Die Republik ist nur so stark wie ihre Community. Werden Sie ein Teil davon und lassen Sie uns miteinander reden. Kommen Sie jetzt an Bord!

DatenschutzFAQErste-Hilfe-Team: kontakt@republik.ch.



· editiert

Ich war 45 Jahre lang Lehrer in verschiedenen Kantonen und im Ausland, seit sieben Jahren auf der Suche nach der Langeweile glücklich pensioniert und finde den Artikel ziemlich gut. Zeigt schön das Spektrum der Problemfelder und auch die unterschiedlichen Charaktere der an der Schule Beteiligten.

Die Gründe des Lehrermangels sind vielschichtig und verworren.

Was im Artikel eher zu kurz kommt, sind die Einflüsse der Politik, die verantwortlich ist für die Reformflut seit Jahrzehnten und sich kaum um die Auswirkungen kümmerte, ziemlich naiv aus Eigennutz und zur persönlichen Profilierung den in den 2000er Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossenen Schulentwicklern, Coachs und Erziehungswissenschafterinnen nachplapperte, ohne darüber nachzudenken, was z.B. die Integrative Schule wirklich bedeutet, weshalb jetzt eben die Ressourcen fehlen und Chaos herrscht.

Und hatte ich auch während all der Jahre im Schulzimmer neben dem Thermofax, der Wandtafel, dem Hellraumprojektor und dem Beamer das Gefühl, dass die Schulreformen eben vor allem die Technik betrafen und aber wenig pädagogisch hilfreich für die Lehrerin waren.

Schulleitungen zum Beispiel haben mir nie geholfen besser zu unterrichten. Im Gegenteil.

Die Schweizer Volksschule ist noch immer nur eine mangelhafte Kopie vom soliden Handwerksbetrieb und agiert wie in den Zeiten des Transistorradios fürs Camping mit VW-Bus nur neu mit gestrichener Fassade aus ein bisschen Wissenschaft und fröhlichem Enthusiasmus fürs Team, weshalb eben die Problemlösungsansätze weder das Niveau des ersteren, noch eine wissenschaftliche Stringenz erreichen, wie das Beispiel des Kollegen Kästli zeigt: "Im Herbst will er die Gemeinde bitten, künftig auch die Lehrer ans Weihnachts­essen der Gemeinde­angestellten einzuladen."

62
/
5

Rolf B. Beitrag ist ausgezeichnet. Genau mein Empfinden nach 40 Jahren Schuldienst im Kanton Bern.

7
/
1
Olivia Kühni
Leserin, Ex-Republik
·

Mich beschäftigt, was am Rand im Text und ausführlicher in einigen Kommentaren vorkommt: die abwertende Art und Weise, wie über andere wichtige Akteure im System Schule gesprochen wird. Ein System, das für die Kinder da ist - um sie geht es. Damit sie individuell wachsen dürfen und als Gemeinschaft, die die Zukunft prägt.

Gesagt wird also über Eltern: die sind mühsam, die stellen Ansprüche, die klagen, die fordern, etc. Ähnlich negativ höre ich manche Lehrpersonen über Schulleitungen sprechen: die nerven, die haben keine Ahnung, die erschweren den Job, etc. Und über die Politik: Sie versteht uns nicht, lässt uns im Stich, drückt uns ständig neue Dinge auf. Auch über Schulentwickler*innen oder Forschung hört man selten Wohlwollendes.

Aufgrund vieler solcher Äusserungen über die Jahre stelle ich mir inzwischen die Frage, ob hier möglicherweise ganz grundsätzlich etwas im Argen liegt. Dass es nämlich am Verständnis fehlt, dass man hier gemeinsam in einem System wirkt. Dieses Verständnis fehlt möglicherweise bei verschiedenen Akteuren, auch, ja, bei manchen Lehrpersonen.

Versteht man die Schule überhaupt als ein System, in dem man gemeinsam und in unterschiedlichen Rollen Wertvolles beiträgt? Weil das ist sie, ob man das anerkennt und bewusst gestaltet oder übersieht und verwildern lässt.

Werden also beispielsweise Lehrpersonen als Team gemanagt, mitsamt klaren Rückmeldungen und der Möglichkeit, diese selber anzubringen? Mitsamt der Möglichkeit auch, jemanden zu fördern oder sich zu trennen? Werden Eltern als Partner gesehen, die zu Recht viel von der Schule erwarten - warum auch nicht, angesichts ihrer Bedeutung für das eigene Kind? Schätzt man Schulleitungen als Sparring Partner, die den Lehrpersonen den Rücken freihalten - so, wie das gute Führungspersonen tun? Und ja, spricht man dann in dieser Kultur drin Lehrpersonen auch das Vertrauen aus, das sie verdienten, als Fachleute in einem enorm wichtigen, anspruchsvollen Beruf?

Von Aussen habe ich manchmal den Eindruck, dass hier etwas Grundsätzliches schief läuft: Abblocken, Abwehr, Bürokratie und Schuldzuweisungen statt gut und klar gestaltete Beziehungen.

Ich sehe eine neue Generation von Lehrpersonen, die zunehmende Professionalität und Präsenz von Schulleitungen und das Engagement von Quereinsteigenden als Chance.

57
/
9
Elia Blülle
Journalist @Republik
·

Danke für deinen spannenden Kommentar, Olivia. Ich habe mir dazu Gedanken gemacht.

Meine Vermutung nach zahlreichen Gesprächen, wieso es zu den Schuldzuweisungen kommt und das gegenseitige Vertrauen fehlt: Das System ist arg überlastet. Ein Beispiel, das es nicht in den Text geschafft hat, aber mich bei der Recherche schon hat aufhorchen lassen: Oft haben Schulleitungen eine Führungsspanne von bis zu 60 Personen. Wie will man da, saubere Personalentwicklung machen, Teams führe und coachen?

Wir kennen das ja aus dem Journalismus nur zu gut. Lastet auf dem System zu viel Druck und fehlen Strukturen, geht extrem viel Energie verloren und man verbringt – in die Ecke gedrängt –plötzlich sehr viel Zeit damit, aus einem Reflex – oft kontraproduktiv – die eigene Position zu verteidigen. Das war übrigens auch meine Erfahrung, als ich mal für ein Jahr als Zivi als Klassenassistenz gearbeitet habe. Kommt hinzu: Das Schulsystem hat einen hohen Komplexitätsgrad, mit vielen Stakeholder, die alle mitreden wollen – und teilweise unterschiedliche Interessen haben, die sich nur schwierig verbinden lassen.

Ergibt das Sinn?

54
/
0

Ein Schulleiter führt 60 direkt unterstellte Lehrpersonen? Ich kann mir nicht vorstellen, wie das funktionieren soll. Selbst bei reiner lassez-faire Fürhung.

8
/
0

Nebst dem üblichen Genöle, das man überall antrifft, also auch bei den Lehrpersonen, stelle ich einfach fest, dass die Situation bei den Lehrpersonen der Situation in den Pflegeberufen ähnlich ist. Seit etwa zwanzig Jahren sagen die betroffenen Berufsmenschen hauptsächlich dies: Wir möchten uns bitte aufs Kerngeschäft konzentrieren können, Unterrichten bzw. Pflege, also die Arbeit mit den und für die anvertrauten Menschen. Daher bitte nicht noch mehr Administration, bitte nicht Reform auf Reform, bitte keine Verakademisierung der Ausbildung auf Kosten der Praxis etc. Nur hört man Ihnen nicht wirklich zu, sondern bürdet Pflegenden und Unterrichtenden weiter fröhlich immer mehr auf.
Ich bin grösstenteils einverstanden mit dem, was Sie schreiben, aber für mich ist dieses "Grundsätzliche", was Sie im Argen wähnen eben genau das: Man hört die Anliegen der Betroffenen nicht wirklich, bzw. hört sie an, antwortet mit ein paar gut gemeinten "wertschätzenden" Worten oder klatscht auf dem Balkon, und das war's.
Zu Ihrem letzen Satz: Wie passen zunehmend professionelle Schulleitungen und immer mehr nicht ganz so professionelle Quereinsteigende zusammen als "Chance"? Ich weiß von Schulen, in denen die Ausgebildeten den Sommerkurs-Gecrashten die Lektionen und das Unterrichtsmaterial vorbereiten müssen, weil letztere weder die Zeit noch das Know-how dafür haben. Verordnet von der professionellen Schulleitung.
Man verstehe mich nicht falsch: Das kann in der akuten Situation die bestmögliche Lösung sein und ich möchte auch nicht bestreiten, dass es sehr fähige Quereinsteigende gibt. Aber das ist ein Notfall-Regime und nicht gutes Management, wie Sie und ich das uns wünschen würden. Dies als Chance fürs System zu bezeichnen, finde ich dann doch etwas gewagt.

44
/
0
· editiert

Liebe Frau Kühni, Ihre fundierten Beobachtungen und Überlegungen gefallen mir ausserordentlich. Es sind schon ein paar Jahrzehnte vergangen, seit angefangen wurde, soziale Systeme ganzheitlicher zu sehen, zB wie Mobiles. Störende Kinder, Mitarbeiterinnen, Patienten nicht als Sündenböcke, sondern als Verkörperungen für Fehlfunktionen im System. Fortschrittliche Bildungs- und Therapieeinrichtungen haben mit viel Gewinn angefangen, Störenfriede anders zu betrachten. Die Schule befindet sich in einem gewaltigen Umbau. Allgemein in der Gesellschaft muss ja begonnen werden, in größeren Zusammenhängen zu denken. Ich hatte das Glück an einer öffentlichen Schule zu arbeiten mit einer Schulleitung, die sich den neuen Herausforderungen (Integration) stellte, eine klare Linie, klare Ziele hatte und mit überzeugendem Erfolg stetig daraufhin arbeitete und sich, wenn nötig, von verschiedenen Seiten Hilfe holte. Warum so neue Ansätze nicht begierig allgemein aufgegriffen werden, weiss ich nicht. Vielleicht, weil Lehrpersonen immer schon Einzelkämpfer in ihrem Klassenzimmer waren. Die neuen Anforderungen und Bedürfnisse brauchen aber mehr Flexibilisierung, Zusammenarbeit über Berufsgrenzen hinweg ist zwingend. Und es braucht pädagogisch umsichtige Schulleitungen als Führung.

