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Theologin/Pfarreiseelsorgerin
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So machte der auffällig kleinwüchsige Zemmour über fast zwei Jahr­zehnte Karriere als eigentliches Quoten-Rumpel­stilzchen.

Schade, dass ein lesenwerter Text durch diesen Satz gegen Schluss verliert.

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Liebe Frau B., ich danke für Ihren Einspruch. Wir haben die Stelle jetzt geändert, allerdings weiss ich nicht, ob wir damit Ihre Irritation beheben können. Lassen Sie mich kurz erklären.
Zum einen war die Formulierung wohl missverständlich, das haben wir behoben, zum anderen begibt sie sich, auch wenn sie so verstanden wird, wie ich sie intendiert habe, auf aufgeladenes Terrain. Das wollte ich so lassen.
Das Missverständnis: Was ich mit "Quoten-Rumpelstilzchen" gemeint habe, war "Einschaltquoten-Rumpelstilzchen". Man hat Zemmour jahrelang im Fernsehen nach vorne gestellt, weil sein trashiger Krawallauftritt Einschaltquote brachte. Ich dachte, so werde der Ausdruck gelesen.
Man könnte ihn aber auch anders verstehen: Quoten-Rumpelstilzchen weil er damit eine Quote für Teilnehmer erfüllt, die ein physisches Handicap haben und weil er deshalb dann sagen darf, was er will. Das wollte ich nicht sagen und wäre auch nicht wahr. Deshalb haben wir nun "Quoten-Rumpelstilzchen" in "Einschaltquoten-Rumpelstilzchen" geändert. So gibt es diesbezüglich kein Missverständnis.
Ich kann mir vorstellen, dass Sie diese Passage auch in der neuen Formulierung anstössig finden. Es ist immer grenzwertig, wenn man sich über politische Gegner lustig macht unter Bezug auf ihre physiologischen Besonderheiten. Es ist für mich ein no go, das ich nur ganz selten übertrete. Ich habe auch hier lange gezögert. Lassen Sie mich kurz erläutern, weshalb ich mich dann doch zu der Formulierung entschlossen habe.
Erstens handelt es sich hier nicht um ein Handicap in irgendeinem Sinn, Eric Zemmour ist einfach nicht sehr gross, vielleicht 1,65 (ich hab keine Ahnung wie gross genau). Er scheint damit glänzend durchs Leben zu kommen, und es handelt sich nicht um eine offensichtliche Verwundbarkeit.
Zweitens erscheint mir offensichtlich, dass das ganze Virilitätsgedöns, von dem er auf so groteske Weise besessen ist, eine kompensatorische Angelegenheit darstellt. Sie mögen mir entgegenhalten, das sei etwas simple Küchenpsychologie, aber sie scheint mir hier von schlagender Evidenz. Es gibt auch Beispiel aus dem historischen Faschismus von Propagandisten die zwanghaft das Loblied der nordischen Recken sangen und selber diesem Ideal auf so offenkundige Weise nicht entsprachen. Darüber wollte ich mich hier lustig machen: Nicht, dass er kleingewachsen ist. Sondern dass ausgerechnet er sich in diese absurden Delirien von "physisch dominanter" Männlichkeit versteigt.
Vielleicht als Abschlussbemerkung: Die Sache spielte sogar eine Rolle in einem von Zemmours Metoo-Fällen. Eine junge Frau gab zu Protokoll, sie habe sich von seinen Grapschereien extrem bedrängt und terrorisiert gefühlt. Aber physisch Angst habe sie vor ihm nie gehabt. Sie wäre ihm physisch ja jederzeit überlegen gewesen.
Herzlich, DB

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Lieber Herr Binswanger, es freut mich zu lesen, dass solche Finessen im Text und in der Diskussion hinterfragt und mit Argumenten belegt werden. Ich habe ihre Metapher als Kritik der "Einschaltquoten" gelesen. Was wäre Berlusconi ohne seine Fernsehsender, was Trump ohne Twitter gewesen. Danke für ihre klaren Worte und ihre fundierten Analysen.

