Die Republik ist nur so stark wie ihre Community. Werden Sie ein Teil davon und lassen Sie uns miteinander reden. Kommen Sie jetzt an Bord!

DatenschutzFAQErste-Hilfe-Team: kontakt@republik.ch.



Fachperson an diversen Schulen
·

Heute werde auch ich einmal anonym schreiben und die Erklärung dazu vorab. Ich möchte damit nicht mich, sondern meine diversen Arbeitsorte, an welchen ich gearbeitet habe oder noch arbeite, schützen.

Seit Jahren arbeite ich ambulant und integrativ, aber auch selbständig im Auftrag mit Kindern und Jugendlichen mit sehr speziellem schulischem Bedarf in meiner Praxis und in verschiedenen Schulhäusern: Autismus, ADHS, schwere Sprachstörungen, Dyskalkulie etc. und stehe dabei stets im Brennpunkt zwischen Eltern, Schülern, Lehrpersonen, Psychologen, Sozialarbeitern, Schulleitern, Ärzten etc.
Täglich erlebe ich hautnah mit, wie schwer es diese Kinder und Jugendlichen haben, wenn sie einfach nicht so funktionieren können, wie man es von ihnen erwartet. Die im Artikel nur am Rande erwähnte Defizitorientierung erlebe ich ebenfalls täglich, Beschämungen sind an der Tagesordnung, Ungeduld, die Weigerung die Methodik/Didaktik entsprechend fachlicher Unterstützung anzupassen (Begründung der Lehrpersonen: «ich habe noch 20 andere Schüler»), bis hin zu einer, vor Jahren sehr konkret an mich gerichteten Äusserung: «arbeite nicht mehr mit diesem Schüler – es braucht noch einen Vorfall, dann bin ich ihn los.» … oder der Dauerbrenner in Lehrerzimmern: «jetzt gibt es wieder eine neue Modediagnose, nach ADHS jetzt Asperger…»
Ich muss an Elterngesprächen teilnehmen, an welchen diese Eltern vom ersten Satz an erfahren, dass es mit ihren Kindern einfach nicht geht… Es fragt jedoch niemand nach, was denn überhaupt an individuellen Anpassungen versucht wurde…

Daneben erlebe ich ebenfalls täglich Lehrpersonen, die am Rande der Überforderung tatsächlich keine Energie mehr aufbringen können, diese zusätzlichen Herausforderungen und die zunehmenden Anforderungen der Gesellschaft an die Schule zu meistern… Schliesslich wurde die gesamte Integration einmal propagiert, sie werde «kostenneutral» umgesetzt, was schon so pädagogisch sinnvoll nicht machbar wäre. Tatsache ist jedoch, dass mit jeder strukturellen Veränderung in den letzten Jahren massive Sparmassnahmen realisiert wurden. Zuerst hiess es kleine Klassen dafür Integration mit heilpädagogischer Unterstützung (um das Jahr 2000) danach wurden wieder Klassen zusammengelegt und danach die heilpädagogische Unterstützung massiv gekürzt…
In meinem Kanton passiert nun auf diesen Sommer das gleiche mit der zusätzlichen externen logopädischen Unterstützung, was wieder vor allem die Regellehrpersonen werden auffangen müssen…
Es erstaunt mich immer weniger, dass so viele junge engagierte Lehrpersonen wenige Jahre nach der Ausbildung wieder aussteigen. Da wird es auch nichts nützen, wenn mehr in die Ausbildung investiert wird.

Sicher ist es nicht in jeder Schule und in jeder Klasse so extrem. Sicher ist mein Blickwinkel geprägt von meinem Auftrag in diesem System. Statt jedoch die gesamte Situation in unseren Schulen (unserer Gesellschaft) immer wieder schön zu reden, wäre es angebracht einmal über folgende Fragen nachzudenken:

Was geht in unserer Gesellschaft (die Schule ist ein Teil und ein Abbild davon) vor, dass immer mehr Kinder, Jugendliche, Erwachsene daran zerbrechen? Wie viele Lehrpersonen sind ebenfalls in Kliniken oder psychiatrischer Behandlung? Warum sind alle psychologischen und psychiatrischen Angebote an der Kapazitätsgrenze?

Klar braucht es unbedingt mehr davon (dann hätte vielleicht auch jemand Zeit gehabt dieser Mutter die Angst vor den Medikamenten zu nehmen) – aber ist das die Lösung oder nur Symptombekämpfung einer überforderten, (gestörten?) gesellschaftlichen Entwicklung?

Immerhin erlebe ich die strukturellen Veränderungen in meiner Arbeit, die gesellschaftliche Entwicklung und die Zunahme an psychischer Überlastung sowohl bei Kindern/Jugendlichen wie auch bei den betreuenden Fachpersonen und Eltern seit 41 Jahren von verschiedenen Seiten aus mit. Corona hat hier nur eine sich längst abzeichnende Entwicklung verschärft und endlich ans Licht geholt.

102
/
1
ASS-Diagnostiziert
·
· editiert

Autismus, ADHS, schwere Sprachstörungen, Dyskalkulie etc. und stehe dabei stets im Brennpunkt zwischen Eltern, Schülern, Lehrpersonen, Psychologen, Sozialarbeitern, Schulleitern, Ärzten etc.
Täglich erlebe ich hautnah mit, wie schwer es diese Kinder und Jugendlichen haben, wenn sie einfach nicht so funktionieren können, wie man es von ihnen erwartet. Die im Artikel nur am Rande erwähnte Defizitorientierung erlebe ich ebenfalls täglich, Beschämungen sind an der Tagesordnung, Ungeduld, die Weigerung die Methodik/Didaktik entsprechend fachlicher Unterstützung anzupassen (Begründung der Lehrpersonen: «ich habe noch 20 andere Schüler»), bis hin zu einer, vor Jahren sehr konkret an mich gerichteten Äusserung: «arbeite nicht mehr mit diesem Schüler – es braucht noch einen Vorfall, dann bin ich ihn los.» … oder der Dauerbrenner in Lehrerzimmern: «jetzt gibt es wieder eine neue Modediagnose, nach ADHS jetzt Asperger…»
Ich muss an Elterngesprächen teilnehmen, an welchen diese Eltern vom ersten Satz an erfahren, dass es mit ihren Kindern einfach nicht geht… Es fragt jedoch niemand nach, was denn überhaupt an individuellen Anpassungen versucht wurde…

Das ist das Gesamtpaket, warum erwachsene Diagnostizierte (gleich welche Diagnose) immer häufiger auf verschiedene Weise darauf hinweisen, dass doch bitte ihre Erfahrung abgefragt wird. Ich bin (spätdiagnostizierte) Autistin und engagiere mich auf unterschiedlichen Wegen dafür, dass der Blick weggeht von der defizitorientierten Sichtweise und der Überzeugung "alle müssen gleich funktionieren". Den grössten Aha-Effekt habe ich erlebt, als ich als "Übersetzerin" zu einer Therapiesitzung dazugebeten wurde, weil die Therapeutin mit ihrem Versuch des Empowerments an Grenzen stiess, weil sie selber eben keine Autistin war. (Ich selber hatte schlicht Glück mit meinem Leben und das heisst nicht, dass es für mich oder mein Umfeld einfach war; eher im Gegenteil.)

Aufgabe der Politik und des Staates müsste es sein, Strukturen zu schaffen, in denen alle Menschen bestmöglich unterstützt werden ihren Platz im Leben zu finden. D.h. genügend Menschen ausbilden, genügend Förderung und Begleitung schon im Kindesalter, genügend Therapieplätze usw. usf.

Unser aller Aufgabe sollte es sein, wegzukommen von der Vorstellung, dass alle gleich funktionieren müssen, dass nur eine bestimmte Art von Leistung gesellschaftlich anerkennenswert ist, dass anders-sein etwas defizitäres, falsches oder störendes ist.

Edit: Hervorhebung und Grammatik

25
/
0
Fachperson an diversen Schulen
·

Danke für Ihren Beitrag! Ich versuche seit Jahren in diese Richtung zu arbeiten. Sehr oft heisst dies jedoch ein Schritt vor und (zu oft strukturell bedingt) zwei zurück…
Es liegt mir fern (wie auch zum Teil verklärend geäussert) ganz gleich welche Diagnosen als «Chance» zu sehen. Das würde den Leiden der Betroffenen nicht im mindesten gerecht werden. Aber manchmal frage ich mich, ob wir nicht das Anders-sein oder Anders-denken brauchen könnten, um aus diversen verfahrenen Situationen und gesellschaftlichen Sackgassen, vor denen wir stehen und die wir neurotypisch und «undiagnostiziert» Denkenden zu verantworten haben, Wege zu finden: im Kleinen wie Sie als Übersetzerin, aber vielleicht sogar auch gesellschaftlich gesehen. …und vielleicht auch schon nur, indem sich das eigene Verhalten, Denken, Menschenbild und Zusammenleben verändert, wenn wir uns auf Diversität von Menschen einlassen und sie wirklich integrieren lernen.