15
/
0
Mittelschullehrer ohne Berufserfahrung
·

Sehr präzise bringen Sie da auf den Punkt, was ich auch empfinde. Und vermutlich gilt das quer durch die ganze Gesellschaft in fast allen Bereichen, die der Leistungs- und Profitkultur unterworfen wurden.

Damit das wieder ins Lot kommt, wird es Zeit und viele Gespräche brauchen.
Und wir müssen wegkommen von Kontrollitis und dem Zwang zu Effizienzsteigerung. Beziehungen ersticken unter Kontrolle. Was atmen hilft, ist Zutrauen und Grosszügigkeit. Menschen, denen etwas zugetraut wird, organisieren sich gerne selber. Dann spätestens sollte Grosszügigkeit ins Spiel kommen und die benötigten Ressourcen unbürokratisch zur Verfügung stellen.

Bis sich das System aus der Kontroll-Abwärtsspirale in eine Grosszügigkeits-Aufwärtsspirale umpendelt, können gut und gerne Jahrzehnte verstreichen.
Damit das glückt und nachhaltig wird, braucht es unbedingt fûr alle Beteiligten, Lehrpersonen, Kinder, Eltern, Leitungspersonen, auch die Möglichkeit, offen über Fehler und Überforderung zu kommunizieren – ohne dass damit gleich irgendwelche Sanktionen oder „Unfähig!“-Rufe ausgelöst werden. Nur so können wir uns gegenseitig stützen und ein bewegt stabiles System schaffen.

Und warum lassen wir bis dahin die Kinder und Lehrpersonen nicht einfach spielen & ausprobieren und schauen dann, was sie so alles gelernt haben? Ich fände das eine sehr valable Alternative zum Durchzwingen durch ein System, das sich unter Druck überhitzt, bis es knallt.

13
/
1

@Olivia - gern greife ich den Ball auf und spiele ihn ins lösungsorientierte Feld: ein Beispiel aus Neuseeland (öffentliche Schule; es gib kaum Privatschulen) , mit dem "tanzenden Direktor", den Eltern, die in der Schule mitarbeiten, den Kindern, die den Unterricht aktiv mitgestalten - keine Ausnahmeschule, sondern mehr oder weniger Normalfall in einer durch Zusammenarbeit aller Beteiligten und Freundlichkeit geprägten (nationalen) Lehr-/Lernkultur. (Bildung Bern hat das Buch seinen Mitgliedern als «Quartalsbuch» angeboten) https://www.socialnet.de/rezensionen/26981.php

3
/
0
Mensch
·
· editiert

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Auch wenn Gorbi das so nicht wörtlich gesagt hat, stimmt es doch. Die Lehrpersonen in der Schweiz übernehmen immer häufiger die Aufgaben der Eltern.

Das Stichwort dazu: Erziehung. Zugegeben, dass ist kein schönes Wort. Trotzdem muss es sein. Die Grundregeln des Verhaltens sollten zu Hause vermittelt werden, nicht in der Schule. Sozialkompetenz sollten Kinder zu Hause in der Familie lernen, nicht in der Schule. Und so weiter.

In der Schule steht die Vermittlung von Wissen auf dem Programm, Wissen als Basis um im späteren Leben mindestens über die Runden zu kommen.

Wenn die Eltern jedoch Lehrpersonen als „allgemeine“ Dienstleister betrachten und daraus das Recht ableiten überall „ihren Senf“ dazu zu geben, wird die Lehrperson zu Freiwild - falls sie durch Politik und Gesellschaft nicht geschützt wird.

Dann ernten wir, was wir gesät haben: Jugendliche die im Leben immer häufiger überfordert sind und einen sinkenden Bildungsstand.

Aber ist nicht Wissen unsere wichtigste Ressource in der Schweiz?

45
/
5

Der süffig und differenziert geschriebene Beitrag und dieser Kommentar von T. R. haben es mir angetan. Als Vater und ehemaliger „Volksbildhauer Sekundarstufe I phil II“ darf ich Eltern und Politiker:innen daran erinnern, dass Erziehung-Bildung-Ausbildung wie auf einer Wanderung zu einem Berggipfel gleichzeitig und etappenweise erfolgen können und dass der Lehrer:innen-Beruf kein Ferien-Job (mit 13. Monatslohn und viel unterrichtsfreier Zeit) ist.
🤫Übrigens: nachfolgender Ausschnitt habe ich mir zwischen meinen Ohren aufgehoben.👇🏿

Aber Historiker Criblez betont: Das Schul­wesen ist natürlich kein Schweine­markt.

Angebot und Nachfrage werden im Bildungs­wesen von zahlreichen Faktoren beeinflusst, die nur schwierig zu steuern sind. Es gilt die freie Berufs­wahl. Der Staat kann keine Lehrer züchten. Besonders in wirtschaftlich stabilen Zeiten gibt es für junge, gut ausgebildete Menschen zahlreiche Job­möglichkeiten. Und wer einmal Lehrer ist, bleibt es meistens für immer.

Der Beruf bietet Stabilität, solides Einkommen, keine glamouröse Karriere.

8
/
0
Lehrperson Sek II
·

Wenn von Forderungen nach höheren Pensen die Rede ist, dann bitte auch immer erwähnen, dass Lehrpersonen im Schnitt ca. 13% unbezahlte Überstunden leisten: https://www.srf.ch/news/schweiz/ueb…atisarbeit

Die Folge: Das häufige Gefühl, eigentlich zu wenig Zeit zu haben. Für Unterrichtsvorbereitung, Korrekturen, individuelle Rückmeldungen und Gespräche, Teamarbeit, Arbeitsgruppen, Konferenzen, Weiterbildungen... Kein Wunder, wird das Pensum reduziert, sofern es finanziell machbar ist.

Auch die Interaktionen im Schulalltag (ausserhalb des Unterrichts) sind meiner Wahrnehmung nach stark von diesem Zeitdefizit geprägt: Ohne Unterbruch von Sitzung zu Sitzung hetzen, wobei die Traktanden oft nur oberflächlich und nicht abschliessend besprochen werden können; wichtige Diskussionen werden vermieden, da die Zeit fehlt; zahlreiche Absprachen werden beiläufig in der Kaffeepause oder über Mittag getroffen; wichtige Informationen gehen unter, vieles wird auf den letzten Drücker erledigt und Entscheide werden oft ohne Einbezug aller Involvierter getroffen, was schnell zu gegenseitigen Vorwürfen führen kann.

39
/
0

Ihr letzter Paragraf ist wohl zutreffend für jede Branche. Sie sind in der Schulbranche und denken und merken, wie knapp alles gerade noch so funktioniert. Ich vermute dasselbe für die Spitäler, für die produzierende Industrie, für die Software Services, für die Politik, für die Gerichte. Und wahrscheinlich schon seit immer.

16
/
0
· editiert

Der Republik-Beitrag stellt den aktuellen Wissensstand pointiert und mit erfreulicher journalistischer Gelassenheit zusammen. Chapeau. Mit meinem Freund und Kollegen John Hattie würde ich sagen: das Zeitalter der umfassenden Erforschung von Schule und Unterricht ist (weitgehend) vorbei, wir haben den Reichtum des Wissens, nun geht es an die Umsetzung. Zahlreiche Schulen schaffen es: optimale Kompetenzfortschritte der Lernenden, selbstwirksame gesunde Lehrpersonen, effizienter Einsatz von Ressourcen. Damit es mehr werden, braucht es viele schnelle Veränderungen, auch in den Köpfen der Verantwortlichen und auch der Dozierenden und Forschenden an den PHs. In kaum einem anderen Land als der Schweiz sind die Bedingungen so günstig. Und wir haben Fachverbände der Lehrpersonen, die professionelle Entwicklung voranbringen wollen. Packen wir es an!

35
/
0
Elia Blülle
Journalist @Republik
·

Merci.

3
/
0
Susanne Saam
Mitglied
·
· editiert

Kürzlich habe ich im Regionaljournal Bern Freiburg Wallis gehört, dass in der Stadt Bern bei der Reinigung gespart wird. Auch in Schulhäusern, auch in Klassenzimmern.
Lehrpersonen, die in einem sauberen Schulzimmer unterrichten wollen, müssen künftig auch noch selber putzen.
Mir fehlen die Worte.

32
/
0

Aus beruflichen Gründen lebte ich 2004 in einer entlegenen Kleinstadt in Japan, mit Familie, die beiden Töchter waren 11 und 12 jährig. In der dortigen Gesamtschule war es so, dass alle Kinder mithelfen mussten, das Schulhaus sauber zu halten. Natürlich haben alle Kinder, unsere wie ihre japanischen Kameradinnen darüber geschimpft, denn, wer putzt denn gern? Mir ist aufgefallen, dass unsere Töchter, und vermutliche auch die japanischen Schüler, weniger schlampig mit den Räumen und Dingen umgingen: sie selber mussten den Dreck und die Unordnung nachher unter Leitung des Abwarts beseitigen helfen.
Dass die Schüler mit dem Reinigungspersonal gemeinsam das Schulhaus in Ordnung halten ist eventuell nicht die schlechteste Einführung in verantwortungsvolles Miteinander?