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Genossenschaftsrätin Project R
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Vielen Dank, Frau B., fürs Formulieren Ihrer Irritation und vielen Dank, Herr Binswanger, für die Präzisierung Ihrer Fomulierung und Ihre Erklärung!
Vom Einschaltquoten-Rumpelstilzchen zum Machtfaktor - es ist ein scharfer kurzer Nenner, der mich in seiner Wucht schockierte. Die Formulierung ermöglichte mir allerdings, auch mein Schockiert-Sein und tiefe Sorge über das gesellschaftliche Phänomen Zemmour innerlich auf den Punkt zu bringen. Vielen Dank dafür! (Mit dem Begriff "Einschaltquoten-Rumpelstilzchen" gelang übrigens meines Erachtens der Wechsel vom Zweihänder zum Florett, worüber ich persönlich sehr froh bin. Was wohl Frau B. dazu meint?)

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Theologin/Pfarreiseelsorgerin
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Direkt hier auch meinen herzlichen Dank für die ausführlichen Erläuterungen Ihrer nachvollziehbaren Gründe für die Formulierung. Mein Unbehagen bleibt, das vermuten Sie richtig; weiter unten habe ich den Grund beschrieben. Falls Sie diese andere Antwort bereits gesehen haben, behalten Sie aus dieser hier bitte nur den Dank! Herzlich, AB
Edit: Rechtschreibung

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Frage an Herrn Binswanger: Was war die Intention bei dieser Formulierung?

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Lieber Herr Brogli, danke für die Nachfrage. Ich habe die Intention in einer Antwort an Frau B. ausführlicher dargelegt. Herzlich, DB

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SoWi, Übersetzerin, Autorin, Bloggerin
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Was in Frankreich wirklich gefährlich ist, ist die Tatsache, dass durch den absurden Extremismus Zemmours Marine Le Pen plötzlich gemässigt und wählbar erscheint und tatsächlich erstmals eine reale Chance auf das Präsidium hat.

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francophone & francophile
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Wie genau sollte das aufgehen? Im französichen Präsidalwahlsystem mit 2 Runden ist es im Gegenteil klar kontraproduktiv wenn sich 2 Anwärter eine Positionierung aufteilen, dann könnte ggf keiner von beiden in die Stichwahl kommen. Sollte Zemmour tatsächlich antreten (noch hat er seine Kandidatur nicht eingereicht) verringert sich die Wahrscheinlichkeit dass Marine Le Pen oder er in die 2. Runde kommen, in dieser würde dann aber spätestens, wie schon bei der letzten Wahl und im 2002 mit JM Le Pen vs Chirac, der "Front Republicain" dem Gegenkandidaten die Wahl sichern.
Die Gefahr ist also mE definitiv nicht dass Le Pen oder Zemmour das Präsidium ergattern sondern dass sie auf der ihnen dadurch gegebenen Bühne ihre kruden Theorien sehr breit streuen können und am Ende aus mangelndem Proporz-Wahlrecht auch noch poltern können dass sie trotz 30-40% der Stimmen nur 8-15/577 Députés bekommen.

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Auf 2 Arten kann ich mir das vorstellen, ohne hier ein Experte zu sein:

  1. Teilen sich die zwei die Positionen weniger auf, aber mehr Leute empfinden Le Pen als Mitte zwischen anderen Extrempositionen und wählen sie. Zemmour kriegt nur wenige Stimmen ab, aber Le Pen erhält Stimmen die sonst an gemässigtere Rechte gegangen wären, weil sie nun auch als "gemässigter" gilt.

  2. Zemmour kanditiert schlussendlich gar nie, peitscht aber seine potenziellen Wähler auf, die dann für Le Pen stimmen. Das sollte hoffentlich nicht ausreichend sein, aber wenn es aus anderen Gründen knapp geworden wäre, ist das nicht auszuschliessen.

