Covid-19-Uhr-Newsletter

Der Bewegungsmelder

14.12.2020

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Liebe Leserinnen und Leser

Vor dem Wochenende hatten wir es in diesem Newsletter noch ganz vorsichtig ausgedrückt: Es sieht nach einer dritten Welle aus. Nun kann man getrost davon sprechen, denn seit Freitag ging nochmals ein ziemlicher Ruck durch die Schweiz.

Kennen Sie die Chefärztinnen und Direktoren der grossen Schweizer Spitäler mit Namen? Wir auch nicht. Sie treten unter normalen Umständen auch nicht gross öffentlich auf, geschweige denn kommentieren sie die politischen Geschehnisse.

Doch dieses Wochenende war anders: Ungewohnt deutlich äusserten sie sich in den Wochenendausgaben der Tageszeitungen zur Lage in den Spitälern. Tenor: Die bisherigen angeordneten Massnahmen nützen nicht in ausreichendem Mass, damit eine medizinische Versorgung in den kommenden Wochen aufrechterhalten werden kann – denn die Zahlen der Neuinfektionen, Toten und Spitaleinlieferungen steigen in der Tendenz weiter.

Ein Blick auf die Statistik: Seit Freitag sind schweizweit gemäss Bundesamt für Gesundheit 445 Hospitalisationen aufgrund von laborbestätigtem Covid-19 hinzugekommen.

«Wir mussten letzte Woche erstmals eine dringliche Operation eines jungen Tumorpatienten verschieben», sagte Gregor Zünd, Direktor des Universitätsspitals Zürich, gegenüber der «SonntagsZeitung». Seit Oktober wurden in den fünf Universitätsspitälern der Schweiz (Basel, Bern, Genf, Lausanne, Zürich) mehr als 4000 Operationen verschoben. Auch im grossen Kantonsspital Aarau könnten im Moment nur noch die dringendsten Eingriffe durchgeführt werden, sagt Direktor Robert Rhiner im gleichen Medium: «Meine Angst ist, dass eine gewaltige Covid-Welle kommt, wenn die Leute Weihnachten feiern und Ski fahren gehen.»

Dabei geht es nicht nur um die Anzahl Spitaleinlieferungen und zur Verfügung stehender Betten. Das Personal sei am Anschlag, sagt Peter Steiger gegenüber der NZZ. Der stellvertretende Direktor des Instituts für Intensivmedizin am Universitätsspital Zürich verbringt selber derzeit 12 Stunden pro Tag im Spital. Und auf die Anspannung in den nächsten Monaten blickt er nicht besonders optimistisch: «Es wird nicht Januar, bis die angespannte Situation vorbei ist, sondern eher März oder April.»

Klar formulierte es Spitaldirektor Zünd: «Es braucht einen schweizweiten Shutdown. Darum werden wir nicht herumkommen. Ich verstehe nicht, dass der Bundesrat die ausserordentliche Lage nicht verhängt. Was braucht es dazu noch mehr?» Dazu sagte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga im Interview mit der «SonntagsZeitung»: «Hätte der Bundesrat früher gehandelt, wäre das nie akzeptiert worden. Denn die Unterschiede zwischen den Kantonen waren zu gross. Heute ist die Situation überall besorgniserregend, weshalb wir uns wieder einschalten.»

Am Freitag hatte der Bundesrat verschärftere Massnahmen bekannt gegeben – und zwar mit Nachdruck. Es ist klar, dass viele verschiedene Interessen und legitime Bedürfnisse von Branchen hineinspielen. Doch es ist schwierig nachzuvollziehen, wie zum Beispiel die Begrenzung von Laden- und Restaurantöffnungen auf ausgerechnet 19 Uhr zustande kam. Es wirkt wie das Resultat einer Verhandlung, bei der viele Parteien am Tisch gesessen sind und wo gegenseitig Konzessionen im Stundenbereich gemacht wurden. Nicht nur für Wirtinnen ist es schwierig zu verstehen, warum ihr Schutzkonzept vor 19 Uhr ausreichend sein soll, aber nach 19 Uhr – in der besten Umsatzzeit des Tages – nicht.

Der oberste Hotelier des Landes, Andreas Züllig, bekundete gegenüber der «SonntagsZeitung» Mühe damit. Er ist Präsident des Verbands Hotelleriesuisse und im Vorstand von Economiesuisse. Besonders kleine Betriebe und Stadthotels würden im Moment um ihre Existenz kämpfen – und die Wintersaison sei für das Geschäft essenziell.

Noch im Herbst hatten Wirtschaftsvertreter gesagt, es brauche keine weiteren Massnahmen. «Ich gebe im Nachhinein zu, dass wir die Lage falsch beurteilt haben», sagt Züllig. Dass der Schweizer Tourismus gegenüber den Nachbarländern, welche die Skisaison beschränkt haben, einen Vorteil habe, bestreitet er nun vorsichtig: «Unser aktuelles Image ist nicht förderlich. Wir werden als der Hotspot Europas wahrgenommen, quasi wie Spanien und Italien am Anfang der Pandemie.»

