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Das ist ja alles sehr interessant, ich bring's einfach nur sehr theoretisch zusammen mit dem, was ich in jüngster Zeit in der Schweiz erlebe. Das Wegbrechen von Feindbildern? Dann ist also der Wegfall des eisernen Vorhanges daran Schuld, dass die Banker immer gieriger wurden und der Freisinn nichts dagegen hatte? Und ebenfalls dem Wegfall des eisernen Vorhanges verdanken wir das Aufblühen von obskurem Rohstoffhandel, der die früher ärmlichen katholischen Stammlande zu grossem Reichtum brachte? Die Sorge um die Mitte: ich kann sie theoretisch nachvollziehen. Aber da wäre nun noch der Bauernpräsident, den es auch eher zu den Wirtschaftsverbänden als zum drangsalierten, ausgebrannten Nährstandsmitglied zieht. Wer genau ist nun Schuld, dass unsere Gesellschaft in einem vor 100 Jahren noch unvorstellbaren Mass auseinanderdriftet?
Das Stichwort "Sorge" gefällt mir. Was hat es für eine Karriere in der Schweiz, bei den Parteien gemacht? Wer hat neben dem Geldverdienen noch Zeit, für Sorge(arbeit)? Über viel Geld zu verfügen schien das intelligenteste zu sein um ein gutes Leben für die meisten zu erwirken. Ist das aufgegangen? Im Kanton Zug, wo die durchschnittlich Verdienenden ausserhalb vom Kanton wohnen müssen. Ist das nicht eine Schande? Auf meine sehr naive Art frage ich nun: sind nicht auch Szenarien denkbar, wo Parteien, die als links galten, in die Mitte rücken, weil sie die Sorgen in unserem Land ernstnehmen? Die meisten der Wählenden und Abstimmenden gehören wirtschaftlich gesehen zur Mittelschicht, und die steht vor einer Abwärtsbewegung: Hoffnung auf Boni? Eine bezahlbare Wohnung? Bezahlbare Sorgeleistung für Alte und Junge? Was hat da die Mitte bis jetzt geboten, ausser die Hand für Wenige, die noch reicher werden konnten?

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Mitdenker
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Der Bauernpräsi!
...wäre auch mal eine Reportage wert.
(Ich hoffe, das war neutral genug, der Typ ist für mich eine Provokation der Kategorie Blatter/Infantino.)

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Verena Goanna •in :)) Rothen
fotografie, texte, bio blumen&gemüse
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Musste grad schmunzeln! Sehr schön gesagt ;)

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Eine interessante Abfolge von Gedanken, dazu fällt mir vorab jenes Wort ein, das in letzter Zeit allenthalben auch Karriere macht: Es ist kompliziert.

Es scheint mir gewagt, in den von Binswanger dargelegten Hauptlinien des Buches von Biebricher nach den Antworten auf jene Frage zu suchen, was genau denn zur moralischen Verluderung einer – wie mir scheint – Mehrheit unter den Führerfiguren der Schweizer Wirtschaft geführt hat. Wohl kaum der Fall des Eisernen Vorhanges.
Ich sehe darin eher eine konsequente Fortsetzung der bisherigen (Wirtschafts)-Geschichte der Schweiz. Nichts Neues unter der Sonne, ausser dass es vielleicht krasser geworden ist – oder wie man sich zu sagen bemüht: Es ist kompliziert.

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Senftube
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Kleiner Hinweis zu Ihren etwas willkürlich gewählten 100 Jahren: 1918 fand in der Schweiz ein Generalstreik statt. Das Land war ziemlich gespalten…

Auf Ihre (gar nicht unbedingt naive) Frage hin würde ich antworten: Historisch gesehen rücken nicht unbedingt linke Parteien in die Mitte, aber Mitteparteien übernehmen nach und nach progressive Inhalte. Und wie der Konservatismus so ist, wird dann so getan, dass man immer schon dafür war. Frauenstimmrecht? Natürlich waren wir immer dafür! Umweltschutz? Natürlich war die FDP immer eine umweltbewusste Partei! (Frau Gössi ist mit dieser Propagandastrategie allerdings krachend gescheitert. Vielleicht wollte sie auch tatsächlich mehr grün, schwer zu sagen).

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Lieber Herr K., ich versuchte für "früher" eine passende Jahreszahl zu finden. Ich erinnerte mich an Schilderungen von Inglin und Guggenheim. Auf Wikipedia werden in der Zwischenkriegszeit die verschiedenen grossen Krisen in der Schweiz erwähnt, eine sehr lange Arbeitslosigkeit begann. Unter dem Begriff "Erneuerungsbewegungen" positionierte sich der Frontenfrühling.
Wir haben leider sehr düstere Wolken am Horizont, gesellschaftlich könnte vieles in Bewegung kommen, da wäre die jetzige Evakuierung von Brienz ein Kinderspiel dagegen. Wir wissen noch nicht, ob die Menschen sich in Bedrängnis und Verzweiflung in Massen genau gleich verhalten wie in der Zwischenkriegszeit. Gefährlich ist es allemal, da gebe ich Binswanger recht und die Mitte - nicht "die Mitte", sondern Parteien mit mittleren Positionen, hilfreich, viele betreffend, nicht zu radikal, werden da sehr wichtig sein.

