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Senior Researcher
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Dass die SP verloren hat, dürfte damit zusammenhängen, dass sie den Rahmenvertrag ablehnt. Die Grünen gelten als europafreundlicher, aber melden auch Vorbehalte an. Bloss weniger laut.

Insofern war das wohl nicht nur eine Klimawahl, sondern auch eine Europawahl. Ein klarer Auftrag, endlich vorwärtszumachen mit dem Rahmenvertrag und den Bilateralen!

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Nationalratskandidatur
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Mit dieser Diagnose wäre ich etwas vorsichtig. Die Europa-Politik hat diese Wahlen nicht entschieden, denn die Diskussion wurde im Vorfeld ja gar nicht geführt. Die GLP bekannte sich als einzige Partei deutlich und öffentlich zu Europa und konnte damit vielleicht ein paar Punkte holen, aber nicht auf Kosten der SP. Diese verlor ihre Wähler_innen an die Grünen. Was auch gegen Ihre These spricht: im Kanton Zürich – dem Kanton mit der größten Niederlage für die SP – ist ein Pro-EU-Politiker der SP abgewählt worden. Es ist und bleibt die grüne Welle, die nun auch die Schweiz erreicht hat.

Dennoch ist der Vergleich zwischen einzelnen Kantonen interessant zu ziehen: Zum Beispiel ist im Aargau ein Anstieg für die SP zu verzeichnen, was dem allgemeinen Trend völlig widerspricht. Es ist eindeutig, dass die SP in diesem Kanton es geschafft hat, trotz grüner Welle breit zu mobilisieren. Auch in Zug ist erstmals eine links-grüne Frau in den Nationalrat gewählt worden. Das bedeutet, dass man mit klugen und emphatischen Persönlichkeiten und dem richtigen Wahlkampf linke Politik in unserem Land durchbringen kann. Man möchte nur rufen: Weiter so!

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Vielen Dank an Daniel Binswanger für diese Präzisierungen. Die Behauptung, die Links-Rechts-Achse sei historisch überholt, wird durch ihre ständige Wiederholung weder neuer, origineller noch wahrer. Interessant ist jedoch, dass diejenigen politischen Kräfte, die dieses Mantra am lautesten verkünden, in Sozial-, Wirtschafts- und Steuerfragen meist die Interessen derjenigen vertreten, die ökonomisch am längeren Hebel sitzen. Darin ähnelt die GLP erstaunlich stark Emmanuel Macron. Den französischen Präsidenten haben vor gut einem Jahr die gilets jaunes eindrücklich daran erinnert, dass die ökologische Frage nicht von der sozialen getrennt werden kann. Hierzulande tun es hoffentlich weiterhin die etwas geschwächte SP und die massiv gestärkte GPS. (Ein "Grün", das sich vor der Analyse gesellschaftlicher Machtverhältnisse und vor der Bekämpfung sozialer Ungleichheiten scheut, droht zur Lifestyle-Etikette einer gut betuchten Elite zu werden, deren demokratische Legitimation nicht lange dauern kann. Es wäre dann Wasser auf die Mühlen der SVP, die sich schon jetzt als Verteidigerin der Kaufkraft angesichts einer grünen Verteuerung der Lebenskosten aufspielt.)

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Ein paar Rückfragen, lieber Herr Binswanger: Sind sie sicher, dass das wirklich als Linksrutsch gedeutet werden kann? Haben nicht diejenigen gewonnen, welche eine offene und der Natur verpflichtenden Haltung vertreten? Sind die Menschen in diesem Land nicht müde von dieser links-rechts "Klassenkampf-Rhetorik"? Geht es nicht um eine Neudefinition von Freiheit, Sinn, Heldentum und damit auch den sozialen Bewegungen? Ich glaube, dass die Veränderung in der wir uns befinden viel grundlegender ist, als Menschen heute schon bewusst wahrnehmen. Dabei verändern sich auch die Achsen entlang deren wir politische und gesellschaftliche Ereignisse interpretieren: Weg von "Links-Rechts" hin zu "Offen-Geschlossen" in einem Kreuz. Links, rechts geht nicht verloren. Eine dominantere Achse kam gestern Sonntag dazu. Die Sehnsucht nach dieser Haltungsveränderung war gestern das erste Mal in einer demokratischen Wahl sichtbar. In den sozialen Bewegungen und neuen Helden ist es bereits im Alltag sichtbar. Ich bin seit vier Jahren an der Quelle dieser Sehnsucht unterwegs und sage aus Erfahrung: Sie hat stark zugenommen.

