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Vielen Dank für diesen sehr persönlichen Beitrag. Ich musste ihn zweimal lesen um ihn richtig zu verstehen. Nach dem ersten Lesen war in mir noch das Gefühl vorhanden „ist die Autorin nicht etwas zu empfindlich und macht aus Mücken Elefanten?“ Erst nach dem zweiten Lesen und vertieftem Nachdenken über die geschilderten Episoden habe ich verstanden, um welchen tiefen und unbewussten Alltagsrassismus es der Autorin geht und auf welche „blinden Flecken“ bei uns, im eigenen Bewusstsein aufgeklärten und nicht rassistischen Menschen, sie den Finger legt. Vielen Dank dafür!

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Ich möchte mich diesem Dank anschliessen! Das Öffnen, Auslegen der diversen Schichten und Aspekte der Voreingenommenheit gegenüber andern Menschen ist ein wichtiges Mittel, sich selbst immer wieder zu überprüfen in eigenen Denkgewohnheiten und Vorurteilen. Die Welt, die Leute immer wieder neu angeschaut und bewusster einander begegnen - das wünsche ich mir und uns.

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ich habe auch ein zweites mal lesen müssen. und beim zweiten mal gelernt, dass die autorin den elaborierten code akademischer sprache nicht als kosmetik aufgetragen hat, sondern um sich nicht dem (unangebrachten) vorwurf auszusetzen, bloße betroffenheits-lyrik zu verbreiten.

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Als Kind lateinamerikanischer Migranten habe ich mich sehr zu dem Beitrag hingezogen gefühlt. Würde ich meine eigenen Erfahrungen des Aufwachsens in der Schweiz wiedererkennen? Hauptsächlich blieb mir jedoch das unangenehme Gefühl das ich erhielt, als die Autorin #JeSuisCharlie mit dem Ausschliessen muslimischer Bevölkerungsgruppen gleichstellt.

Charlie Hebdo ist und war nicht für rassistische Veröffentlichungen bekannt (wenn doch klar kontrovers) und ich finde, dass die darauffolgende Solidarität in Frankreich und der Welt jemanden dazu bewegen könnte die angrenzende Westschweiz nicht mehr als Heimat ansehen zu wollen von einer bestimmten Fehleinschätzung des Magazins und dessen Politischer Einstellung zeugt. Das hat mich irgendwie traurig gemacht.

Des weiteren hätte ich in einem Beitrag, in dem es um Race und folglich auch um Klasse geht, eine Sprache begrüsst, die für eine breitere Leserschaft geeignet wäre.

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· editiert

Mir ging es beim ersten Lesen des Artikels genau wie Ihnen. So wie Sie bin ich über die JesuisCharlie-Episode gestolpert. Ich habe den Artikel dann ein zweites Mal gelesen um zu verstehen, wie die Autorin zu dieser Einschätzung kommt. Ich bin dann zur Erkenntnis gelangt - ob diese stimmt sei dahingestellt - dass die Autorin das Magazin Charlie Hebdo schon immer als latent rassistisch wahrgenommen hat. Ein Rassismus, der nicht augescheinlich ist und nur Betroffenen wie ihr auffällt, den aber die weisse, christliche Mehrheitsgesellschaft als normal ansieht. Ähnlich den kleinen Alltags-Epidoden, die sie geschildert hat. Ich kann dies nicht beurteilen, da ich das Magazin selber nie gelesen habe und nur die kontroversen Karikaturen daraus kenne, denen ein leicht überheblicher Rassismus nicht abgesprochen werden kann. Natürlich rechtfertigt dies in keinster Weise den Anschlag auf Charlie Hebdo, aber das will die Autorin auch nicht. Sie verurteilt nur das unkritische #JesuisCharlie, das nach ihr in der Westschweiz in den sozialen Medien ein Obligatorium wurde, wenn man nicht schräg angeschaut werden wollte. Man hätte ja auch #contreTerreur als Hashtag nehmen können. Ich stelle mir ihre Gefühle so vor, wie wenn bei uns ein Anschlag auf den (heutigen) Nebelspalter geschehen würde und wir dann allesamt den Slogan #IchbinNebelspalter vor uns hertragen müssten. Da hätte ich dann auch ziemliche Probleme damit, wenn der Nebelspalter plötzlich idealisiert und all seine Verfehlungen nicht mehr diskutiert werden dürften. Ich denke, dass es das ist, was sie sagen wollte.
Aber ich bin mit Ihnen einverstanden, dass eine einfachere Sprache dem Artikel gut getan hätte.