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Simon Reber
Software Entwickler, Familienvater
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Ich glaube nicht, dass unsere Gesellschaft auseinanderdriftet. Es ist einfach so, dass sich in diesen letzten 100 Jahren sehr viele Minderheiten eine gewisse Bedeutung erarbeitet haben. Vor hundert Jahren, versuchten die konservativen Kräfte gerade die Teilhabe der Arbeiter mit roher Gewalt zu verhindern. Vor fünfzig Jahren, versuchten sie auf die genau gleiche Art, die Mitsprache der Jugend zu unterbinden.
Dass sie mit beiden Eskalationen letztlich gescheitert sind, werte ich als etwas Gutes. Ein Blick nach russland und china zeigt, dass es auch hätte anders kommen können.
Damals war es die Macht des Staates, welche es zu überwinden galt. Heute müssen wir die Macht des Geldes einengen, um wieder genügend Handlungsfreiraum zur erhalten, uns dem wesentlichen Thema zu widmen: Der Umwelt unserer Kinder und Kindeskinder.

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Verena Goanna •in :)) Rothen
fotografie, texte, bio blumen&gemüse
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· editiert

Dem Wegfall des Eisernen Vorhanges verdanken wir sehr direkt die Hemmungslosigkeit der vermeintlichen Siegerin, des Bürgertums. Absolut.
Mit dem danach einsetzenden enthemmten Neoliberalismus und Co.
Vorher hatte sich da unsichtbar etwas in Waage gehalten, was auch verhinderte, dass die Rechte allzu radikal alles Soziale verwarf.
Und die SP hat damals auch einen Grossteil ihres eigenen Verständnisses und eigenen Bodens eingebüsst. Und aus meiner Sicht sich noch nicht voll zurückerarbeitet. Die Abgrenzung ihrer sozialen Anliegen (immerhin verdanken wir SP und Gewerkschaften so grundlegende Absicherungen wie AHV, IV und Co) zu dem kommunistischen Radikalansatz, alles Eigentum ganz aufzuheben, ist damals als Stärkung ihrer Positionen schlicht weggebrochen. Auch wir als Gesellschaft haben die „linken Errungenschaften“ nie an die Stelle eingemittet, die sie verdienen und leisten für uns.
Und gesamtgesellschaftlich haben wir längst vergessen, wie eine auf Verhandlung und Ausgleich bedachte Rechte ausgesehen hatte. (Das Gespenst der Enteignung war dazu eine kräftige Motivation.
Dass die Erde als Lebensraum nun daran ist, ihren Tribut an Verhandlungsbereitschaft und klimatisch-sozialer Fortschritte einzufordern, scheint eventuell (fast wie eine Ersatzforderung nach deutlich mehr Balance) und neue notwendigerweise fordernde Kraft allenfalls doch langsam wenigstens bei Teilen rechts(aussen) und des sog. Bürgertums (wobei ich mich durchaus auch als Bürgerin sehe — auch da ist so ein lopside drin) anzukommen.

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Das gefällt mir: die linken Errungenschaften einmitten- danach habe ich gesucht. Berufen wir uns beim Links-Rechtsschema eigentlich immer noch auf die Sitzordnung der franz. Abgeordnetenkammer von 1814? Nach Noelle-Neumann verbinden Menschen mit linker Politik Gleichheit, Gerechtigkeit, das Internationale und Kosmopolitische. Dagegen geht die politische Rechte von einer Ungleichheit der Menschen aus. Individuelle Freiheit ist wichtiger als soziale Gleichheit. Was bringt Menschen dazu, sich an einem bestimmten politischen Ort zugehörig zu fühlen?

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Es gibt 2 weitere Treiber für diese Entwicklung:


  1. Demokratien haben durchaus wieder gefährliche Gegner: Russland und China. Aber anders als im Kalten Krieg ist es heute kaum möglich, die internationalen Verflechtungen mit diesen Gegnern zu lösen. Das macht den aggressiven Nationalismus emotional so attraktiv: "Wir müssen uns um uns selber kümmern."


  1. Ein Politiker kann heute Millionen von Menschen erreichen. Wenn er die Mechanismen beachtet, nach denen z.B. Twitter und Youtube auswählen, was diese Menschen sehen. Erfolg hat, was Gefühle auslöst: Beleidigung, Hass, Empörung, Abgrenzung, Überraschung.
    Erfolg haben Politiker, die auf diese Gefühle setzen.
    Politiker, die auf Berechenbarkeit, Ausgleich und gegenseitige Achtung setzen, haben schlechte Karten: Keine Klicks, keine Kommentare, keine Follower, keine Trends, keine Talkshows. Der Markt der Aufmerksamkeit bestraft sie mit Stille.

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Ich weiss nicht so recht. Natürlich spricht Biebricher viele wichtige Faktoren an und sicher kann man dessen Einsichten auch auf die Schweiz übertragen.
Aber ich denke, dieser Ansatz wird der Komplexität des Themas nicht gerecht. Für mich bleiben viel zu viele Fragen offen. Woher kommt die Faszination für totalitäre Ideologien, für autokrate und korrupte FührerInnen mit ihren Lügengeschichten und ihren kriminellen perversen Verhaltensweisen? Warum spielen Parteiprogramme immer weniger eine Rolle, dafür aber oft zwielichtige Leitfiguren? Welche Rolle spielen die sozialen Medien mit ihrer Desinformation und ihren Verschwörungserzählungen? In welchem Ausmass wirken sich die zunehmenden sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten aus? Welcher politische Spielraum besteht überhaupt noch angesichts des übermächtigen Einflusses der globalen Konzerne? Und steht nicht hinter alledem die unser Vorstellungsvermögen übersteigende Klimakatastrophe, deren Auswirkungen wir nicht wahrnehmen wollen oder können und die uns so verunsichert, dass viele Menschen Zuflucht bei extremen Ideologien und Feindbildern jeglicher Art suchen? Und, und, und

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Danke für Ihre Fragen! Genau diese beschäftigen mich auch sehr.