35
/
0

Das ist ein sehr schönes Konzept, erinnert mich ansatzweise an Erfahrungen als junge Lehrerin in den Siebzigern in einer schon damals als "Problemschulhaus" verbrüllten Primarschule (ca 20 Klassen). Wir hatten einen unglaublichen Abwart (einen ehemaligen Seemann 😉) - er machte bei allem mit; für Sporttag, Quartierfest, Schulfest konnten wir auf ihn zählen. Er kannte alle Schüler*innen, war allen gegenüber hilfsbereit, hat oft auch geschlichtet, er kannte den Begriff Deeskalation nicht, genau das hat er aber getan. Für uns als Lehrpersonen, Schüler*innen und Eltern war klar: wir machen alles, um ihn im Alltag zu unterstützen und ihm nicht Mehrarbeit zu verursachen, wir machen alles, damit es ihm an der Schule wohl ist. Deshalb: wir räumen die Klassenzimner so auf, dass das Reinigen so einfach wie möglich ist, wir nehmen auch regelmässig einen Besen in die Hand.
Wir waren ein eingeschworenes, gutes Team, alle zusammen.

Wie weit könnte das schöne und sinnvolle Konzept aus Japan - wenn auch nur ansatzweise - im heutigen Schulalltag übernommen werden?

27
/
0

Das Beste: Das rechnet sich logischerweise nur dann, wenn es gratis geschieht.

2
/
0

Mir fehlt im Artikel Information zum Thema "Schulleitung". Irgendwann wurden diese eingeführt. Es gibt eine Schulleiterausbildung. Die Schulleitungen haben eine ganz wichtige Funktion (wenn sie verstehen, dass es sich nicht um eine Managementaufgabe handelt). Ein Leitbild für die Schule und dann entsprechende Weiterbildung für alle Lehrpersonen, organisieren. ZB. zum Thema Umgang mit Gewalt, Mobbing, schwierige Schülerinnen / Klassen etc. Wie können alle zusammen ein gutes Lernklima schaffen? Wie wird verhindert, dass Lehrpersonen nicht allein gelassen werden mit erlebten Aggressionen? Wie wird verhindert, dass die Schuld beim Einzelnen gesucht wird? Es braucht Schulleitungen, die ein Regelsystem etablieren, Transparenz beim Umgang mit Regelverstössen: was wird wie geahndet. Eltern müssen von Anfang an miteinbezogen werden, nicht nur im Rahmen von Elterngesprächen, sondern auch in einem Elternbeirat, der mitgestaltet, wie die Regeln und die Sanktionen formuliert werden. Alle Eltern, alle Schüler müssen die Hausregeln unterschreiben. Es braucht eine Basis für die gemeinsame Zusammenarbeit. Die Schule ist zusammen mit dem Hauswart und dem Putzpersonal, der Betreuung, eine Bildungs- und Sozialisierungseinrichtung. Es geht nicht anders, als dass alle zusammenarbeiten, gemeinsame Werte und Ziele entwickeln. Ich habe das einmal während 10 Berufsjahren erlebt. Vom Anfang vieler Veränderungen bis zum etablierten Schulalltag. Es lohnt sich. Für alle. Aber es braucht eine Schulleitung mit pädagogischen Zielen, die nicht nur die Einzelnen, sondern die Gesamtheit betreffen. Die Schule, wie der Rest der schweizerischen Gesellschaft, bildet Diversität ab, sowohl bei den Schülerinnen, wie bei den Lehrpersonen. Das braucht Umdenken, andere Strukturen. Da sind wir noch am Anfang, Schweinezyklus hin oder her.

28
/
0
Elia Blülle
Journalist @Republik
·

Ja, Schulleitung. Super interessant. Habe ich mir lange überlegt, ob ich dazu auch schreiben soll, aber mir auch vorgenommen nicht mehr immer so ewig lange Beiträge zu schreiben. (Der ist schon wieder viel zu lange geworden. Aber ich merke mir das Thema. Vielleicht ein anderes Mal.)

19
/
0

Bei Klagen der Lehrerschaft, die mir zu Ohren kamen, ging es sehr oft um die Schulleitung. Dazu gibt es auch immer wieder Berichte in den Medien über Konflikte in Schulhäusern und / oder mit Teilen der Elternschaft. Herr Blülle, Sie fokussieren auf die pädagogischen Fähigkeiten der einzelnen Lehrperson - das ist überholt. Die Herausforderungen, mit denen sich diese konfrontiert sieht, können nur als Team gelöst werden. Die Bildungsaufgaben haben sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert, aber unsere Bilder von Schule und Unterricht sind, überspitzt gesagt, noch von Albert Anker geprägt. Rahmenbedingungen für gelingendes Unterrichten sind nicht nur finanzielle Mittel, Bildungsstand und Erwerbssituation der Eltern, schulergänzende Betreuung, steuernde Politik, sondern eben ganz zentral, die noch
nicht so lange eingeführten Schulleitungen. Deren Rolle ist noch sehr unklar und wird nach persönlichen Neigungen und Fähigkeiten ausgefüllt. Diese braucht Klärung und Diskussion: geht es um Kontrolle der Lehrerschaft inkl. Bewertung? Geht es um Verwaltung, von der die Lehrerschaft entlastet werden soll? Geht es um pädagogische Führung oder Ernennung eines Verantwortungsträgers der Politik gegenüber? Wenn sich die Republik für die Schule interessiert, muss sie unbedingt anders hinschauen.

17
/
2

Vielen Dank für den Blick aufs ganze Umfeld, z.B. die Betreuung / Hort oder wie sie in verschiedenen Kantonen heissen mögen.
In der Schule in meinem Quartier arbeiten mehrere Mitarbeitende des Horts auch als Klassenassistenzen, DaZ usw. in den Klassen mit. Das ergibt einen wertvollen Austausch zwischen Lehrpersonen und Hortmitarbeitenden. Zudem bleiben die Hortmitarbeitenden vermutlich auch deshalb viele Jahre lang und machen als eingespieltes Team sehr gute pädagogische Arbeit.
Ein Konzept, das vermutlich auch die Lehrpersonen entlastet.

19
/
0
Martin Hafen
Präventionsfachmann, Soziologe
·

Das humanistische Bildungsideal ist auf eine Nivellierung der herkunftsbedingten Ungleichheit ausgerichtet. Wenn man den OECD-Analysen folgt, verstärkt das schweizerische Schulsystem diese Ungleichheit erwiesenermassen. Die Treiber dafür sind insbesondere die frühe Selektion und die Übertragung der Verantwortung für den Bildungserfolg an die Familien - eine Verantwortung, die nicht alle Familien gleich wahrnehmen können. Diese Ungerechtigkeit und damit verbundene Selektionswahnsinn belastet viele Lehrkräfte in hohem Ausmass.

Eng mit dieser Selektionsaufgabe verbunden ist die inhaltliche Gestaltung der Schule, die nach wie vor auf "Wissensvermittlung" setzt und dabei die unterschiedliche Entwicklung der Kinder vernachlässigt. Unter diesen Bedingungen nützt es auch nicht, wenn man zahllose Lebenskompetenzen in Lehrplan 21 aufnimmt. Für die Förderung von Lebenskompetenzen braucht es Erfahrungsräume und damit Zeit - Zeit, die nicht vorhanden ist, da man die selektionsrelevanten Lernziele erreichen muss.

Ein umfassendes Bildungsverständnis, das nicht ausschliesslich auf Wissensvermittlung, die Überwindung der Selektionsstufen und die Berufsvorbereitung fokussiert, würde den Lehrberuf attraktiver und weniger belastend machen. Wenn dann noch die gesellschaftliche Wertschätzung der Bedeutung der Aufgabe von Lehrkräften gerecht würde (wie das in allen skandinavischen Ländern der Fall ist), dann würde die Bereitschaft rasch zunehmen, sich für diesen so wertvollen Berufsweg zu entscheiden.

28
/
1

Wenn dann noch die gesellschaftliche Wertschätzung der Bedeutung der Aufgabe von Lehrkräften gerecht würde

Unsere Gesellschaft hat ein System für das Zeigen von Wertschätzung. Nutzen wir es.
(Es ist übrigens nicht das abendliche Klatschen auf dem Balkon für Pflegende).

9
/
2
Person mit Lehrdiplom
·

Was mich immer wieder wundert: Offenbar organisieren die Kantone lieber irgendwelche Schnellbleichen anstatt mal alle jene Personen anzusprechen, die bereits ein Lehrerdiplom haben, aber nicht auf dem Beruf arbeiten. Ist bei mir der Fall.

25
/
1
Lucia Herrmann
Community @ Republik
·

Das finde ich einen interessanten Punkt. Was hat Sie dazu bewogen, den Beruf aufzugeben bzw. nicht in den Lehrerberuf einzusteigen? Und: Was würde es für Sie persönlich brauchen, was müsste gegeben sein, damit Sie auf dem Beruf arbeiten würden?