Es scheinen langsam viele ob der Lage wieder zusammenzurücken.

Heute Vormittag besprachen sich die Gesundheitsdirektorinnen der Kantone (GDK) mit Gesundheitsminister Alain Berset. Es sieht aus, als käme das kantonale Ränkespiel etwas zur Ruhe. Am Freitag werden stärkere Massnahmen kommuniziert, so Berset an der anschliessenden Pressekonferenz mit GDK-Präsident Lukas Engelberger. Die Situation sei beunruhigend. Die aktuellen Massnahmen würden nicht ausreichen. Kurz blitzte auch die Anstrengung im Gesicht des Gesundheitsministers auf: «Es macht keinen Spass, festlegen zu müssen, wie viele Leute sich treffen dürfen.»

Prognose: Einen Lockdown mit Ausgangssperren wie in den Nachbarländern wird es mit Sicherheit nicht geben. Doch ab Freitag wird die Schweiz sehr viel ruhiger.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

Bei den schweizweit ersten Flächentests in Südbünden wurden vom Freitag bis zum Sonntag 15’151 Personen getestet. Das sind knapp die Hälfte der Bewohnerinnen des Engadins, des Bergells, des Puschlavs und des Münstertals. Bei den Tests wurden 150 Virusträger ohne Symptome erkannt und isoliert – das sind rund 1 Prozent aller Tests. Die Testaktion kostet den Kanton rund 5 Millionen Franken. Darin eingerechnet sind Nachtests bis Ende Jahr.

Als erster Kanton stellte heute Bern seinen Impfplan vor. Der Kanton bereite sich derzeit vor, ab Mitte Januar in grösserem Umfang Impfungen durchführen zu können – sobald in der Schweiz ein Impfstoff verfügbar sein wird. Bis Mitte des Jahres will der Kanton die Hälfte seiner Bevölkerung impfen können. Es soll zunächst dezentrale Impfzentren geben, die von den Regionalspitälern betrieben werden. Auch im Einkaufszentrum Wankdorf soll es einen Standort geben – ebenso sollen mobile Teams im regionalen Einsatz sein.

Die Schweizerische Patientenorganisation fordert den Bundesrat zu mehr Solidarität auf. Es sei eine Entsolidarisierung mit alten und kranken Menschen zu beobachten; die Formel «Tote versus Arbeitsplätze» drohe salonfähig zu werden. Politiker hätten hierbei eine wichtige Rolle, diese Solidarität zu unterstützen.

In England wird diese Woche auch mit Impfungen in Hausarztpraxen begonnen. An rund 100 Standorten im Land werden zunächst über 80-Jährige sowie Bewohnerinnen und Mitarbeitende von Pflegeheimen mit dem Impfstoff von Pfizer/Biontech versorgt. Auch in Schottland, Wales und Nordirland soll in Kürze damit begonnen werden. Zunächst war dies wegen der komplizierten Lagerung bei minus 70 Grad nur in Krankenhäusern möglich.

Und zum Schluss: Don’t they know it’s Christmas?

Für viele Menschen ist Weihnachten eine Zeit für Familie und Freundinnen. Im Kreise der Liebsten zu sein (auch wenn sie einen vielleicht ab und an nerven mögen), ist für viele wichtig. Fondue chinoise oder lieber eine Gans? Grosse Geschenke oder lieber Wichteln? Dieses Jahr ist das Ganze nicht ganz so einfach. Auch viele unserer Leser haben sich die Frage gestellt: Wie verbringen wir Weihnachten irgendwie gesellig und doch möglichst sicher?

An dieser Stelle hatten wir Sie vor einiger Zeit dazu aufgerufen, uns die besten Ideen für die Festtage – oder einfach für winterliche Treffen mit den Liebsten – zu schicken.

Hier sind einige der Ideen aus Leserinnenschaft und Redaktion:

  • Zusammen einen ausgedehnten Spaziergang machen.

  • Falls man einen Garten hat: eine Finnenkerze aufstellen und draussen feiern.

  • Im Wald an einer Feuerstelle bräteln (mit Würstchen, Schlangenbrot und Marshmellows).

  • Glühwein oder heissen Tee in der Thermoskanne mitnehmen und an einem schönen Ort draussen trinken.

  • Zusammen drinnen einen Apéro trinken – und dabei die Maske stets abwechselnd ausziehen.

  • Einander zur Überraschung Geschenklein vor die Tür legen.

Für diejenigen, die zum ersten Mal mit räumlicher Distanz feiern (viele Familien kennen das bereits):

  • Zusammen via Zoom einen Film streamen und kommentieren.

  • Via Zoom zusammen zu singen versuchen und sich gemeinsam drüber aufregen.

  • Mit den erwachsenen Geschwistern ein Online-Spiel zocken und sich über jeden Sieg diebisch freuen.

  • Ganz altmodisch lange telefonieren.

  • Es wie die Australierinnen machen und im Sommer feiern.

Bleiben Sie umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund.

Marguerite Meyer

PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

PPS: Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilten. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.

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