Für mich liegt ein zusätzliches Problem in der zunehmenden Gleichgültigkeit, Bigotterie oder der Vogelstrausspolitik einer zunehmend breiteren, durchaus gebildeten Bevölkerungsschicht. Gerade in dieser gebildeten Mittel- bis gehobenen Mittelschicht erlebe ich Menschen (und ich beziehe mich im Weiteren nur auf diese und hoffe, dass sie nach wie vor eine Minderheit darstellen), die sich jedem ernsthaften Dialog entziehen. Man/frau will sich nicht immer um so düstere Gedanken kümmern und zieht, solange man es sich leisten kann, ein Wohlstandsleben mit allen möglichen Vergnügungen und Privilegien vor. Ohne sich politisch zu engagieren oder in einer Partei gebunden zu sein, gibt man/frau sich daneben wortreich sehr sozial und klimapolitisch grün, was aber letztlich sehr wenig Einfluss auf den eigenen Lebensstil hat. Sich ökologisch geben und trotzdem z.B. weder Bio einkaufen noch auf mehrere Flugreisen im Jahr zu verzichten geht dabei wunderbar und ohne innere Konflikte zusammen. Kritisiert werden dabei höchstens andere.

Ich denke, dass auch dies gerade in nicht privilegierten Schichten zunehmend als Bigotterie wahrgenommen wird und die Glaubwürdigkeit gerade auch von SP und Grün untergräbt.

Wie heisst es so schön: Wasser predigen und selbst Wein trinken…
Wann beginnt man/frau damit, den eigenen Lebensstil zu überdenken, anzupassen und vorzuleben, statt in der eigenen, durchaus wohl situierten Komfortzone zu verbleiben und das eigene Vergnügen über alles zu stellen? Wann wird es auch im realen Leben und in weiteren gesellschaftlichen Kreisen sichtbarer, dass ein Wandel zu Gunsten einer ernsthafteren Rücksichtnahme auf weniger Privilegierte und auf die Umwelt keinen Verlust an Lebensqualität, sondern auch Gewinn bringen könnte? Nachahmung wäre so gewiss…

Daneben haben wir starke, charismatische Führerfiguren, die die Bedürfnisse und die zunehmenden Ängste der Nichtpriviliegierten und der oft bildungsfernen Bevölkerung akribisch analysieren, pro forma ernst nehmen und perfekt für die eigene Machterhaltung zelebrieren und zur wirtschaftlichen Ausnutzung ihrer Arbeitskraft instrumentalisieren können. (durchaus auch mit Lügengeschichten, Fake News etc.)

Der hier im Dialog zitierte Bauernpräsident ist unter Anderen ein sehr gutes Beispiel dafür: sich als wirtschaftlich Privilegierter als Biobauer (Hobbybiobauer?) titulieren und…

Wie bereits eingangs geschrieben, beziehe ich mich mit diesem Text nur auf Kreise, die ich selbst beobachten kann. Aber dieses Auseinanderklaffen von Worten und Taten plus der Ignoranz/der Gleichgültigkeit gegenüber der Ernsthaftigkeit all der Herausforderungen, vor denen wir gesellschaftlich (auch in der Bildung), ökologisch und politisch stehen, beobachte ich in meiner Umgebung leider immer häufiger…

Daneben gibt es viele, gerade auch jüngere Familien, die beruflich so stark engagiert sind, dass die Zeit und die Energie fehlen, sich mit solchen Fragen unserer Zeit zu beschäftigen. Man/frau lässt sich in das Hamsterrad einspannen, das im schlimmsten Fall dann immer schneller dreht... Die eigenen so erarbeiteten Privilegien, werden dann gebraucht um das Fehlen echter Lebensqualität zu kompensieren und aufgebrauchte Batterien wieder aufzuladen. Selbst der "Entspannungsmarkt" wie Yoga, Meditation, reihenweise Bücher etc. wird so eher zum Doping... Zeit zum Nachdenken oder gar Energie zum Handeln, fehlen.

Auch eine Taktik der Wirtschaftslobby? Immer schneller, immer mehr, immer effizienter, in der letzten Zeit auch weg von der Teilzeitarbeit hin zu noch mehr Arbeitsstunden und längerer Lebensarbeitszeit:
Menschen, die auch Zeit zum Denken haben, könnten gefährlich werden -

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Ich danke Ihnen für Ihre ausführliche Replik. Ich denke, dass dieser toxische Mix aus Gleichgültigkeit, Fatalismus, Resignation und Verdrängung gegenüber den drängenden Fragen unserer Zeit weit verbreitet ist. Wohlstandsträgheit, Verlustängste und Überforderung spielen dabei eine ganz wesentliche Rolle. Und es ist offensichtlich einfacher, bequemen Halbwahrheiten, Lügen, unrealistischen Versprechungen und simplen Feindbildern Raum zu geben, statt sich den bedrohlichen Realitäten zu stellen.
Viele Menschen aber, denke ich, versuchen im Rahmen ihrer Möglichkeiten Änderungen anzustossen und lieb gewordene Verhaltensweisen zu hinterfragen. Die Einsicht, dass wir dabei meistens nicht konsequent sind und uns allen Verhaltensänderungen schwer fallen, sollte uns aber davon bewahren, allzu sehr auf andere zu zeigen (was in politischen Auseinandersetzungen sehr gerne gemacht wird) und uns ermutigen, unser eigenes Handeln kritischer zu beurteilen