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Urs Fankhauser
Citoyen
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Wer hätte das gedacht, dass wir mal in die Situation kommen würden, dass Deutschland in Europa zum Hort des zivilgesellschaftlichen Anstands und zum Bollwerk der bürgerlichen Demokratie würde? Zwar tummeln sich auch dort unheimliche Figuren wie der unsägliche Höcke ("Denkmal der Schande!", "Wir müssen unsere Männlichkeit wieder entdecken!"). Die AfD ist im Osten der Republik ein Machtfaktor. Polizei und Geheimdienste fallen immer wieder mal durch Affinitäten zu rechtsradikalen Milieus unangenehm auf. Aber es gibt keine Anzeichen dafür, dass dort ein Rechtsradikaler auch nur in die Nähe eines zentralen politischen Amtes gelangen könnte.
Bei uns zündeln die Scharfmacher der SVP unentwegt, jede noch so absurde und gefährliche politische Zusammenrottung von Extremisten wird in Echtzeit integriert. Aber die erste Garnitur der Partei bleibt in der Regel vage genug, um ihre Aussage notfalls wieder relativieren zu können. Den Zweihänder überlässt man da Figuren aus der zweiten und dritten Reihe wie Glarner oder dem Schwyzer Kantonsrat Beeler.
Was ist los mit Frankreich? Wirkt das Gift des Neoliberalismus stärker in einem Land, welches schon seit jeher eine ausgeprägte Elitenkultur kennt? Ist es das Fehlen föderalistischer Bremsmechanismen (die bei uns andererseits ja so stark wirken, dass sich kaum etwas bewegen lässt)? Rächt sich das Fehlen eines klaren Bruchs mit der kolonialistischen Vergangenheit, die wie nirgends sonst in die Gegenwart hineinwirkt?

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Die Bürger in West-Deutschland haben ihre Lektion in Sachen Nationalismus gelernt, insofern ist es nur logisch, dass dieser dort keine Chane hat. In der DDR hat man diese Vergangenheit leider nicht aufgearbeitet. Im Rest Europas nie, dort gilt Nationalismus immer noch als gute Quelle des Wiederstandes gegen Nazi-Deutschland. Das ist eine Quelle der Stärke für die Rechtspopulisten.

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Das sehe ich anders. Der Osten Deutschlands war bei der Überwindung des Nazi-Erbes konsequenter als der Westen, bei dem in den 50ern 2/3 der Staatsanwälte und Richter schon unter Hitler Dienst getan hatten. 2/3 der höheren BKA-Beamten waren in der SS. 77 Prozent der Leitenden Beamten im Justizministerium waren früher in der NSDAP.

Zum Vergleich: In der DDR waren 7 Prozent der Angehörigen von Sicherheitsbehörden früher in der NSDAP, auf mittlerer Ebene im Innenministerium 20 Prozent. 20 Prozent versus 66 Prozent sind eine Hausnummer. Der "Spiegel" fand 1992 in den neuen Bundesländern 4 Prozent Antisemiten, in den alten 16 Prozent und meinte: “Durchgängig äußern sich Ostdeutsche weniger antisemitisch, rechtsradikal und ausländerfeindlich als die Westdeutschen.“

Gekippt ist das mit den Nachwende-Signalen aus dem Westen: militanter Antikommunismus, gleichzeitig eindeutige Signale der NS-Relativierung: steuerfreie Rente auch für ausländische SS-Angehörige bei gleichzeitiger Kürzung der DDR-Renten der "Kämpfer gegen den Faschismus".

Hinzu kam die wirtschaftliche Abwicklung, bei der bis zu 80 Prozent der Leute zeitweise und mitunter auch dauerhaft ihre Jobs verloren. Ja, auch im Westen gibt's Regionen, die es wirtschaftlich schwer haben. Aber was sich im Ruhrgebiet Jahrzehnte hinzog, ist im Osten in drei Jahren passiert. Der Westen hat vielleicht Anlass, sich moralisch zu überhöhen, aber keinerlei Grund. Nur 23 Prozent der Führungskräfte im Osten sind Ostler. Das ist, als würde Bayern vorrangig von Leuten aus Hamburg, Bremen, Niedersachsen geleitet. Seit Jahrzehnten.

