Covid-19-Uhr-Newsletter

Schwerter gegen Fallzahlen

11.12.2020

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Liebe Leserinnen und Leser

Er – der Bundesrat – nimmt es also wieder in die Hand: das Heft. Um Klarheit zu schaffen, hilft ein kurzer Exkurs in diese Metapher: Dieses viel beschworene Heft hat nichts mit Papeterie zu tun oder gar mit dem Medienmitteilungspapier, das die Co-Autorin dieses Newsletters zusammengeheftet hat. Sondern es ist ein altes Wort für den Griff eines Schwertes oder eines Werkzeugs. Wer also dieses Heft firm in der Hand hält, wird aktiv und nimmt eine entschlossene Haltung ein – bereit, den Widrigkeiten zu trotzen.

Bei der Pressekonferenz heute Nachmittag in Bern fiel der Satz «Der Bundesrat nimmt das Heft wieder stärker in die Hand» gleich mehrmals. Die anwesenden Vertreter des Gremiums traten denn auch entschlossener auf als in den vergangenen Wochen. Heute schien der Kulminationspunkt einer Woche, die von föderalem Tauziehen und politischem Hickhack geprägt war.

Damit ist nun – zumindest ein bisschen – Schluss. «Für die Bevölkerung ist es egal, wer die Massnahmen anordnet – sondern dass sie wirken», kommentierte denn auch Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga mit ernster Miene. (Und: Der Bundesrat behält sich vor, in einer Woche über schärfere Massnahmen zu verfügen.)

Was ist das Wichtigste für Ihren Alltag?

Ab morgen Samstag gilt (bis am 22. Januar):

  • Schweizweit eine allgemeine Sperrstunde ab 19 Uhr. Das betrifft Restaurants, Bars, Läden, Märkte, Museen, Bibliotheken, Sport- und Freizeitanlagen. (Zwei Ausnahmen: Am 24. und am 31. Dezember gilt 1 Uhr morgens als Sperrstunde).

  • An Sonn- und Feiertagen dürfen nur Restaurants und Bars offen haben.

  • Take-aways und Lieferdienste dürfen bis um 23 Uhr offen haben.

  • Alle öffentlichen Veranstaltungen sind verboten. Ausnahmen sind (mit 50 Personen): religiöse Feiern, Beerdigungen, Parlamentssitzungen und politische Kundgebungen.

  • Bei privaten Treffen dürfen höchstens 10 Personen zusammenkommen. Empfohlen werden dabei höchstens Personen aus 2 Haushalten (nicht Familien). Auch Kinder zählen als Personen.

Fast schon belohnt wurden heute die Kantone in der Romandie, die vor einigen Wochen auf eigene Faust eine Art Mini-Shutdown durchgeführt und so die Zahl ihrer Neuansteckungen heruntergebracht hatten. Diese dürfen – müssen aber nicht – die Sperrstunde bis um 23 Uhr ausweiten.

Die heutige Pressekonferenz dauerte etwas über eineinhalb Stunden inklusive vieler Fragen der Bundeshausjournalistinnen. Gesundheitsminister Alain Berset runzelte viel die Stirn und betonte: «Es geht jetzt nicht um Weihnachten oder Skifahren, es geht darum, die Ansteckungen runterzubringen. Und durchzubeissen, bis die Impfung da ist.» Man wolle nicht in einer Situation sein, wo man keine Alternativen habe. «Ziel der ganzen Übung ist, alle Kontakte zu reduzieren.»

Der Bundesrat beschloss, dem Parlament einen Vorschlag zu unterbreiten: Das Härtefallprogramm von 1000 Millionen Franken auf 2500 Millionen Franken aufzustocken. Damit sollen insbesondere stark betroffene Kantone unterstützt werden. Auch sollen nicht nur Kulturunternehmen, sondern auch Kulturschaffende Ausfallentschädigungen beantragen können – de facto befinden sich diese im temporären Berufsverbot.