15
/
0
· editiert

Vielen Dank für diesen Input. Die Früherkennung von ASS und ADHS spielt gemäss Forschung und Fachpersonen eine grosse Rolle in der Vermeidung von Leid und Folgeerkrankungen. Für die Republik habe ich Sara Jonah Utopia begleitet begleitet. Sara gab mir dabei einen Einblick in das Leben mit ASS und wie wichtig es gewesen wäre, dieses früher zu erkennen: https://www.republik.ch/2021/06/22/…st-traurig

2
/
0
· editiert

Ich schreibe heute auch anonym, da es um meinen Sohn geht. Ich sitze gerade versteckt hinter dem Sofa und weine. Mein Sohn hatte vorhin gerade einen Wutanfall, da heute ein Impftermin gewesen wäre und er bereits komplett unter Druck steht da zwei Lektionen Mathe auf ihn warten. Er ist seit Februar 2022 ASS diagnostiziert, welches die zweite Abklärung war. Beim Gespräch erfuhren wir, dass bei der ersten Abklärung frühkindlicher Autismus diagnostiziert wurde, aber der leitende Facharzt die Diagnose ungelesen unterschrieben hatte. Die erste Abklärung war vor 10 Jahren.
Heute geht mein Sohn in die 2. Sek. Die Lehrer wissen ebenfalls das mein Sohn ASS hat, aber wirklich interessieren tut es sie nicht.
Ich schreibe diese Sätze, weil ich einfach an einen Punkt angekommen bin, wo ich nicht mehr kann. Mittlerweile können wir einmal im Monat zur Psychologin- doch bei jeder Hinfahrt werde ich aufs übelste von meinem Sohn beschimpft. Ich weiss, er kann nichts dafür… ich weiss er muss zur Psychologin und bald auch zur Ergo.. ich weiss, es ist wichtig für seine Zukunft. Ich weiss, dass ich weiterhin stark sein muss. Aber ich weiss nicht mehr wie. Wenn vor 10 Jahre all ihren Job richtig gemacht hätten, würde es meinem Sohn wahrscheinlich besser gehen, und ich würde mich nicht zum weinen verstecken mûssen. Nun stehe ich 10 Jahre später da, und weine über all die Fehler die ich gemacht habe, über die Ängste meines Sohnes über seine Mutlosigkeit, über sein fehlendes Selbstvertrauen, über seine Wutausbrüche und über all die verpassten Chancen welche wur uns erhofften, als wir in den vergangenen 10 Jahre um Hilfe baten.

5
/
0
Fachperson an diversen Schulen
·
· editiert

Liebe:r Anonym
Es ist schade, dass Sie Ihren Beitrag wieder zurückgezogen haben, erstaunt mich jedoch nicht. Solche Verzweiflung begegnet mir zu oft in meiner Arbeit. Es löst auch bei mir immer wieder ein Gefühl von Ohnmacht und Trauer aus. Jeder Franken, der in jungen Jahren therapeutisch oder in schulischer Unterstützung bei Kindern mit Beeinträchtigungen (nicht nur, aber vor allem auch bei ASS) und deren Eltern gespart wird, verschärft das Problem/das Elend von Betroffenen und kostet später die Gesellschaft ein Vielfaches und das nicht nur finanziell...
Ganz abgesehen von allen betroffenen Eltern, die ihrerseits dabei vor lauter Schuldgefühlen, Überforderung und Hilflosigkeit auf der Suche nach Unterstützung von einer Odyssee durch die Institutionen in die nächste schlittern und dabei längstens jede eigene Kraft und Energie aufbrauchen.

15
/
0

Liebe Anonym 8,
Danke für Ihren berührenden Beitrag und dafür, dass Sie Ihre Erfahrungen mit uns teilen. Als unser Sohn vor 3 Jahren mit 11 in eine Angststörung rutschte, blieb mir oft auch nichts anderes übrig als mit ihm zu weinen, wenn alles unterstützende Reden nichts mehr half um ihn zu beruhigen. Einer der schlimmsten Momente war, als ich am Morgen mein weinendes Kind, welches Angst hatte in die Schule zu gehen, vor die Haustüre schieben und die Türe hinter ihm abschliessen musste. Ich durfte ihn nicht daheim lassen, er wäre sonst nie mehr zur Schule gegangen. Es war daS. R.ichtige, aber es bricht einem das Herz. Wir haben die Krise zum Glück überstanden und auch schnell Hilfe einer Psychologin erhalten und heute geht es unserem Sohn gut. Wobei ich weiss, dass er ein Leben lang anfällig dafür sein wird und Rückfälle nicht ausgeschlossen sind. Was ich aber immer getan habe: offen über unsere Probleme geredet. Psychische Krankheiten sind nichts, vor dem man sich schämen muss. Darüber reden hilft und es erleichtert die Bürde, wenn man diese nicht auch noch verstecken muss.
Ich wünsche euch alles Gute!

4
/
1
Bewohnerin Absurdistans
·

Vielen Dank für ihren sehr aufschlussreichen Beitrag.

Wenn sie nicht so funktionieren können, wie man es von ihnen erwartet...

Warum wird es dann von ihnen erwartet? Die Normwerte, die immer enger gesetzt werden machen immer mehr Menschen krank, weil immer mehr Menschen nicht in die immer enger gesteckte Norm passen. Kommt das Dilemma mit den sozialen Medien dazu, in denen die heranwachsende Generation bestehen muss (Facebook und Co). Der allgegenwärtige Konsumterror. Der allgegenwärtige Leistungsdruck. Die drohenden Naturkatastrophen (Artensterben, Klimawandel, Zerstörung der Lebensgrundlagen) hängen wie ein düsterer Schatten über allem. Eltern die selber mit dem Leben überfordert sind. Nahrung die immer ungesunder wird. Wir sind immer weiter weg von Elementarem wie Nahrung anbauen, etwas mit den eigenen Händen schaffen. Das ziehen wir uns zunehmend nur noch auf die eine oder andere Art via PC rein. Wir sind mittlerweile regelrecht denaturalisiert. Es geht eigentlich nur noch bergab und schon lange nicht mehr bergauf.
Wie soll man da "normal" bleiben. Wobei man den Begriff normal auch mal wieder überdenken könnte. Es ist eher nicht normal, den ganzen Irrsinn normal zu finden...
Aber wie immer betreibt man lieber Pflästerlipolitik und Symptombekämpfung anstatt die Ursachen anzugehen.

12
/
0
Fachperson an diversen Schulen
·

«Und welche Macke hast du? Zu laut, zu schüchtern, zu zappelig, zu begabt. Verunsicherte Eltern und wohlmeinende Lehrkräfte therapieren eine ganze Art weg: Das «normale» Kind stirbt aus.» (Bereits vor Jahren eine eindrückliche Überschrift und Lead eines Artikels aus "wir eltern")
«Trend zur Konformität/Defizite ausradieren/Immer mehr Volksschüler scheinen nicht mehr so in Ordnung zu sein, wie sie sind.» Unter diesen Titeln werden im gleichen Artikel Aussagen von Remo Largo und Andrea Lanfranchi zitiert. U.a. auch: «eine falsch verstandene Therapie kann das Defektbewusstsein verstärken.(Remo Largo)» Also zuviel oder zu wenig Therapie? Wahrscheinlich treffen beide Extreme zu.

Eine Studie aus dem Schuljahr 2008/09 zeigte, dass im Kanton Zürich bereits in der Primarschule auf 100 Kinder 46 sonderpädagogische Massnahmen gefallen sind – abgeklärt wurden wahrscheinlich noch mehr. Wie die Zahlen heute genau sind, weiss ich nicht, aber im Schnitt kann davon ausgegangen werden, dass nach wie vor jedes zweite Kindergarten- und Schulkind in irgendeiner Form abgeklärt und sonderpädagogisch betreut wird.
Das sollte uns zu denken geben…

9
/
0

Sie sprechen aus meiner Sicht einen wichtigen Punkt an: die Entwicklung der schulischen "Versorgung" zeigt in der Schweiz in eine ganz ähnliche Richtung wie dies bei der gesundheitlichen Versorgung (wie im Artikel beschrieben) der Fall ist. Fachkräfte fehlen an allen Ecken und Enden, der Sonderschulbedarf steigt während die Institutionen gleich "gross" bleiben, ergo gibt es zu wenig Schulplätze in Sonderschulen usw. Das Wohlergehen unserer Kinder beschränkt sich nicht nur auf die Gesundheit. Ein umfassender Blick muss auch die Schulbildung miteinbeziehen, ist diese doch für die psychische Gesundheit unserer Kinder mitverantwortlich.