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Nach noch ein paar Tagen Reflexion über Binswangers Beitrag bin ich, wie Sie Frau B., zu ähnlichen Schlussfolgerungen gekommen. Ganz einfach gesagt, scheint es mir, dass in grossen Kreisen der Mittelschicht vor allem den heutigen Wohlstand, sprich das heutige Luxusleben, erhalten werden muss. Ich hörte gerade von zwei Paare, die nach Mallorca flogen um Tennis zu spielen. Bei nächster Gelegenheit werde ich sie fragen, welche Partei Ihnen am besten zusagt. Nicht aus Bosheit. Ich kenne die beide Ehefrauen seit ihrer Geburt, das heisst seit 55 Jahren und ich mag sie gerne. Sie scheinen nur nicht aufzuwachen. Vermutlich werden sie sich zu den Grünliberalen rechnen und sich als aufgeschlossene engagierte Menschen sehen.
Wie Herr Kienholz scheint mir ein wichtiger Ansatz mit den Problemen der Zeit umzugehen, das eigene Handeln und vor allem auch das eigene Sein kritisch zu beurteilen. Ohne die Wachsamkeit für die Missstände aufzugeben und so genau möglich zu beschreiben, wie Sie das gemacht haben. Danke dafür.

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Daniel Binswanger
Co-Chefredaktor
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Lieber Herr Kienholz, vielen Dank für Ihre kritischen Fragen, die alle sehr berechtigt sind. Biebricher gibt darauf in Ansätzen durchaus Anworten, die aber durch die Verkürzung meiner Zusammenfassung offensichtlich sehr ungenügend exponiert worden sind. Seine zwei Grundthesen - erstens: der Kommunismus bricht weg und unser klassisches Parteiensystem wird dadurch überfordert, zweitens: die klassischen bürgerlichen Parteien sind einer liberal-autoritären Komplementärdrohung ausgesetzt, die sie überfordert - finde ich sehr bedenkenswert. In den einzelnen Kapiteln zu Italien, Frankreich, Grossbritannien werden sie in dem Buch auch überzeugend exemplifiziert. Aber Sie haben natürlich recht: Das alles sind in einem gewissen Sinn auch Oberflächenphänomene. Denn hinter der Machtmechanik stehen die konkreten Herausforderungen, Klima, Ungleichheit etc. Und es bleibt letztlich schwer erklärbar, weshalb der Autoritarismus wieder so attraktiv geworden ist, während der Konservatismus der Mitte an Überzeugungskraft verliert. Herzlich, DB

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Lieber Herr Binswanger, herzlichen Dank für Ihre Ergänzungen, die die Thesen von Herrn Biebricher für mich noch etwas besser fassbar machen.

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Senftube
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Binswangerweisheiten sind mir lieber als Binsenweisheiten. Danke für die interessante Zusammenfassung.

Im Detail ist es immer komplex, aber im grossen Ganzen passiert doch immer wieder das Gleiche: Sobald ein System zu viele Verlierer hinterlässt, wenden sie sich von diesem ab. Und sind dann zu oft nicht in der Lage, die eigentlichen Ursachen ihres Abstiegs zu erkennen. Kaum jemand interessiert sich für die in jeder Gesellschaft zentrale Politik, die Wirtschaftspolitik. Viele lassen sich eher von identitären Inhalten mobilisieren. Dazu gehört für die Menschen nicht nur das „So bin ich“, sondern auch das „So bin ich ganz sicher nicht“. Daher kann es sogar denen gelingen, die sich abgehängt Fühlenden an sich zu binden, die eigentlich mit ihrer Politik genau für die Probleme eines erodierenden Mittelstandes hauptverantwortlich sind. Wie die Reps in den USA, deren Politik Vermögen an der Spitze konzentriert, während andere mit 100% Job ihre Zahnarztrechnung nicht bezahlen können. Und die Verlierer wählen Trump, dessen Politik genau in die gleiche Richtung zielt. Es reicht ja ein bisschen Bibel und Nationalismus für das „so bin ich“ und ein bisschen die und die sind schuld, nämlich die, „wie die ich sicher nicht bin“. Die bösen woken Linken oder natürlich der Dauerbrenner: Schrödingers Immigrant, der mir gleichzeitig den Job wegnimmt und zu faul ist zu arbeiten.

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Sehr schön, danke!

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Dass der Wegfall des Kommunismus als Feindbild die Mitteparteien erodieren liess, kann sein. Könnte auch sein, dass das Wegfallen des theoretisch Sozialen in der Planwirtschaft des Kommunismus auch den Weg frei machte zur totalen Ökonomisierung des Westens. Das Standortmarketing verdrängte die Ethik der Mitte und die Kirchen wurden zu Eventhallen. Der Investmentbänker, der gierige Treuhänder, der Winkeladvokat und der plündernde Rohstoffhändler waren bis vor kurzem noch die Ikonen des Wohlstands, obwohl immer weniger daran teil haben konnten und frustriert zurückblieben. Sie driften in die Echohallen der Populisten oder an die Ränder des politischen Wirkens. Hatten wir das nicht schon mal?