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Freiheit, Sinn, Heldentum? Heldentum?? Da wird mir reichlich anders. Ich denke, was wir brauchen, ist mehr Demut. Gegenüber der Umwelt, den natürlichen Ressourcen, den sozialen Verletzlichkeiten. Heldentum vielleicht beim Verzichten. Dabei hilft Solidarität mit den Schwachen, damit unser unabdingbarer Wohlstandsverzicht nicht einseitig auf ihre Kosten geht. Dafür stand linke Politik von Anfang an und steht sie hoffentlich auch weiterhin.

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Für mich sind die Vertreterinnen der sozialen Bewegung rund um die Klimajugend die neuen Heldinnen. Eine Mediengesellschaft braucht immer Menschen mit Haltung, die hinstehen und etwas vertreten und sich für menschliche Interessen einsetzen. Das ist für mich eine Heldin. Eine Frau, ein Mann mit Haltung und tieferer innerer Überzeugung. Das gibt die Grundlage für Erdrutsch-Wahlresultate. Wissenschaftler argumentieren seit 30 Jahren, dass sich was ändern soll. Jetzt kommen die Jungen mit einer überzeugenden Haltung und so erreichen sie die Massen und gründen eine soziale Bewegung. Haltung ist unangenehm, weil man sich exponiert. Es ist, war und wird immer die Kraft sein, die Veränderung ermöglicht. Dazu gab es gestern auch eine Sternstunde (https://www.srf.ch/play/tv/sternstu…20de749c2a). Ich folge der tiefen Überzeugung und Haltung, dass die echte Freiheit etwas ist, dass jeder Mensch im Herzen findet. Denn dort ist die Liebe zu finden, die Brücken bauen kann. Das brauchen wir um tragfähige Lösungen zu finden. Die Liebe reduziert sich aber wegen Hass und Wut auf anders Denkende und wegen allerlei Herausforderungen im Alltag. Das ist aber kein ewiger Zustand. Jeder kann das mit Haltung ändern und als Heldin im Alltag diese innere, echte Freiheit stärken. Den die echten Heldinnen standen immer für das Gute und für die Liebe ein (Mandela, Gandhi oder die dänische Imamin und Seelsorgerin, die sich für mehr interreligiösen Dialog einsetzt, u.v.w.m.). So frage ich: Ist nicht die Liebe die universelle Kraft, die den Menschen dazu bringt, dass sieer sich für die Schwachen, die Natur und einen resilienten Umgang mit den eigenen und fremden Ressourcen einsetzt? Folgt nicht daraus eine Demut, die gesamtgesellschaftlich die Veränderung bringt, die nötig ist?

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Das sehe ich auch so.

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Den Beitrag von Frau J. kann ich nur unterstützen. Dass es einen Linksrutsch gab, ist "blindingly obvious" : die GPS steht links der SP (auch wenn sie viele Republik-MitverlegerInnen offenbar gerne einmitten würden...). Und ihre Gewinne betragen ein Mehrfaches der SP-Verluste. Natürlich bleibt auch wahr, dass die Linke in einer Minderheitsposition bleibt. Aber ihre Bündnisfähigkeit mit anderen Parteien - bis hin zur FDP ist deutlich grösser, als diejenige der SVP. Dieser bleiben nur noch fallweise Allianzen mit der FDP und der CVP. Insofern hat sich vielleicht doch viel mehr verändert, als die grünen Zugewinn links und in der Mitte signalisieren!
A suivre...