11
/
0
Betroffene Mutter
·

Als Mutter eines Kinds mit ADHS-Diagnose erschüttert mich dieser Beitrag sehr - auch wenn mir viele Misstände wie z.B. die Wartezeiten für Abklärungen und Therapien schon bekannt waren. Ein Schlüsselsatz im Beitrag ist für mich "Wir verzichteten auf Medikation aus Angst vor Nebenwirkungen". Das ist natürlich eine persönliche Entscheidung, und doch frage ich mich, ob da nicht noch ein anderer Faktor hereingespielt hat: Das Stigma rund um die ADHS-Medikation erlebe ich noch heute als erheblich. Kaum ein Elternteil wird leichtfertig Medikamente einsetzen, bis das schon nur in Erwägung gezogen wird, geht oft ein langer Leidensweg voraus. Und doch ist beispielhaft, was ich mir von einer Lehrperson anhören musste, als wir uns überlegten, ob unserem Kind Medikamente helfen könnten: "Ah nein, an dem Punkt sind wir noch nicht. Und es lässt sich ja auch viel mit der richtigen Ernährung erreichen". Wir haben uns dann zum Glück doch dafür entschieden und unserem Kind geht es jetzt deutlich besser. Es gibt noch viel zu tun in der Aufklärung über psychische Erkrankungen, sowohl in der Öffentlichkeit wie auch bei Fachpersonen. Danke für diesen Beitrag dazu.

67
/
0
Softwareentwicker
·

Absolut: das Stigma ist eine Tatsache, mein jüngerer Bruder hat das hautnah erleben dürfen...

Aber sie beschreiben eS. R.ichtig: die Medikamente helfen ab einem gewissen Punkt ungemein gut.

Noch zu den sog. Nebenwirkungen: ich kann nicht für alle Leute sprechen, aber nach meiner persönlichen Erfahrung und was ich in meinem Bekanntenkreis von ADHS-Betroffenen so höre sind die Nebenwirkungen vielfach lapalienhaft (leicht tockener Mund was sich mit Täfeli problemlos gegensteuern lässt, bzw. irgendwann kaum mehr auffällt, leicht erhöhter Blutdruck, vor allem bei "schwereren" Fällen) und stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen, bzw. dem Leid das sie lindern.

36
/
0
Softwareentwicker
·
· editiert

Danke für diesen Beitrag: es zeigt sich einmal mehr überdeutlich wie das kurzfristige Denken von vielen politischen Entscheidungen unnötiges Leid verursacht. Die Fallpauschale ist, das zeigt die Praxis und das berichten auch alle Leute in meinem Umfeld, in vielen Fällen ein Fehlkonstrukt, das mehr Probleme verursacht als es löst!

Mir geht als persönlich selbst ADHS Betroffener diese Geschichte einmal mehr unter die Haut: es bestätigt meinen Verdacht, dass ich wohl nur durch pures Glück an einer ebensolchen Erfahrung wie diese junge Frau vorbeigeschramt bin: mein Umfeld war stark und flexibel genug, meine Eigenheiten zu ertragen, bzw. zu kompensieren, bis ich auf eigenen Beinen stehen konnte: Hilfe erhielt ich von offizieller Seite (z.B. Schule) keine; eher das Gegenteil: da wurde pauschalisiert, abgewiegelt, verharmlost. Meist wurde sogar mit dem Finger auf mich gezeigt ich sei selber schuld, hätte es selber provoziert, etc.

Ich zeigte schon früh die für ADHS typische Tendenzen und Symptome, dass z.B. wenn mich etwas interessiert, ich meine ganze Energie darauf verwenden kann und so oftmals innert vergleichsweise kurzer Zeit eine Fachkompetenz in einem Bereich erreichen kann, die sich mit den besten messen kann; ja teilweise im erweiterten Umfeld unerreicht bleibt - andererseits kenne ich auch den Leistungsabfall, bzw. die komplette Stagnation, wenn mich etwas langweilt, bzw. ich das Interesse verliere. Wie oft habe ich den unendlich schmerzvollen und nachweislich kreuzfalschen Satz gehört: "... wenn er will kann er ja, er muss sich nur anstrengen..."

All diese LehrerInnen würde ich heute am liebsten den Kopf schütteln und sagen: ADHS ist eine Aufmerksamkeit-Lenkungsstörung, es liegt bei stark betroffenen Personen nachweislich schlicht nicht in ihrer neurologischen Macht, dies durch reine Willenskraft zu tun: sie müssen erst lernen durch mentale Tricks und Kniffe und mit Hilfe von Methylphenidad (Ritalin o. Ä.) zu funktionieren wie ein neurotypischer Mensch.

Ich wurde erst mit 33 Jahren als von ADHS betroffener diagnostiziert, obwohl ich bereits seit meiner Kindheit überdeutliche und sehr klassische Symptome zeige: ich ging daher den für ADHS-Betroffene typischen Leidensweg des Mobbings und der Agression, Suchtmittelmissbrauch, Essstörung, Depressionen, Selbsthass, Schulwechsel, ständig schwankende Schulleistungen, etc.
Mein befähigendes Umfeld und zu einem gewissen Grad sicherlich auch meine eigene Sturheit, mich nicht unterkriegen zu lassen, ermöglichten mir dennoch nach einer langen Odyssee und viel Schweiss, Tränen, Enttäuschung und erneutem Kampfeswille ("denen Zeige ich es") eine sehr gute Ausbildung und einen nach vielen Zwischenstationen nun erfüllenden Job. Der Weg dorthin war jedoch in meinen Augen unnötig steinig, die Stigmatisierung gerade in den prägensten Jahren enorm hart und hallt bis heute nach...

Ich will nicht zu sehr hadern, gerade dieser Artikel zeigt: vielen geht es deutlich schlechter als mir, viele hatten nicht so viel Glück wie ich - ich bin mir dessen sehr bewusst!!

Allerdings muss ich festhalten, dass eine frühzeitige Diagnose und die inzwischen gut wirkenden Medikamente (die ich täglich einnehme um gewisse Effekte wie das ständige abgelenkt sein, das Vergessen und meine Impulsivität unter Kontrolle zu halten) mir viel Leid, Frust und Dehmütigung in meiner Schulzeit und auch in meiner frühen Berufslaufbahn erspart hätten, weil ich nicht ständig an den einfachsten Dingen gescheitert wäre und mit unsäglichem Mehraufwand diese Defizite hätte kompensieren müssen.

57
/
0
ADHSlerin
·

Danke für diesen Beitrag! Ich erhielt meine Diagnose letztes Jahr, nachdem ich als Mutter zweier Kleinkinder immer mehr überfordert war. Mir scheint, ich sei durch viele glückliche Zufälle (mir wohlgesinntes Umfeld, natürliches Interesse an vielen Schulfächern, Hyperaktivität die sich v.a. durch viel Sprechen äusserte, perfekte Berufswahl: Dolmetscherin, viel Sport treiben (gibt den Neurotransmittern Vorschub)) Schlimmerem entgangen. Gerade bei Mädchen und Frauen bleibt ADHS nach wie vor lange unerkannt, weil wir uns tendenziell anpassen und gelernt haben, unsere "Defizite" (ich nenne sie lieber Differenzen) zu verstecken.
Mittlerweile hilft mir eine Mischung aus Supportgruppen, Therapie, Medikation und viele kleine "Hacks"/ Techniken für den Alltag, die für mein Hirn funktionieren, auch wenn sie Neurotypischen Menschen ev. seltsam erscheinen.

23
/
0
Grossvater Alfred
·

Danke und Respekt für Ihren Kommentar der hoffentlich ein Echo findet.

6
/
0
ASS-Diagnostiziert
·
· editiert

Danke für's Erzählen. Erkenne vieles wieder, wenngleich andere Diagnose.

