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Hausarzt im Unruhestand
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„Ich finde es fürchterlich, dass wir so denken“. Und Carlos Hanimann, dessen Beitrag zum Buch von Angélique Beldner und Martin R. Dean ich sonst sehr lesenswert und sensibel finde, schreibt tatsächlich, er habe hier, beim Lesen, gedacht „Ich auch!“ - Wirklich? Ich finde die Offenheit und fast schonungslose Ehrlichkeit der beiden Autoren ausserordentlich bewundernswert. Ich lese diese Aussage der beiden mir so wichtigen Autoren als Eingeständnis des Umstands, dass das Thema auch (und sogar) für direkt Betroffene voller Fallstricke sein kann. Und dann finde ich das „Ich auch!“ von Carlos Hanimann … ziemlich daneben, sogar überheblich. Sehr schade, denn das Thema ist dermassen wichtig und Carlos Hanimanns Beitrag ansonsten wirklich sehr gut …

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Als ich in den 80er Jahren mit meinem Sohn, den ich -- weisse Schweizerin -- mit meinem Mann -- Afroamerikaner -- gezeugt hatte, wurde ich in der Öffentlichkeit regelmässig mit freundlichem und beifälligem Gestus angesprochen und gefragt, ob ich adoptiert hätte. Wenn ich dann jeweils antwortete, nein, das sei mein leibliches Kind, reagierten die mir fremden Frauen regelmässig verständnislos und desorientiert. Die Beifälligkeit im Gestus brach jeweils sehr abrupt ab.
Mein Sohn, der damals etwa dreijährig war, fragte mich dann einmal, ob ich nicht seine richtige Mutter sei. Mich schockiert, dass Beldner es innerlich vorzieht, in der Wahrnehmung "der Gesellschaft" von ihrem Kind getrennt zu werden, als dass es auch -- durch dunklere Haut -- ihr zugeordnet werden könnte. Es IST schrecklich, dass sie so denkt und es ist schrecklich, was ihr zugestossen ist. Und auch ich würde mir wünschen, dass Beldner und Dean dann nicht einfach das Thema wechseln.
Ebenfalls wünsche ich mir, dass das Thema nicht nur ein Topic für die "Glückspost" und die "Schweizer Familie" bleibt, sondern auch in den Feuilletons ankommt.
Im Moment ist Carlos Hanimann aus meiner Sicht der einzige Journalist in der Schweiz von dem ich überhaupt etwas zu diesem Thema lesen mag.
Ich bin froh um seine "Überheblichkeit" und frage mich, was Sie, Herr S., an seiner Reaktion "daneben" finden.

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Ich lese es so: "Es ist schrecklich, dass die Situation in der Schweiz so ist, dass zwei Schwarze auf Grund ihrer eigenen Erfahrung mit dem Leben in der Schweiz unabhängig voneinander zum Schluss kommen, dass es für ihre Kinder gut ist, dass man ihnen die Hautfarbe ihrer Eltern nicht ansieht."

Das sagt in meinen Augen primär etwas aus über die Situation in der Schweiz ... :-(

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Hausarzt im Unruhestand
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Ich habe den Eindruck, missverstanden worden zu sein. Vielleicht habe ich mich ungenau ausgedrückt. Was ich sagen wollte: Ich bewundere Angélique Beldner und Martin R. Dean für ihre grosse Ehrlichkeit und den Mut, dass sie von sich selbst sagen “Ich finde es fürchterlich, dass wir so denken”. Dass Carlos Hanimann dazu nichts anderes sagt als “Ich auch!” - DAS fand (und finde) ich nicht adäquat. Für mich zeigen Angélique Beldner und Martin R. Dean mit ihrer Ehrlichkeit und ihrem Mut (wie ich schon in meiner ersten Reaktion formulierte) auf, wie schwierig und mit Fallstricken behaftet die ganze Situation selbst für direkt Betroffene ist. Und hier hätte ich mir von Carlos Hanimann eher gewünscht, dass er die Ehrlichkeit und den Mut der beiden Autor:innen wertschätzte als sie mit seinen zwei Worten gewissermassen zu disqualifizieren.
Ich hatte den Eindruck, dass Tobias Oetiker und N. O. H. mich und meine Aussage besser verstanden.
Ich bin sehr berührt von dem, was Sie von sich und ihrem Kind aus den 80er-Jahren erzählen. Ich ahne, wie nahe Ihnen das alles geht, weshalb Sie vermutlich vorziehen, anonym zu bleiben. Falls Sie mir noch etwas ausserhalb dieser Dialogseite mitteilen wollen, können Sie mich gerne auf florian.suter@bman.ch kontaktieren.

