Serie «Homestory» – Folge 5

Highway to the Danger Zone

Während sich die Jungsozialistin Tanja Blume für den Feminismus einsetzt, wundert sich die SVP-Politikerin Stefanie Heimgartner, warum sich eigentlich so viele Frauen diskriminiert fühlen. Serie «Homestory», Folge 5.

Von Daniel Ryser, Olivier Würgler (Text) und Goran Basic (Bilder), 03.07.2019

Klimastreik in Bern mit Tausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Am Waisenhaus­platz treffen wir Tanja Blume. Die zwanzig­jährige Jung­sozialistin aus Burgdorf hat ein Schild mitgebracht mit der Aufschrift «Es gibt keinen grünen Kapitalismus». Es hat die ganze Nacht geregnet, es ist eiskalt, die Demonstranten skandieren Parolen, und wir flüchten in ein italienisches Restaurant. Wir reden mit der jungen Politikerin über Donald Trump, Feminismus, Roger Schawinski und ihr Schild. Im Januar 2019 hat Blume die Juso Emmental neu gegründet. Inzwischen sind sie zu sechst.

Serie «Homestory»

Zwei seriöse Republik-Reporter touren kreuz und quer durch die Schweiz und suchen Politikerinnen heim. Sie wollen die Demokratie retten … obwohl, nein, eigentlich wollen sie sich vor allem betrinken und dass die Politiker sie nicht mit Floskeln langweilen. Das ist «Homestory» – die Wahljahr-Serie. Zur Übersicht.

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Pro­te­stan­ti­sche Disziplin, ka­tho­li­scher Genuss

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Wir Sonn­tags­schü­ler des Li­be­ra­lis­mus

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Alles wird gut

Folge 18

Höhenluft

Folge 19

Im Osten nichts Neues

Folge 20

Here We Are Now, Entertain Us

«Ich bin der Ansicht, dass es einen System­wandel braucht», sagt die Jusstudentin Blume. Ein System, das auf endlosen Profit ausgerichtet sei, könne nicht nachhaltig sein. «Wir von den Juso sind eine antikapitalistische Partei. Gleichzeitig gibt es ganz viele Massnahmen, die man sofort ergreifen kann, ohne dass man gleich das System stürzen muss: Preise für Flug­tickets erhöhen und für Bahn- und Bus­billette senken zum Beispiel. Oder dass Unter­nehmen mehr Abgaben für hohen CO2-Ausstoss bezahlen müssen.»

«Sie wollen einen System­wechsel. Wie würde das aussehen?»

«Ich finde, es muss demokratisch darüber gesprochen werden, was für eine Wirtschaft wir machen müssen. Wir leben zwar schon heute in einer demokratischen Gesellschaft, aber die Profit­interessen haben zu viel Macht. Ich denke, dass die ganze Wirtschaft demokratisiert werden müsste. In den Unternehmen müssten Arbeiterinnen und Arbeiter mitbestimmen. Aber das ist schwierig, und niemand hat ein Konzept, das völlig ausgearbeitet ist.»

«Was ist ein Cis-Mann, Frau Blume?»

Der Moment, der sie politisiert habe, sei die Wahl von Donald Trump gewesen. «Ich dachte: Das darf doch nicht wahr sein», sagt die junge Frau. «Einen Monat später bin ich den Juso der Stadt Bern beigetreten.» Trumps Wahl habe zu einer Politisierung unter Jungen geführt. «Und ich glaube, der Klima­streik politisiert noch einmal viel mehr junge Leute», sagt Blume. «Eine Partei hätte niemals eine derartige Welle erzeugen können. Ich höre das ziemlich oft: Bisher habe ich mich nicht für Politik interessiert, aber dieses Thema ist jetzt wirklich wichtig.»

Feminismus und die Bekämpfung von Diskriminierung seien ihre wichtigsten Anliegen. Und wir erzählen ihr, dass wir kürzlich Roger Schawinski im Fernseh­duell mit Tamara Funiciello gesehen hätten und der dort herum­gejammert habe, er werde als Mann diskriminiert.