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Stimmt ja alles, was Herr Binswanger sagt, dennoch sollte man nicht ganz aus dem Auge verlieren, dass das linke Lager nur 35 % der Sitze hat, und in typisch linken Fragen wie Finanzierung von Transferleistungen durch Steuern eine solide bürgerliche Mehrheit besteht, weil hier CVP und GLP zu den Bürgerlichen gezählt werden müssen, Der Linksrutsch ändert also in der realen Welt des Parlamentes kaum etwas. Spannend wird es sein zu sehen, ob eine Mehrheit für einen Rahmenvertrag nun zustande kommt (ob das Volk dann zustimmt, steht auf einem anderen Blatt). Hier würde ich keine Prognose wagen, aber es beelendet natürlich zu sehen, wie ein an und für sich vernünftiges Hndelsabkommen von der einen Seite zur nationalen und der anderen Seite zur sozialen Schicksalsfrage hochgespielt wird. Das erinnert ein bisschen an die Brexitdebatten im Unterhaus.

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Wenn es denn ein „an und für sich vernünftiges Handelsabkommen“ wäre, könnte wohl eine Mehrheit zustimmen. Es ist aber alles andere als ein Handelsabkommen! Es ist ein sehr einseitiger Vertrag, der sehr stark in unsere Rechtssetzung eingreift. Einmal abgeschlossen, gibt es wohl kein zurück. Der Brexit lässt hier sehr wohl grüssen.

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Danke für den Verweis auf den Brexit. Da sich dieser vermutlich nicht mehr wird stoppen lassen, wird sich GB wohl in Kürze in einer desaströsen Lage befinden. Abgehängt und isoliert, auf Gedeih und Verderb den USA ausgeliefert. Eine Art Puerto Rico in der Nordsee. Vielleicht brauchen Leute wie Sie den Blick auf ein brexitverstümmeltes Grossbritannien, um zu begreifen, dass Konzessionen auf der Ebene der Souveränität gegenüber Europa ein Nichts sind gegenüber einer Perspektive, die GB blüht. Was soll dieses Festhalten an einer Seldwyla-Souveränität auf der Ebene der Rechtssprechung, wenn wir auf allen anderen Ebenen auf Kooperation und Vernetzung angewiesen sind? Die Alternative zur stärkeren Integration in die EU (ja, sie haben recht: ich bin für einen Beitritt) sind Abhängigkeiten von Staaten wie den USA, China, Indien, Brasilien, Russland... Diesen ziehe ich Partnerschaften mit demokratischen Rechtsstaaten in Europa vor!

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Anderer
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Danke Daniel Binswanger! Die umfassende Solidarität ist für mich das Wichtigste. Deshalb habe ich von der SP zu den Grünen gewechselt. Levrat und Berset haben z.B. nichts gegen die Versicherungs Detektive gemacht.

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Ich kann mir zudem auch gut vorstellen, dass der eine oder die andere SP-WählerIn das STAF-Ja noch nicht verziehen hat.

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Verena Goanna •in :)) Rothen
fotografie, texte, bio blumen & gemüse
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Danke für diesen klaren Kommentar! Macht Mut.

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Meine vorläufige Interpretation der Wahl:

  1. Enormer Druck von Seiten der Bevölkerung beim Klima. Der @klimastreik
    als neue politische Kraft, davon haben 2 Parteien profitiert. Sie müssen jetzt aber auch liefern.

  2. Eine klare Frauenwahl, auch hier durch den Druck von der Strasse

  3. Wir haben jetzt eine grosse, traditionslose Mitte mit Parteien mit +/- 15% und die alten Pole können allein gar nichts mehr machen. Das macht Politik in Zukunft höchst volatil.

  4. Pragmatische, lösungsorientierte Allianzen von mindestens 3 Parteien bestimmen die Zukunft.

  5. Die Traditionalisten der alten Grossparteien blieben zuhause und/oder sterben aus. Bei der @spschweiz und der @SVPch waren das die Büezer/innen, die nicht in den Städten wohnen.

  6. Eine grosse Hypothek für die Zukunft ist die tiefe Wahlbeteiligung trotz Aktivismus von allen Seiten. In den Städten merkt man das vielleicht nicht so, aber es ist ehrlich gesagt eine absolute Katastrophe.*

  7. Der Druck der Strasse zeigt auch, dass es den Menschen trotz Parlamenten sowie Initiativen und Referenden, d.h. trotz der hochgelobten "direkten Demokratie", bei wichtigen Themen zurzeit viel zu langsam geht.
    Und das ist neu. Bisher kannten wir das vor allem aus dem Ausland.