4
/
0

Aus meiner ärztlichen Erfahrung möchte ich zu diesem wichtigen und eindrücklichen Bericht folgendes bemerken:
Vorausschauendes Denken und Handeln, Prävention, ist offensichtlich keine Stärke unserer Politik. Genau so wie das Problem der psychiatrischen Unterversorgung seit Jahren bekannt ist, haben wir Grundversorger seit vielen Jahren immer wieder auf den sich abzeichnenden HausärztInnenmangel hingewiesen. Gehandelt wurde zu spät und zu wenig. Die Folgen spüren wir jetzt.
Dazu kommt, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Härte und Stärke immer noch weit verbreitete Ideale sind (und auch politisch propagiert werden) und in der Schwäche und Krankheit, besonders aber auch psychische Erkrankungen, immer noch sehr stigmatisiert werden und den versteckten Vorwurf der Selbstverschuldung nie ganz loswerden können. Es kommt nicht von ungefähr, dass PsychiaterInnen im Ansehen und in der Lohnskala weit unten stehen, was sicher ein zusätzlicher Faktor ist, warum wir zu wenig Fachleute auf diesem Gebiet haben.
Mit diesem Nicht-Handeln oder Zu-spät-Handeln handeln wir uns sehr viel Leid ein und generieren langfristig auch enorme finanzielle und soziale Kosten, die wir uns mit einer vernünftigen Prävention einsparen könnten.

55
/
3

Vielen Dank für diesen Kommentar, Herr Kienholz. Sie sprechen in Bezug auf die Stigmatisierung einen wichtigen Punkt an - die Annahme, dass man, wenn man nur genug stark ist und genug will, eine psychische Krankheit ohne professionelle Hilfe überwinden kann, scheint immer noch weit verbreitet.

17
/
0
Grossvater Alfred
·

Wie ich mich erinnere ist Stigmatisierung als ich in den 50-60er Jahren ein Thema wir Kinder wussten alle wenn du mit dem gelben Wägelein abgeholt wirst etwas spezielles ist.
An eine aufklärende Thematisierung war nicht zu denken und so denke ich ist das Thema von klein auf in unseren Köpfen geblieben und zu einem Stigma stilisiert worden.

Damit sind im Heute, dem vorausschauenden Denken und Präventionen die von vielen als Eingriff in die persönliche Freiheit oder in die freie Marktwirtschaft empfunden wird. Sei es bei Prävention bei Tabakwerbung, Verkehrssicherheit, Arbeitssicherheit, Gesundheitsvorsorge, Alkoholwerbung usw.
Damit ich nicht als Fundi abgetan werde, ich habe geraucht, viele der präventiven Vorschriften als Schikane empfunden bis mir die Einsicht kam, dass es hier nicht um Kontrolle sondern um Prävention von Schäden geht.
Und mit der grössten staatlichen unterstützen Droge dem Alkohol wie z. B. der Wein der als Livestyle Produkt mit Millionen Budgets beworben wird, arrangiere ich mich mit einem gelegentlichen Glas Wein, bewusst zu Genuss.
Es ist ja nicht verboten etwas schlauer zu werden:-)
Wünsche noch ein schöner Tag.

2
/
0

Alles gut und recht, es braucht mehr auf Jugendliche zugeschnittenen Therapieplätze. IN dieser Geschichte stimmt mich aber etwas ein wenig ärgerlich: Gen az am Anfang "lehnte die Mutter Medikamente ab, wegen Angst vor Nebenwirkungen".
Das war angesichts der immensen "Hautpwirkungen" die folgten, nicht verhältnismässig! Leider treffen wir das immer noch bei fast der Hälfte der Eltern so an, dass sie den Medikamente die ADHS stabilisieren helfen, nicht trauen. Es nicht einmal zu versuchen bereit sind. Es interpretieren, alswolle man das Kind/die Jugendliche einfach "Ruhig stellen".
Auch im "Volksmund" kommt das immer noch sofort, sogar bei Lehrpersonen. Dabei geht es um eine manchmal massive Stoffwechselstörung, die oft gar nicht anders in Bahnen gelenkt werden kann. Hinzu kommt natürlich ambulante therapeutische Begleitung und enge ärztliche Kontrolle. Es gibt aber fast bei jedem Kind, mit dem ich zu tunhabe und das ihm angepasste Medis nimmt, eine sehr erstaunliche positive Wirkung! Ein ganzer Rattenschwanz von negativen Folgen, die ohne Medis fast sicher entstehen, entfällt!!
Es ist immer noch massives Unwissen vorhanden! Es ist also sehr gut möglich, dass hier gar nie ein stationärer Therapieplatz nötig geworden wäre. Auch nicht aufgrund belastender Umstände wie die Pandemieeinschränkungen.

43
/
0
ASS-Diagnostiziert
·
· editiert

Aus eigener Erfahrung im familiären Kontext und Kolleg:innenkreis weiss ich, wie umfassend entlastend Medikation im Fall von AD(H)S sein kann. Zudem wird z.B. Ritalin nicht leichtfertig verschrieben. Eine gewisse Skepsis in allen Ehren, ein genaues Verstehen-wollen ist berechtigt, aber die grosse Abwehr ist mir unbegreiflich.

(Hannes Zbinden beschreibt es aus Betroffenensicht weiter unten sehr gut.)

Edit: Rechtschreibung und Rolle angepasst

19
/
0
Leserin
·
· editiert

Liebe Frauen, Professor Herzka legte uns als Studentinnen in Zürich noch vor knapp dreissig Jahren ans Herz, dass man Jugendliche unter 15 bis 17 Jahren nie auf eine Diagnose festnageln sollte. Die Jungen, so meinte er, seien in der Entwicklung, das sei natürlich und nicht krank. Herzkas Meinung zu diesem Artikel und den heutigen Zuständen in der Psychiatrie würde mich interessieren, aber er ist vor Kurzem gestorben.

In den letzten Jahren begegne ich in meiner Arbeit als interkulturelle Mediatorin in wachsender Quote Latino-Familien, deren Kinder psychiatriert und schnell diagnostiziert werden, weil sie die Balance-Kriterien des Schweizer Schulpersonals nicht erfüllen und mitunter von ihren Mitschülerinnen ausgegrenzt werden, was ihre Symptome verstärkt. Hier wird mir also zusätzlich noch ein interkultureller Konflikt präsentiert.

Zur Physiologie: Wenn AD(H)S sich in dieser Zeit als Stoffwechselstörung in der jungen Bevölkerung immer mehr in solcher Dimension ausbreitet, wie beispielsweise Diabetes in der Gesamtbevölkerung, dann entsteht bei mir der Eindruck, dass das Schwergewicht auf der Erforschung und Optimierung der Lebensweise, Familienkultur, Ernährung und widrigen Umwelteinflüsse liegen muss.

Ich sehe wie angesichts von sich weiter verbreitenden Depressionen, Panikattacken etc. das Schwergewicht immer weiter auf die individuelle medikamentöse Behandlung gelegt wird, statt auf die Gesellschaftstherapie. In diesem Lichte verstehe ich die grosse Abwehr unter denen, die die Medikation aus Liebe zum Kind vermeiden. Es ist vielleicht für viele schon zu spät, das Vertrauen in Medikamente wieder herzustellen, denn Medikamentenmissbrauch gibt es schon seit Jahrzehnten und auch bei Ärzten. Das Misstrauen gegen Medikamente haben wir allenthalben und schon lange, siehe die wachsende Ausbreitung von alternativ-medizinischen Praxen, siehe die hektische Impfkampagne angesichts Covid 19, siehe Impfgegnerschaft überhaupt.

Der Artikel gibt mir zur Kenntnis, dass die Behandlungsmöglichkeiten nicht ausreichen, in einem reichen Land, wo Rüstungsausgaben, Kunsthauserweiterung und Strassenbau vor Kindergesundheit kommen. Noch mehr niederschmetternd ist, dass diese Missverhältnisse über Jahrzehnte entstanden sind. Der Autorin ist zu danken. Aber wann wird sich etwas ändern?

Wir kommen vor lauter Notmassnahmen und Baustellen in der Volksmedizin nicht dazu, an die Wurzeln zu gehen, und die Entscheidungsträger sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Urteilsfreudig machen Diagnostiker Störungen bei schwachen Minderheiten aus, dabei ist es ja die Gesellschaft, die krank ist, und zahllose „Gestörte“ und Aussteiger gehen uns verloren, weil die Krankheit der Gesellschaft von den meisten Entscheidungsträgern vergessen oder geleugnet werden muss.