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Liebe anonyme Leserin,
vielen Dank für diese sehr lieben Worte. Und auch für das Ausformulieren dessen, was ich mit einem – vielleicht zu – kurzen "Ich auch!" beschrieben habe.

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Zum Glück gibt es eine Republik, die solche Themen immer wieder anspricht. Das schlimme an Rassismus finde ich, dass man sich mit der Zeit etwas Falsches einredet, das zeigt dieser Artikel sehr gut! Als Ausländer habe ich bei Diskussionen mit anderen Ausländern beobachten können, dass Ausländer selbst das Totschlagargument "Wenn es dir nicht passt, dann geh doch nach X zurück" verwenden.
Ich bin als Flüchtling mit drei Jahren in die Schweiz gekommen und ich bin sehr dankbar, dass ich hier aufgenommen wurde. Darf ich jetzt aufgrund dieser Dankbarkeit aber nicht sagen, wenn mir etwas nicht passt? Ich hatte genauso viel Glück in der Schweiz zu „landen", wie die Schweizer Glück hatten, in der Schweiz geboren zu sein. Dieses Narrativ "Seid leise, wir sind hier nur Gäste", ist doch der Grund, dass Rassismus heute immer noch so stark verbreitet ist und riesigen gesellschaftlichen Schaden anrichtet. Es ist Zeit dass auch wir "Nicht-Eidgenossen" einsehen, dass wir ein Teil der Gesellschaft sind, und keine "halbwegs tolerierten Gäste". Denn genau diese Denkweise führt dazu, dass Diskriminierung ermöglicht wird. Ein Arbeitsnehmer z.B. der sich mit Recht weniger gut auskennt, wird viel eher diskriminiert als jemand, der seine Rechte kennt und auf diese besteht.

Gerne teile ich meine persönliche Erfahrung, damit vielleicht auch Andere sehen können, wo Vorurteile uns daran hindern, uns besser kennenzulernen.

Als ich (Ausländer) mit meiner Freundin (Eidgenossin) zusammen kam, war ihr Umfeld etwas skeptisch. Meine Freundin hatte zu diesem Zeitpunkt die Abschlussprüfungen und statt in den Ausgang zu gehen, wollte Sie lieber die restliche Zeit mit mir verbringen. In ihrem Umfeld kam aber bereits das Gerücht auf, dass sie nicht mehr in den Ausgang geht, weil sie das von mir aus nicht DARF. Zu diesem Zeitpunkt haben mich ihre Freundinnen erst ein Mal gesehen, aber scheinbar wussten sie schon alles, was sie ihrer Ansicht nach wissen mussten. Ich nahm diese Sachen nicht so ernst, weil ich wusste, dass es nicht stimmt. Ich war eher damit beschäftigt meine Freundin zu trösten, die darauf emotional reagiert hat und enttäuscht war, dass ihre Freundinnen so ein Bild von mir hatten. Sie verspürte einen Druck, ihren Freundinnen zu beweisen, dass sie von mir nicht "bevormundet" wird. Um diese Vorurteile zu entkräften, ging sie nun mehr in den Ausgang. Ich sah es damals für nicht nötig, ihren Freundinnen beweisen zu müssen, dass ich nicht so bin. Diese Vorurteile bin ich mir gewohnt und ich wusste, dass diese Vorurteile verblassen, wenn man sich besser kennenlernt.
Heute habe ich ein gutes Verhältnis zu ihren Freundinnen, aber erst nachdem sie mehr Zeit mit mir verbracht haben. Das zeigt für mich auf, dass Leute die weniger mit Ausländern zu tun haben, umso mehr Vorurteile haben. Skeptik gegenüber unserer Beziehung ist zwar immer noch vorhanden, aber viel weniger und zu 99% von Leuten, die uns zusammen nie persönlich getroffen haben. Wir führen eine sehr glückliche Beziehung und lassen uns von Aussen nicht beeinflussen. Wir hatten ausserdem Glück, dass sich meine Familie so offen gegenüber meiner Freundin gezeigt hat und sie sofort als Teil der Familie akzeptiert hat. Das ist auch bei Familien mit Migrationshintergrund nicht immer der Fall.
Wenn wir aber als Paar nicht so eine offene Diskussionskultur gehabt hätten und irgendwie an solchen Themen zerbrochen wären, dann wäre es z.B. für ihre Freundinnen nicht möglich gewesen, mich besser kennenzulernen und umgekehrt.