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Danke für den Beitrag zu einem extrem wichtigen und beunruhigendem Thema. Meiner Meinung nach ist das Fehlen von Feindbildern als eine gewichtige Erklärung für den Niedergang der traditionellen Mitterparteien nicht sehr plausibel - ich bezweifle und hoffe, dass Parteizugehörigkeit nicht anhand deren Feindbilder bestimmt wird. Vielmehr glaube ich momentan, dass die Hauptursache im Koservatismus selbst liegt. Wir leben in Zeiten des Wandels: Klimawandel, Krise eines im grunde neoliberalen Wirtschaftssystems mit "race to the bottom" Effekt (Steuern, Umweltschutz, Arbeitsbedingungen, etc) und einem radikalen Verlust von Eigenständigkeit aufgrund wirtschaftlicher Beziehungen - kurz: es braucht Veränderungen in der Politik. Die traditionellen konservativen Parteien kommen damit nicht klar. Als sich davon bedroht fühlender Konservativer kann man den Sprung nach vorne zu progressiveren Parteien, oder den Schritt nach hinten zu radikal konservativen Populisten nehmen. Dass diese die meiner Meinung nach grösste Gefahr für unsere Demokratie sind, wird wohl den meisten derart Rückwärtsgewandten nicht wirklich bewusst sein.
Allerdings ist diese Angelegenheit so kompliziert, dass ich mir selbst nicht sicher sein kann. Jegliche Beiträge dazu finde ich spannend.

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Simon Reber
Software Entwickler, Familienvater
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Sosehr ich den zweiten Teil ihres Kommentars auch unterstütze, die erste Hälfte ist einfach Stuss. Die linken Parteien haben definitiv Lösungen gegen das Erodieren des Mittelstandes. Höhere Spitzensteuersätz, namhafte Erbschaftssteuern, verbindliche Mindestlöhne, strengere Auflagen für Banken und Grosskonzerne, sind urlinke Strategien, welche SP, Grüne und Gewerkschaften seit Jahrzehnten engagiert pushen.
Allein, ihre Anstrengungen zerschellen am denkfaulen unteren Mittelstand und an der konzentrierten Medienmacht der Oberschicht.
Es ist diese propagandistische Ablenkung der Oberschicht, welche die wesentlichen Themen ausklammert und ständig unwichtige Nebenschauplätze in hasserfüllte Anfeindungen der linken Eliten ausarten lässt.
Es sind nicht die Linken, welche sich auf diese Themen konzentrieren, es sind die Rechtskonservativen, welche in Ermangelung eigener Lösungsansätze einfach den linken Feind attackieren.
Und es sind diese unzähligen Leute, welche sich standhaft, weigern ihren Kopf zum Denken zu gebrauchen. Als ob der Gebrauch des Gendersterns, oder die Akzeptanz von geschlechtlich nicht eindeutigen Zuordnungen auch nur einen Franken weniger Lohn bedeuten würde.

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Danke, sehr präzise formuliert und genau meiner Meinung entsprechend!
Ich hätte aber nicht "Stuss" gesagt, wir sind ja links und nett...😊

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Daniel Binswanger
Co-Chefredaktor
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Liebe(r) Anonym 3, ja auf alle Fälle, es ist unser Ziel, uns an dem was sie "Redemokratisierung" nennen zu beteiligen. Oder wie wir es uns auf die Fahnen schrieben: Ohne Journalismus keine Demokratie. Wo ich Ihnen nicht recht gebe: Dass es ein Problem des Versagens der Linken sei. Das führe ich hier nicht an, weil ich eine Debatte eröffnen möchte über die Frage, ob die Linke nun versagt hat oder nicht. Es ist sicherlich so, dass es linken Reformprojekten heute an Mehrheitsfähigkeit häufig mangelt, ob das nun der Linken oder den Gegenmächten angelastet werden soll, sei einmal dahingestellt. Ein Punkt ist jedoch wichtig für Biebricher, und ich finde ihn richtig: Es kommt nicht nur auf die Linke an, sondern auch auf die bürgerlichen Traditionsparteien. Die Evidenz dafür ist sehr deutlich, Biebricher folgt darin dem amerikanischen Politologen Daniel Ziblatt, der auch schon mehrfach von uns verhandelt wurde und der diese These sehr gut belegt hat. In der Schweiz dürfte das in besonderem Masse zutreffen. Die Wähleranteil der Linken (Grüne plus SP) liegt bei uns sei sehr langer Zeit bei gegen 30 Prozent. Was sich dramatisch umgewälzt hat, ist der Bürgerblock. Die SVP stieg von einer 10 zu einer 30 Prozent-Partei auf - und nichts hat die Schweiz mehr verändert als diese Entwicklung. Hier die Links zu Ziblatt:
https://www.republik.ch/2018/03/31/…ervatismus
https://www.republik.ch/2021/07/03/…finanziert

Herzlich, DB

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Exzellenter Kommentar. Genau darin liegt das Problem.