  8. Die Chance: Wenn die @GrueneCH und die @grunliberale eine tragfähige Allianz schmieden, dann können sie nach allen Seiten Ausschau halten, hin zur @spschweiz,
    @CVP_PDC und @FDP_Liberalen. Das gibt Ihnen eine einmalige historische Chance, die Willigen aus allen anderen Parteien einzubinden und eine "neue" Politik zu gestalten, abseits von Links-Rechts.

  • Die Wahlbeteiligung ist auf ein Rekordtief gefallen.
    Das sieht man mit dem Outturn (Gültige : Gesamtbevölkerung x 100) nochmals deutlicher.

2015:
Gültige: 2,551,121, Bevölkerung: 8,327,126
Outturn: 30.64%
2019:
Gültige: 2,424,202, Bevölkerung: 8,570,146
Outturn: 28.29%

Die Schweiz fällt hier im internationalen und noch mehr im europäischen Kontext völlig aus dem Rahmen. Deutschland hatte 2017 einen Outturn von 56.18%, d.h. doppelt soviele Leute in der Gesamtbevölkerung gingen wählen, wie in der Schweiz.

Siehe auch:
https://twitter.com/datamapio/statu…80482?s=20

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Lieber R. F.
Interpretationen haben naturgemäss eine gewisse Bandbreite und ihre Unschärfen. Aber es gibt Grenzen...
Diese überschreiten Sie mit Ihrer These 8 deutlich. Die GPS ist keine Mittepartei. In den Städten steht ihr Elektorat links der SP, auf dem Land mag dies vielleicht weniger deutlich der Fall sein. Natürlich hat auch die GLP ein gewisses Spektrum. An ihren rechten bzw. linken Rändern mag es eine gewisse Überlappung bei den Wählenden geben. Aber in ihrem Kern ist die GLP eine bürgerliche Partei.
Dies bedeutet keineswegs, dass die zwei Parteien keine Bündnisfähigkeit haben: natürlich bei ökologischen Fragen (bis es zur Frage der Finanzierung kommt, bzw. zur Frage Markt vs Staat), zu einem gewissen Mass in der Europafrage, teilweise in der Landwirtschaftspolitik, in der Verkehrspolitik, bei Fragen, die den urbanen Raum betreffen.
Aber für ein strategisches Projekt "in der Mitte" fehlt die Basis. Der primäre Bündnispartner der GPS ist die SP, für die GLP sind es die anderen Mitteparteien und die FDP. Die CVP wird sich fallweise dem einen oder anderen Lager zuwenden.
Klar ist aber die Lage der SVP: sie hat ihren wichtigsten Bündnispartner FDP in vielen Fragen verloren und steht ziemlich isoliert da.

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Lieber Herr Fankhauser,

Ich halte den jetzigen historischen Moment, wie in Punkt 8 dargelegt, für eine enorme Chance für GLP/Grüne, für die Schweiz, vielleicht sogar als Modell für Europa.

Wenn die Grünen an die Macht wollen, müssen sie in die Mitte.
Schaffen sie es, zusammenzufinden ohne zu fusionieren (die Grünen und die GLP verdanken wir ja einer Spaltung), können sie rasch zum dominierenden Pol in der Schweizer Politik für die nächste Generation werden, und damit die SVP als stärkste Kraft ablösen. Davon sind sie zusammen heute nur noch 4.6% entfernt.

Rein rechnerisch, würde der Bundesrat bereits heute so aussehen:
1 Grün
1 GLP
1 SP
1 CVP
1 FDP
2 SVP

Sinkt der Anteil der SVP auf unter 20%, würde sie den Anspruch auf 2 Bundesräte verspielen. Und GLP und Grün könnten zusammen sogar 3 Bundesratssitze holen.

Dabei müssen die Grünen linke Themen nicht über Bord werfen, im Gegenteil. Sie müssen sie nur nicht "klassenkämpferisch" verpacken. Darauf hat die Schweiz heute kaum mehr Lust. Die Leute wollen eine pragmatisch-energische Politik - "Liefere statt lafere" - die auch deutlich mehr links sein kann als bisher.
Reden, dann Umsetzen. Zugunsten von allen.

Deshalb kommt einem der Wahlkampf bei FDP, SP, SVP teilweise so altbacken vor - ein grosses Palaver, viel Marketing, aber dahinter wenig Substanz. Es scheint so, als wollten sich alle nur ihre Pfründe und die ihrer Klientel sichern.