Die Aufbauhelfer aus dem Westen waren oft enthusiastisch und kurzfristig nötig. Sie haben sich aber auf eine Weise etabliert, die Ostdeutschen kaum Chancen ließ. Ginge es um die SED, würden die Medien wohl von Seilschaften schreiben. Das hat zur jetzigen Situation der Unter-Repräsentanz Ostdeuscher geführt, die als Demokratie-Defizit wahrgenommen wird.

Der Furor gegen die ins Abseits gestellten Funktionseliten der DDR hat meiner Interpretation nach mit der verdrängten Nazi-Vergangenheit der West-Eliten zu tun. Die viel gelobten 68er haben weder in der eigenen Familie noch in der Gesellschaft diese Schuldfragen mehr als pro forma gelöst bekommen. Deshalb haben sie es im Osten besonders gründlich versuchen wollen, wozu die Diskreditierung des DDR-Antifaschismus gehört. Im Osten haben sie auch niemandem aus der eigenen Familie oder dem eigenen Stall schaden können. Und der Westen ist gleich auch noch seine Akademiker-Schwemme losgeworden an die Unis und Verwaltungen im Beitrittsgebiet.

Jeder Schüler der DDR hat sich mit der Nazi-Vergangenheit auseinandersetzen müssen. Besuche in den Gedenkstätten der Konzentrationslager gehörten zum Jugendweihe-Programm (die ostdeutsch-atheistische Variante der Konfirmation). Auch der Massenmord an den jüdischen Mitbürgern war Thema, zum Beispiel durch die Behandlung Friedrich Wolfs' "Professor Mamlock" in den Schulen. Was stimmt: Persönliche Schuld wurde auch im Osten kaum thematisiert. Während im Westen das Wirtschaftswunder zur Verdrängung beitrug, war es im Osten der stets propagierte Kampf für den Sozialismus, der bei der Verdrängung half. Man war an der Seite der Sowjetunion und damit halbautomatisch mit Sieger im Kampf gegen den Nationalsozialismus.

Eliten-Verdrängung am Beispiel: Von den knapp 2.200 Mitarbeitern des DDR-Außenministeriums, in der Regel exzellente Fachleute mit guten Verbindungen in alle Welt und besonders nach Osteuropa, hat das Auswärtige Amt 23 übernommen. Zynisch gesagt: Ihre Großväter waren halt Schlosser und nicht in der NSDAP. Damit passten sie nicht so recht in die Traditionslinie des Hauses.

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Marie-José Kolly
Journalistin mit 💕 für Daten
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Merci für diese brillante Analyse, lieber Daniel — la France kommt in der Deutschweizer Berichterstattung oft zu kurz, und die Entwicklung um Zemmour macht schon länger Bauchweh.
🙏

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Liebe Marie-José, herzlichen Dank für das grosszügige Kompliment. Kolleginnenlob ist immer erfreulich, und Deines besonders - puisque tu parles en connaissance de cause.

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Ich vermute, dass das nie aufgearbeitete und immer noch hoch emotional besetzte Trauma des Algerienkrieges eine wichtige Rolle in der Ausprägung des französischen Rechtsextremismus spielt. Es kommt nicht von ungefähr, dass Zemmour aus einer jüdisch-algerischen Familie stammt und dass der rechtsextremistische Maire von Béziers, Robert Ménard, in Algerien als sog. „pied noir“ geboren wurde und als Kind nach Frankreich gekommen ist. Beide vertreten eine Ideologie, die übler und Menschen verachtender nicht sein könnte und die man kurz mit den Worten Hetze und Hass beschreiben kann.
Ménard zeigt in seinen Handlungen als Maire auf, wie ein rechtsextremistisches, reaktionär-autoritäres Programm durchgeführt wird, unter anderem mit pausenloser rechtsextremer Propaganda (zu der auch wiederholte Einladungen von Zemmour für öffentliche Auftritte in Béziers gehören), symbolträchtigen revisionistischen Veränderungen (z. Bsp. Umbenennung von Strassen, die mit Namen zweifelhafter Generäle aus dem Algerienkrieg versehen werden), gezielter Ausgrenzung der maghrebinischen Stadtbevölkerung und vielen anderen Schritten, die einzeln wenig zu verändern scheinen, in der Summe aber erhebliche Auswirkungen haben können. Dass Ménard bemüht ist, in möglichst vielen Medien präsent zu sein, versteht sich von selbst.
Das alles ist schlimm und verspricht für die Zukunft wenig Gutes. Und von der wie immer zerstrittenen französischen Linken ist leider wohl auch keine Hilfe zu erwarten.