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ein spannender, lesenswerter Beitrag mit allerdings deutlich persönlich-gefärbtem Hintergrund einer Intelektuellen, die sich ausdrücken, bemerkbarmachen und formulieren kann.
Mir kommen beim Lesen unweigerlich Gedanken an die vielen, vielen Geschichten von Jugentlichen und Erwachsenen, weiss oder dunkelhäutig, Ausländer oder SchweizerInnen, die für sich keine rassistischen Barrieren in ihrem Lebensskript "in Anspruch" nehmen können, diejenigen, die in der Grundschule bereits gebrandmarkt und deshalb diskriminiert beurteilt und behandelt auch später dann den "richtigen" Weg nicht gefunden. Und dies nicht wegen fehlender Intelligenz oder Leistungsbereitschaft, sondern weil in ihrem Selbstwert langjährig durch aussen beeinträchtigt und geschunden, sie ihr Potential nicht haben ausschöpfen können. Und weil sie häufig auch in späteren Jahren sich dann nicht, wie die Autorin, gekonnt und differenziert äussern können, also weiterhin schweigen und weiterhin nicht erkannt werden.

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Ja, was fällt Diskriminierten auch ein, intellektuell zu sein und sich gekonnt und differenziert äussern zu können. Diskriminierte sollen gefälligst weiterhin schweigen und nicht erkannt werden, so dass man NIE von ihnen hört! Man erkenne das Problem von diesem latenten Anti-Intellektualismus.

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Naja. Zu In- und Outgrouping gibts spannenderes zu lesen als diese sprachlich in die unverständlichsten Sphären akademischen Kauderwelsches entgleiste Ego-Perspektive.

Damit beziehe ich mich auf Sätze wie

Meine gewundenen mentalen, emotionalen und politischen Konturen wurden durch meine spezifische geografische und akademische Migrations­reise geprägt.

Auch werden Texte weder besser noch tiefgründiger, indem sie mit Wortkreationen wie "Matrix des ethnischen Anders­seins" oder "kolonialer Matrix der Macht" gespickt werden. Unter einer Matrix wir im allgemeinen eine Anordnung in Form einer Tabelle verstanden. Das Wort kommt insgesamt vier mal im Text vor...

Ich werde den Verdacht nicht los, vermeintlich komplizierte Fachausdrücke und eine hochtrabend-schwerfällige Sprache sollen über den relativ banalen Inhalt hinwegtäuschen.

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Souri Thalong
Community-Support
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Guten Abend, S. Brüggemann. Nun gut, Ihre Meinung zum Text will Ihnen sicherlich niemand absprechen. Ich muss zugeben, dass ich auch über ein paar Begriffe gestolpert bin – aber ich denke, das hat auch damit zu tun, dass komplexe Konzepte benannt werden, für die (noch) keine flutschigen und gleichermassen akkuraten Umschreibungen existieren.

Ich finde es dann aber doch ziemlich unfair, die – auch sonst nicht sonderlich konstruktiv gehaltene – Kritik damit abzuschliessen, die hier beschriebenen Erlebnisse der Autorin seien banal; so zumindest lese ich Ihr Votum, denn der Inhalt des Beitrages ist ja die persönliche Erfahrung der Autorin mit Rassifizierung.

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Lieber Souri Thalong

Es liegt mir fern, Rassismus bzw. "Rassifizierung" zu bagatellisieren, auch deren subtilere Formen.

Die Autorin schildert wie sich in verschiedenen Ländern und Lebenssituationen nicht zugehörig fühlte zur Mehrheitsgesellschaft und mitunter latente Formen von Rassismus und anderer Diskriminierung erlebte. Das scheinbar oft unerwartet, da sie selbst bis dahin gar nicht gross auf die Idee kam, sich mit den zugeschriebenen rassischen Attributen zu identifizieren. Sie wird also "rassifiziert".

Ich bleibe dabei: Für mich ist dieses Phänomen banal. Ich heisse es weder gut noch meine ich damit, es sei harmlos. Ich denke bloss, es ist im Grunde einfach eine weitere Spielart des immer gleichen Vorganges: Eigen- vs. Fremdgruppenbildung. Und damit ein weniger "komplexes" Konzept wie der Beitrag glauben machen möchte. Seine unzugängliche sprachliche Ausdrucksweise verschleiert das allerdings.

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Timon Zielonka
Sales @ zukunft.com
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Also aus meiner Sicht ist der Beitrag von Isis Giraldo interessant, da ein Teil der Matrix (ja, aus meiner Sicht ist der Begriff hier passend) der Probleme beleuchtet wird, die in Zusammenhang mit In- und Outgrouping entstehen können. Insofern Danke für die Kritik, S., denn so bin ich auf den Beitrag aufmerksam geworden.

