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Simon Reber
Software Entwickler, Familienvater
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Wichtig scheint mir die Aussage, dass man Russlands Bevölkerung Hoffnung auf eine bessere Zukunft geben muss.
Dieser Aspekt kam, und kommt, im westlichen Diskurs mit Russland nicht vor. Während der Sowjetzeit war es selbstverständlich, dass man die Bürger der Sowjetunion bedauerte, nach dem Zusammenbruch war es klar, dass diese unmündigen Menschen zuallererst auf dem harten Boden der kapitalistischen Gesellschaft aufschlagen müssen, und jetzt, im Krieg, ist eigentlich nur von Vergeltung die Rede.
Die Russen müssen bestraft werden. Für die Sowjetunion, für stalin, für putin, für Homophobie, für Antisemitismus, für den Krieg.

Aber das wird keine Lösung hervorbringen. Niemand liefert sich freiwillig einer Bestrafung aus. Wir sollten eine Welt vorausdenken und auf skizzieren, in der Russland und die Russen einen Platz haben, ohne gedemütigt, bestraft und bevormundet zu werden. Wie könnte eine solche Welt aussehen?

Die Realität sieht leider sehr ernüchternd aus. Auch hier im Westen ist der Faschismus allgegenwärtig und bringt sich gerade in Position, wieder in winzigen Schritten die Macht an sich zu reissen.
Der Faschismus wird unweigerlich zu Zerstörung und Krieg führen, denn etwas anderes hat keinen Platz im faschistischen Denken. Man ist immer das Opfer von irgendwem, wenn man nur danach sucht. Und es gibt immer einen Grund andere zu bestrafen, wenn man nichts anderes denken will.

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Leserin
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Grossartig, Herr Reber. Auch ihr letzter Absatz sagt eine Wahrheit. Allerdings würde ich ihn weglassen, wenn der Text von mir wäre. Oder die Schlussfolgerung anhängen: Wichtig ist auch, den Menschen im Westen, in der Schweiz, Hoffnung zu geben.
Ganz dünn und blass scheint in diesem Beitrag diese Hoffnung für uns durch, finde ich.

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Simon Reber
Software Entwickler, Familienvater
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Noch haben wir Hoffnung, auch hier bei uns.
Italien scheint zwar momentan verloren, Frankreich wehrt sich noch, aber der Tag, wo die Alternativen zu den Faschisten sich derart desavouiert haben, dass selbst der Abwehrreflex, alles nur nicht Le Pen, nicht mehr ausreicht, ist wohl nicht mehr allzu fern.
Ja und in Deutschland und den USA werden die gerade amtierenden Regierungen die Zeche für putins Eroberungsfeldzug zahlen müssen. Wer wird folgen? Die Faschisten stehen hüben wie drüben in den Startlöchern und fressen fleissig Kreide um die Wähler rechts der Mitte nicht abzuschrecken. Sie reden von Frieden und meinen die Unterwerfung der Ukraine unter ein ihnen genehmes System.
Und die Schweiz? Man muss nur Constantin Seibts Text lesen, um in Depression zu verfallen (nicht wegen des Textes, wegen der Zustände, die er beschreibt).

Aber noch tanzen wir auf Messers Schneide und es ist nicht ausgemacht, dass wir auf der rechten Seite herunterfallen. Alles wird davon abhängen, ob die nachrückende Generation den lähmenden Opportunismus der jetzt bestimmenden älteren Generation abwerfen kann und uns in eine gerechtere, freundlichere und bescheidenere Zukunft führen kann.

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Wer spricht von Vergeltung? Das tut meines Wissens nicht mal die Ukraine.

Vergeltung hiesse, Städte in ganz Russland immer wieder unter Raketenbeschuss zu nehmen. Vergeltung hiesse, russisches Territorium zu besetzen, dort unter vorgehaltener Waffe Scheinreferenden abzuhalten und es zu annektieren. Vergeltung hiesse, Folterkeller einzurichten und Massengräber zu füllen.

Aber die Ukraine fordert nichts dergleichen. Sie fordert einen Rückzug der russischen Truppen, die Auslieferung von Kriegsverbrechern, und die Leistung von Schadenersatz. Und wäre vermutlich sogar bereit, auf letzteres zu verzichten.

Russland nimmt ein Gefühl der Gekränktheit zum Anlass, der Ukraine furchtbare Verletzungen zuzufügen. Die furchtbar verletzte Ukraine hingegen sinniert nicht nach Rache. Sie will einfach nur ihren Frieden.

Putin könnte diesen Krieg jederzeit beenden. Es müsste kein einziger russischer Soldat in der Ukraine sterben. Die Wirtschaftssanktionen könnten gelockert, wenn nicht ganz aufgehoben werden. Der Handel könnte florieren. Und wir könnten alle gemeinsam in Frieden und Wohlstand leben.

Ist das nicht ein faires Angebot?

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Simon Reber
Software Entwickler, Familienvater
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· editiert

Selbstverständlich scheint das auf den ersten Blick ein faires Angebot zu sein, bloss hat niemand sich die Mühe gemacht, das den Russen zu unterbreiten.