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Lieber Herr Kienholz, danke für die Ausführungen zu Béziers, eine Stadt, die sich ja ironischerweise als Geburtsort des Résitance-Führers Jean Moulin feiert. Und die Zerstrittenheit der französischen Linken, deren rechten Flügel ja eh Macron aufgesogen hat, macht mir echte Sorgen. Mit Anne Hidalgo, der beliebten Bürgermeisterin von Paris und angesichts der sozialdemokratischen Rennaissance in Europa hätte der Parti Socialiste vielleicht eine Chance, müsste dann aber Grüne und La France Insoumise hinter sich scharen. In Spanien und Portugal regiert die Sozialdemokratie ja schon länger in Koalitionen mit linkeren Kräften - und dies durchaus erfolgreich.
Macrons elitärer Neoliberalismus mit progressivem Anstrich ist zweifellos das geringere Übel gegenüber der rechtsextremen Gefahr - aber auch nicht viel mehr. Viele Französinnen und Franzosen werden ihn wählen und sich dabei die Nase zuklemmen. Aber viele, vor allem aus den Unterschichten, werden der Urne fernbleiben, weil Macrons Politik ihnen weder materielle Verbesserungen (im Gegenteil) noch Respekt in Aussicht stellt.

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„Macrons elitärer Neoliberalismus mit progressivem Anstrich ist zweifellos das geringere Übel gegenüber der rechtsextremen Gefahr - aber auch nicht viel mehr.“ und wohl genauso ein idealer Nährboden für so Figuren.

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Lieber Herr B., ich danke Ihnen für diese Ergänzungen, die ich ähnlich einschätze. Zu erwähnen wäre auch noch, als weiteren Lichtblick, Carole Delga von der PS, die als Präsidentin der Region Okzitanien in diesem Jahr mit deutlicher Unterstützung wiedergewählt wurde und die, so wie ich es einschätze, durchaus Fähigkeiten für eine weitere politische Karriere hat.

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Märchentante*onkel
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Exzellent analysiert, wie immer. Nur eine kleine Anmerkung zum Schlusssatz: Im Hinblick auf die UK sind wir in Europa bereits mitten in der Stunde der Horrorclowns. Eine parlamentarische Kommission hat festgehalten, dass Tausende Menschenleben der verfehlten Covid-Politik Johnsons einfach vermeidbar zum Opfer fielen. https://www.youtube.com/watch?v=n3NAx3tsy-k und https://www.theguardian.com/world/2…as-a-start

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Excellent!
Remarquable résumé et comme toujours, bien écrit

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Danke für den wichtigen Beitrag. Wenige im deutschsprachigen Raum verfolgen was in Frankreich so abgeht. Dass Sie Macron hier als Reformisten beschreiben finde ich befremdlich. Macron hat eine liberale Erscheinung ist aber (ähnlich wie Kurz) ein Machtbesessener Populist, der seit 2-3 Jahren mit allen Mitteln versucht am rechten Rand zu fischen. Der "Kreuzzug" seiner Regierung (mit Innenminister Darmanin und Ministerin Schiappa und andere) gegen die grosse muslimische Minderheit (grösste in Europa) ist grotesk. Alles islamische wird auf totalitärer Weise diffamiert und mit dem Label "islamisme" "séparatisme" oder "islamogauchisme" versehen. Dieser Anti-islamische Eifer der Macron-Administration ist mit- oder sogar hauptverantwortlich für diesen gefährlichen Aufstieg von extremistischen Figuren wie Zemmour.