11
/
4
· editiert

Ich arbeite selbst in einer psychiatrischen Klinik (Erwachsene) . Man muss sich vor Augen halten das das ganze System auf Gewinnorientierung ausgelegt ist wie leider überall. Fallpauschale bedeutet hier dass pro Tag ein gewisser Betrag abgerechnet wird. Hier entsteht natürlich die Möglichkeit zu sparen. Konkret als Beispiel heisst das: Ein Pat. hat wenn es gut kommt vielleicht täglich 30min mit einer Pflegeperson, 1x 30min pro Woche mit einer Psychologin und/oder einem Assistenzarzt und noch 2-3 Therapien (Ergo, Physio) pro Woche. Der Rest wird auf Station verbracht. Das ist natürlich je nach Krankheitsbild viel zu wenig Betreuung. Ambulante Stellen, Anlaufstellen müssten ausgebaut werden, der Druck auf dem Arbeitsmarkt und in Schulen steigt ständig und auch dort wird immer mehr gespart. Hier liegt definitiv das Problem, die Zeit für intensive Begleitung und Beratung von Betroffenen und Angehörigen reicht nicht und nur Medikamente alleine lösen Probleme nicht, da sie dann wegen Nebenwirkungen oft abgesetzt werden. Der Teufelskreis beginnt...

41
/
0
Pflegefachfrau Psychiatrie
·

Ja, diese leidige Fallpauschale und die Gewinnorientierung! Ich arbeite noch bis Ende Jahr in einer psychiatrischen Einrichtung, die jedoch aufgrund defizitärer Zahlen Ende Jahr ersatzlos geschlossen wird. Da das Setting nicht alltäglich ist, passt das Angebot nicht für alle Patienten.
Für die geschäftsführenden Personen und die Finanzabteilung der Institution ist die Schliessung ein Segen, für die betroffenen Patienten und uns Angestellten eine Katastrophe. Ich hätte nie gedacht, dass ich als Pflegefachfrau mal meinen Job verlieren würde. Aber nun ist es soweit. Es wird konstant rumdumoptimiert, nur die Menschlichkeit geht zunehmends flöten. Aber hauptsache das Militärbudget kann flott aufgestockt werden.

36
/
0

Danke für diese Einblicke in Ihre Arbeit!

8
/
0

Vielen Dank für ihre Schilderungen.

1
/
1
Grossvater Alfred
·

Ich bin erschüttert über, zum einen der Situation dieser jungen Menschen, zum andern dem Notstand der da angesprochen wird. Das in der "hoch entwickelten Schweiz" wobei die Situationen in den ländlichen Gebieten noch schwieriger sein sollen.
Das z.B. für Militär, oder die Strassen exorbitante Summen gesprochen werden ist zwar eine Tatsache, wir dürfen diese Probleme nicht gegeneinander ausspielen.
Diese Kinder brauchen eine in der Gesellschaft verankerte Lobby die sich pragmatisch ihrer Probleme, ausgelöst durch unsere Gesellschaft wo wir alle dazu gehören, frühzeitig annimmt.
Wünsche ein schöner Tag und danke für diesen Beitrag als aktiver Anstoss.

37
/
0
Softwareentwicker
·

Sie bringen einen guten Punkt auf: jahrzehntelang weisst man immer dringlicher auf die Notstände in der Pflege und Medizin hin und es braucht erst eine Jahrhundertpandemie und einen heissen Abstimmungskampf, damit dann endlich mal (hoffendlich!) etwas getan wird...
Und eS. R.eicht ein sich schon lange abzeichnender Konflikt, der zugegebenermassen von vielen unerwartet in einem sinnlosen Angrifskrieg mündete, dass urplötzlich aus dem Nichts Milliarden von Fränkli ins Militär gepumpt werden, ohne klare Bedingungen, Auftrag oder Ziel - ohne dass wir merklich von dem Krieg betroffen wären, bzw. sich unsere Sicherheitslage entscheidend verschlechtert hätte...
Schon alleine dafür hätten ein paar Maulhelden im Nationalrat ein paar schallende Ohrfeigen verdient!

37
/
1

Und statt der wohlverdienten schallenden Ohrfeigen erhalten sie nun auch noch viel Lob für ihren Einsatz zur Verteidigung des Vaterlands.
Bei 6 Milliarden für 36 unnötige Kampfjets kostet jeder einzelne 166 Millionen.
Man könnte das Geld wirklich gescheiter ausgeben.

21
/
0
Simon Reber
Software Entwickler, Familienvater
·

Ganz im Gegensatz zu den Russen hätten wir durchaus die Möglichkeit dazu.
Aber die grosse Mehrheit der Schweizer wird weiterhin bürgerlich wählen, egal wie bescheuert diese Leute in den letzten 40 Jahren unser Gesundheitswesen ruinierten.
Irgendwie haben wir halt doch die Regierung, welche wir verdienen.

11
/
1
Sozialarbeiterin
·

In meiner Arbeit in einer KESB habe ich die gleichen Erfahrungen gemacht. Die Eltern waren überfordert und die Jugendlichen mussten monatelang auf einen Platz warten. Neben der Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung muss aber meiner Meinung nach unbedingt geforscht werden, weshalb in der Schweiz die Kinder und Jugendlichen in so grosser Anzahl erkranken. Wir haben eine der höchsten Suizidraten und müssten dringend erforschen, weshalb dies so ist.

37
/
1

Eine Ärztin meinte vor einer Weile im Gespräch: "Wir können und wollen nicht einfach immer mehr Menschen therapieren."

  • Grundsätzlich müssen Gesundheitsförderung (Schutzfaktoren maximieren) Prävention (Risikofaktoren minimieren) ernsthaft angegangen werden. Ziel muss eine Gesellschaft sein, in der möglichst wenige überhaupt erst erkranken.

  • Dann braucht es vernünftige Früherkennung und niederschwellige Therapie. Je früher behandelt, desto geringer daS. R.isiko einer Chronifizierung.

  • Und dann gilt es deutlich inklusiver zu werden für Menschen in oder aus der Therapie - Eingliederung ermöglichen, Stigma brechen.

27
/
0
Carlo Baumgartner - Gymnasiallehrer
·

Diese sehr klare Schilderung unterstreicht die desaströse Vernachlässigung. der psychisch kranken Kinder in der reichen Schweiz. Sie zeigt doch gravierende Probleme, die einer dringenden Lösung bedürfen:
Warum werden Kinder-Psychiater weniger bezahlt, als andere Fachärzte ?
Warum werden nicht ALLE Psychotherapeutinnen direkt von den Krankenkassen entschädigt ? Sie verfügen über eine ausgezeichnete, langjährige Ausbildung. Das Problem liegt seit Jahren ungelöst auf dem Tisch !
Warum finden akute Lohnprobleme, die solches menschliches Leiden verursachen, keine Lösung ?
Warum werden in der Schweiz Spezialfachkräfte, die sich um das Wohl der Menschen kümmern, finanziell vergleichsweise immer geopfert ?
Warum versagen unsere Behörden in dieser Hinsicht seit Jahren ?

26
/
0
Pflegefachfrau Psychiatrie
·

Zumindest was die Abrechnungsmöglichkeiten der Psychotherapeut:innen angeht, sind wir ab Juli glücklicherweise einen Schritt weiter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/hom…0Anordnung.

5
/
3

Leider wird es wohl nun doch länger dauern. Die Tarifstruktur, der Art und Umfang der Leistungen regelt, ist fertig verhandelt. Aber die Verhandlungen um den Tarif (was wird für die erbrachten Leistungen verrechnet, welcher Taxpunktwert ist massgeblich?), dieser Teil der Verhandlungen zwischen den Verbänden der psychologischen Psychotherapie und den Krankenkassen-Verbänden ist vergangene Woche gescheitert.

3
/
0
Carlo Baumgartner - Gymnasiallehrer
·

Vielen Dank für die Information.
Carlo B.

0
/
0
Medizinstudent
·
· editiert

Die Schilderungen über den Kanton Zürich in diesem Artikel decken sich mit meinen Erfahrungen, die ich im Rahmen meines Studiums im Tessin machen durfte. Hier ist die Lage gar so prekär, dass es in der kantonalen psychiatrischen Klinik in Mendrisio gar keine dedizierte Abteilung für Jugend- und Kinderpsychiatrie gibt, ganz zu schweigen von spezifischem Pflegepersonal oder Kinderpsychiater:innen. Es war erschreckend zu sehen, wie überforderte junge Patient:innen in einer Klinik ohne Zwangsmassnahmen oder geschlossenen Abteilungen zusammen mit Erwachsenen psychiatrischen Patient:innen teilweise monatelange Therapien durchmachten, oft viel länger als Erwachsene, nur um dann kurz einen Abstecher in ein Foyer oder nach Hause zu machen, bevor sie dann wiederum irgendwann in die Klinik kamen.