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Es gibt auf der ganzen Welt ultrarechte Parteien, Trump, Giorgia Meloni, AfD usw. Giorgia Meloni profitiert übrigens erheblich vom Versagen der Cinque Stelle.
Man muss sich fragen, was diese Parteien hervorbringt. Wir Schweizer dürfen für uns in Anspruch nehmen, schon sehr früh eine solche Bewegung gehabt zu haben: die SVP. Christoph Blocher hat in den späten 80er Jahren gemerkt, dass er die Wähler für sich gewinnen kann, die zuvor SP gewählt haben. Das war deshalb erfolgreich, weil in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts die Arbeiterschaft nicht mehr am wirtschaftlichen Erfolg teilnahm, dies im Gegensatz zum Boom in der Nachkriegszeit. Die Kleinbürger in Altstetten und Schwamendingen merkten, dass ihr Wohlstand auf tönernen Füssen stand; schon eine Zahnarztrechnung konnte sozialen Abstieg bedeuten.
Die SVP bot diesen Leuten eine Vision: Wenn ihr uns wählt, wird es wieder wie früher und früher war es besser. Das stimmt zwar, wenn man die Zeit des Neoliberalismus mit der Nachkriegskonjunktur vergleicht, nicht aber, wenn man weiter zurückgeht.
Die Einsicht, dass der eigene Wohlstand fragil ist, machten nicht nur Menschen in der Schweiz, sondern an vielen Orten der Welt. Die Abstiegsangst ist der Motor letztlich aller Rechtsaussen-Parteien. Auch in Chemnitz findet man gelegentlich Leute, die finden, in der DDR sei es besser gewesen als danach im vereinigten Deutschland.
Die bürgerlichen Mitteparteien sind gegenüber diesen Bewegungen völlig machtlos. Um die Abstiegsängste zu beseitigen müssten sie echte Fortschritte für die gesellschaftlichen borderline cases bieten: Mehr Lohn, tiefere Mieten, Krankenkassenprämien, die man sich leisten kann usw. Sie müssten eine linke Politik betreiben und Eliten in Schach halten. Das wollen sie aber partout nicht.
Gerade Italien ziegt uns sehr schön, dass Parteien zu gewissen historischen Perioden und gesellschaftlichen Formationen gehören. Nach 1992 waren die alten italienischen Parteien allesamt weg, nichts war wie vorher, Giovanni Falcone und Tangentopoli sei Dank. Die FDP in der Schweiz ist die Partei des aufstrebenden Kapitalismus mit der SP als sozialem Korrektiv, das dafür sorgte, dass der Kapitalismus nicht schon nach dem 1. Weltkrieg unterging. Aber diese Zeit ist halt auch vorbei. Man muss daher mit der Bedrohung durch unzufriedene BürgerInnen leben und ums eigene Überleben bangen so lange man nicht bereit ist ihnen entgegen zu kommen..

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Man kann es auch einfacher zusammenfassen: Karl Marx hatte einfach recht. Der Kapitalismus zerstört sich selbst.

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Und der Kommunismus ist/war erfolgreich?

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Es ist wohl etwas komplizierter. Karl Marx hat zu Beginn seines 18. Brumaire mit Recht hervorgehoben, dass gesellschaftliche Formationen nicht dezionistisch geändert werden können, sondern erst dann das Licht der Welt erblicken können, wenn die Zeit dafür reif ist, wenn sich die alte Gesellschaftsform überlebt hat.
Alle sozialistischen Systeme sind in Ländern errichtet worden, die dafür nicht bereit waren, allen voran Russland, das am Ende des ersten Weltkriegs am Boden lag und deshalb leichte Beute für die Bolschewiki wurde. Lenin war der Auffassung, dass seine Partei anstelle des eigentlichen revolutionären Subjekts, des Proletariats, handeln müsse, weil dieses dafür noch nicht bereit sei. Das war ein verhängnisvoller Fehler, den eine genaue Lektüre der geschichtsphilosophischen Überlegungen von Marx vermieden hätte. Die Folge waren ein Bürgerkrieg und neue diktatorische Verhältnisse in Russland (Bucharin, Zinoview,Kamenew). In China, Kuba, Venezuela war es nicht anders. Es ist daher nicht verwunderlich, dass wir im hochentwickelten Westen in diesen sozialen und kulturellen Experimenten keine Vorbilder erkennen konnten. Es ist vielmehr unsere Aufgabe, aus unserer eigenen Gesellschaftsformation etwas zu machen, das uns weiter bringt. Die Vorbilder der Vergangenheit taugen dafür nicht, wohl jedoch die gesellschaftspolitischen Gedankengänge von Karl Marx.

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Verena Goanna •in :)) Rothen
fotografie, texte, bio blumen&gemüse
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· editiert

Endlich komme ich anhand dieses Textes darauf, was sich mir als klarer Gedanke immer wieder entzogen hat — das Wegbrechen des Kommunismus; natürlich!
Deshalb stimmen die Hufeisen — was sich aus einer anderen Debatte hier grad verknüpft — nicht mehr.
……………..………………………… Mitte…………………
……………………………………………. GLP………………
………….… SP ………………………………………….……….
……..…… Grüne …………………….………………………….
……………..…………………………..…………………… FDP
……..……………..……………….…………….………...……… SVP
……………………………………..………..…….….…………..… SD

SP und Grüne stehen eben nicht gleich weit aussen, wie die SVP. Diese gehört auf Höhe der nicht mehr existierenden kommunistischen Parteien. Deshalb gehören auch SP, und die neueren Grünen, nicht zu den Polen; deren Pol hat schon länger das Zeitliche gesegnet — während umgekehrt SVP ja ziemlich zeitgleich noch näher Richtung SD rückte; Teile davon geschluckt. Dabei ziemlich genau dahin bewegt.
Während die SP sich erst noch mehr Richtung Mitte bewegte; seit auch für sie der radikale Pol ab 1989 weggebrochen ist.
Seither ist alles ziemlich lopsided unterwegs.

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Danke, Herr Binswanger, für die Zusammenfassung: das Buch von Herrn Bibricher werde ich bestimmt nicht lesen. Post-Covid meinen Autoren, man müsse mindestens 500 Seiten schreiben, oder schweigen.