Der Satz "Isis, ich habe dich immer als weiss gelesen." hätte mir auch leicht herausrutschen können, denn ich gebe auch in vielen Fällen vor, keine Farben zu sehen und versuche vor allem den Menschen zu sehen. Aber toleriere ich damit den Rassismus anderer oder reduziere ich damit Rassismus? Ich denke, vor allem letzteres, aber eigentlich habe ich inzwischen grosse Angst, mich zu dem Thema zu äussern, denn als weisser nicht mehr ganz junger Mann kann man eigentlich nur Fehler machen. Daher die offene Frage: Wie hätte man in der geschilderten Situation antworten sollen?

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Auch bei der „Ich hab dich immer als Weiss gelesen“-Episode waren meine Gedanken beim ersten Lesen des Artikels die gleichen wie bei Ihnen. Ich denke, das Entscheidende ist, dass es sich bei der Doktormutter nicht um eine x-beliebige Person handelt, sondern um eine Wissenschafterin, die sich selber mit den Themen wie Rassismus und deren Ausprägungen und In- und Outgrouping beschäftigt. Zudem hat sie alle Publikationen der Autorin zu diesen Themen gelesen. Deshalb wäre von einer solchen Person eine differenzierte Betrachtung und auch Antwort zu erwarten gewesen. Vor diesem Hintergrund verstehe ich, dass die unüberlegte Antwort der Doktormutter die Autorin sprachlos machte.

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Bevor man eine individuelle Migrationsgeschichte als "banal" bezeichnet: Check your privileges!

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Grossvater Alfred
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Liebe Isis Giraldo, ich danke Ihnen für diesen eindrücklichen und sehr reellen Bericht, ihrer persönlichen Erfahrung die mich beschämt und empört. (für mich leider nichts neues)
Die Stelle, die den Nagel auf den Kopf trifft ist,
quote "«Oh, ja, Sie haben recht, Isis ist tatsächlich eine Frau of color.» Zu mir sagt sie dann unbekümmert: «Isis, ich habe dich immer als weiss gelesen.» " unquote.

Ich habe dich immer als weiss gelesen ist die Aussage die die Position in z B. einer SWOT Matrix die Position, in Richtung unten links oder unten rechts drückt.

Diese Aussage der lieben Doktormutter sagt klipp und klar wie die Beurteilung ausfällt, bist zwar nicht weiss aber du gehst als weiss durch.
Scheußlich!

Nun was soll ich hier als weiser männlicher Verleger? Genau lesen, verstehen etwas lernen und das gelernte endsprechend anwenden.
Lieber Verlegerinnen bitte kopieren Sie mich.

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Danke für den Beitrag, der für mich sehr interessant eine individuelle Erfahrung mit der Zugehörigkeit im Einwanderungsland Schweiz schildert. Wir haben definitiv ein Rassismusproblem und es ist sehr gut wenn es immer wieder thematisiert wird. Nochmal die Belehrung an alle die es vielleicht noch nicht gehört haben: spätestens seit der modernen Genetik wissen wir, dass es keine menschlichen Rassen gibt. Hautfarbe, Augen, die Form unserer Zehennägel sind alles irrelevante Sekundärmerkmale. Wir sind alle genetisch gleich. Es gibt keine Rassen. Zugehörigkeit anhand kultureller und historischer Begebenheiten natürlich, aber wenn diese mit der Hautfarbe gleichgesetzt wird, ist das bestenfalls eine statistische Aussage aber sonst völliger Unfug. Es sollte für alle, die nur halb gebildet sind, genauso offensichtlich sein, wie dass die Erde nicht flach ist. Ja, ich setzte Rassisten intellektuell mit Flat-Earthern gleich.

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...seit der modernen Genetik wissen wir, dass es keine menschlichen Rassen gibt.

richtig & wichtig, dennoch immer wieder darauf hinzuweisen, peter, danke! das gerede von biologisch unterscheidbaren "menschen-rassen" stösst immer wieder auf wie eine schwer bekömmliche, halb-verdaute mahlzeit. biologen sind daran nicht unbeteiligt, zumal solche aus den USA. es wird noch viel vermittlungs-arbeit brauchen, um dies auf den albernheits-grad von "flach-erdlern" zu reduzieren.

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DPhil Politologie
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Ein fantastischer Beitrag. Mal was ganz anderes. Wunderbar geschrieben, lehrreich, tiefgründig! Gerne mehr davon!