Wir müssen bei jeder Begegnung (oder auch nicht Begegnung?) mit anderen Menschen den Menschen selbst sehen und nicht das verzerrte Bild, welches uns wegen den Medien vermittelt wird. Die effektivsten Waffen gegen Rassismus und Vorurteile sind: Offenheit, Toleranz, Verständnis, Empathie oder abgekürzt: Menschlichkeit.

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Theologin/Pfarreiseelsorgerin
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Schlicht: Danke für diesen Beitrag!

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Jeder Beitrag, der zu vertiefteren Diskussionen über eingewachsene Missstände führt ist ein Gewinn.
Rassismus ist so ein Misstand, der strukturell verankert ist.
In der Welt verankert, nicht bloss in der Schweiz. Ueberall auf der Welt, in jeder Kultur, nicht bloss in weissen Gesellschaften.
Die Internalisierung von Rasssismen ist global.
Man muss also zuerst genau definieren, was Rassismus ist und nicht davon ausgehen, dass es jeder weiss.
Auf eine Mindest-Basis an Definitionen muss man sich vorher einigen. Sonst wird es zu einem bloss persönlichen Thema werden und bleiben.

Ich schlage vor, wenn es um Rassismus geht, dann geht es um RASSISMUS, im Ganzen, immer im Ganzen - und nicht bloss um denjenigen in der Schweiz.
Wenn es um Rassismus geht, dann geht es ferner nicht bloss um Rassismus gegen Schwarze, sondern um denjenigen gegen jeden Menschen, der wegen rassistischer Anfeindungen betroffen ist.
Wie bspw. First Nations-People, Indigene, Aborigines, Inuits, Migranten, evtl. bestimmte soziale Schichten, uvm. (Vielleicht um Frauen, als ursprüngliche Basis von Vorurteilen?)
Es geht dann nicht mehr um Black-Lives-Matter, sondern um Rassismus, nicht um Anti-Schwarzen-Rassismus.

Da wird man dann bemerken können, dass vieles in der Geschichte nicht betrachtet, geschweige aufgearbeitet ist.
Bspw. ist der Reflex, Rassismus käme von den Kolonialzeiten, er sei gegen Schwarze gerichtet, käme also von der Sklaverei - nicht ganz richtig. Das ist bloss einer seiner Seiten.
Dem zufolge ist es dann, sollte dies stimmen, auch nicht ganz richtig, dass Schwarze selber keine Rassisten sein können, etwas, was auch Anlass zu heftigen Diskussionen gibt, klar. Klar, denn sogar in solchen Diskussionen wollen gewisse Gruppierungen ihr "Opferstatus" von denen anderer absondern und damit die Macht über solcherlei Diskussionen an sich reissen.
Zwar sind die Spuren von Rassismus/Vorurteile und Sklaverei eng, sie weisen jedoch auf Zeiten hin, die weit vor unserer Zeitrechnung bestand hatten. Auch global.
Wer kennt schon bspw. die über 700jährige Geschichte der muslimischen Sklaverei?
Das Wort "Mohr" wird gestrichen, sein geschichtlicher Ursprung bleibt verborgen. Inakzeptabel in einer ernst gemeinten Diskussion, die weit über White-bashing führt. Zu führen hat.

Wer schliesslich gegen Innen schaut, diese Schublade auftut (absolut zentral), wird sehen, dass Vorurteile in unserem Wesen mitmischen, sie sind integraler Bestandteil vom Menschen, von allen Menschen. Global.
Und Vorurteile sind die Vorstufe von Rassismen.

Kurz: Hat man sich in all diesen Basisvoraussetzungen geeinigt, dann kann man anfangen, richtig über Rassismus zu sprechen und nach einer richtigen Lösung zu suchen. Globale.
Diese hat dann vielleicht nicht bloss mit dem Grossschreiben des Wortes "Schwarz" zu tun, was ein ok-Anfang ist, aber leider oft bereits auch das Ende.

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Absolut richtig und eine wichtige Ergänzung für den Artikel. Rassismus ist in jeder Gesellschaft in unterschiedlicher Weise vorhanden.
Für mich ist es unglaublich schwer herauszufinden, was nun Rassismus ist und was nicht. Dementsprechend bin ich vorsichtig, weil ich jemanden auch nicht zu unrecht beschuldigen möchte. Wenn ich alles mit der "Rassismusbrille" sehe, dann handle ich aus meiner Sicht selbst rassistisch, weil ich den Anderen generell Rassismus vorwerfe. Das wäre dann das White-Bashing und das kann aus meiner Sicht nicht zielführend für die Rassismusbekämpfung sein. Wichtig finde ich aufzuzeigen, wo Rassismus stattfindet, ohne dass es uns auffällt. Das ermöglicht jedem Menschen sich selbst zu reflektieren und ggf. die eigenen Angewohnheiten in Zukunft zu vermeiden.