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Lieber M. G.hanem, vielen Dank für Ihren Beitrag. Aus meiner Sicht werfen Sie wichtige Fragen auf. Den Vergleich mit Kurz würde ich relativieren, und auch das Label "liberaler Reformer" würde ich verteidigen, jedenfalls insofern, als Macron unter diesem Banner ja angetreten ist, ein neues sozialliberales Politikfeld zwischen den Traditionsparteien von Links und Rechts hat konstituieren können und sich jedenfalls in einer ersten Phase seines quinquenats durchaus als europäischer und auch innerfranzösischer Reformer versucht hat. Allerdings waren die Erfolge sehr bescheiden, er geriet sozialpolitisch durch die gilets jaunes in die Defensive und ja sie haben Recht: Spätestens mit den Attentaten von letztem Jahr und der Kampagne gegen den "séparatisme" hat eine Art Kampflaizismus überhand genommen, der tatsächlich zu einem massiven Rechtsdrall führte und den man auch kaum als "liberal" wird bezeichnen können. Ist es diese Verschiebung, die Zemmour einen Couloir geöffnet hat? Ich weiss es nicht. Aber es ist sicher eine nicht unplausible Hypothese. Herzlich, DB

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Vielen Dank für Ihre Antwort. Entscheidend ist was jetzt ist und nicht was einmal war. Auch wenn Macron als Liberaler begonnen hat (oder sich als solcher ausgegeben hat) hat er sich spätestens 2020 definitiv vom Liberalismus verabschiedet. Viele muslimische Akteure, sei es Journalistinnen oder Aktivisten haben Frankreich in den letzten 2 Jahren tatsächlich verlassen wegen den Repressalien und dem immer härteren Vorgehen der Regierung gegen jegliches muslimisches Leben in Frankreich. Das Label "Islamismus" wird willkürlich verteilt und legitimiert alles. Die zwei wichtigsten NGOs die sich gegen Islamophobie und Diskrimierung einsetzen wurden per Dekret des Innenministers aufgelöst. Davon hört man in CH oder D kaum etwas, eben weil Macron ja angeblich ein "liberaler Reformer" sein soll. So gesehen fände ich es sogar das kleinere Übel wenn eine Le Pen die nächsten Wahlen gewinnen würde als wenn Macron weiter regieren und sich in diesem Kurs bestätigen würde. Dann weiss Europa und die Welt nämlich mit was sie zu tun haben. Dann haben die hässlichen Handlungen nämlich auch das hässliche Gesicht des nationalistischen Faschismus, nicht das eines "liberalen Reformers". Freundliche Grüsse. MG.

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Johanna Wunderle
Muttersprache NL
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Danke für Ihre Erklärung für den Aufstieg von Zemmour.

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Johanna Wunderle
Muttersprache NL
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Es ist sicher nicht einfach Präsident zu sein in Frankreich. Ein Lavieren zwischen Haute-Bourgeoisie einerseits und Gewerkschaften, die auf einer Weise streiken, dass die Ärmsten am meisten darunter zu leiden haben andererseits.
Der -winzige- Hoffnungsschimmer Macron leuchtete nur kurz: sehr schnell hat auch er ein hässliches Gesicht gezeigt.
Es hätte mich nicht erstaunt, wenn Le Pen die nächsten Wahlen gewinnen würde.
Zemmour ist um einiges schlimmer und danke Daniel Binswanger dass Sie ihn beim Namen genannt haben. Wenn das ein Ende machen könnte an der Horror-Mär….

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Der Verweis auf den Essay von Constantin Seibt könnte nicht treffender sein. Diese Woche hat sich Zemmour fotografieren lassen mit dem Gewehr zielend auf Journalisten. Das ist Trollen auf unterstem Niveau, nach dem Motto Trump wurde abgewählt, weil er noch nicht übermässig genug war. Leider lässt das nicht auf ein unmittelbares Ende der Ära der Horrorclowns schliessen, wenn diese von ihren Vorbildern dazulernen.