17
/
0
Person mit Lehrdiplom
·

Ich wollte ursprünglich eine Teilzeitstelle, weil ich noch als Kulturschaffende tätig war. Das war damals (1990er) aber nicht zu finden, die Schulpflegen wollten Teilzeiterinnen allerhöchstens, wenn es daneben Familienpflichten gab. Ausserdem war damals noch Thema, dass ich keiner Religion angehöre und drum suspekt war, ob ich den Religionsunterricht "richtig" machen würde. Ich habe dann vikarisiert und schliesslich Teilzeitstellen bei Privatschulen gefunden. Anschliessend wurde mein anderes Standbein wichtiger, es kamen noch zwei eigene Kinder dazu, ich war und bin in der Erwachsenenbildung tätig... es ist halt allerlei dazwischen gekommen. Wenn so Meldungen von wegen Lehrermangel in den Medien sind, überlege ich mir aber jeweils schon, zurück zu kehren. Festanstellung und Pensionskasse hätte auch was für sich... und es ist schon ein sehr sinnvoller Beruf. Ichh finde es halt irgendwie einfach komisch, dass die ganzen Schulämter gar nicht auf die Idee kommen, da mal nachzufragen. Ich bin ja sicher nicht die Einzige, die noch ein Lehrerdiplom im Schrank hat.
Zu Ihrer Frage, was es bräuchte: Ein nettes, unterstützendes Lehrerteam, Teilzeit, ein kurzer Arbeitsweg und vermutlich ein bisschen Weiterbildung drüber, was jetzt an der Schule anders ist als damals.

22
/
0
Ex-Lehrer
·

Ist bei mir auch der Fall. Hauptgründe für Berufswechsel waren:

  • zu tiefer Lohn als Primarlehrer um ein Familie zu ernähren

  • mangelnde Wertschätzung

  • kein bis kaum Entwicklungsmöglichkeiten

  • Interesse an anderen Themen und Tätigkeiten

  • fehlende Anerkennung von Lehrdiplomen unter den Kantonen (unnötige bürokratische Hürden für Weiterbildung)

  • Kontakt mit vereinzelt respektlosen Eltern

Heute bin ich in der Erwachsenenbildung tätig. Es gefällt mir.

9
/
0
Multifunktional
·

Ich habe auch einen PH-Abschluss und arbeite nicht auf dem Beruf. Jedes Frühjahr/Sommer, wenn die Meldungen zum Lehrermangel kommen, habe ich ein schlechtes Gewissen, dass ich mich nicht bewerbe und mithelfe. Leider (?) liegen meine Prioritäten im Moment einfach anderswo…

5
/
1

Das Lehrerangebot ist zu klein?
Ökonomen haben eine klare Antwort auf ein zu kleines Angebot im Markt:
Der Nachfrager bietet an, mehr Geld zu bezahlen.

Also bieten wir doch den Lehrern mehr Geld an. Dann schauen wir, ob es immer noch zu wenige Bewerber gibt.

Die Kantone beachten diese Binsenweisheit nicht - dabei könnten sie leicht testen, ob sie stimmt. Das zeigt mir, dass die Kantone die Schule wenig wertschätzen.

8
/
13
Elia Blülle
Journalist @Republik
·
· editiert

Mehr Lohn wird das Problem nicht lösen. Hat man in verschiedenen Kantonen versucht. Wissen sie, was die Folge war? Mehr Lerher:innen, die Teilzeit arbeiten. Der Verdienst in der Schweiz ist gut, könnte eventuell bei Berufseinsteiger:innen etwas höher sein. Es ist ein ökonomischer Irrtum zu glauben, man müsse mehr Lohn bezahlen und dann kommen die Leute schon.

20
/
5

Wurde das tatsächlich untersucht oder ist das eine Behauptung? Es gibt mE 2 Gründe für den hohen Anteil an Teilzeitarbeitenden: 1. Das 100%Pensum ist mit den jetzigen Anforderungen an eine LP fast nicht mehr zu leisten (im Kt ZH), und 2. sind sehr viele Frauen in diesem Beruf tätig, welche noch eigene Kinder zu betreuen haben. Vielleicht wäre es notwendig einmal zu untersuchen, weshalb so wenige Männer noch diesen Berufsweg gehen.

24
/
0

Das würde mich erstaunen. Wurden die Folgen solcher Lohnerhöhungen tatsächlich untersucht, um herauszufinden, ob und warum dieser Effekt eingetreten ist?

Ich persönlich habe nichts mit dem Lehrerberuf zu tun. Ich lasse mich gerne überzeugen.

6
/
1
Frühzeitig pensionierte Lehrerin
·

Ich danke für diesen vielschichtigen Artikel . Für mich war der Lehre:innen Beruf abwechslungsreich, bunt, spannend, selbstbestimmt, sinnvoll und klar auch sehr belastend und eine ewige Herausforderung. Die beste Erneuerung und Entlastung für mich als Klassenlehrerin ist die Schulsozialarbeit.

23
/
0

Was nützt mir die schulische Sozialarbeit? Arbeite nach 20 Jahren auf dem Land jetzt seit 3 Jahren in der Stadt. Im ersten Jahr war die schulische Sozialarbeit nur für die telefonische Beratung der Lehrpersonen da. Im 2.Jahr kam eine, die aber nach wenigen Monaten krank geschrieben wurde. Auf ein Mail von mir bekam ich einfach keine Antwort. Wir wurden erst auf Anfragen hin informiert, dass sie für den Rest des Jahres ausfällt. Dann kam eine Neue mit viel Elan, schon ab den Herbstferien war sie überlastet, kann sich nur noch um Notfälle kümmern.
Dann habe ich theoretisch 2 Lektionen eine schulische Heilpädagogin. Es finden sich aber keine mit Ausbildung. Jetzt habe ich dafür eine Person aus Deutschland, sehr lieb und engagiert, aber sie kennt unser Schulsythem und unsere Lehrmittel nicht. Sie ist für mich eine Klassenhilfe, aber keine Unterstützung bei schwierigeren Fällen.
Wieder ein Kind in der Klasse mit einer Spracherwerbsstörung. Ich integriere es gerne, will es auch fördern. Muss aber das Wissen dazu bei der Logopädin erfragen. Das Kind sollte mindestens 2 Stunden Logopädie in der Woche haben, bekommt jetzt aber nur jede 2. Woche eine, weil es viele Kinder auf der Warteliste hat.
Und ja, ich würde gerne mehr mit Eltern zusammenarbeiten. Mit den einen macht das auch Spaß, mit anderen ist es nicht möglich.
Ich war Alleinerziehend ohne Allimente und habe immer mindestens 60% gearbeitet. Ich musste früh lernen, mit Stress und Belastung umzugehen. Jetzt sind die Kinder erwachsen und ich wollte 80% arbeiten, um meine Pensionskasse zu verbessern, aber 75% mit Klassenverantwortung sind mehr als genug für mich.
Aber mit dem, was ich jetzt in der Stadt erlebe, bin ich überfordert. Im Januar sind mir die Sicherungen durchgebrannt, massive Schlafstörungen. Habe bis zu den Sommerferien durchgehalten, jetzt bin ich krank geschrieben und arbeite noch 50%.
Es stimmt, es wird mehr Geld für die Schule ausgegeben, aber das fließt in die immer kompliziertere Verwaltung und in die Digitalisierung.
Ich würde die Lektionenzahl der Kinder kürzen, dass würde wieder mehr Möglichkeiten für den Halbklassenunterricht bieten. Und ich hätte gerne einen Sekretär, der mir die administrativen Aufgaben abnimmt. Das wäre eine grosse Entlastung.

3
/
0

Ein grosses Problem ist auch die Ausbildung. Warum muss man an der PH, als einzige Fachhochshule noch ein Vorkurs und eine Aunfnahmeprüfung machen? BM reicht nicht. Weiter ist diese dann je nach Kanton unterschiedlich und der Vorkurs wird nur im Wohnkanton bezahlt. Meine Schwester, welche in Rapperswil wohnt hätte da nach Rohrschach gehen müssen für ein Jahr obwohl Zürich nächer werde. Die Hürde war ihr shclussendlich zu hoch, weshalb sie nun nicht studiert und in ihrem gelernten Beruf als KV arbeitet.

12
/
5
Elia Blülle
Journalist @Republik
·

Ja, das ist eine spannende Frage, die ja im Artikel auch verhandelt wird. Die Angst der PHs und auch der Bildungsforschung ist folgende: Der Lerher:inneberuf hat mit dem Ausbau der Tertiärbildung extrem an Prestige verloren. Früher, als nur etwa 5 Prozent studierten, war das Lehrerseminar eine perfekte Alternative für all jene, die es nicht an eine Universität geschafft haben und sozial aufsteigen wollten. Mit dem Ausbau der Tertiärbildung war das Lehrerseminar plötzlich eine von ganz vielen Alternativen.

Es ist Paradox: Die Beispiele Finnland, Südkorea etc.. zeigen, dass ein Land weniger Probleme mit dem Lehrpersonenmangel hat, je höher die Eintrittshürde ist, je mehr Prestige ein Studium hat. Finnland hat auch einen extrem hohen Bildungsstandard und beste Pisa-Werte.

Ich kann mich auch selbst als Beispiel nehmen. Lange habe ich mir überbelegt, ob ich Lehrer werden soll. Wieso habe ich das ua. nicht gemacht? Weil ich «richtig» studieren wollte. Bei uns wurde das PH-Studium immer als 2-Klasse-Studium gesehen: Die nehmen alle, das schafft jeder, Mandalas ausmalen und so. Natürlich ist das alles Bullshit, aber diese Erzählungen haben einen Effekt und sie werden wohl verstärkt – so sagen es alle Bildungsforscher:innen, mit denen ich gesprochen habe – je mehr man die Anforderungen an das PH-Studium senkt.