Jede Darstellung der Vergangenheit scheitert an der Wahl des Ausgangspunktes. Nehmen wir den Fall Italien. Bei der Geburt des Einheitstaates beteiligte sich der rechte Autoritarismus massgeblich. Es kamen Crispi und dann Giolitti (und sein "transformistisches" System): sie trieben Italien in den ersten Weltkrieg und darnach.

Wir können weiter zurück zur Zeit der Kreuzzüge gehen, wo (unter vielen anderen Akteuren nördlich und südlich der Alpen) die Kinder des Markgrafen von Saluzzo versuchten, sich im Ost-Mittelmeerreich als Könige (so von Salonika) aufzuschwingen.

Das waren grausamste und korrupteste Zeiten. Deshalb stellten die aufstrebenden Machtstrukturen Troubadours an, welche die Romantik der Kreuzzüge formulierten und labile Koalitionen heraufbeschworen. Troubadours waren die damaligen Influencers. Dann ging es aber militärisch nach Zara (eine west-christliche) und Constantinopel (eine ost-christliche Machtstruktur) statt Jerusalem. Was solls, man kam mit Riesenbeute nach Hause oder starb bei einem Schwarmutzel gegen die Bulgaren.

Weber spricht "charismatischer Führung" und hat einen wesentlichen Punkt analytisch dargestellt. Sich aufschwingende Macht baut auf Charmisma. Wie? Sagt z.B. Alexander KLUGE: Kriegsfibel 2023: "Es gibt keine seelische Instanz, die zwischen sachlicher Wahrnehmung und den Strömungen der Einbildungskraft sortiere. Zwischen Gut und Böse jede Menge von Schrifttum und Kontrolle. Zwischen Phantastisch und Wirklich: Freihandel." Charisma ist meist Glückssache. Hitler's Hände und Rhetorik gegenüber dem Intriganten von Papen.

Es gibt in der Schweiz keine Tradition von Troubadours. Mit gemässigtem Erfolg versuchte man es im auslaufenden Mittelalter (Rütli-Schwur und Niklaus). Weshalb die Helveten "stille sassen" - bis von Aussen der richtungsweisende Anstoss kam - Marignano, 1648, Napoleon, Wiener Kongress, Vormärz 1848 (bitte Gottfried Keller lesen).

Nur einmal raffte man sich meines Wissens von Innen her zum tiefgehenden politischen Umbruch zusammen: am 13. Oktober 1918 ging die politische Schweiz per Referendum vom Majorz zum Proporz über. Dieser staatstragende Umschwung hat keinen Troubadour gefunden und ist in Vergessenheit geraten und dem Reduit-Mythos ersetzt worden. Wenn schon ein zweiter nationaler Feiertag - hier.

Sie schreiben: "Russland-Ukraine-Krieg zu einer klareren Positionierung der bürgerlichen Parteien. Das wird zugunsten des gemässigten Konservatismus sein." "Wird": Sie sind sicher - Herr Binswanger - sie vermuten nicht.

Beim Narzissismus des kleinen Unterschiedes ist der Rechtspopulismus dem bürgerlichen Zentrum weit voran. Dessen Trobadours (Blocher und Köppel) sind bereits daran, eine einfachste Romantik zu entwickeln, welche gerade drei Themen: Europa Innen und Aussen), Klimawandel, und Impfungs-Renitenz aus der politischen Komplexität ausklammert und damit konsensfähig ist.

Wollen wir C F Meyer lesen: "Wer mit freiem Anlaufe springt, springt gut; wer gestoßen wird, springt schlecht" ?

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Echo
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Post-Covid meinen [Schreiberinnen im Dialog], man müsse mindestens 500 [Wörter] schreiben, oder schweigen.

🤪

PS: Es sind gemäss Onlinetool 433 Wörter, 2'752 Zeichen ohne Leerzeichen, 3'188 Zeichen mit Leerzeichen, 23 Sätze, 18.8 Wörter pro Satz im Durchschnitt und benötigt 3.3 Minuten Lesezeit.

Edit: Wörter editiert, PS hinzugefügt.

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Sie haben recht. Wittgenstein und Ayer sagen es prägnanter.

Strukturell sind Kolumnen für Overthinker ausgelegt. Sie sind immer falsch, aber sollten interessant sein. Auf Gegenseitigkeit.

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Die Polemik liegt mir auf der Zunge, aber ich lasse sie für einmal weg (resp. spare sie mir für später auf). Deshalb ganz direkt: Was ist konkret Ihre Aussage?

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Lesen Sie die erste Zeile: "Jede Darstellung der Vergangenheit scheitert an der Wahl des Ausgangspunktes."

Die Geschichte ist ein transformativer Prozess. Setzt man Geschichte auf ein Prokrustes-Bett, kann man alles argumentieren. Das ist Ideologie, nicht Einsicht.

Oder: Wer glubt, die Geschichte hätte einen "Anfang", der glaubt an den Storch oder ist ein Strolch.

"Am entscheidendsten ist schliesslich die Veränderung der Feind­bilder." Hier ein Paar historische Feindbilder in bestehende Nationalhymnen:

Guatemala: Sieg oder Tod
Mexico: Man soll die Fahnen des Vaterlands mit deim eigenen Blut tränken.
USA: Then conquer we must, when our cause it is just,
And this be our motto - "In God is our trust,"
And the star-spangled banner in triumph shall wave
O'er the land of the free and the home of the brave.

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Man muss sich so eine Position auch leisten (wörtlich gemeint) können - wenn es immer prekärer wird und immer mehr Menschen immer mehr um ihre Existenz bangen, dann sind echte Lösungen gefragt.