Für einige scheint der stationäre Aufenthalt in der Klinik auch der einzig übrige Coping-Mechanismus zu sein, da es an ambulanten oder alternativen Möglichkeiten mangelt. Dies ist gefährlich, weil die Klinik als zwar funktionierender Coping-Mechanismus keine langfristige Lösung darstellen sollte und wiederholte Aufenthalte die Reintegrierung in den Alltag nicht unbedingt erleichtern.

Immerhin hat der Kanton Tessin erst kürzlich Gelder für die Förderung von stationären und ambulanten jugend- und kinderpsychiatrischen Angeboten gesprochen. Inzwischen gibt es auch im Civico in Lugano fünf kinderpsychiatrische Betten. Dass dies aber nur ein erster Schritt ist und zahlreiche weitere Massnahmen folgen müssen (5 Betten in einem Kanton mit 350'000 Einwohnern...) ist aber offensichtlich.

25
/
0
Aus dem sozialen Bereich
·

Vielen Dank für diesen Beitrag und insbesondere vielen Dank Linda dafür, die Geschichte zu teilen. Zum Glück hatten Sie trotz aller Schwierigkeiten die Kraft und die Möglichkeit sich für Ihre Tochter einzusetzen. Nicht alle Eltern können ihre Kinder durch eine Phase in der Erwachsenenpsychiatrie begleiten, und dies war bestimmt sehr wichtig. Jugendliche in der Erwachsenenpsychiatrie unterzubringen ist, da sind sichwohl alle einig, nicht ideal, aber manchmal besser als nichts.
An alle Menschen, die einen Kommentar zu Medikation bei ADHS gemacht haben: Schön, dass Sie eine passende Entscheidung für sich und ihre Kinder getroffen haben und schön, dass es allen besser geht. Das meine ich ehrlich. Gleichzeitig bin ich der Meinung, dass diese Kritik hier fehl am Platz ist (nicht mitgemeint ist die Kritik an der Stigmatisierung von Medikationen). Die allermeisten Eltern geben das bestmögliche für ihre Kinder und niemand weiss, wie Lanas Geschichte verlaufen wäre, wenn sie früher Medikamente genommen hätte. Das ist auch nicht zentral an der Geschichte. Wichtig ist zu sehen, wie alleine Eltern teilweise gelassen werden und wie rapide psychische Belastungen bei Jugendlichen (inbesondere Mädchen) zunehmen.
Die Gründe dafür sind vielfältig und zurzeit sehen viele Berufsgruppen, Politik und die Öffentlichkeit etwas hilflos zu. Ich wünsche uns, dass diese Entwicklung ernster genommen und unsere Heranwachsenden in naher Zukunft besser geschützt werden (vor Leistungsdruck, Social Media, Perspektivenloskeit angesichts der globalen Entwicklungen...). Wer kann etwas dazu beitragen?

21
/
0
Betroffene Mutter
·

Liebe Anonym 6,
ich bin Ihnen dankbar für die Gedanken zur Medikation bei ADHS. Ohne gegen notwendige Medikation zu sein, finde ich die Kritik an dieser Stelle fehl am Platz. Wie Sie sagen geben die allermeisten Eltern das bestmögliche für ihre Kinder.

Wer dringend Hilfe braucht, findet die vielleicht bei: www.the-work-netzwerk.ch
Es gibt da auch eine Liste von zertifizierten Begleiterinnen. Viele sind diplomierte Psychologinnen.
Wir können alle etwas beitragen. U. F. beschreibt in seinem Kommentar sehr gut was. Für die Umsetzung seiner Gedanken ist wiederum The Work ein gutes Tool.

0
/
0

Danke für diesen wichtigen Artikel! Ich erlebe mit meiner Tochter seit anderthalb Jahren hautnah, wie schwierig es ist, dringend notwendige Therapie zu bekommen. Meine Tochter geriet mit 17 in eine grosse Krise und leidet seither unter starken Depressionen. Zwar bekam sie wegen Suizidgefahr notfallmässig einen wöchentlichen Therapieplatz, aber mit 18 sollte sie da wieder wechseln, weil da nicht mehr die Jugendpsychiatrie zuständig ist. Bisher ist aber keine Anschlusslösung gefunden worden. Sie ist seither auch als Notfall stationär in der Klinik gewesen, als Jugendliche auf der Erwachsenenabteilung, weil es sonst keinen Platz gehabt hätte. Es war zudem keine Therapiestation, sondern nur Krisenintervention - sprich: sie wurde da eigentlich nur aufbewahrt. Inzwischen ist sie etwas besser zuwege, aber wir bemühen uns immer noch um einen Therapieplatz. Zudem ist es sehr schwierig, mit den vorhandenen geringen Kräften die Schule zu stemmen. Auch da scheint mir, ist die Gesellschaft sehr überfordert. Ein Gymnasium könnte bei genügender Begabung doch auch teilzeitmässig absolviert werden. Aber gibt es irgendwo so eine Lösung? Falls jemand hier im Forum eine kennt, sind wir interessiert, davon zu erfahren! Es müsste doch noch andere Möglichkeiten geben zwischen stets perfekt funktionieren einerseits oder andererseits gleich ganz aus der Ausbildung und dem Leben rausfallen! Jedenfalls kann ich das was im Artikel beschrieben wird, aus eigener Erfahrung bestätigen: Bei allen Einrichtungen, mit denen wir zu tun hatten, stöhnen die Verantwortlichen als erstes, dass sie total überlaufen sind und keinen Platz mehr haben. Und noch eine Bemerkung von wegen angeblich heute weniger resilienter Jugend: Wir hatten damals auch nicht Klimakrise, globale Pandemie mit ewigen Lockdowns und Bedrohung durch (Atom-)krieg zu schlucken.

20
/
0

Was "Halbtags-Gymnasien" betrifft: Privatschulen bieten solche Modelle an, z.B. die Akad aber wahrscheinlich auch andere. Knackpunkt ist natürlich die Finanzierung.

7
/
0
auch Mutter
·

Liebe Eltern. Vieles kommt mir von unserer Tochter bekannt vor.
Falls Sie in Zürich oder in der Ostschweiz wohnen, kann ich Ihnen die Privatschule Neue Stadtschulen in Zürich und St. Gallen empfehlen. Sie bietet ein neuartiges Schulmodell ohne obligatorische Präsenz für Jugendliche an. Bleibt die Frage der Finanzierung, siehe F. W..
Ich wünsche Ihnen viel Kraft.

Herzlichen Dank Frau R. und Republik für diesen wichtigen Artikel.

6
/
1

Vielen Dank für das Teilen Ihrer Erfahrung. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Tochter viel Kraft und hoffe, Sie finden einen geeigneten Therapieplatz. Die Erwachsenenpsychiatrien haben einen Sozialdienst, der für die Anschlusslösungen zuständig ist, dort sollten Sie Unterstützung erhalten bei der Suche. Doch es braucht Geduld. Unter Umständen gibt es auch ambulante Lösungen wie die sozialpsychiatrische Spitex. Zum Gymnasium: Allenfalls könnte ein Nachteilsausgleich Luft verschaffen.

3
/
0

Danke für die Tipps! Wir hatten den Eindruck, dass Jugendliche da wirklich zwischen Stuhl und Bank geraten. Bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie sagte uns die Therapeutin, sie kenne sich eben nur mit der Volksschule aus und wisse nicht, was es für Gymnasiasten und Lehrlinge an Möglichkeiten gibt. Und in der psychiatrischen Klinik (Erwachsene) war nur generell Krankschreibung ein Thema, aber Ausbildung und Studium interessierte da auch niemanden, vielleicht auch, weil es eben nur eine Kriseninterventionsstation war und keine zur eigentlichen Therapie. Meine Tochter wurde auch recht schnell wieder entlassen mit der Begründung, es gehe ihr nicht schlecht genug, um den Klinikplatz zu rechtfertigen, den andere, denen es schlechter gehe, benötigen. Grundsätzlich zwar verständlich, aber für eine suizidale Jugendliche eine ziemlich blöde Botschaft. Sie fragte denn auch, ob jetzt quasi die Erwartung sei, dass sie sich zuerst noch mehr antun müsse... Das mit dem Nachteilsausgleich werden wird abklären! Haben Sie allenfalls bereits Erfahrungen damit, wie das bei Depression aussehen könnte?