«Kann man als Mann diskriminiert werden, Frau Blume?»

«Natürlich können Männer homophob oder rassistisch diskriminiert werden. Bei einem weissen Cis-Mann wie Schawinski würde ich jedoch nicht von Diskriminierung sprechen. Andererseits, wenn dir als Cis-Mann gesagt wird, dass du hart sein musst, dass du nicht weinen darfst, dass du keine Gefühle zeigen darfst, dann ist das Teil des patriarchalen Systems, das Frauen diskriminiert, aber am Ende auch für Männer negativ ist.»

«Was ist ein Cis-Mann?»

«Ein Cis-Mann ist das Gegenteil eines Trans-Mannes. Ein Trans-Mann ist im Körper einer Frau geboren, aber von der Identität her ein Mann. Ein Cis-Mann ist im Körper eines Mannes geboren und fühlt sich auch als Mann. Es ist ein Privileg, wenn man ein Cis-Mann ist, aber ein Problem ist es nicht. Es ist auch kein Problem, wenn man weiss ist. Man sollte sich einfach der Privilegien bewusst sein.»

Als junge Frau habe man ihr eingetrichtert, dass sie gewisse Dinge weniger gut könne, dass sie weniger intelligent sei oder sich zurück­nehmen solle – so habe sie selbst Diskriminierung erlebt. Sie habe lange Mühe gehabt, offen ihre Meinung zu sagen oder zum Beispiel einfach ein Interview zu geben. Die Juso hätten ihr dabei geholfen, «weil sie stark auf Frauen­förderung setzen». Letztlich gehe es aber beim Feminismus nicht nur um ihre Position als «weisse, privilegierte Studentin». «Feminismus meint auch alleinerziehende Frauen, die ihre Kinder fast nicht durch­bringen und die Krankenkassen­prämien kaum bezahlen können», sagt Blume. «Oder Frauen, die als Migrantinnen hierher­kommen und doppelt diskriminiert werden.»


Tags zuvor sitzen wir in der Wohnung von Stefanie Heimgartner in Baden oberhalb von einem Tantra-Studio und trinken ein Calanda-Holunder-Radler-Bier, was auch eiskalt getrunken einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleich­kommt. «Im Sommer beim Grill­plausch auf der Terrasse gibt es nichts Besseres als ein eisgekühltes Holunder-Radler», sagt die SVP-Politikerin. Heimgartner, Listen­platz sechs von insgesamt sieben Nationalrats­plätzen der Aargauer SVP, hat wegen vier Rücktritten, etwa jenem von Luzi Stamm, beste Chancen, im Herbst gewählt zu werden. Die Lastwagen­fahrerin und Militärdienst­absolventin nennt Ulrich Giezen­danner, der im Herbst ebenfalls abtritt, «eine Art politischer Götti». Heimgartner möchte Giezen­danner als neue starke Stimme des Lastwagen­gewerbes beerben. Ihre Katzen Volvi und Scani kratzen an die Wohn­zimmer­tür, benannt nach den Lastwagen­giganten Volvo und Scania. Wir reden über die Autobahn Zürich–Bern, die sie von vier auf sechs Spuren ausbauen will, und darüber, dass das, so ökologisch, wie Lastwagen heute seien, nun wirklich keinen Unterschied für das Klima mache.

«Wer ist cooler, Frau Heimgartner? Val Kilmer oder Tom Cruise?»

Stefanie Heimgartner hat sich unter anderem den Bürokratie­abbau auf die Fahne geschrieben. Wir fragen sie, woher denn diese Bürokratie kommt. «Das wüsste ich auch gerne», sagt sie, vermutet den Feind in Bern: Das komme von der Politik. Wenn sie gewählt werde, werde sie sich im National­rat mit dem Thema ernsthaft auseinandersetzen.