Mit Vergeltung meine ich nicht eine militärische. Dass irgendjemand russland erobern will, ist seit 80 Jahren Geschichte. Wer hätte auch nur das geringste Interesse, diese rückständigen Gebiete mit ihrer engstirnigen Bevölkerung zu besetzen? Wenn, dann kommen dafür nur die chinesen in Frage.

Vergeltung, das sind die wirtschaftlichen Sanktionen, welche an keine klaren und realistisch umsetzbaren Bedingungen geknüpft sind.
Es ist völlig illusorisch, zu glauben, die russische Bevölkerung, welche seit Generationen bevormundet, unterdrückt und gewaltsam zum Kuschen gezwungen wird, in einem nationalen Workshop ihre neue Staatsordnung nach westlichen Massstäben entwirft.
Hier bräuchte es einfache, klare Regeln. Z.B. könnte man kommunizieren, wenn putin abgesetzt und die militärische Offensive eingestellt wird, werden wir sofort den Dialog aufnehmen, egal wen ihr dann zu uns schickt, selbst wenn es medwedew oder prigoschin ist.
Mit den derzeit gestellten Maximalforderungen, nach Reparation und Auslieferung, aller Kriegsverbrecher, kann der russische Bürger nichts anfangen. Womit soll er Reparationen zahlen? Das Vermögen russlands liegt sicher und unantastbar auf den Banken der westlichen Steuerparadiese, also auch genau bei uns. Kriegsverbrecher ist so ziemlich jeder zweite russe*in, der*die in irgendeiner Form für putins Regime tätig ist und mithilft, die wenigen, welche es wagen auch nur einen weissen Karton in die Höhe zu stemmen, zu denunzieren, verprügeln und wegzusperren. Wer würde sein Leben riskieren, für die Aussicht vom Westen ausgepresst und abgeurteilt zu werden?
Da müsste unbedingt etwas Konstruktiveres, Versöhnlicheres auf den Tisch. Und es müsste laut und deutlich kommuniziert werden. Wenn man es Lawrow ins Ohr flüstert, erfährt das kein russe und keine russin.

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Niggi Ullrich
Citoyen, Moderator, Kurator, Kolumnist
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Ihre ergänzende Replik, Herr Reber, verweist auf gesellschaftliche Entwicklungen und Phänomen die wir in der Schweiz während der Corona-Hightide-Phase wahrnehmen durften/mussten. Und diese haben sich in der aktuellen und unterdessen immer "neutraleren" Schweizer Politik festgefressen. Unsere guten Dienste - mit Blick auf Hoffnung und Zukunft - sind nicht mehr gefragt resp. taugen (fast) nichts mehr.

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Unter den vielen unterschiedlichen Analysen zu diesem sinnlosen Krieg gehört der Beitrag von Grigori Judin meines Erachtens zu den tiefschürfendsten und überzeugendsten, auch wenn er mehr Fragen aufwirft als Antworten anbietet. Das tiefsitzende Gefühl der Minderwertigkeit und Kränkung in der russischen Gesellschaft scheint mir weit zurück liegende Wurzeln zu haben, so dass in dieser Beziehung die Putinsche Propaganda auf einen fruchtbaren Boden fallen kann. Putin hat als einziges Kriegsziel den Krieg. Und er träumt von einem Grossrussland, das sich mindestens Osteuropa einverleibt, seine Kontrolle aber eher noch über ganz Europa ausdehnen möchte.
Welche politische Antwort ist angezeigt? Ideologisch eingeengter Pazifismus, eine sehr zweifelhafte Neutralitätspolitik unter dem Mäntelchen der sog. guten Dienste, wie sie die offizielle Schweiz propagiert oder auch eine naive Appeasement-Politik können angesichts dieser Überlegungen und Einsichten kaum zielführend sein. Putin versteht nur die Sprache der Gewalt. Bleibt also nur die militärische Antwort. Auch das ist keine gute Perspektive.
Eigentlich bleibt wenig Raum zur Hoffnung. Und doch: Geschichte ist ein offener Prozess, in dem alles möglich bleibt, im Schlechten wie im Guten.

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Enarchist & Anfänger
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Das Gegen­mittel gegen Angst ist Hoffnung. Hoffnung ist der Gegen­affekt. Man muss den Menschen Hoffnung machen.
Wie wahr für alle grossen Probleme und Krisen unserer Zeit!

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Es ist sehr erfreulich, dass dieses Interview mit Grigori Judin, einer wichtigen liberalen Stimme aus Russland, in der Republik erscheint.
Ich möchte aber darauf hinweisen, dass es (in einer Übersetzung aus der russischen Originalversion) bereits am 2. März 2023 durch das deutsche Internetmedium дekóder (dekoder.org) veröffentlicht wurde.
дekóder ist eine preisgekrönte Internetplattform, die russischen und belarussischen Journalismus in deutscher Übersetzung publiziert, oft mit erläuternden Beiträgen zu historischen, gesellschaftlichen und politischen Hintergründen.
Auf дekóder finden sich verschiedene weitere wichtige Texte von Grigori Judin.