1
/
0

Es gibt in der Schweiz einen gravierenden Mangel an Kinder- und Jugendpsychiatern und damit eine Unterversorgung. Qualifizierte Fachärzte wurden bis Ende letzten Jahres häufig im deutschsprachigen Ausland rekrutiert. Seit dem Zulassungsstopp per 1.1.2022 für ausländische Fachärzte, die Ihre Ausbildung nicht mindestens 3 Jahre an einer Schweizer Weiterbildungsstätte absolviert haben, ist dies nicht mehr möglich. In der Schweiz werden nicht mehr Kinder- und Jugendpsychiater ausgebildet. Die Situation wird sich also nochmals deutlich verschärfen. Leidtragende sind wir immer die Patienten und deren Angehörige.

18
/
0

Ein wichtiger Beitrag. Zu ergänzen ist, dass die stationären Angebote eigentlich erst dann zum Zug kommen sollten, wenn die ambulanten Möglichkeiten ausgeschöpft sind oder eine akute Gefährdung besteht. Der Ausbau der ambulanten Versorgung sowie eine damit einhergehende langfristige und entwicklungspsychologisch orientierte Perspektive bei den psychotherapeutischen Behandlungen von Kindern und Jugendlichen wären zentral - eine Sichtweise die leider alles andere als „Mainstream“ ist: Beziehungskontinuität und Langfristigkeit sind bei der Behandlung schwerer psychischer Erkrankungen entscheidend und es kann viel erreicht werden in entsprechenden Settings.

16
/
0

Zumal ein propagiertes Prinzip der Gesundheitsdirektion "ambulant vor stationär" lautet. Das würde ja durchaus Sinn machen, wenn die ambulanten Angebote denn genügend ausgebaut würden. Aber schon da gibt es ja Wartelisten und viel zu wenig Therapieplätze.

13
/
0
Psychiatrische Spitex
·

Dazu ist noch zu erwähnen, dass Tageszentren geschlossen werden, weil sie nicht “rentieren”.

0
/
0

Zu ergänzen ist, dass Therapien ganz allgemein erst zum Zug kommen, wenn Gesundheitsförderung und Prävention gescheitert sind. So lebenswichtig Therapien sind, etwas herausgezoomt bleibt es "Symptombekämpfung".

7
/
0

Nach über 40 Jahren Berufstätigkeit möchte ich Folgendes zu bedenken geben: der gesellschaftliche Umgang mit "besonderen" Menschen hat sich enorm geändert. Auch wenn die Gesellschaft heute viel offener scheint für ein Spiel mit Rollen und Verhaltensweisen, ist das dort, wo es um Leistung geht, in der Schule und im Arbeitsleben, überhaupt nicht so. Stillsitzen und sehr lange zuhören können, die eigenen Beiträge und Ideen zurückhalten können, sind sehr wichtig geworden. Die UN-Kinderrechtskonvention von 1996 wurde erst nach vielen Jahren Verhandlung von der Schweiz ratifiziert. Damit war klar, dass Kinder mit besonderen Bedürfnissen daS. R.echt auf Teilnahme an der Gesellschaft haben. Heute treten sie in den Schulklassen in Erscheinung. Wobei diese Kinder nur die sind, die irgendwann begutachtet und ihre Defizite in bezug auf schulisches Lernen benannt wurden. Daneben gibt es in den meisten Klassen solche, deren Schwierigkeiten, besser gesagt, ihre behinderten Entwicklungsmöglichkeiten, nicht erkannt wurden. Sei es, weil eS. R.undum an Fachwissen fehlt, oder weil sie keine Familie haben, die sich für sie einsetzen. Als die Integration von Sonderschülern auf der Oberstufe begann vor etwa 10 Jahren, hörte ich von erfahrenen Seklehrern oft, sie hätten nie in ihrem Leben mit behinderten Menschen zu tun gehabt, auch nicht privat.

Dass es zu wenig Kinder- und Jugendpsychiaterinnen gibt ist schon sehr lange bekannt. Mein Vorschlag: sich nicht nur auf diese Berufsgattung fokussieren, sondern kinder- und jugendpsychiatrische Aus- und Weiterbildung für alle Berufe, die mit Lehren und Fördern von Kindern zu tun haben. Also spezische Aus- und Weiterbildung für das Lehrpersonal, die Sozialarbeiterinnen, die Hortner. Somit für das ganze Netz, das das Aufwachsen von Kindern begleitet. Das Wissen um die gängigsten Entwicklungsstörungen und ihre Therapierbarkeit, um diagnostizierbare Wahrnehmungseinschränkungen und nötige Unterrichtsanpassungen, um kontraindizierte Unterrichtsformen, ist nämlich nach wie vor gering. Die Eltern, die Wissen und Geld haben, können heute schon ihre Kinder mit öffentlichen Geldern bestmöglich, z.B. mit Verweis auf die Kindsrechtskonvention, fördern lassen. Die andern aber stehen meist als unfähig abgestempelt draussen und niemand erkennt das besondere Talent ihres Kindes.

17
/
2

Wirklich schockierende Zahlen, die in diesem Artikel genannt werden und nur weil der Mensch sich die Dimensionen von Millionen und Milliarden einfach nicht plastisch vorstellen kann, rennen wir nicht alle schreiend ob dem Wahnsinn in der Gegend herum.

Der Kanton Zürich mit seinen 1'500'000 Einwohnern gibt also für Strassenbau 90 Mio. für das Kunsthaus 30 Mio. und für die akuten Bedürfnisse in der Jugendpsychiatrie 8 Mio. pro Jahr aus. Das sind pro Person 60.-, 20.- bzw. 5.- CHF und ja, es ist maximal nicht ok, aber darüber müssen wir garnicht lange reden, in einem Land, das mit seinen 8 Mio. Einwohnern bis anhin 5 Mrd. für Militär und Rüstung ausgegeben hat, und diese Ausgaben nun innerhalb von Monaten um 40%!! auf 7 Mrd. erhöhen will. Das sind Mehrausgaben von CHF 220.- pro Person und Jahr, während die Jugendpsychiatrie zusätzlich einen Kaffe pro Einwohner erhält. Sorry, mehr können wir uns einfach nicht leisten...

13
/
0

Die Forderungen an die Gesundheitspolitiker für einen rascheren Zugang an Kinderpsychiatrische Dienste sind berechtigt. Gewünscht hätte ich mir allerdings auch ein selbstkritischeS. R.eflektieren auf die eigene Elternrolle. Wenn Eltern ihren Kindern notwendige und klar hilfreiche Medikamente vorenthalten und nicht bereit sind, z.B. einen befristeten Versuch zu wagen, wäre ein Eingestehen dieses Fehlers zweifelsohne eine Motivation für andere Eltern in ähnlicher Situation. Ebenso sollten Freunde von überforderten Eltern vorschlagen, die KESB einzubeziehen und in gravierenden Fällen diese auch ohne Einwilligung der offensichtlich überforderten Eltern orientieren.
Viel Leid kann gelindert werden, wenn man nicht wegschaut.

16
/
4

Danke, dass Sie indirekt darauf hingewiesen haben, dass nach der ADHS-Diagnose aus Angst vor Nebenwirkungen eine medikamentöse Behandlung abgelehnt wurde. Dieser Punkt hat mich sehr umgetrieben und ich hätte mir ebenfalls mehr selbstkritische Reflexion gewünscht.

13
/
0
· editiert

Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. Viele Eltern haben Angst vor dem Einsatz von Medikamenten. Danke für diesen Input.

3
/
0
Patient als Kind, Jugend u. Erw.
·

Die ADHS & Methylphenidat (Ritalin) Panik hat echt viel Schaden angerichtet und ist immer noch in den Köpfen. Das ging halt damals massiv durch die Medien. Dabei gehören ADHS Medikamente wohl eher zu den harmlosen Psychopharmaka. Ich hab mehrere Menschen kennengelernt welche erst als Erwachsene für ADHS behandelt wurden, Menschen welche als Kind unnötig behandelt wurden kenne ich keine. Das liegt ehrlicherweise zum Teil auch an meinem Alter, in meiner Kindheit war ADHS schon bekannt aber noch ein blinder Fleck in der Psychiatrie, in der Erwachsenen Psychiatrie scheint es mir zum teil immer noch so.

Bei der KESB habe ich hingegen selbst die Panik. Ich verstehe sehr gut dass da eine Angst sein kann mehr schaden anzurichten. Wahrscheinlich und hoffentlich stimmt das nicht, zumindest heutzutage.

