Im Gespräch

«Unsere Zukunft wird europäisch oder unerfreulich sein»

Real ist die Schweiz immer stärker verflochten mit der EU, mental driftet sie immer weiter weg. Warum? Roger de Weck analysiert mit Daniel Binswanger das seltsame Verhältnis – oder treffender: Nicht-Verhältnis – der Schweiz zu Europa.

Von Roger de Weck, 11.09.2020

«Unsere Zukunft wird europäisch oder unerfreulich sein»
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Die Abstimmung über die Begrenzungs­initiative rückt näher, und es wird landauf, landab über Migrations­statistiken, Arbeitslosigkeits­risiken und Mietpreis­entwicklungen gestritten. Doch eigentlich geht es um etwas viel Grund­sätzlicheres: das komplizierte, durchaus konstruktive, aber auch von fürchterlicher Verspanntheit geprägte Verhältnis der Schweiz zu ihrem einzigen Nachbarn: der Europäischen Union.

Woher kommt der schweizerische Wille zum Abseits­stehen? Ist dieser Wille ein Zeichen souveräner Stärke oder eigentlich ein Symptom der Schwäche, eine Folge des mangelnden Zusammen­halts zwischen den Landes­teilen, der nur durch die Front­stellung gegen einen gemeinsamen äusseren Feind kompensiert werden kann? Ist es längerfristig Erfolg versprechend, die EU als politisches Gebilde in Bausch und Bogen zu verwerfen, von ihr als Binnen­markt aber wirtschaftlich so gut wie möglich profitieren zu wollen? Wie wichtig ist die Europäische Union überhaupt für die politische Zukunft der Schweiz? Wie wird sich die EU unter dem Druck der Corona-Krise nun weiter­entwickeln? Und wie kann die Schweiz ihre Blockaden überwinden – beim Rahmen­abkommen und generell?

Was Sie im Podcast erwartet:

  • Wie unser Kontinent zu seinem Namen «Europa» kam. (01:05)

  • Warum wollte die Schweiz nie an der Neuordnung des eigenen Kontinents teilhaben? (02:55)

  • Die Schweizer Lebenslüge und die Kultur des Abseits­stehens. (07:20)

  • Die heterogene Eidgenossenschaft hat wenig Identität, sie braucht Aussen­druck zwecks Kohäsion – manchmal «erfindet» sie diesen Aussendruck. (11:10)

  • Wir sind seit der Reformation dermassen damit beschäftigt, Kompromisse unter uns Schweizern zu suchen, dass wir Mühe haben, Kompromisse mit dem Ausland einzugehen. (12:40)

  • Der wirtschaftliche Internationalismus und der politische Nationalismus – ein Spagat. (14:45)

  • Real immer stärker mit der EU verflochten, mental immer weiter weg – ist das nicht eine Verspannung der gesamten Schweizer Politik? (17:10)

  • Nach Binnenmarkt und Euro: die Neuorientierung in der Politik der EU, weg vom Neoliberalismus. Und die Kehrt­wende der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. (22:15)

  • Die Schweiz als Dauer­kompromiss unter 26 Kantonen, die EU als Dauer­kompromiss unter 27 Mitglieds­ländern: Beide spiegeln stets den Zeitgeist. (25:55)

  • Die Mühen der Linken mit der EU: das Lohnschutz-Dilemma. (30:50)

  • Freier Personenverkehr als soziale Errungenschaft. (37:50)

  • Das ewige Lavieren in Sachen EU-Rahmenvertrag: Kommt eine Koalition der Vernunft? (40:10)

  • Als die Bürgerlichen und die Wirtschaft den Beitritt wollten – inzwischen reichen ihnen die Bilateralen. (43:40)

  • Die Schweiz als Avantgarde des Nationalismus – die Anfälligkeit bürgerlicher Parteien. (45:10)

  • Seit der Schwarzenbach-Initiative: der linke Nationalismus. (47:20)

  • Das Establishment wird von seinem ewigen EU-Bashing eingeholt. (48:45)

  • Gern schlüpft die Schweiz in die Opferrolle – es fehlt ihr ein realistisches Bild der Europäischen Union: Viele Schweizer wetten bei jeder Krise auf das Scheitern der EU. Und verlieren jedes Mal die Wette. (50:30)

  • Die Schweiz zapft nach wie vor viel Steuer­substrat von der EU ab. (53:45)

  • Das Umfeld der Schweiz ändert sich, die Schweizer Aussen­politik nicht. (56:40)

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