Nidwalden, Schwyz, Glarus und das Tessin schliessen die Aussen­bereiche ihrer Skibeizen am Sonntag­abend um 17 Uhr.

Basel-Stadt will breiter präventiv auf neue Infektionen testen. Es arbeite derzeit an einem entsprechenden Konzept, teilte das basel-städtische Gesundheits­departement mit. Die präventiven Tests sollen in Schulen, sozial­medizinischen Institutionen, in Firmen und in der Bevölkerung durchgeführt werden.

Die EU will auf die Sommerferien­saison einen Impfpass einführen. Gestern Donnerstag haben die Staats- und Regierungs­chefs der Länder der Europäischen Union über das weitere koordinierte Pandemievorgehen beraten. Dabei hoben sie Reise­beschränkungen nicht auf, aber sie einigten sich auf die Einführung eines EU-weit gültigen Impfpasses. Er soll digital sein und als App auf dem Smartphone oder als ausdruckbarer Code daherkommen. Die EU will ihn bis zu den Sommer­ferien ausarbeiten.

Und zum Schluss: Der Lage­bericht zur Woche

Vergangene Woche haben wir an dieser Stelle geschrieben: Es sieht gut aus. Der Trend ging nach unten, sowohl bei den Neuansteckungen wie auch bei den Todesfällen. Wir haben auch geschrieben: Optimal ist anders, denn bereits letzte Woche ist der R-Wert (der angibt, wie viele weitere Personen ein infizierter Mensch im Schnitt ansteckt) zwar gesunken, aber sehr langsam.

Diese Woche beschloss der Bundesrat erste Öffnungs­schritte. Ab kommendem Montag dürfen die Läden, Museen, Zoos und andere Lokalitäten öffnen. In einem zweiten Öffnungs­schritt könnten am 22. März unter anderem Restaurants wieder aufgehen – wenn es «die epidemiologische Lage erlaubt». (Hier lesen Sie mehr zu den Details des Beschlusses und auch die Voraussetzungen für den zweiten Öffnungsschritt.)

Neue Spital­einweisungen; gleitender Mittelwert über 7 Tage. Die Daten nach dem 19. Februar sind vermutlich noch unvollständig, deshalb haben wir sie nicht berücksichtigt. Stand: 26.02.2021. Quelle: Bundesamt für Gesundheit.

Doch wie schaut diese Lage aus? Noch handelt es sich um einige Tage, aber: Der Abwärts­trend bei den Neu­ansteckungen wurde gestoppt. Es sei aktuell kein wirklicher Rückgang zu verzeichnen, «eher eine Stagnation», sagte denn auch die Berner Kantons­ärztin Linda Nartey an der heutigen Medien­konferenz der Fach­spezialistinnen in Bern.

Auch ein Blick auf den R-Wert lässt aufhorchen: In der Schweiz liegt er bei rund 1. «Mehrere Kantone haben einen R-Wert, der auch wieder über 1 steigt, auch wenn das fluktuiert», sagte Virginie Masserey vom Bundesamt für Gesundheit heute Freitag. Es komme immer wieder zu Ausbrüchen in Schulen und Gesundheits­einrichtungen.

Zur Vorsicht sollte ebenfalls mahnen, dass die Anzahl der Tests herunter­gegangen ist. Und je weniger getestet wird, desto weniger aussagekräftig sind die Resultate dieser Tests – weil der Gesamt­überblick blinde Flecke aufweist. Zusätzlich nehmen die ansteckenderen Varianten des Virus am Anteil der Neuinfektionen zu.

Taskforce-Leiter Martin Ackermann betonte heute, die Erkenntnis aus der ersten und zweiten Welle sei, dass die Zahlen bei exponentiellem Wachstum sehr schnell in die Höhe schiessen könnten. Das «sollten wir bei unserem weiteren Vorgehen stets in Betracht ziehen, damit wir nicht ein drittes Mal vor der gleichen Situation stehen», so Ackermann.

Im Moment schaut es grob zusammen­gefasst so aus: Die Anzahl der Neu­ansteckungen liegt in einem ähnlichen Bereich wie auf dem Höhepunkt der ersten Welle. Die Todes­zahlen und Hospitalisationen sind aktuell tief. Der Abwärts­trend der neuen Infektionen stagniert jedoch. Am Montag öffnet die Schweiz in einer ersten Etappe. Seien wir wachsam.

Bleiben Sie umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund. Und lassen Sie sich die Sonne am Wochenende ein bisschen ins Gesicht scheinen.

Marie-José Kolly und Marguerite Meyer

PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

PPS: Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilten. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.

PPPS: Kennen Sie die Kaiviti Silktails? Wir kannten sie bis vor kurzem auch nicht. Das Rugby-League-Team aus Fidschi befindet sich derzeit in Australien, um sich sieben Monate lang auf den Ron Massey Cup vorzubereiten und daran teilzunehmen, der vergangenes Jahr aufgrund der Pandemie ausgefallen war. Australien hat derzeit kaum Fälle, dafür strenge Einreise­bestimmungen – und so musste sich auch das Team für 14 Tage in Hotel­quarantäne begeben. Zum Quarantäne-Ende bedankten sich die Spieler mit einer inbrünstigen Balkon­performance beim Hotelpersonal. (Nein, das sind keine Tränen der Rührung, ich schwör!)

Hinweis: Die erste Fassung dieses Newsletters enthielt einen falschen Namen. Das haben wir in der Online-Ausgabe korrigiert: Die freie Autorin heisst Flavia von Gunten.

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