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Lucia Herrmann
Community @ Republik
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Als guten Einstieg für eine differenzierte Auseinandersetzung mit Rassismus in der Schweiz empfehle ich Ihnen diesen Republik-Beitrag vom Juni letzten Jahres. Beste Grüsse, LH

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Das liegt auch daran, dass es keine allgemein akzeptierte Definition von Rassismus gibt. Die EKR hat 4 Eckpunkte definiert woran man ihn erkennt, falls das hilft:
https://www.ekr.admin.ch/themen/d123.html

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Prezado senhor,
Danke für das Teilen Ihrer Überlegungen und die Kritik, dass, wenn ich sie richtig verstanden habe, dieser Beitrag das Thema Rassismus zu wenig breit und tief angehe. Ich bin da ganz bei Ihnen, aber ich glaube für den einen, alles umfassenden Artikel zum Thema Rassismus, den Sie sich wünschen, hätte wohl selbst die Republik ein Platzproblem. Schönen Abend noch!

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Obrigado, senhor Hanimann. Ich wollte natürlich nicht den "einen" , wennmöglich finalen, Artikel. Sondern darauf aufmerksam machen, mit Nachdruck allerdings, dass es bei weitem nicht genügt, in unserem schweizer Garten zu bauern, da wir so das Gesamtbild überhaupt nicht sehen.
Und ebenfalls unterstreichen, dass mir Selbst-bashing oder larmonyantes Verhalten nicht als Weg vorschwebt, der Erkenntnisse und Einsichten begünstigt.
Aber gut jetzt. Ich danke Ihnen für den Artikel, das Thema ist immer heiss, und hoffe, dass Sie wieder und wieder und von neuem das Thema aufwerfen.

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Danke für diesen guten Artikel. Ich musste von meinen Kindern lernen, dass es in dieser Diskussion nicht darum gehe, was ICH finde und denke. Das tat erst mal weh. Weil ich doch meinte, eine differenziert Denkende zu sein. Und nun lerne, einfach ZUZUHÖREN, ZUR KENNTNIS ZU NEHMEN, ZU RESPEKTIEREN, wie es für "Betroffene" ist. Wie es sich anfühlt. Und dass ich das nicht wissen KANN, weil ich als Weisse diese Erfahrung einfach nicht habe. Also möchte ich das weitergeben: Zuhören, Hinhören, zur Kenntnis nehmen, respektieren und unser Denken und Verhalten ändern.

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Selbstverachtung? Diese Wortwahl finde ich deplatziert. Ich glaube, die meisten Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder auf Grund ihres Aussehens, keine rassistisch Erfahrungen machen müssen. Pragmatische Lösungsansätze oder -wünsche haben für mich, nichts mit Selbstverachtung zu tun. Manchmal helfen auch einfache Dinge, wie ein typischer Innerschweizer Nachname. Ist das dann Selbstverleugnung ? Mein Sohn hat mit Rassismus zu kämpfen, da man ihm den mannigfaltigen Genpool ansieht. Meine Tochter sieht mit denselben Genen “schweizerisch” aus und macht diese Erfahrungen nicht. Und oftmals läuft der Rassismus so subtil ab, dass ihn mein “weißer”Mann und unsere Tochter ihn gar nicht wahrnehmen.

PS: Ich würde mich freuen über einen Artikel zu Rassismus unter den von Rassismus Betroffenen oder den Hierarchien unter den “Ausländern”.

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„...ihre Herkunft so sehr ablehnen?“ - traurig, aber das scheint mir nicht selten.
Zu viele „echte“ Afrikaner mögen auch nicht stolz auf ihr Heimatland sein. Statt seine Herkunft abzuwerten, sollte ein gewisses Selbstbewusstsein in Afrika Antrieb sein, um Regimes und Attitüden zu überwinden, die von Kolonialisten kultiviert wurden.

Man mag es „assimilierten Dunkelhäutigen“ nicht verübeln, wenn Sie vom Land ihrer Urahnen kein besseres Bild haben als Bleichgesichter... die Auseinandersetzung mit dem Bild, der Realität, der Geschichte und der Zukunft Afrikas interessiert mich aber fast mehr als zu erfahren, wie rassistisch es sich anfühlt, auf die entfernte Heimat der Ahnen angesprochen zu werden.

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