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Bettina Hamilton-Irvine
Co-Chefredaktorin
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Vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Die Veröffentlichung auf Dekoder ist uns bekannt - als der Beitrag dort publiziert wurde, hatten wir mit Meduza bereits die Rechte geklärt und den Übersetzungs- und Produktionsprozess bei uns gestartet. Wir haben uns dann entschieden, den Beitrag trotzdem zu bringen bei uns, weil wir ihn inhaltlich sehr wertvoll finden und davon ausgehen, dass sich unsere Leserschaft und diejenige des Dekoders nur minimal überschneidet.

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Oh, weshalb diese Annahme? Also ich lese auch dekoder.

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Doris Edwards
Permaculture Designer.
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Danke für diesen Beitrag und dessen weisen Autor. Groll und Angst sind schlechte Ratgeber, nicht nur in Russland.

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Politologin
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Schön Grigori Judin in der Republik zu lesen.

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Nur eine Intuition : In der russischen Literatur schien mir das Leben in Rusland oft recH. T.ostlos, die Menschen schicksalsergeben. Die Hoffnung hat es dort schwer....

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Sensationelles Interview! Danke Republik!

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Anfrage an die Bildredaktion: Hier werden doch offensichtlich systematisch Stroh"mädli" abgebrannt, die der letzte Mähdrescher auf dem Feld hinterlassen hat. Was hat das mit einem russischen Raketenbeschuss zu tun? Und wurde das Bild wirklich bei Bachmut aufgenommen? Und wann?

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Lieber Herr D.
Der Dokumentarfotograf Daniil Russov ist seit dem Beginn der Grossinvasion an der Front unterwegs, mit verschiedenen Brigaden. Seine unzähligen Bilder aus dem Krieg bezeugen seine unmittelbare Nähe zum Geschehen und wir haben eigentlich keinen Grund, seine Informationen zu den Bildern anzuzweifeln.
Dennoch kläre ich Ihren Hinweis bezüglich den brennenden "mädli" ab, meines Erachtens brennen die, weil dort Stroh ist und daneben nicht, aber ein wenig verwundert es einem schon.
Das Bild bei Bachmut ist am 15. November 2022 entstanden. Freundliche Grüsse!

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Guten Morgen. Soeben habe ich Rückmeldung erhalten, vom Fotografen: "the picture was taken a few hours after the rocket fell, so these are the remnants of a large fire that remained only on the straws. The straws are the harvest.
And in general, shooting at Ukrainian fields in the summer months of last year with the aim of destroying the Ukrainian crop were commonplace. In the whole Donbas the fields were burning every day and in every field you could find a rocket". In dem Sinne - ein friedliches Wochenende!

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Vielen Dank, alles klar!

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Ein aufschlussreiches Interview! In diesem Sinne spricht auch Michail Schischkin im Buch:
Fritz Pleitgen, Michail Schischkin, Frieden oder Krieg, Russland und der Westen - eine Annäherung.
Lesenswert!

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Der Imperialismus Gedanke ist ja nicht nur im Russischen Denken vorhanden, sondern in der gesamten Population des Homo Sapiens. Er wird daher seine Mitmenschen versuchen zu beherrschen, Territorien zu gewinnen, seine Vorstellungen den Anderen aufzwingen und das alles ohne Rücksicht auf die eigenen zuwischenmenschlichen und natürlichen Lebensgrundlagen.

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Enarchist & Anfänger
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Ergänzung: Imperialismus ist Kultur. Und Kultur kann umgestaltet werden.

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Leserin
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Ja, Herr P. Von innen heraus, in langen Friedenszeiten, hüben und drüben.

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"VielleicH. T.te ein neues Narrativ not, das der russischen Bevölkerung eine prosperierende Zukunft in Aussicht stellt im Rahmen eines friedlichen, kooperativen Ausgleichs und auf Rechtsstaatlichkeit beruhender Zusammenarbeit."
Das hab ich schon am 25. Februar geäussert im Zusammenhang mit "Sieg oder Containment" von D. Binswswanger.

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Ein spannendes Interview und doch kann ich mich eines Gedanken nicht erwehren. Wieder einer mehr der behauptet zu wissen, was im Kopf von Putin und seinen Kumpanen vorgeht. Kann ich verifizieren, ob es stimmt? Nein! Aber ich soll es als richtig annehmen und darauf basierend mein Urteil über die Situation bilden und mein Verhalten danach ausrichten. Ich muss sagen, nein danke. Dazu ist mir das Ganze zu unsicher und spekulativ. Dacvleibe ich lieber weiter mit der Erkenntis zurück, schlicht nicht sicher zu wissen, was Putin und seine Kumpanen denken und antreibt. Sicher weiss ich nur, das ihr Verhalten furchtbar falsch und durch nichts zu rechtfertigen finde.

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