Im Angesicht der Klimakatastrophe und sonstigem late stage capitalism kann man schon so weitermachen wie bisher und beten dass irgendwas besser wird, oder man folgt halt dem gelogenen Wohlversprechen der Faschisten (die ja dann spannenderweise die Verhältnisse für Arbeiter*Innen jeweils nicht gerade verbessert haben) oder auf der anderen Seite.

Dazu kommt noch dass die Mitte halt die (weit)rechten Standpunkte trägt, schön analysiert am Beispiel Rassismus The Alt-Right Playbook: The Cost of Doing Business

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Senftube
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Danke für den Link - würde auch gut zu meinem Post passen.

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Bitte! Super Channel (die Serie "the alt-right playbook" ist besonders gut)

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Liebe Frauen, wo seid Ihr? Ich gestehe, der Text von Binswanger ist nicht so amächelig, aber drin stecken wichtige Fragen: schaffen es bei uns auch Parteien, Bewegungen mit faschistischen Tendenzen Scheinantworten, Lösungen für immer drängendere Probleme zu finden, die immer breitere Bevölkerungskreise - und somit auch viele von uns - betreffen? Wie geht Ihr um mit dieser Bewirtschaftung von Ausgrenzung, Diffamierung und der Behauptung, eine Wiederherstellung von früheren Nachkriegs- und Wohlstandszeiten sei möglich? Habt Ihr keine Lust, in dieser männlichen Gesprächsrunde Platz zu nehmen, Eure Ideen und Gedanken einzubringen? Feindbilder und bürgerliche Defizite - wenn da die Frauen nichts dazu zu sagen haben!

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Verena Goanna •in :)) Rothen
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Ich versuche es jeweils — bin nur selten so schnell, um nicht schon dreihundert ungrad Kommentare vorzufinden, wenn ich a) meist überhaupt zum Lesen komme — und b) dann auch noch darüber nachgedacht habe. Es ist ja nicht so, als ob DB jeweils schon hundertfach angedachte und durchgedachte Fragen aufwerfen würde. Da brauche ich meist (Ausnahme, da ich mich für den Tag krankgeschrieben habe) heute. Ansatzweise alkerdings auch da erst. ;)
Aber ich sehe gerade, das sahen Sie ja schon, da Ihr Post, den ich zuunterst angetroffen, ja neuer als meiner von etwas früher.

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Danke, so ein Appell wirkt. Paradox, wenn das nötige Engagement dafür, dass die statt “es“ zu “schaffen“, etwas Besseres schaffen, an der Menge der hier verausgabten Worte gemessen werden muss. Ich versichere Sie statt dessen meines engagierten Tuns, auch in Gemeinschaften Gleichgesinnter. Jede Ermutigung willkommen. Die Ihrige sowieso. ♥

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Schön sind Sie in Erscheinung getreten!

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Daniel Binswanger's Beitrag gibt Anlass zum Nachdenken.
Eine konservative Bürgerpartei, die "Veränderungen nur zögerlich" und "sozialer Fortschritt nur soweit es sein muss", begrüsst, ist nicht gerade erhebend.
Noch weniger wünschenswert scheint mir einen Zusammenschluss von Parteien auf Grund eines gemeinsamen Feindbilds, obwohl dies oftmals die Realität entsprechen mag.

Es wäre schön, wenn wir Bewährtes erhalten könnten. Ich denke vor allem an menschliche Werte.
Das Wort "erhalten" ist als Ausdruck problematisch.
Wollen wir Werte bewahren, dürfen sie nicht erstarren. Sie dürfen weder pervertiert noch missbraucht werden um demagogische Zwecke zu dienen.
Die Förderung von Werte bedingt ein unablässiges Üben, damit es gelebte Werte bleiben.

In Basel gab es bis 1996 der Landesring der Unabhängigen mit Nationalrat Hansjürg Weder, der 1975 Mitorganisator der Besetzung vom Kaiseraugst Gelände war.
Im Augenblick scheint keine bürgerliche Partei dieser Art in Sicht zu sein.

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Lieber Herr Binswanger, sehr interessanter Artikel. Auch sehr spannend finde ich auch Anne Appelbaums Buch "Die Verlockung des Autoritären", das etwas weniger den Ursachen, sondern vor allem den Methoden nachgeht und zeigt, wie die autoritär Rechte die bürgerliche Mitte am rechten Rand erodiert. Es hat sehr viel und eigentlich immer mit Führerfiguren zu tun (Orban, Trump, LePen, Meloni, auch Blocher)

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Lieber Herr Binswanger, dass der Konservatismus an Überzeugungskraft verliert, könnte einerseits darauf zurück zu führen sein, dass die heutige Situation grosse Veränderungen verlangt, andererseits dass das Pflegen des Erhaltenswerte ausser Acht gelassen wird. Letzteres liegt nicht im Trend.
Wie schön wäre es, wenn statt ein neues Feindbild, der Agenda einer Partei uns Wählende überzeugen könnte!
Danke für Ihre Stellungnahme in der Debatte.

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Die patriarchalische Teilung der übervölkerten Menschheit in Freunde und Feinde, Gute und Böse, Linke und Rechte, Mächtige und Machtlose, Arme und Reiche ist an sich reif, abgeschafft zu werden, deren Widersprüche sind nicht mehr zu bewältigen. Die Wandlungswelle spühlt sie früher oder später, mehr oder weniger gnadenlos zum Abfall. Es gibt keine Alternative dazu.

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