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Bruno Bucher
Debattierer
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Leider bekommt man es schneller mit einer Staatsanwaltschaft zu tun als einem lieb ist. In zwei Fällen, die meine Familie betraf, nicht mich persönlich, musste ich mich direkt einschalten, weil die Staatsanwaltschaft meine Frau und meinen Sohn als Täter behandelte statt als Opfer. So etwa erhielt meine Frau eine Verfügung, die wir nicht verstanden. Zum Einen stand da auf dem Formular eine Wendung, die ich rein sprachlich nicht verstand. Zum Anderen fehlte auf der Verfügung auch keine Rechtsmittelbelehrung. Was ich auch nicht verstand. Also rief ich an. Kurz und bündig wurde mir bereits beim ersten Kontakt beschieden, dass die Staatsanwaltschaft kein Auskunftsbüro sei, sondern eine Strafverfolgungsbehörde.

Diese Art von Arroganz ist staatszersetzender als manch kriminelle Bagatelle.

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Lieber Herr Bucher, das ist ein zentrales Problem im Strafbefehlsverfahren: Die Betroffenen verstehen nicht, was mit ihnen passiert. Und schwupps ist man vorbestraft, wenn man nicht rechtzeitig Einsprache erhebt, bei einer sehr kurzen Einsprachefrist. Darum ist umso unverständlicher, dass man Ihnen keine Auskunft gab. Beste Grüsse, Brigitte Hürlimann

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Grenzgänger*in
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Genau, die kurze Einsprachefrist und die fehlende Verständlichkeit, sowie die Arroganz der Staatsanwaltschaft sind das grösste Problem der Strafbefehle! Bei verpasster Frist wird oft rechtskräftig was eigentlich Unrecht ist. Insbesondere im Ausländerrecht gibt es Strafbefehle, welche geradezu darauf abzielen, dass die betroffene Person als rechtsunkundige und oft auch sprachunkundige Person sowieso die Einsprachefrist verpasst. Hätten alle betroffenen Personen bei Aushändigung eine Rechtsvertreterin, sähen diese Strafbefehle inhaltlich nicht selten ganz anders aus, oder es gäbe sie von Anfang an gar nicht.

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Frage an Bruno Bucher
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Können Sie verraten, warum Ihre Frau und Ihr Sohn mit der Staatsanwaltschaft in Kontakt kamen?

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Bruno Bucher
Debattierer
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Ja. Siehe Antwort bei Carla Zunge.

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Dr. iur. Strafverteidiger
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Je grösser der Ruf nach mehr Law & Order, je mehr Strafverfolgungspersonal wird rekrutiert. Je mehr Strafverfolgungspersonal, desto mehr Bürger kommen mit der Strafverfolgung in Berührung, bis das „Betreuungsverhältnis“ sich einem 1:1 annähert. Das nennt man dann einen totalitären Polizeistaat. Welche Kriminalität ist denn wirklich so schlimm, dass wir uns als Volk derart selbst entmachten müssten? Doch wohl nur Mord und Totschlag. Und den gibt es in unserer Gesellschaft praktisch nicht. Bei der übrigen Kriminalität ist der Polizeistaat das grössere Übel.

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Ich bin sehr dankbar für Ihre tolle Reflexion auch der Verfahrensebene, der Veränderungen der 3. Gewalt. Nur macht sie mich hilflos. Wo können wir als Bürger ansetzen, um Gegensteuer zu geben? Hierzu wäre es wiederum sehr nützlich den Gesamtzusammenhang der Entwicklungen von zunehmender gesellschaftlicher Verrechtlichung, wachsendem Aufwand/Kosten und politischen Interessen und Akteuren sichtbar zu machen. Frau Hürlimann ich warte auf eine umfassende mehrteilige Dokumentation dazu (Bitte an GL/Redakion das Budget bereitzustellen!) ! Danke schon im voraus.