Eltern sind oft hilflos in solchen Situationen, auch überfordert aber sie haben auch Angst und sind Protektiv. Oft finden sie nicht die Hilfe die sie bräuchten. Gut möglich dass die KESB dass sein kann.
Auch da braucht es mehr Aufklärung und weniger Panik, es muss in die Köpfe rein das es Hilfe gibt, wo die ist, und dass man da hingehen kann. Es muss halt die Hilfe auch geben, auch die Niederschwellige.

7
/
0
auf dem Weg, Mensch zu werden
·

Herzlichen Dank für den aufwühlenden Teil 1 und mein ganzes Mitgefühl den Beteiligten und Danke für diese Recherche.

  • Was macht UNS eigentlich so krank und immer mehr krank, wie mir scheint?

  • Sollten wir das WIR und damit UNSERE Werte nicht mehr in den Vordergrund stellen, um nicht weiter KRANK und noch KRÄNKER zu werden?

  • Sollten wir nicht ENDLICH damit Aufhören, Schuldige zu suchen, Feindbilder zu erschaffen und zu verfeinern, uns in Freund und Feind aufteilen zu lassen?

  • somit ENDLICH damit aufzuhören, uns im total egoistischen Individuum wiederzufinden?
    Weil wir einfach uns selber dazu zwingen, diese alles zerstörende Lebensform als EINZIGE Sicherheit im Leben wahrzunehmen?

-> liegt vielleicht die Sicherheit, welche WIR alle suchen in der GEMEINSAMKEIT? - in GEMEINSAMEN Werten? , um dann diese Werte auch vollumfänglich zu leben und umzusetzen?

Ich bin RATLOS und unwissend, ein einfacher Mensch und langsam beginne ich MITZULEIDEN, mit dem Leid, welches ANDEREN immer öfter, immer massiver, immer Konsequenter angetan wird.

Helft mir!

Danke.

13
/
0
Betroffene Mutter
·
· editiert

Lieber Herr F.,
Vielen Dank für Ihre Worte. Sie drücken das aus, was auch ich denke und fühle.
Dass soviel Kinder und Jugendliche psychiatrische Hilfe benötigen liegt NICHT an mangelnde Resilienz, sondern an mangelndes Gemeinwohl.
Wie Sie sagen liegt die Sicherheit die WIR brauchen in das leben von gemeinsamen Werten in einer Gemeinschaft die von Zuwendung geprägt ist.

Liebe Mutter Linda, Sie haben alles getan für Ihre Tochter was menschenmöglich war. Ich hoffe es wird Ihnen und Ihre Tochter immer besser gehen. Möglicherweise könnte The Work von Byron Katie eine Hilfe sein. In einer ähnlichen Situation wie Sie erleben, hat uns The Work erstaunlich weiter gebracht.
Unter www.the-work-netzwerk.ch finden Sie zertifizierte Begleiter.

2
/
0

Die Uni Basel spricht von 33% der 14-24 jährigen mit schweren depressiven Symptomen.
Da müsste jetzt alles daran gesetzt werden, eine Chronifizierung zu verhindern.

12
/
0

U. F. hat Recht.
Dass die psychiatrische Infrastruktur ( Pflegende, PsychologInnen, psychiatrisch ausgebildete ÄrztInnen, Vergütung und Raum) schon früher knapp war und heute völlig ungenügend ist, ist das eine schaurige Problem. Gleichzeitig muss aber jedermann, jede Frau , die ganze Gesellschaft noch vor der Politik sich fragen: wo ist die Resilienz der jüngeren Menschen, vieler Menschen, derGesellschaft verloren gegangen? Wo nur?
Und wie könnten wir sie wieder finden?
Me, myself and i taugt schlecht als Lebensgrundlage. Den schwarzen Peter rumzureichen reicht auch nicht.

15
/
9

Vielleicht sind auch die Anforderungen, Erwartungen, Möglichkeiten für die Jugendlichen noch nie so gross wie heute, was zu einem enormen Druck werden kann? Hat man alle Möglichkeiten wird auch erwartet, dass man die richtige ergreift. Scheitern verboten. Da war es früher mit ein paar wenigen Auswahlmöglichkeiten und ohne die sofortigen Spiegelungen in den sozialen Medien viel einfacher.

6
/
0

Vielen Dank für Ihren Input. Die Resilienz wird im Teil 2 ein Thema sein. In der Forschung ist man sich hierzu jedoch nicht unbedingt einig. Ebenso ist es ein Zusammenspiel der unterschiedlichsten Gründe, dass so viele Kinder und Jugendliche erkranken. Unter Umständen holen sich Eltern heute aber auch eher Hilfe während dem früher die Probleme mehr ignoriert wurden.

6
/
0
Gärtnerin
·
· editiert

Was braucht es, für die psychische Gesundheit unserer Kinder? Wie wollen wir gemeinsam und solidarisch unsere Zukunft gestalten?
In den Kommentaren gab es auch Gedanken zur Bildung unserer Kinder.
Hier können wir die Gestaltung der Lern- und Bildungsfelder ins Visier nehmen für die für die so wichtige emotional -soziale Entwicklung der Kinder.
Wir können politisch Einfluss nehmen auf die Gestaltung unser gemeinsamen Räume, auf die Strassen, Parks und Schulen, Bildung, Architektur. Wir können mit gestalten und uns dafür sorgen , dass unsere Zukunft bunt und farbig wird und das wir alle in diesen gemeinschaftlichen Räumen reifen mit spielen, experimentieren, streiten und versöhnen - für eine resiliente, gesunde Gesellschaft.

6
/
0
Reisender Rentner
·

Es ist einfach Wahnsinn - aber das Wahlvolk will es so. Aktuell bin ich wieder in Nepal, einem der ärmsten Länder der Welt. Wenn ich mir vorstelle wie es in einem der reichsten Länder läuft, frage ich mich wo das hinführt! Welche Probleme werden eigentlich angegangen? Abwarten, beobachten, analysieren etc. Pflegenotstand seit Jahren bekannt, aber es passiert nichts! Vor zwei Jahren haben wir ein neues Wort kennengelernt: "Vulnerable". Wir wissen jetzt, dass dies die wichtigsten Menschen in der Schweiz sind, für sie haben wir die ganzen Corona-Massnahmen gemacht. Unser Gesundheitssystem bricht zusammen, habe ich gehört. Wenn ich mir vorstelle, dass wir 200 Reserve-IPS-Plätze für 8,5 Mio. Einwohner haben! Im Vergleich sind dies in der Stadt Zürich 20 Reserveparkplätze. Dass wir jährlich 9'500 Rauchertote haben ist für unsere Regierung kein Grund die Kinder vor Raucherwerbung zu schützen. 40% sind fettleibig, eine steigende Überalterung etc. - was dies für unser "Gesundheitssystem", man könnte auch Krankheitssystem sagen, zur Folge hat ist absehbar. Wir müssten endlich eine ethische Diskussion führen: Sind uns die Kinder wie Lana wirklich wichtig? Wollen wir kranke, alte Demente wirklich bis zum Ende am Leben erhalten und für alle dazwischen das Möglichste tun? Wenn wir das wirklich wollen müssen wir dies finanzieren und die Möglichkeiten schaffen - und sonst soll man dem Volk sagen: Wir möchten das eigentlich, aber leider seid Ihr uns nicht so viel wert! Das einzige Wichtige in der Schweiz ist das Kapital, und das müsst Ihr akzeptieren! Darum müssen wir das Militär aufrüsten, das Kapital muss geschützt werden.

5
/
0

Ein grosses, seit langem bestehendes Problem. Vieles, was zu tun wäre, wird genannt im Artikel. Der grosse Zusammenhang mit den weiter zunehmenden psychischen Erkrankungen (am Schmerzhaftesten bei jungen Menschen) wird aber kaum benannt: Wir produzieren - meine Sicht - mit unserem Materie-orientierten Konsumismus kranke Kinder. Krisen bringen latente Probleme an die Oberfläche - doch auch dann bleiben wir bei der "Pflästelipolitik", Grundsätzliches wird kaum angesprochen - und wenn als extrem abgetan. Ein Systemwandel zugunsten unserer Kinder tut Not. Oder stimmt, was Franz Hohler in einem TA-Interview im Februar 2021 gesagt hat: «Für einen richtigen Wandel braucht eS. R.ichtige Katastrophen»? Hoffentlich nicht.
Ausserdem: Bezüglich ADHS lohnt es sich immer wieder, die Artikel von Constantin Seibt in der Republik zu lesen.

4
/
0

Grandiose Illustration zum Thema! Ich glaube die Künstlerin hätte viel zum Thema zu sagen. Ein Interview mit ihr wäre sicher erhellend.

5
/
3