22
/
0
· editiert

Lieber Elia Blülle
Was aber sind „hohe Anforderungen“ genau?“ Am Beispiel von Stefan Wolters (Money-Money-Money) Vorschlag, Mathematiklehrpersonen besser zu bezahlen als Deutschlehrpersonen lässt sich das trefflich diskutieren. Hohe Fachkompetenz (Integralrechnung als Kernkompetenz der Primarlehrperson?) ist nur ein Bein, dazu kommen muss Pädagogische Fachkompetenz - mobilisiert in der Situation in der Klasse). Mathematiklehrpersonen Sollte man tatsächlich besser stellen (z. B. Stundenentlastung) wenn sie ihre Schülerinnen überdurchschnittlich voranbringen. Genauso wie Deutschlehrpersonen. Ärzte und Ärztinnen brauchen viel viel mehr Fachkompetenz als Lehrpersonen. Lehrpersonen brauchen viel viel mehr Pädagogische Kompetenz als das medizinische Fachpersonal. Denn mit 20 Kindern schuljahrelang erfolgreich zusammenzuarbeiten ist viel komplexer als mit der einer Patientin immer mal wieder für 10 Minuten Paradoxerweise dauert die Facharztausbildung grob 10 Jahre, und sie ist in den entscheidenden Phasen dual angelegt (bereits bezahlt). Lehrpersonenbildung sollte daher länger, zyklisch/iterativ dual bezahlt angelegt sein. Das gibt es ja ansatzweise schon (Bachelor +) und es starten auch in den Nachbarländern duale Pilotstudiengänge. It is time for change!

10
/
2
ehemalige Lehrerin
·

Mache mir auch Gedanken zum Erwartungsmanagement, das für gelingende Beziehungen wichtig ist….
Für mich würde sich nicht nur die Frage stellen, welche Anforderung im digitalen Zeitalter eine Lehrperson mitbringen muss, um eine „gute Lehrperson“ zu sein, sondern auch, ob den an einem PH-Studium interessierten auch klar mitgeteilt wird, was sie im Berufsalltag erwartet. Wird da mitgeteilt, dass das Unterrichten nur 40% der Zeit ist, Vor- und Nachbereiten (korrigieren…) 20%, Admin/Weiterbildung/Schulentwicklung 20%, Sitzungen und Elternkontakt 20% (die Prozentzahlen hab ich erfunden, vermutlich gibts da Erhebungen dazu), und dass man in den Schulferien vielerorts Vorgaben zur Präsenz am Arbeitsplatz hat?
Und: wissen Eltern eigentlich, was Kinder können/ wissen sollten, damit der Einstieg in die Schule gut gelingt? Denn was ich auch schlimm finde: fast alle Kids freuen sich auf die Schule…und nach wenigen Jahren ist es vor allem ein mühseliges Muss…

0
/
0

Einen oder zwei Gedanken wert wäre in diesem Zusammenhang mal die grundsätzliche Frage nach der Notwendigkeit der Akademisierung des Lehrerberufs. „Studium zweiter Klasse“ - die Wortwahl ist zwar deftig, schiesst aber nicht weit daneben. Ich habe zuerst ein Fachstudium absolviert (Liz. in Germanistik, Uni Bern). Was danach an der PH geboten wurde, bot einen Spagat zwischen Banalität und Ernsthaftigkeitsanpruch, der zuweilen in die Realsatire kippte. Heute, im Alltag als Klassenlehrer einer Oberstufe, erlebe ich die „alten“ Lehrpersonen auf Unter- und Mittelstufe, die noch ein Lehrerseminar absolviert haben, als deutlich kompetenter, sie sind viel praktischer und weniger verkopft unterwegs. Auf den Punkt gebracht: Die PH‘s fressen Geld und bringen kaum Mehrwert. Da wurden einfach gigantische Geldtöpfe für dubiose Institute und schnellgebleichte „Professoren“ geäufnet. Wozu zum Teufel sollen Kindergärtner und Primalehrerinnen studieren? Und was, bitte? Damit hat man dem Schulsystem einen Bärendienst geleistet. Gut ein Viertel der PH-Studenten - habe ich mir an der FHNW sagen lassen - sind gescheiterte Fachstudemten. Der Rest anscheinend Maturanden, die sich ein Fachstudium an einer Universität a priori nicht zutrauen oder nicht antun wollen. Mit anderen Worten: Viele gehen aus anderen Gründen an eine PH, als Lehrer*in werden zu wollen. Das ist Gift für einen Beruf, der zum Grossteil auf Berufung fussen sollte. Resultat: Abgänger, die man im Schulalltag nicht brauchen kann, weil sie entweder dem Druck nicht gewachsen sind oder voller naiver Ideale ankommen und nach einer Weile desillusioniert aufgeben. Da sind mir Quereinsteiger mit Berufs- und Lebenserfahrung, die sich in einer fortgeschritteneren Lebensphase reflektiert für den Job entscheiden, viel lieber. So wie die PH‘s momentan ausgestaltet sind, verschärfen sie das Problem nur. Das Prestige des Berufs wird weiter sinken, der Mangel an qualifizierten Lehrpersonen wird noch schlimmer werden. Denn heute wird Lehrperson, wer kein richtiges Studium geschafft hat. „Wer nichts wird, wird Lehrperson.“ Gut, was?
Die Übung „PH“ sollte als gescheitert abgebrochen werden. Zurück zu den Lehrerseminaren und das ganze PH-Geld in die Infrastruktur und die Löhne an den Schulen.

0
/
0
· editiert

Ich habe neulich die Überschrift im SRF-Artikel zum "Sommercamp" abgeändert und anderen gezeigt.

"Crashkurs für Quereinsteiger: Einfache Bauchoperationen in fünf Tagen lernen".

"Crashkurs für Quereinsteiger: Befundsaufnahme und Aktenführung im Haftpflichtfall in fünf Tagen lernen".

Merkste was? Habe ich gefragt. Jaaa, aber.... begannen die Antworten.

Kein Wunder, dass in Zeiten von Reallohnkürzungen,
mit zunehmender Verantwortung und administrativem Aufwand,
gekoppelt mit Eltern, die bereits in den Sommerferien vor Schulbeginn das Telefon für aufregende Probleme wie die künftige Gruppeneinteilung beanspruchen,
dazu genereller gesellschaftlicher Respektlosigkeit ("HahA 5 wOCHen FeRIen xD xD"),
wo dann noch solche Sachen wie ein Sommercamp drauf kommen und der gesamten Gesellschaft, besonders auch den SuS, signalisiert wird, dass ja das Lehrersein eigentlich einfach und sozial tiefstehend sei,
keiner echten Handhabe und Unterstützung bei Sabotage des Unterrichts durch einzelne SuS,

Ja, kein Wunder, dass da die im Artikel genannten und im Land bekannten Sachen geschehen.

Wer da noch lehrt, muss doch ein bisschen spinnen.

Ich geh jetzt mal an den zweiten Kollegiumstag. Am Mittag wird grilliert und über die langen Ferien geplaudert. Am Wochenende wird noch Unterricht geplant. Ich freue mich auf die Rasselbande, die da kommt.

22
/
0

Das überzeugt mich völlig! Es fehlt an Wertschätzung. Und Wertschätzung wird in unserer Gesellschaft überall gleich ausgedrückt, beim Investmentbanker wie beim Fondsmanager. Wenn Lehrerinnen schlecht bezahlt werden, dann hat das einen Grund: "Ist nicht so wichtig."

Die sich verbreitende Verachtung für Bildung und die Schwärmerei für "gesunden Menschenverstand" und "Büezer" wird die Schweiz auf lange Sicht teuer bezahlen. Kaum eine Investition lohnt sich so sehr wie Bildung.

20
/
1

SuS = Schülerinnen und Schüler

8
/
0
ehemalige Lehrerin
·
· editiert

War diesen Sommer wandern mit einer sehr engagierten und erfshrenen Lehrerin. Habe sie gefragt, was sie als erstes verordnen würde, wenn sie Erziehungsdirektorin wäre. Die Antwort kam sehr prompt: Erziehungskurse für Eltern. Ich habe dann nachgefragt, was sie genau meint. Sie fand, es käme zum Lehrplan noch sehr Vieles hinzu, was den Job anstrengend mache. Und einige Kinder mit unangepasstem Verhalten würden halt sehr viel Kraft kosten. Sie wird Lehrerin bleiben, braucht aber bald eine Auszeit.

Eine befreundete Professorin an einer Fachhochschule bemängelt, dass die künftigen Lehrkräfte immer weniger Fachkompetenz mitbringen. Um genügend auszubilden, werde das Niveau laufend gesenkt.

Ich sehe eher schwarz für die Volksschule, wenn das so weitergeht. Gut betuchten Eltern wird vermehrt der Geduldsfaden reissen, so dass sie ihre Kinder auf Privatschulen schicken werden. Wie das langfristig herauskommt, wage ich mir nicht auszumalen.

Der finnische Ansatz scheint mir der richtige: man sollten den Lehrberuf wieder aufwerten. Denn Skiabos und Weihnachtsessen und kleinere Klassen und noch mehr Assistenzen werden das Problem des Lehrermangels und der Überlastung nicht wirklich lösen. Doch ist er auf die CH übertragbar?

P.S. Zu meinem Background: hab vor und während des Studiums an Privatschulen unterrichtet und wollte Lehrerin werden. Im Vorbereitungsseminar, das es damals gab, hatten wir Unterrichtspraktika auf allen Schulstufen. Mir wurde damals klar, dass der Erziehungs- und Adminanteil in der Volksschule sehr hoch ist (der Seklehrer, der mich begleitete, musste sich nebst dem Schulhausjubiläum auch mit den Hehlereien einiger Schüler befassen), weshalb ich mich für ein Bio-Studium einschrieb. Nach dem Abschluss, in den 90er Jahren, gabs dann aber nur Absagen. Die Situation an den Gymnasien ist wohl eine andere als in Primar- oder Sekschulen.