In den Städten haben Grüne/GLP zudem die beste Basis, um progressive Experimente schnell umzusetzen. Und da die Städte sehr jung sind, sind die Möglichkeiten fast unbegrenzt.

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"Dafür verliert die SP massiv (eine Überraschung), ebenso die SVP (wie erwartet)." - Danke, Daniel Binswanger, dass sie diese allenorts (auch in der Republik - hier aus der täglichen Mail) zu lesende Verzerrung korrigieren. Die SVP hat 12 Sitze verloren, die SP 4. So viel wie die FDP, die über weniger Sitze verfügt. - Was ist der Zweck dieser Dramatisierung der Verluste der Linken? Pfeifen beim Gang in den dunklen Keller (der nächsten vier Jahre mit einem einigermassen gemässigten Parlament)?

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Herr Hafen, was genau wollen Sie uns mit Ihrem Kommentar sagen?

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Dass der Verlust der SP viel zu dramatisch dargestellt wird...

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Daten, Karten & AI
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Die Klimawahl + Frauenwahl ermöglicht nun eine wirklich griffige Klimapolitik.

Countries with more female politicians pass more ambitious climate policies, study suggests
https://www.yaleclimateconnections.…-suggests/

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Einen guten soziologischen Hintergrund für die spezifische Form des "historischen Linksrutsches" gibt m. M. n. Silja Häusermann, die Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Zürich ist - und von Daniel Binswanger bereits interviewt worden ist.

In ihrem Vortrag "Von der stillen Revolution zum offenen Kulturkampf: Demokratie in der postindustriellen Gesellschaft", der seit Kurzem auch als Podcast nachzuhören ist, beschreibt sie, weshalb der Strukturwandel schlecht für die Volksparteien ist - gerade auch für die Sozialdemokratie - und den Aufstieg der neuen Rechten und Grünen erklärt.

Bis in die 80er formte Industrialisierung, der Klassenkonflikt, der gesellschaftlicher Kompromiss sowie der Sozialstaat das relativ homogene Elektorat für die Linke und Rechte. Danach bildete sich mit Tertiarisierung, Bildungsexpansion, Feminisierung, Neue Soziale Bewegungen und Veränderung der Sozialstaatspolitik die Neue Linke als Teil des Neuen Mittelstandes und die Neue Rechte.

Im Diskurs, der vom Neuen Mittelstand geprägt wird, geht es weniger um ökonomische Sozialpolitik (Umverteilung), sondern mehr um kulturalistische Gesellschaftspolitik (Anerkennung) - wobei letzteres ersteres enthalten und ersteres durch letzteres geframed werden kann (z. B. Gleichstellung, KiTas und Subventionen) .

Für (ehem.) Volksparteien, wie der Sozialdemokratie, bedeutet die Heterogenität des Elektorats - also alte Linke ("Arbeiter") und neue Linke ("sozio-kulturelle Dienstleisterinnen") - ein Spagat, der kaum konfliktlos auszuhalten ist (Stichwort Flügelkämpfe, etwa beim Rahmenabkommen).

Die unvermeidliche Folge der Differenzierung und Polarisierungsspirale wird die Fragmentierung der Parteienlandschaft sein mit spezifischeren Elektoraten und situativen und wechselnden Koalitionen.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Zur Frage, was das nun für die Sozialdemokratie bedeutet, sagt Silja Häusermann:

Es ist keine Option zu den 'neuen Grünen' zu werden

Also müssen sozialdemokratische Parteien auch keine Politik mehr für die Arbeiterklasse machen?

Nein, das sage ich nicht. Der Wandel bedeutet nicht, dass die inhaltlichen Interessen dieser Wählerschaft für die Sozialdemokratie nicht mehr wichtig wären. Eine inklusive Sozialpolitik auch für die heutige Arbeiterklasse zu machen, ist für die historische und heutige Identität der Sozialdemokratie wichtig, sogar dann, wenn ihnen die Arbeiter eine solche Politik nicht mit Wählerstimmen verdanken sollten. Auch die sozialdemokratischen Wähler und Wählerinnen der Mittelklasse erwarten eine solche starke und inklusive Sozialpolitik von ihrer Partei. Deshalb ist es für die Sozialdemokratie keine echte Option, einfach ganz auf Gesellschaftspolitik zu setzen und zu den neuen Grünen zu werden. Abgesehen davon, dass es die Grünen ja schon gibt, dass da also kein Vakuum zu füllen wäre.