Das Thema Bürokratie streiften wir auch mit der guten KMU-Seele Alois Gmür, dem Bier­brauer aus Einsiedeln. Er sah die Sache anders als Heimgartner und hatte auch eine Antwort auf die Frage, was es denn mit der Bürokratie­flut auf sich habe. Weder seien der Bund noch die EU haupt­verantwortlich für die zunehmende Bürokratisierung, sagte Gmür, sondern vor allem die Wirtschaft: «Ich leide darunter, wenn ich sehe, was sich die Wirtschaft selber an Zertifizierungen auferlegt. Was wir alles ausfüllen müssen, wenn wir an Manor oder Coop liefern wollen. Das ist gewaltig. Das ist nicht politisch vorgegeben. Das kommt nicht von der Politik. Das kommt vom Gewerbe selbst. Ich sehe von staatlicher Seite nichts, wo wir vergleichs­weise drangsaliert werden.»

Wir wollen mit der SVP-Politikerin über die Klima­streiks reden. Doch dazu will sich Heimgartner nicht äussern, weil sie zu wenig darüber wisse. Sie wisse einzig, dass die Schweiz zu klein sei, um ins Gewicht zu fallen. Dann reden wir über ihren Lieblings­film «Top Gun».

«Wer ist cooler? Val Kilmer oder Tom Cruise?»

«Ganz klar Tom Cruise.»

Im Winter fährt Heimgartner jedes Wochen­ende am Feier­abend ins Bündnerland und lebt dort in einem Wohn­wagen auf einem Camping­platz in Surcuolm. «Das ist meine zweite Heimat», sagt sie. Sie ist im Vorstand vom lokalen Skiclub und lernt jetzt auch Räto­romanisch, weil «die Einheimischen sich nicht mir anpassen müssen, sondern ich mich ihnen».

Das Thema Feminismus ist in aller Munde. Wir wollen von Heimgartner wissen, wie sie diese Debatte wahrnehme und was sie vom Frauen­streik halte.

«Ich belächle diese Debatte. Mir tun diese Leute eher leid. Für mich ist das eine Beleidigung. Ich stehe dort, wo ich stehe, weil ich etwas kann. Nie in meinem Leben hat es einen Punkt gegeben, wo mir das Frausein im Weg gestanden wäre. Dass in Verwaltungs­räten von technischen Firmen mehr Männer sitzen, ich denke, das liegt in der Natur der Sache – mehr Männer arbeiten in diesen Bereichen, und deswegen sitzen auch mehr Männer in den Verwaltungs­räten. Dafür sitzen in Mode­unternehmen von der Natur her mehr Frauen.»

«Der Frauen­streik hat Sie nicht interessiert?»

«Auf keinen Fall. Ich wurde angefragt, aber nein. Ich kann nicht verstehen, warum man streiken muss. Denn das Problem besteht nicht.»

«Was denken Sie, warum so viele Frauen das anders wahrnehmen?»

«Das frage ich mich auch. Viele reden von Lohn­ungleichheit. Da muss ich sagen: Der Lohn ist unter anderem Bestand­teil eines Einstellungs­gesprächs. Wenn sich eine Frau bei den Lohn­verhandlungen schlechter verkauft als ein Mann, dann ist sie selbst schuld. Ich habe mir diese Frage immer wieder gestellt: Warum gibt es so viele Frauen, die sich so ungerecht behandelt fühlen?»

«Haben Sie eine Antwort gefunden?»

«Wo der Mann eher hochstapelt, stapelt die Frau eher tief. Das ist zwar etwas zugespitzt, aber letztlich führt das zur Lohn­ungleichheit. Hinzu kommt: Wenn ein Mann und eine Frau denselben Job machen, die Frau aber in der Zwischen­zeit fünf, zehn oder fünfzehn Jahre im Mutterschafts­urlaub gewesen ist und dann in denselben Job zurückkehrt, dann fehlen ihr diese Jahre an Berufs­erfahrung, und dann hat sie nun halt nicht denselben Lohn.»

«Es gibt kein strukturelles Problem?»

«Nein.»

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