Edit: Kürzung, um Anonymität der Betroffenen zu wahren.

18
/
1

Ja, die Situation an den Gymnasien ist eine andere, was höchstwahrscheinlich auch damit zu tun hat (neben den von Ihnen erwähnten Gründen), dass der Lohn höher ist und die Schülerschaft einfacher (die Eltern leider nicht unbedingt). Aber auch in den Gymnasien zeichnet sich im Moment ein Mangel ab, der sich in den kommenden Jahren voraussichtlich verschärfen wird, insbesondere in den Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik. Wobei es tatsächlich so ist, dass die Biologie von diesem Mangel weniger betroffen ist, da sie bei den angehenden Lehrpersonen beliebt zu sein scheint.

5
/
1

Hätte man im Sommerfragebogen die Frage ,,Wie ist ihr Verhältnis zur Schule (als Eltern von schulpflichtigen Kindern)?“ beantworten müssen, dann hätte ich wohl das ,,uff…“ gewählt.
An Elternabenden wird man ja regelmässig Zeuge davon, mit was für Eltern es die Lehrpersonen so zu tun haben, aber auch mit was für Lehrpersonen es die Kinder zu tun haben und an den Besuchsmorgen wiederum, mit was für Kindern sich das Lehrpersonal herumschlagen muss.
Was das Lehrpersonal leisten muss und dass die Anerkennung dafür hoch sein muss, steht ausser Frage. Ich selbst habe mich auch mal dafür interessiert, als Quereinsteiger den Lehrberuf zu ergreifen, (Unterstufe) dies aber verworfen, weil ich mich in diesem Umfeld aus Schulleitung/Eltern/Lehrerkollegen kaum wohlfühlen würde. Ich finde aber, dass Quereinsteiger viel zu abschätzig bewertet werden. Heute wissen wir, dass quereinsteigende Brauer oft ein viel besseres Bier brauen und mit mehr Leidenschaft dabei sind, überhaupt findet man ins sehr vielen Berufen kaum mehr jemanden, der schon seine Lehre in der Branche gemacht hat.
Nur weil die Anforderungen immer höher werden, bekommt man nicht automatisch besseres Personal. Gerade in Berufen, wo eine solide Sozialkompetenz gefragt ist; ich hätte die regulär ausgebildete Lehrerin meines Sohnes von heute auf morgen gegen jede motivierte Quereinsteigerin ausgetauscht.
Ohne Frage muss der Beruf wieder attraktiver werden, aber nicht durch mehr Lohn, sondern durch eine Entflechtung all dieser Kompetenzeleien und einfach viel pragmatischeren Abläufen innerhalb dieses superkomplexen Schulapparates; die ADHS-Abklärung inkl. schulischen Massnahmen meines Sohnes dauerte bis zur ersten Medikamentabgabe ein geschlagenes Jahr. Ungezählte Mails, über ein Dutzend involvierte Personen, Zuständigkeitsabklärungen, x Sitzungen mit der Lehrerin, Telefonate etc.
Jede Schulreise, Sporttag oder Grümpelturnier löst mittlerweile eine Mailverkehrslawine aus. Das ist nichts für mich. Aber für die Schüler hätte ich’s gern gemacht .

15
/
4
Multifunktional
·

Quereinsteiger werden nicht abschätzig beurteilt, solange sie bereit sind sich weiterzubilden. Der Lehrberuf ist aber sehr komplex und ohne entsprechende Ausbildung kann man nicht allen Anforderungen gerecht werden - man weiss zum Teil ja gar nicht, dass diese Anforderungen überhaupt bestehen würden! Lehrerin sein ist nicht das gleiche Niveau wie Pfadiführer - und sogar diese müssen Kurse besuchen.

12
/
10

Ihre Antwort spiegelt doch sehr deutlich, was sie von Quereinsteiger halten: ,,das chan dänn öpe nöd jede!“ . Behauptet auch niemand, genau sowenig, wie ich den Lehrberuf mit Pfadiführer vergleiche. Hingegen wüsste ich jetzt nicht, warum Quereinsteiger nicht bereit sein sollten, sich weiterbilden zu lassen!?

17
/
2
interessierter Leser
·

Aus meiner Sicht als Laie in Schulfragen: gut recherchiert und sehr schön geschrieben!

14
/
0
Mittelschullehrer ohne Berufserfahrung
·
· editiert

Endlich kommt der Republik-Artikel zur Schule. Danke, Elia. Und natürlich kann er nur ansatzweise der Komplexität des Systems gerecht werden. Dafür gibt es ja hier den Dialog.

Was wäre, wenn Eltern die Schule und die Lehrpersonen grosszügig aktiv unterstützen würden? Ich spüre als Elternteil immer wieder, dass das gar nicht gewünscht wird. Auch hier im Text werden Eltern vor allem mit Anspruchshaltung und Anwälten in Verbindung gebracht. Doch wieviele Familien sind tatsächlich im Tigerelternclub? Und wieviele wären grundsätzlich unterstützend, werden aber nicht abgeholt? Gibt es dazu Daten?
Generell werden an Elternanlässen der Schule Informationen und Richtlinien top-down verordnet. Was, wenn man da noch etwas bottom-up beifügen würde. Nur soviel, dass sich die Eltern auch abgeholt und ernst genommen fühlen? Das braucht natürlich Zeit und aktive Kommunikation, braucht Ressourcen und allseits etwas guten Willen. Der Effekt könnte sein, dass sich Tigereltern etwas am Zügel nehmen und auf so erarbeiteter Vertrauensbasis viele Elterngespräche mit weniger Adrenalin verlaufen.
Diese Vertrauensbasis wäre wohl auch nützlich, um Eltern als familiäre Vorbereitung auf die Schulzeit ihrer Kinder generell die Teilnahme an einem Erziehungskurs, beispielsweise STEP (Link), ans Herz zu legen.

Zum anderen sehe ich, wie an Privatschulen innovativ mit dynamischen Teams Schule gestaltet wird, die Freude macht. Warum kann man da nicht voneinander lernen und wartet zu, bis die zahlungskräftigen und -willigen Familien der staatlichen Schule den Rücken gekehrt haben?

19
/
6

Privatschulen genießen den Luxus, dass sie schwierige Schüler*innen nicht nehmen müssen, nicht wie die Volksschule, die dazu verpflichtet ist. Ich bin selber nicht Lehrer, kenne aber einige sehr gut und bekomme da Geschichten mit, bei denen mir alle Haare zu Berge stehen. All diesen Geschichten ist gemeinsam, dass jeder dieser Schüler (z.T. liegt das Problem klar bei den Eltern) sofort aus jeder dieser tollen Privatschulen für Zahlungskräftige fliegen würde. Ich weiss von einem Fall, der rausflog, weil er sich in der Freizeit (!) ein "den Werten der Schule nicht angemessenes Verhalten" leistete. Schwups, raus war er. Sein Vergehen war eine Bagatelle verglichen mit anderen oben erwähnten Geschichten von Kindern und Jugendlichen bei denen eine Lehrperson 90% der Energie für ein einziges Kind aufwenden muss und der Rest der Klasse irgendwie klarkommen muss. Da nützen dann 10 statt 8 IF-Stunden pro Woche auch nicht wirklich, wenn ein 11jähriger seine Aggressionen nicht im Griff hat und beim kleinsten Anlass ("Aber er hed mis Bleistift gno!") Mitschüler und gar Lehrpersonen schlägt.

In der Schule meines Kindes gibt es einen Elternrat, da gibt es also den von Ihnen erwünschten Austausch Eltern-Schule.

13
/
0
Grossvater "Oekoterrorist"
·

Ich war Schulvater und 7 Jahre Werklehrer (4 Jahre berufsbegleitendes Seminar) in einer Steiner-Schule (nach der Pensionierung mit 55). Dort war es gerade umgekehrt, ein Sammelbecken für "schwierige" Kinder, die mit der Staatsschule nicht zurecht kamen und vielen Eltern mit höchsten Ansprüchen (und Schulgeld von "nichts" bis sehr viel). die aber vollständig in die Schule integriert waren.
Vielleicht hat aber der Lehrermangel auch noch mit den Zielen der Bildung in der "reichen" Schweiz zu tun. In der Waldorf-Pädagogik ist Wissensvermittlung (und Prüfung) nur 1/3 des Unterrichts, 1/3 ist Kunst, ein weiteres 1/3 Handwerk. Es wird gar nicht versucht "Defizite" aufzuarbeiten, sondern im Gegenteil Anlagen und Stärken der Kinder gefördert. Dabei wiederholt der Stoffplan die ganze Menschheitsentwicklung altersgerecht und ist erst in der Oberstufe "wissenschaftlich", was zu "menschlichen" Erwachsenen und Humanisten führt.
Ist vielleicht das Bildungsziel "Wirtschaftstauglichkeit" zu simpel? Und ein Studium müsste mit einem Semester Philosophie beginnen? Wirtschaft und "Wissenschaft" haben schliesslich die Lebensbasis weitgehend zerstört und die gegenwärtige "Bildung" fördert das weiter.