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Simon Reber
Software Entwickler, Familienvater
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Am bedenlichsten finde ich die Tatsache, dass man mit solch irrelevanter Themensetzung eine so grosse Zahl an Wählern erreichen kann.
Es gibt wahrlich mehr als genug aktuelle Probleme, von der ungebremst fortschreitenden Umweltzerstörung bis zur Tatsache, dass in Kürze Alles und Jedes ein paar wenigen Tausend Leuten gehören wird, als dass es von Bedeutung wäre was genau die Antisemiten vor hundert Jahren getan haben.
Dies lässt in mir die bange Frage auftauchen, ob die Demokratie in unserer egoistischen Spassgesellschaft überhaupt noch handlungsfähig ist.
Wäre es nicht zielführender Regierung und Parlament per Losentscheid zu bestimmen?

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Ich muss Ihnen widersprechen. Die Dreyfus-Geschichte war ein Schlüsselmoment in der Geschichte des Antisemitismus. Die Shoah verliert ja auch nicht an Bedeutung, nur weil sie auch schon 80 Jahre zurückliegt. Gerade wenn man bedenkt, dass antisemitische Verschwörungsgeschichten wieder aufgekocht werden (Q-Anon und andere in den USA, "Querdenker" im Umfeld der Covidverharmloderszene bei uns uns in anderen europäischen Ländern).
Die Handlungsfähigkeit unserer Demokratie ist nicht berauschend. Aber es gibt aus meiner Sicht auch ermutigende Zeichen - nicht der Moment zum Handtuch werfen (bzw. Losentscheid). Ich setze auf Resilienz :-)

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Simon Reber
Software Entwickler, Familienvater
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Ich bezweifle keineswegs die ungeheure geschichtliche Bedeutung dieser Ereignisse und wir tun gut daran sie immer wieder in Erinnerung zu rufen.
Aber für die Bewältigung der zentralen Probleme der heutigen Generation und ihrer Kinder sind sie unwichtig.
Es geht darum den vernichtenden Feldzug des unregulierten Kapitalismus gegen unsere Lebensgrundlagen aufzuhalten. Das wird weder mit Gewalt noch mit gutem Zureden gelingen. Nur mutige, unpopuläre Entscheidungen von politischen Amtsträgern werden das schaffen. Oder der Zusammenbruch der Ökosphäre. Aber das werden nur wenige unserer Urenkel überleben...

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Beelendend an der Sache ist nicht zuletzt, dass der neue Banner­träger des französischen Rechts­radikalismus ein Jude ist.

Stört dieser Satz niemand? "Gerade du als Jude solltest doch ... ein besserer Mensch sein."
Wohl nicht.

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Liebe Frau T., es werden hier sehr aufgeladene Fragen verhandelt und deshalb wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir nicht Aussagen unterstellen würden, die ich nun wirklich in keiner Weise gemacht habe. Nein Juden sollten keine besseren Menschen sein und sind auch keine besseren Menschen. Sie werden immer wieder zum Opfer von Antisemitismus - während der NS-Herrschaft auf allbarbarischste Art -, aber Opfer sind Opfer und keine besseren Menschen. Allerdings ist es in der Regel so, dass Menschen von Unrechtserfahrungen geprägt werden. Deshalb ist mir kein einziger Fall eines jüdischen Politikers bekannt, der seine politische Fortüne auf das Propagieren von Holocaust-Revisionismus setzt. Können Sie mir ein Beispiel zitieren? Vielleicht existiert es, aber dann muss es sich um eine relativ marginale Figur handeln. Jetzt ändert sich das: Zemmour ist keine marginale Figur. Das ist etwas Neues - und ja ich gebe es zu, das beelendet mich. Mit irgendwelchen moralischen Spezialmasstäben hat das nichts zu tun. Ich würde dafür plädieren, dass wir alle kühlen Kopf bewahren, die Texte lesen, bevor wir aufs Empörungsgaspedal gehen und uns um die relevanten Fragen kümmern. Zum Beispiel darum, dass in Frankreich nun ein Präsidentschaftskandidat knapp 20 Prozent der Stimmen erreicht, der Lobgesänge auf den Maréchal Pétain singt, weil er mehrheitlich ausländische Juden in die Vernichtungslager schickte. Herzlich, DB