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Herr Messmer, Sie sprechen mir aus dem Herzen! Ich musste diesen Beitrag sehr kurz halten, weil er im Ameisen-Format erschien und weil der Republik halt immer noch vorgeworfen wird, die Texte seien generell zu lang. Aber wir müssen das Thema wirklich im Auge behalten und ausführlicher darüber berichten. Wenn Sie wüssten, was ich alles kürzen musste... Beste Grüsse, Brigitte Hürlimann

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Alles was Recht ist: Nun ist es höchste Zeit, dass sich die Republik diesen Machenschaften
im Justizbetrieb annimmt. Dank an Brigitte Hürlimann für die "Kurzfassung". Nun aber würde mich interessieren, wie man den menschenverachtenden Tendenzen in diesem Justizgewerbe etwas entgegensetzen kann. Für jeden Bürger ist es wichtig, dass die Justizarinnen ihre Arbeit zum Wohl der Gemeinschaft verrichten. Jener Gemeinschaft, von der der Justizbetrieb letztlich auch lebt. Bitte Frau Hürlimann, bleiben sie nah am Ball! Ganz im Sinn von Arnold Messmer.

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Ich bleibe dran, versprochen! Übrigens haben die Rechtsprofessorinnen und die Anwälte das Problem auch erkannt, in Fachkreisen wird seit längerer Zeit darüber debattiert. Es ist allerdings nötig, dass die Debatte auch noch beim Gesetzgeber ankommt...

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Was meint 'einlässlich geäussert'? Das gleiche wie 'gestanden'?
Und: was ist der Motor dieser Änderungen? Eine Stärkung des Rechts kanns ja wohl nicht sein, zumindest nicht auf Seiten der Angeklagten. Geht es da tatsächlich nur um Kostenersparnis durch Verflüssigung der Verfahren, oder täuscht mich als Laiin dieser Eindruck? Fast wünsche ich es mir. Das dürfte sonst doch nicht wahr sein!

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Frau Hürlimann hat Recht, einlässlich geäussert ist ein Gummibegriff. Aber um ein Geständnis geht es nicht. Die Idee ist, dass der Beschuldigte nicht zuerst die Zeugen hören und dann seine Aussage anpassen kann. Er soll zuerst einmal umfassend zum Sachverhalt Stellung nehmen (also nicht einfach sagen, dazu sage ich nichts) und erst dann hören, was die Zeugen sagen, damit man ihn auf allfälligen Diskrepanzen festnageln kann. Es ist offensichtlich, dass ein solches Konzept nicht voll aufgehen kann. Der Beschuldigte hat das Recht, mit den Zeugen und den übrigen Beweisen konfrontiert zu werden und Ergänzungsfragen zu stellen. Irgendwann muss man ihm also Gegelegenheit geben, dies zu tun, auch wenn er beharrlich schweigt, was bekanntlich sein Recht ist

Das Problem der Anhörung der wichtigen Zeugen vor Gericht ärgert mich auch. Als man 2011 die neue StPO einführte, dachten viele (auch ich, naiv, wie ich bin), dass nun der Zürcher Aktenprozess (mit Ausnahme des damals abgeschafften Geschworenengerichtes) zumindest in einen halbunmittelbaren Prozess übergeführt werde. Es gab und gibt aber tatsächlich Richter, die die Vorladung von Zeugen grundsätzlich ablehnen.

Bei den Strafbefehlen, kann man geteilter Meinung sein, Öffentlich sind sie ja mittlerweile, weil die Gerichtsberichterstatter sie einsehen können (das ist ein ziemlicher Aufwand, könnte sich aber lohnen). Dass sie Massenware sind, lässt sich aber nicht bestreiten. Aber wollen wir wirklich all die Verkehrsdelikte vor Gericht haben und würden die Richter bei solchen Massenfällen wirklich sorgfältiger als der Staatsanwalt vorgehen?

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Zum Strafbefehlsverfahren noch folgende Ergänzung: Vielleicht müsste man die Kompetenz der Staatsanwälte wieder einschränken? Heute dürfen sie bis zu 6 Monaten Freiheitsstrafe Strafbefehle erlassen, das ist erheblich. Und/oder es sollte obligatorisch sein, die Verdächtigten vorzuladen, einzuvernehmen, bevor ein Strafbefehl erlassen wird. Der militärische Strafprozess kennt diesbezüglich viel strengere Regeln als die zivile Prozessordnung.

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Frau J., genau diese Frage, was "einlässlich" bedeuten soll, wurde an der Zürcher Fachtagung lange diskutiert. Die Strafrechtler rätseln darüber. Noch ist es ja nur ein Entwurf, ein Vorschlag des Bundesrats. Das Parlament könnte die Norm noch ändern. Und für die Änderung haben sich vor allem die Staatsanwaltschaften eingesetzt. Sie wollen bei Ihren Untersuchungen nicht behindert werden. Was rechtsstaatlich fragwürdig ist. Beste Grüsse, Brigitte Hürlimann

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Genau diese Kolumnen-Beiträge wiegen vieles auf. Bei der imaginären Waagschale wäre das auf der Pro-Seite...