16
/
2
Mittelschullehrer ohne Berufserfahrung
·

Ich kenne eine Privatschule näher und bin da noch im Elternbeirat. Die Schule wurde von Lehrpersonen gegründet, die es satt hatten, an der Schule mit Druck und streng nach Stundenplan und mit Leistungsnoten zu arbeiten. Sie nahmen dafür einen wesentlich geringeren Lohn in Kauf, wussten anfangs nicht, ob ihr Projekt die kantonalen Hürden schaffen würde und ob genügend Eltern ihre Kinder da hin schicken und dafür auch noch bezahlen würden. Und sie erfanden die Schule neu, assistierten den Kindern beim Lernen, beurteilten Lernfortschritte und leisteten daneben etliches an Administration, um alle Auflagen zu erfüllen.
Mittlerweile ist die Schule gewachsen und gibt austretenden Kindern aussagekräftige Kompetenzraster mit, die sie jeder Bewerbung beilegen können. Allerdings muss die Schule, um auf ihre Einnahmen zu kommen, aufnehmen wen sie kann - solange ein Kind nicht das soziale Gefüge der kleinen Schule zu sprengen droht. Und da habe ich schon den Verdacht, dass da Kinder und Eltern auftauchen, die von staatlichen Schulen bei der aktuellen Ressourcenlage nicht getragen werden können. Gleichzeitig gibt es keine staatlichen Fördergelder. Das finde ich nicht fair.

9
/
0
Olivia Kühni
Leserin, Ex-Republik
·

Vielen Dank.

Ich mache mir ähnliche Gedanken. https://www.republik.ch/dialog?t=ar…c5f13c5e96

4
/
0

Im Kanton Bern - und wohl in der Schweiz generell - braucht es einen Quantensprung, um aus der Pflästerlipolitik rauszukommen. Das wird so rasch nicht geschehen, der föderalen Struktur und auch der mentalen Abneigung gegenüber grossen Schritten geschuldet. Auch die integrative Wende, die Abschaffung der Kleinklassen, war nur ein halbherziges Schrittchen. Sie wäre zwingend mit der Verkleinerung der Klassengrössen verbunden gewesen, die Politik machte daraus eher eine Sparmöglichkeit. Fatal, schon von Anfang an klar gewesen.
Ich war in den 80ern schulpolitisch an vorderster Front, habs aber schon lange aufgegeben. Denn auch die Lehrerschaft ist nicht wirklich mobilisierbar, bzw. die ca 80% Frauen darin. Da braucht es noch vorher mal einen kräfigen Emanzipationsschub.
Wenn wie gesatern an den Vorbereitungstagen niemand prostestiert, wenn der so beliebte Schulleiter "4 kräftige Männer" aufruft, die helfen sollen, das Klavier zu transportieren und kaum 4 Männer im Raum sind unter den fast 50 Frauen. Wenn dann die braven jungen Lehrerinnen die Hand aufhalten und eine sagt bloss "ich bin zwar kein Mann". Dann zeigt dies einfach der Stand der Dinge.
Wir krüppeln lieber weiter und helfen einander, wir knobeln stundenlang die Logistik durch, wie die vielen Fördermassnahmen in den Stundnplan sollen, schütteln den Kopf, weil dann kaum mal Ruhe in der Klasse ist und alles noch schwieriger.
Natürlich kommen dann all die Fakten, die im Artikel beschrieben werden, auch noch dazu.
Aber das Bewusstsein von innen ist zu schwach. Der Wohlstand und die schweizerische Mentalität zu stark. Psychologisch lässt sich da nichts ändern, bis eines Tages vielleicht nichts mehr läuft, irgendwelche Amokläufe von Schülern stattfinden, es muss ja immer zuerst krass werden, bevor gehandelt wird.
Die Klassen notfalls ehr noch zu vergrössern wie jetzt, zeigt aber bewusstseinsmässig gerade in die andere Richtung. Alles sehr mittelmässig, aber ein CH-Bildungsdepartement scheint man ja nicht für nötig zu halten.
Ich habe überraschend nach einem Gespräch mit dem SL beschlossen - an dem ich mich ähnlich ärgerte wie gestern - mich frühpensionieren zu lassen. Obschon meine Rente eigentlich zu klein ist.

18
/
4

Ok. Ich habe verstande: "man sollte dies und das" und "Wenn man das und das hätte, dann wäre es besser". Was wäre denn Ihr Quantensprung konkret aus?
Mehr Emanzipation? Mehr Teilzeit? Mehr Frühpensionierung? Weniger Föderalismus? Mehr Bewusstseinserweiterung von innen? Mehr Mobilisierung der Lehrerschaft?
Ich ziehe den Hut von Hr. Galiardi, wie er mit Passion, Kreativität und Phantasie die möglichen Freiräume nützt und den Kindern positive Erlebnisse ermöglicht.

9
/
1

Der Quantensprung? Ohne wenn und aber sofort maximal 18 Kinder pro Klasse, an schwierigen Orten 16. Ohne Ausnahme einhalten.

7
/
2
acc@eml.cc
·

Hier noch etwas Hintergrund über den Lehrerberuf in Finnland (leider schon 15 Jahre alt). Es ist nicht der etwa ein hoher Lohn der lockt, sondern eher eine Art gesellschaftliche Verantwortung, wenn ich das richtig interpretiere...

Journal für International und Interkulturell Vergleichende Erziehungswissenschaft
https://www.waxmann.com/index.php?e…6&uid=frei

5
/
0

Es ist nicht der etwa ein hoher Lohn der lockt, sondern eher eine Art gesellschaftliche Verantwortung

Ein hoher Lohn zeigt gesellschaftliche Verantwortung besser als jedes andere Signal.

7
/
6

Ich kann ihnen versichern, dass nicht alle Menschen über ein höheres Einkommen motiviert werden. Für viele reicht ein Medianlohn, weil sie sich über ihre Interessen, Überzeugung oder Talente motivieren.

11
/
0
acc@eml.cc
·

Es ist doch aber sehr interessant, dass das in Finnland offenbar auch ohne speziell hohe Löhne funktioniert, sogar eine Numerus Clausus scheint nötig. Es stellt sich die Frage, wieso ist das so? Auch die Autorin im oben verlinkten Artikel will sich da nicht richtig festlegen, was ich wiederum auch interssant finde.

2
/
0
as himself
·

Verständlich, dass ein solcher Blödsinn anonym abgesondert wird.
Bei hohen Löhnen kommen mir so "ehrbare" Berufe wie Steuerberater, Lobbyist, Banker und Werber, bei sehr hohen dann nur noch Star-Anwälte/-Fussballer/-Ärzte und Fondsmanager in den Sinn. Lauter nicht-systemrelevante Tätigkeiten, die wohl eher aus Macht-, Geltungs- und Geldstreben als mit dem Blick auf die gesellschaftliche Verantwortung angestrebt werden.
Als Vater zweier Kinder bin ich froh, dass sie bei Lehrerinnen (und ganz selten auch mal einem Lehrer - heisst es deshalb Lehrermangel, ohne :,* oder G.-I ?) in den Unterricht durften, denen gute, aber nicht sehr gute Löhne bezahlt werden. Könnte mir gut vorstellen, dass zwischen LehrerInnen-Gehalt und Unterrichtsqualität ab aktuellem CH-Niveau aufwärts eine negative Korrelation besteht.

2
/
3
Elia Blülle
Journalist @Republik
·

Danke für die Ergänzung.

2
/
0
eher autodidaktisch veranlagt
·

zur diskussion, dass ausbildung für gute arbeitsresultate ein und alles ist: ausbildungen sind in erster linie gut für standardisierungen und die gehören bei jedem beruf mit dazu, sind aber nur ein teil des rucksacks, den man mit sich tragen sollte. ich hatte mit den meisten ausbildungen immer sehr viel mühe und bin drum vielleicht etwas überkritisch. ich glaube, es gibt sehr viel sehr fähige berufsleute, die nicht die übliche laufbahn abgeschlossen haben. und einige ziemlich unfähige, die alle nötigen papiere erworben haben. diesbezüglich sind wir m. e. auch im 21. jahrhundert noch immer viel zu sehr auf formalien anstatt auf talente und fähigkeiten fokussiert.
oder noch etwas grundsätzlicher: solange wir immer spezialisierter werden in der arbeit und fast jeder kleine schritt vorgegeben ist, frage ich mich schon, ob man dazu wirklich 9-12 jahre in die schule muss und dann nochmals 3-4 in die lehre oder 3-9 studieren - nicht zu vergessen der boomende lukrative weiterbildungsmarkt…
habe die patentlösung auch nicht zur hand, muss aber immer schmunzeln, wenn über den fachkräftemangel gejammert wird und gleichzeitig nur leute zur anstellung in betracht gezogen werden, die dem gesuchten profil zu mindestens 95 % entsprechen.

13
/
3

Eine wertvolle Denkrichtung. Dieser mögliche Pfad ist fruchtbar wenn die Professionellen diesen mit der Grundhaltung beschreiten, dazulernen zu wollen (mit dem „-didakt“ geben Sie ein Signal in diese Richtung?!). Genau dafür braucht es Zeit, Räume und eine unterstützende Kultur im Schulhaus, in Einzelfällen auch auch ein Stück Erwartungshaltung im Kollegium. Kaum jemand ist mit einer Lehrperson zufrieden die sagt „ich hab fertig“ glücklicherweise sind es nicht so viele.

8
/
2
eher autodidaktisch veranlagt
·

danke für die antwort. ich finde allerdings, dass es eben genau kein schulhaus braucht, um dazuzulernen, für mich z. b. sogar oft hinderlich war - was bestimmt nicht für alle gilt. wir menschen sind grundsätzlich neugierige wesen, die neugier kann einem oder einer in der schulbank aber auch abtrainiert werden.
somit ist zuallererst zu klären, was ziel und aufgabe der schulen ist und was nicht (offenbar gehört heute auch erziehung mit dazu, die früher zuhause erfolgte). wollen wir fliessbandarbeiter:innen oder kreative problemlöser:innen? wenn ich den arbeitsalltag der meisten auch gut-ausgebildeten sehe, machen wir noch immer mehrheitlich fliessbandarbeit, aber das kann man schlecht zugeben, würde ja die eigene arbeit entwerten :-/.
dafür können auch die engagiertesten lehrpersonen nix, von denen ich viele kenne.