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Der unanständige Banner­träger des französischen Rechts­radikalismus als Person beelendet mich, mehr noch, dass er eine ziemlich grosse Anhängerschaft hat. Die schiere Auswegslosigkeit beelendet mich. Deutlich ist erkennbar, was Sache ist, und trotzdem hat Zemmour Anhänger. Das beelendet mich - aber nicht, dass er Jude ist. Nein, ich unterstelle Ihnen nichts (auf jeden Fall ist das nicht meine Absicht) dafür kenne und schätze Ihre Artikel zu sehr. Der vorliegende Artikel ist sehr erhellend und wichtig, da Frankreich zur Zeit von den Medien eher weniger beachtet wird, bzw. es werden nur Gemeinplätze behandelt. Der Satz stört mich trotzdem, auch wenn das dem Artikel sonst keinen Abbruch tut.
Und ich bin nicht empört, sondern stimme Ihnen voll und ganz zu bei diesem Artikel. Nur dieser eine Satz stört. Nicht der Rest. Liebe Grüsse, FT

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Johanna Wunderle
Muttersprache NL
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Bei den letzten Wahlen hörte ich von Nachbarn und Bekannten aus der Okzitanie oft die Klage: " Il nous faut choisir entre Peste et Choléra." Nach was ich jetzt vernehme, ist die Angst vor Zemmour unendlich viel grösser als die vor Marine Le Pen. Was ich noch nicht verstehe ist, wo die Sympathisanten von Zemmour plötzlich herkommen?

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Macron muss sich die Frage stellen lassen, was er in seiner Amtszeit getan hat, um solchen Horrorclowns den Nährboden zu entziehen. Was hat er für die Bürger getan, die solchen Figuren folgen? Offensichtlich zu wenig.

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francophone & francophile
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Böse Zungen behaupten dass Macron diese Horrorclowns ganz im Gegenteil begrüsst denn in einer Stichwahl sind sie die einfacheren Gegner...

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Lieber Alfonso, da hasst Du allerdings recht. Das Problem bei diesem Spiel könnte sein: Die Zwangssituation, in die viele Wähler im zweiten Wahlkampf geraten - man lehnt Macron ab, findet Le Pen aber absolut inakzeptabel und wählt dann doch "la mort dans l'âme" Macron - wird ihrerseits von mal zu mal unerträglicher. Ich kann in Gesprächen immer wieder feststellen, dass es eine Art Erbe der Verbitterung gibt. Auch deshalb, weil Macron (wie viele französische Präsidenten) eine ja eigentlich sehr minoritäre Anhängerschaft hat und dennoch phasenweise versucht hat, sein Programm recht konzessionslos durchzuziehen. Das wird vermutlich nichts daran ändern, dass er auch diesmal wieder gewinnen würde gegen einen Horrorclown. Aber es wäre auch vorstellbar, dass irgendwann die Wähler von dieser Art Erpressung genug haben - und es zu sehr ungesunden Trotzreaktionen kommt. Herzlich, DB

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Möglich, hoffen wir, das es nicht schief geht. Nach dem Sieg gegen Le Pen hatte ich mir erhofft, das Macron ihr und ihrem Denken den Nährboden entzieht. Das hat er leider nicht.

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Es wäre sicher hilfreich, die frauenverachtende und machoide Seite dieses kleinen Mannes stärker auszuleuchten. Ich vertraue diesbezüglich den französischen Frauen und dem Esprit von Simone de Beauvoir...

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Dank für Ihren interessanten und notwendigen Beitrag, dem ich im Gossen und Ganzen zustimme. Sie bezichtigen Zemmour der historischen Lüge, sehr zurecht! Sie produzieren aber selbst eine historische Lüge, wenn Sie schreiben: "80’000 Jüdinnen wurden aus Frankreich in die Vernichtungs­lager deportiert, 25’000 davon hatten die französische Nationalität." Es waren aber 80'000 Jüdinnen und Juden, die aus Frankreich deportiert wurden, denn die nazistischen Deportationen richteten sich gegen alle jüdischen Menschen, unbesehen des Geschlechts, nicht nur gegen jüdische Frauen.

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