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Isis Giraldos Artikel wühlt mich auf und löst Fragen aus. Die erste und drängendste: Wie kommt es, dass ich mit sozialwissenschaftlichem Hochschulabschluss, 55jähriger Lese- und Denkerfahrung und einem echten Interesse am Thema auch nach mehrmaligem Lesen nicht sicher bin, ob ich verstanden habe, was die Autorin mitteilen möchte?
Es geht um Identität, um das Bilden und Verändern von brüchiger Identität im dauernden Spiegel anderer Menschen auf dem Hintergrund von Neoliberalismus und Globalisierung. Ich könnte den Text als biografischen Reisebericht von Medellín über Grossbritannien und Spanien nach Lausanne lesen und die Erfahrungen der Autorin als spannenden Ausdruck ihres Erlebens zur Kenntnis nehmen. Aber dafür steht mir die Anklage im Weg, die mir schon im Titel entgegenschreit: Auslöschen der eigenen Geschichte! Rassifizierung! Das klingt schlimm. Ausdrücklich auch «in der Schweiz», also bin ich potenzielle Mittäterin.
Ja, ich nehme Hautfarbe wahr, täglich und überall, und ich kann nicht so tun, als würde ich dieses körperliche Merkmal nicht sehen oder als hätte es keine Bedeutung. Auch Sprache, Dialekt, Körpergrösse, -haltung und -geruch, Kleidung, Augen- und Haarfarbe, Haarlänge, Frisur, Geschlechterdarstellung, sichtbare körperliche Beeinträchtigungen und Vieles mehr, erschliessen sich über meine fünf Sinne – unabhängig davon, ob ich das will oder nicht.
Das Leiden der Autorin (falls ich den Artikel richtig verstanden habe, und sie ein Leiden darin zum Ausdruck bringt) besteht darin, dass sie zuweilen anders gelesen wird, als sie sich fühlt bzw. sich fühlen möchte. Das mag ärgerlich sein, im Einzelfall auch beleidigend, kränkend und manchmal schon gefährlich nahe an Diskriminierung, und sicherlich ist es wichtig, über Selbst- und Fremdwahrnehmungen zu reden.
Ich z.B. liebe es, mir unbekannten Menschen beim Reden zuzuhören und dadurch herauszufinden, welche Sprache sie sprechen. Neulich fragte ich ein Paar, ob sie Ivrit gesprochen haben, und sie waren hocherfreut, über meine zutreffende Rassifizierung. Ich glaube, mir des Risikos bewusst zu sein, das solche Zuschreibungen beinhaltet – aber vielleicht übersehe ich da was?
Leider zeigt mir Frau Giraldo keine Alternative, keinen Weg, um ein besserer Mensch zu werden. Sie lässt es bei der Anschuldigung bleiben, dass ich rassifiziere und damit für das Unwohlsein anderer Menschen mitverantwortlich bin. Sie selbst bezeichnet die Situation als ausweglos - warum genau erschliesst sich mir nicht. Aber ich stelle fest, dass sie, die nicht als ‘weiss’ gelesen werden möchte und eventuell auch nicht als ‘schwarz’ oder ‘POC’ (oder vielleicht doch?) ganz selbstverständlich dieselben Zuschreibungen verwendet, wenn sie ihr Kind als ‘weiss und blauäugig’ beschreibt oder wenn sie anhand von Zufallsbegegnungen die erlebten Vorurteile in nationale Schubladen kategorisiert.
Die Erwartungen von Frau Giraldo an mich Leserin scheinen mir hoch. Das dürfen sie sein. Aber damit ich eine Chance habe, sie erfüllen zu können, müssen sie ausgesprochen werden, nicht nur angedeutet. Ich müsste nicht nur erfahren, auf wie viele Weisen ich ihre Geschichte vernichten kann, sondern auch, was ich zum Erhalt oder zur sinnvollen (De-)konstruktion derselben beitragen kann. Oder ich müsste wissen, ob es tatsächlich ihre Erwartung ist, dass ich zu allen 195 Ländern jederzeit differenzierte, nicht-klischeebehaftete Vorstellungen in meinem Hirn abrufen kann? Und wenn ja, wie dies zu bewerkstelligen ist.
Damit komme ich auf den Anfang zurück. Wahrscheinlich habe ich - ausgehend von Frau Giraldos Text - zu Vieles interpretiert, was sie gar nicht so geschrieben und vielleicht auch nicht so gemeint hat. Bloss: Wie meint sie es dann? Steht nicht eine Autorin, die mich Leserin anklagt, ihre Geschichte mitzuvernichten, in der Pflicht, mir diesen wichtigen Sachverhalt so zu erklären, dass er verständlich wird und mir einen Weg aufzeigt, mein für sie schädliches Verhalten zu verbessern? Wenn ich kann, tue ich das gern. Aber so kann ich nicht.

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DAS Highlight der Republik-Artikel in diesem Jahr. Das freut das Verlegerherz. Danke.

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