Briefing aus Bern

Konzerne wälzen Bussen ab, Russland spioniert – und Berset will günstige Generika

Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (25).

Von Elia Blülle und Urs Bruderer, 20.09.2018

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Wenn Sie im Nationalrat auf der Suche nach Schurkereien sind, dann lohnt es sich, nach zwei Zahlen Ausschau zu halten. Es handelt sich um die Ziffern 13 und 12.

Mit 13 zu 12 Stimmen hat eine Nationalratskommission kürzlich entschieden, dass der Bundesrat ohne jede Debatte Kriegsmaterialexporte auch in Bürgerkriegs­länder erlauben darf. Und mit 13 zu 12 Stimmen hat eine andere Nationalrats­kommission entschieden, dass Schweizer Unternehmen im Ausland eingefangene Bussen hier von den Steuern abziehen dürfen. Und der Rat schloss sich diese Woche seiner Kommission fast auf der ganzen Linie an.

13 Sitze haben SVP und FDP gemeinsam in den jeweiligen Nationalrats­kommissionen. 12 Sitze die übrigen Parteien. Der rechtsbürgerliche Block spielt seine hauchdünne Mehrheit in höchst umstrittenen Geschäften aus. Wobei «umstritten» in diesem Fall ein Euphemismus ist.

Eine Busse, wie sie die UBS zum Beispiel vor drei Jahren in den USA einfing (342 Millionen Dollar wegen der Manipulation von Devisenkursen), würde neu zu einem guten Teil von den Schweizer Steuerzahlern übernommen.

Eine unverschämte Forderung, zumal die Sache überhaupt nur in die Räte kam, weil im Gesetz ausdrücklich festgehalten werden sollte, was schon gilt: dass auch Unternehmen ihre Bussen bezahlen sollen.

Der rechtsbürgerliche Block nahm das ursprüngliche Anliegen und verkehrte es in sein Gegenteil. So viel Frechheit hat schon fast Bewunderung verdient, auch wenn der Ständerat das Manöver des Nationalrats wohl wieder rückgängig machen wird.

Und damit zu den übrigen Themen der Woche. Hier kommt das Briefing aus Bern.


Stalkern gehts an die Füsse

Das müssen Sie wissen: 2017 wurden 17’000 Straftaten von häuslicher Gewalt registriert. 21 Menschen sind gestorben, die meisten davon Frauen. Das Parlament will sie nun besser vor Gewalt und Stalking schützen.

Das wurde entschieden: Der Nationalrat setzt sich wie bereits schon der Ständerat dafür ein, dass auf Anordnung des Gerichts Stalker künftig mit einer elektronischen Fussfessel überwacht werden dürfen. Ebenfalls will der Nationalrat, dass Strafverfahren im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt erst dann eingestellt werden, wenn die Behörden das für richtig empfinden. Bisher hat eine Willensäusserung des Opfers gereicht.

So geht es weiter: Als Nächstes geht die Vorlage zurück an den Ständerat, der noch einmal über die Differenzen entscheiden wird.

Mehr dazu: Andrea Stadler ist 19, als der Vater ihres Kindes auf sie einsticht. Jetzt steht sie dem Frauenhaus in Graubünden vor. Unsere Autorinnen Adelina Gashi und Anja Conzett haben die 39-Jährige porträtiert.

Russland schickt Spione in die Schweiz

Das müssen Sie wissen: Der «Tages-Anzeiger» hat herausgefunden, dass es russische Spione auf die Anti-Doping-Agentur in Lausanne abgesehen haben. Ebenfalls wurde bekannt, dass dieselben Geheimdienstler auch das Labor Spiez ausspionieren wollten. Dort untersuchte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz Proben im Skripal-Fall.

So reagiert der Bund: Das Aussendepartement hat im laufenden Jahr den russischen Botschafter bereits dreimal einberufen. Es verlangt von Russland, «sofort seine Spionageaktivitäten auf Schweizer Territorium zu stoppen».

So reagierten die Russen: Die Botschaft wandte sich mit einem Facebook-Post an die Öffentlichkeit: Die Enthüllungen des Tamedia-Recherchedesks seien «haltlos» und «unbewiesen». Den Lesern werde «eine voreingenommene Sicht auf die in der Schweiz arbeitenden Russen» aufgezwängt.

Kosten sparen mit Generika

Das müssen Sie wissen: Generika sind Kopien von Medikamenten. Sie sind in ihrer Zusammensetzung gleich wie die Originalpräparate, unterscheiden sich aber im Aussehen. Weil für diese Medikamente, deren Patentschutz abgelaufen ist, Entwicklungskosten wegfallen, bieten Pharmaunternehmen Generika meistens zu viel günstigeren Preisen an. Ausser in der Schweiz. Hier sind Generika oft doppelt so teuer wie in vergleichbaren europäischen Ländern. Dagegen will Bundesrat Alain Berset nun vorgehen.

Das ist der Plan: Weil die Gesundheitskosten immer noch stark steigen, will Alain Berset mit einem neuen Preissystem für Generika mehrere Hundert Millionen Franken einsparen. Krankenkassen sollen künftig Generika nur bis zu einem maximalen Referenzpreis bezahlen.

So geht es weiter: Das erste Massnahmenpaket zur Senkung der Gesundheitskosten geht nun in die Vernehmlassung, bei der sich Verbände, Kantone und Parteien zur geplanten Vorlage äussern können. Später wird es dann vom Bundesrat überarbeitet, bevor das Parlament entscheidet. Der Widerstand der Pharmalobby ist vorprogrammiert: Es geht um sehr viel Geld.

Der süsse Schlaf des Bundesrates

Und noch dies: Bundesrat Johann Schneider-Ammann soll diese Woche während eines Round Table zum Thema Tourismus zweimal eingeschlafen sein, schreiben die Kollegen von «Le Temps». Hätte mir auch passieren können, sagen Sie sich jetzt vielleicht. Aber Sie sind nicht Bundesrat. Und Schneider-Ammann nicke immer mal wieder ein. In Medienkonferenzen, Interviews, ja sogar in der Bundesratssitzung soll ihn der Schlaf schon erwischt haben. Erbarmungslos melden sich jetzt wieder die Kritiker und rufen: Rücktritt! Vielleicht wird er davon ja wach.

Debatte zum Briefing aus Bern

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