Das ist die Herausforderung - aber vielleicht auch die Tragik der Sozialdemokratie. Wichtig ist aber, dass sie der neuen Realität ins Auge sieht.

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Nationalratskandidatur
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In meinen Augen hinken da ein paar Argumente. 1) Die Sozialdemokratie in der Schweiz ist und war immer mit der Anti-AKW-Bewegung und der Klima-Politik eng verbunden, ganz im Unterschied zu den Sozen in Deutschland, die sich traditionell davon abgegrenzt haben. 2) Dass die Arbeitsbedingungen und damit die sozialen Fragen sich verschoben haben, nehmen wir seit langem wahr. Und dann zu raten, es sei “keine echte Option, einfach ganz auf Gesellschaftspolitik zu setzen und zu den neuen Grünen zu werden” ist etwas daher geplappert. Denn die reale Herausforderung ist ja: eine Antwort auf die grüne Welle und ihre berechtigten Forderungen zu haben und das auch sozial- und gesellschaftspolitisch. Und da wird es die Sozialdemokratie mit all ihren Flügeln brauchen. Die Grünen sind nur ein, wenn auch ein wesentlicher, weil parlamentarischer, Teil der Bewegung.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Und zuletzt noch dies:

Was wäre denn erfolgversprechender aus Ihrer Sicht?

Wie gesagt sind die Wählerstimmen, die am liberal-universalistischen Pol gewonnen werden können zahlreicher, jünger und weiter wachsen. Deshalb wäre eine kommunitaristische Wende der Sozialdemokratie meines Erachtens ein strategischer Fehler. Die Sozialdemokratie muss gesellschaftspolitisch universalistisch sein, sonst verliert sie ihre größte Wählergruppe. Aber das ist keine rein numerische Frage, es geht ja auch um die Identität dieser Partei. Sozialdemokratische Parteien müssen sich treu bleiben, insofern sie ein parteipolitisches Angebot aufrechterhalten, das weiterhin stark mit ökonomischen und sozialpolitischen Themen mobilisiert. Das bedeutet aber nicht nur Rente, sondern vor allem auch Bildung, Pflege, Kinderbetreuung, Integration – Themen, die gerade den linken Mittelklassewählern besonders am Herz liegen. Aber auch mit so einem Programm gibt es wenig Grund, anzunehmen, dass diese Volksparteien auf ihre 40 Prozent zurückkommen können – auch, wenn das die Handelnden in den Parteien sicher nicht gern hören. Ich denke deshalb, dass sozialdemokratische Parteien heute eine andere Funktion haben werden als früher, die aber nicht weniger wichtig ist. Nämlich aus dieser inhaltlichen Position heraus mit 15 bis 25 oder vielleicht auch mal 30 Prozent Wähleranteil Mehrheiten zu schaffen für eine sozialpolitisch inklusive Politik.

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Etwas weiblicher, etwas jünger, etwas linker, etwas grüner, wird das neue Parlament. Keine Verwerfung in der Langzeitsicht. Entscheidend ist was das Parlament in den wichtigen Fragen zu leisten mag. Und das sprechen wir nicht vom Klimaschutz, wo der Hebel der Schweiz äusserst klein ist (0,1% CO2-Weltanteil). Es geht um die Klärung mit der EU zum Rahmenvertrag, Eindämmung und Senkung der Gesundheitskosten, Sicherung der Altersvorsorge, Migration steuern, usw. Was hier entschieden werden wird, beeinflusst die Wahlen in 4 Jahren.