Sichtliches Unbehagen löste das Vorhaben dieser Finanzspritze bei Finanzminister Ueli Maurer aus. Gefallen tut ihm der Bruch mit der bisherigen Sparpolitik nicht. Während Sommaruga vom erschöpften Pflegepersonal sprach, sprach Maurer von irgendwann erschöpftem Geld. Das Budget würde sich nicht so schnell erholen. Und liess sich zu einem launischen Spruch hinreissen: «Wir könnten (…) die Olympischen Spiele auf dem Schuldenberg austragen. Der wird so hoch, dass es dort schneesicher ist.»

Das klingt ein wenig so, als wären auch Bundesratssitzungen nicht harmonischer als so manche Familienfeier. Ein bisschen streiten, ein bisschen maulen, aber man rafft sich irgendwie doch noch zusammen.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

Die Pharmakonzerne Sanofi und Glaxo-Smithkline erfahren einen Rückschlag bei der Entwicklung ihres Impfstoffes. Nach ersten Studienergebnissen erzeugt dieser bei älteren Menschen nicht genug Immunität. Nun wollen die beiden Unternehmen weiter daran arbeiten. Die Europäische Union will bis zu 300 Millionen Dosen verwenden können.

Auch der Eiffelturm muss warten. Wegen der Pandemie ist die Wiedereröffnung des Pariser Wahrzeichens vorerst abgesagt worden. Der mehr als 130 Jahre alte Turm ist seit Ende Oktober geschlossen, er hätte am 16. Dezember wieder öffnen sollen. Museen, Kinos und Theater müssen in Frankreich geschlossen bleiben, solange das von Präsident Emmanuel Macron angepeilte Ziel von weniger als 5000 Neuinfektionen pro Woche nicht erreicht ist.

Und zum Schluss: Der Lagebericht zur Woche

Sie erinnern sich, vor einer Woche hatten wir an dieser Stelle geschrieben, dass die Zahl der neuen Hospitalisationen leicht zurückging. Aber dass eben bei den Neuansteckungen auch ein Aufwärtstrend in den Deutschschweizer Kantonen feststellbar war (im Gegensatz zur Romandie, wo die schärferen Massnahmen offenbar gewirkt hatten).

Dieser Trend hat sich diese Woche bestätigt: In vielen Kantonen, insbesondere in der Deutschschweiz, schoss die Zunahme der Neuansteckungen nach oben. In vielen Kantonen ging der Reproduktionswert wieder über die kritische Grenze von 1.

Neue Spitaleinweisungen; gleitender Mittelwert über 7 Tage. Die Daten nach dem 4. Dezember sind vermutlich noch unvollständig, deshalb haben wir sie nicht berück­sichtigt. Stand: 11.12.2020. Quelle: Bundesamt für Gesundheit.

Es sieht (vorsichtig ausgedrückt) nach einer dritten Welle aus – ohne dass wir das Level der zweiten Welle gross nach unten drücken konnten. Der Trend reiht sich in die restliche mitteleuropäische Lage ein, auch wenn die Schweiz in Bezug auf die Neuansteckungen eine der zweifelhaften Spitzenpositionen einnimmt.

Was heisst das? Der Winter ist noch lange. Die Impfung ist in Sicht. Dem Virus sind politische Parteien und Kantonsgrenzen egal. It’s a numbers game. Sich das im Hinterkopf zu behalten, ist hilfreich bei täglichen Entscheidungen.

Es ist 19 Uhr und Freitag. Gönnen Sie sich, wenn Sie können, einen entspannten Abend und ein erholsames Wochenende.

Bleiben Sie umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund.

Marie-José Kolly und Marguerite Meyer

PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

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PPPS: Auch Opernaufführungen sind im Moment leider nicht. Doch Freundinnen derselben können nun eine Reihe herzzerreissender und dramatischer Aufführungen hören und schauen – vom heimischen Sofa aus. Das Opernhaus Zürich hat eine kostenlose Reihe von Inszenierungen auf seine Seite gestellt. Günstiger kommen Sie nicht an Verdi – und Sie können sich dabei ohne Scham in Trainerhosen und mit selbst gemachtem Popcorn daran erfreuen.

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