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Gut, dann schauen wir, dass viele solche Beiträge folgen werden, für ein starkes Pro!

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Antonia Bertschinger
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Vielen Dank für diesen sehr erhellenden Beitrag!

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Danke fürs motivierende Feedback!

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Antonia Bertschinger
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Ihre Kolumne behandelt Themen, die die meisten von uns im Alltag wahrscheinlich kaum mitbekommen - zumindeste solange wir von Begegnungen mit Staatsanwaltschaften verschont bleiben. Daher finde ich die Kolumne so extrem wichtig.

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Der „Fall Dietikon“ (ich kenne die Details nicht, Sie wohl auch nicht) ist für die beleidigten Medien natürlich ein absoluter Skandal, im Gesamtzusammenhang betrachtet indessen nur einer dieser berühmten „Einzelfälle“; das wird sich ja kaum täglich wiederholen. Viel viel wichtiger sind die oftmals skandalösen „Urteile“, welche tagtäglich im sog. abgekürzten Verfahren ergehen und welche mit „Gerechtigkeit“ im herkömmlichen Sinne oft rein gar nichts mehr zu tun haben. Sie streifen diese aus dem unsäglichen US-Justizsystem (wo man sich mit Geld bekanntlich so gut wie alles kaufen kann) abgekupferte Abartigkeit hier nur mit wenigen Worten, haben sich indessen in Ihrem früheren Leben bei der NZZ in einem fundierten Artikel (28.11.2013) ziemlich kritisch geäussert. Aktuell begleite ich einen absolut skandalösen Fall aus meinem Kanton, in welchem sich eine Patientin, die in ihrer Kindheit/Jugend von drei verschiedenen Personen sexuell missbraucht worden war, genau deswegen in Therapie begab, wobei der Herr Doktor nichts Gescheiteres wusste, als mit ihr eine sexuelle Beziehung einzugehen. Art. 193 StGB. Im ordentlichen Verfahren wären so um die 20 Monate Freiheitsstrafe und ein mehrjähriges Berufsverbot fällig gewesen (es gibt dazu Präzedenzfälle). Aber die Frau StA und der Herr Verteidiger einigten sich auf eine bedingte Geldstrafe (!!) einerseits und eine exorbitant hohe, jenseits jeder Gerichtspraxis liegende Zahlung an das Opfer von CHF 45‘000.00. Fazit: Weil der Herr Doktor die Summe aufbringen konnte, kam er so gut wie straflos davon. Toll, nicht wahr ? DAS wäre doch einen kritischen Bericht wert. Bei Interesse vermittle ich Ihnen gerne den Kontakt zum Opfer (über den aktuellen Psychiater).

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Dr. iur. Strafverteidiger
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Auf einen solchen Fall wie den von Ihnen geschilderten kommen 10 in der umgekehrten Konstellation. Bei Vieraugendelikten ist Quote von Verurteilungen Unschuldiger enorm hoch, besonders wenn es sich dabei um Ausländer handelt.

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Dr. iur. Strafverteidiger
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Ohne Folterarsenal? – Arsenal wohl ja, aber ohne Folter? Nein. In der Schweizer Strafjustiz werden die Beweise den Beschuldigten durch menschenunwürdige Haftbedingungen und nicht selten auch mit Isolationshaft buchstäblich abgefoltert. Zwar werden keine Glieder mehr abgehackt, keine Fingernägel ausgerissen, keine Genitalien mehr verstümmelt. Dafür wird das wichtigste und vitalste Organ des Menschen gefoltert und in den Schraubstock gespannt: das menschliche Gehirn und damit der menschliche Geist, die menschliche Psyche und damit die Würde des Menschen. Wer beschuldigt ist, hat nur auf dem Papier Rechte. In Wirklichkeit ist er Objekt des Strafverfahrens. Das ist keine Übertreibung. Ich habe Fälle, wo ich dies durch Akten belegen kann. Und das Bundesgericht hält seine schützende Hand darüber; aber nicht etwa über den Gefolterten, sondern über die bewusst folternde Staatsanwaltschaft.

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Eine Justiz, die nichts unternimmt, wenn VW und AMAG wissentlich und vorsätzlich unsere Kinder vergiften, kann sicher nicht mehr ernst genommen werden.

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