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Lieber M. L.
Angesichts der Zahlen wird es nicht helfen, den Erfolg der Frauen und der Linken kleinzuschreiben. Lesen Sie besser noch mal den Kommentar von Binswanger, den ich in allen Teilen für richtig halte. Abgesehen von der Migrationsfrage - die mit dem Dämpfer für die SVP doch einiges an Relevanz verloren hat - bin ich jedoch mit ihren Prioritäten einverstanden. Dass die Klimakrise zuoberst auf der Traktandenliste steht, können Sie zwar wegwünschen - aber Ihre Sicht ist diesbezüglich schlicht realitätsfremd. Und all diese politischen Auseinandersetzungen werden in einem Parlament entschieden, wo die SVP zwar die stärkste Partei bleibt, jedoch angesichts ihrer Trump-Positionen isolierter da steht als je zuvor.
Die Schweiz war das erste europäische Land, welches unter starken Einfluss der Rechtspopulisten kam. Möge es das erste sein, das diese menschenverachtende Politik wieder entsorgt!

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dieses 0.1% argument ist augenwischerei. wieviele grosskonzerne haben ihren sitz in der schweiz, und sind für den hauptteil des ausstosses global verantwortlich. und genau da drückt bei mir auch der schuh. mich stört es ja nicht, wenn das benzin teurer wird, ich hab ja nicht mal einen führerschein. wir müssen aufpassen, dass es nicht oben so weitergeht wie bisher und gleichzeitig (svp-rhetorik) den mittelstand schröpfen. wir brauchen einen systemwandel der radikaler ist als eine flugsteuer, benzinpreiserhöhung und weitere solche hebel.

des weiteren stimme ich ihnen aber zu, es liegt jetzt an den mitte links parteien eine humanistische, sozial nachhaltige und vor allem ermutigende politik zu betreiben.

und an den grünen insbesondere liegt es zu beweisen, dass sie es besser machen als die grünen in deutschland, weil deren öko-politik ist beschämend.

wir brauchen leute die uns mut machen, und freude an der zukunft und das halten, so gut es eben geht, was sie versprechen.

viva

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Wenn man die externen Effekte der Schweiz auf CO2 nimmt, dann sind das ca. 0,3% des weltweiten Ausstosses. Auch hier ist der Hebel klein. Das heisst nicht dass man nicht daran arbeiten soll, nur soll man dabei realistisch bleiben. So kann die CH das Weltklima nur marginal beeinflussen. Verbessert sich die Schweiz um 20%, dann sind das gerade mal 0,08%. Wenn z.B. Deutschland das macht (10x mehr Einwohner bei 20x mehr CO2 als CH) dann wird der 4-Fache Gesamtausstoss der CH beeinflusst. Also wenn man beim links-grün-Rutsch in der CH von einer „Klimawahl“ spricht, sollte man das ganze Bild nicht aus den Augen lassen. Das entbindet die CH nicht etwas zu tun. Doch sollte man die Regierungsressourcen auch auf andere wichtige Themen lenken.

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Grün-Grün
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So sehr ich Smartvote auch schätze und auch Ihre Kommentare, hier haben Sie nicht ganz recht. Erstens sprechen fast alle Medien von Linksrutsch (selbst Lukas Golder und Urs Leuthard haben sich im Verlauf des Sonntags dann anders geäussert) und zweitens ist es wirklich nicht ganz ein Linksrutsch.
Was Sie vergessen: Auch das beste Tool kann nicht alles abbilden. Und das sind Schwerpunkte und wie wichtig den einzelnen Politikern verschiedene Themen sind, wieviel Energie Sie reinstecken und wie gut sie sich auskennen bei einem Thema, wieviel Bewusstsein es für ein Thema gibt. Während andere Linke ihre Schwerpunkte oft mehr sozial gelagert haben, in verschiedenen Bereichen, haben einige Grüne eher andere Schwerpunkte und das Bewusstsein sowie das Engagement für diese sozialen Fragen sind nicht immer vorhanden bzw. nicht in gleichem Masse wie bei anderen Linken.
Natürlich gibt es auch andere Grüne, die sich nicht gross von anderen Linken unterscheiden und äusserst engagiert sind bei sozialen Fragen. Aber nicht alle Grünen sind bewusst links in allen Bereichen.
Kommt hinzu, dass die Linke ohne Mitte gar nichts machen kann. Die Parteien links haben zudem nicht diesen grossen Fraktionszwang, welchen die SVP an den Tag legt.

Wirklich bestimmend wird sein, dass der neue Nationalrat bzw das neue Parlament wesentlich grüner und weiblicher (von 32% auf über 40%!) ist.

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