3
/
1
Präsident SchuKo
·

Was wir in ländlichen Gemeinden auch spüren: - In der Digitalisierung fühlt man sich vom Kanton Bern recht alleine gelassen, muss alles selber neu erfinden.

  • Wenn Eltern renitent sind, hat man fast keine Handhabe.

  • Schulsozialarbeit geht fast ganz auf Kosten der Gemeinde.

  • Alles, was kostet hat es politisch schwer...

Immerhin hat der Kanton Bern nun aber beschlossen, einige Herausforderungen zu adressieren: https://www.be.ch/de/start/dienstle…fbd8027109

10
/
0
Olivia Kühni
Leserin, Ex-Republik
·

Was genau sind für Sie "renitente" Eltern? Beziehungsweise wie sieht "renitentes" Verhalten von Eltern aus?

2
/
2

Ein Fall, den ich gut kenne: Erstklässler, hat riesige Probleme mit Frusttoleranz. Flippt aus, beisst und schlägt die anderen Kinder, z.T. auch Lehrerinnen wegen nichts. Die Eltern weigern sich nur schon, die Schulsozialarbeiterin hinzuzuziehen. Ohne Einverständnis der Eltern ist das aber nicht möglich. Ebenso bei der unbedingt nötigen Abklärung beim schulpsychologischen Dienst. Die Lehrerinnen machen, was sie können, aber durch das obstruktive Verhalten der Eltern sind Ihnen die Hände gebunden. Nicht gut. Am allerwenigsten für das Kind.

30
/
0
Präsident SchuKo
·

wenn Eltern klar ihre Pflichten verletzen, das Kind bspw. ständig unentschuldigt fehlt, zu spät kommt uvm und die Eltern nicht mithelfen beim Suchen einer Lösung zum Wohl des Kindes.

17
/
1

Befragungen zeigen ausserdem, dass Lehrer ihre Pensen zurück­schrauben und Lohn­einbussen in Kauf nehmen, um so ihre Gesundheit schützen.

Vermutlich ist nicht die körperliche Gesundheit gemeint (ich habe kein Abo, um den Artikel zu lesen) aber wir sollten im Hinblick auf den kommenden Herbst & Winter endlich flächedeckend Luftfilter installieren. Covid ist nämlich alles andere als weg und macht unter anderem auch das Gehirn kaputt. Das können kaufbare HEPA-Filter sein, oder Corsi-Rosenthal-Boxen zum selber bauen (zB. mit der Klasse zusammen). Mit wenig Geld lässt sich die Gesundheit und schrittweise Invalidisierung der Kinder und Lehrer aufhalten. Eltern, bitte informiert euch und ergreift die Initiative. Mehr Lehrer bringen nichts, wenn das Gehirn kaputt ist.

Sind die Kinder geschützt, geht es auch der Gesammtgesellschaft besser - Kinder sorgen für 70% der Infektionen innerhalb des gleichen Haushaltes Quelle

16
/
6
· editiert

Hier im Oberland gibt es zum Glück kein Corona in den Schulen. Gestorben ist eh niemand dran. Masken sind Kindesmisshandlung. Impfungen des Teufels.
Leider nur halb ironisch.

(Viel zu sarkastisch, wie ich an den Stimmen sehe.)

8
/
13

Stimmt, wir sollten diese Untersuchungen wieder den Kantonen überlassen. Schulen fallen ja in die Kompetenz der Kantone. Vielleicht funktionieren die Kinder im Appenzell ja ganz anders als die in Bern :D

7
/
0

Genau! Luftfilter schützen vor Corona-Infektionen und sparen Energie, weil damit im Winter die Fenster zu bleiben können.
Die WHO schätzt für Europa aktuell 36 Millionen Long Covid-Betroffene. Mit Luftfiltern in vollen Räumen könnten wir diese Zahl tief halten.

9
/
3
Leser*in
·

Mich würde interessieren, was hinter den Downvotes bei diesen Kommentaren steckt. Wie an anderer Stelle in der Republik („Was diese Woche geschah“) zu lesen ist, haben die krankheitsbedingten Abwesenheiten 2022 einen Höchststand erreicht. Und alle fragen sich, woran das liegen könnte (die SWICA verhöhnt gar die Arbeitnehmenden und wirft ihnen vor, sich schneller krank zu melden) - war da nicht was letztes Jahr?

1
/
0

Die Wissenschaftlerin fürchtet eine Deprofessionalisierung, dabei wird doch immer mehr akademisiert. Klar reicht ein Sommercamp nicht aus, aber sind die Hürden und Anforderungen für die Ausbildung andererseits denn gerechtfertigt? Ich weiss, dass gute und engagierte Personen den Quereinstieg nicht machen wegen den zu hohen Anforderungen der PH. Man sagt uns, es brauche eine gute Beziehung zwischen LP und SuS, und ich glaube, es gäbe viele, die das sehr gut könnten, aber die hohen Hürden bis zum Diplom nicht überspringen können oder wollen.

12
/
3

Das Argument dass die Lehrerausbildung ein hoch angesehenes Studium sein muss steht diametral zu meiner Einschätzung.
Ich habe an der FHNW einen technischen Studiengang absolviert. Zusammen mit den FH-Studiengängen ist die PH integriert. Dementsprechend mit vielen Kontakt gehabt welche die PH absolvieren.
Ich habe von niemandem gehört, dass die PH dem entspricht was sie gemäss den Erfahrungen in der Praktika benötigen.
Ebenfalls hatte niemand eingesehen weshalb man eine "normale" Matura oder eine Passerelle gemacht haben muss (auch jene die zuvor eine Lehre gemacht haben).

Bei vielen welche ich kenne eine Kanti machten war mein Eindruck dass sie den Lehrberuf schon deshalb nicht in Betracht ziehen da man nicht im Campus von UZH oder ETH ist und es somit ja kein "richtiges Studium" sein kann (klassischer Kanti-Dünkel - sorry not sorry).
Hingegen kenne ich viele die eine Lehre mit BM machten und sich wegen den Hürden und der "wir sind besser als BMler"-Politik der PHs für einen anderen Weg entschieden.

14
/
5

Ich habe im Jahr 1998 die Aufnahmeprüfung ins damalige Lehrerseminar gemacht. Mit der Benachrichtigung, dass ich bestanden hatte, kam ein Schreiben, das mir sagte: es gibt in absehbarer Zeit zu viele Lehrpersonen, vielleicht werdet ihr keine Stelle finden.
Das hat mich nicht abgeschreckt. Fünf Jahre später wollte ich in den Beruf einsteigen - aber wenn man, wie ich, lieber mit einem tieferen Pensum einsteigen wollte und nicht gleich Vollzeit, fand man in Graubünden nichts. Also bin ich nach Zürich gegangen. Allerdings konnte ich da nur mit Auflagen unterrichten. Ich hatte zwar Französisch gelernt, aber keine Lehrbefugnis dafür (sondern für Italienisch). Nach einem
Jahr hätte ich im Kanton Zürich eine extrem zeitaufwändige Fortbildung machen müssen, um danach Französisch unterrichten zu dürfen. Mit dieser Ausgangslage konfrontiert entschied ich mich mit 22, noch an die Uni zu gehen und dem Lehrberuf den Rücken zu kehren. Der Kantönligeist hat meine Lehrerinnenkarriere gekillt.

Und heute sehe ich diese Entwicklungen von aussen mit grosser Sorge. Es ist paradox, dass wir einen Beruf, der von so zentraler gesellschaftlicher Bedeutung ist, nicht wertschätzen. Stattdessen lässt man Leute nach einer Schnellbleiche unterrichten - das ist weder ihnen noch den Kindern gegenüber fair. Und leider zieht sich das durch, man kann bei den Kitas anfangen, wo Fachpersonal immer schwerer zu finden ist, weil die Arbeitsbedingungen so furchtbar sind. Wir haben da ein gewaltiges Problem.

7
/
0
Ex-Lehrer
·

Habe ähnliche Hürden in anderen Kantonen erlebt und dann auch einen Plan B gewählt :)

2
/
0
Köchin
·

Es geht einher: die Ansprüche und die Realität; die offensichtlich nicht vereinbar sind. Von den Institutionen wird vieles erschwert. Und sie kommunizieren nicht untereinander. Unterstützen sich nicht. So nehme ich dies wahr, beim Lesen dieses Beitrags und anderen die ich ebenso lese. Institutionen gegen Verbände; Ausbildungsstätten gegen etc. Es wäre klug, die Realität zu erkennen. Praktisch könnte es sein: wie können wir gemeinsam unser immer noch hochstehendes Bildungssystem erhalten.

6
/
0

Wie in einem vorangegangenen Post geschrieben, hier Studienergebnisse zur Bedeutung der Lohnhöhe für Lehrpersonen. Interessant wären weitere Studien, gerade auch solche, die den präsentierten Befunden widersprechen.

Vorbemerkungen:
Zweifelsohne muss ein Lohn für die sehr anspruchsvolle Tätigkeit als Lehrpersonen «gerecht» sein. Aus dieser Sicht: inakzeptabel sind Reallohnverluste (z. B. aufgrund von Lohnsteigerungen unter der Inflationsrate); störend sind übergrosse von Lebenshaltungskosten abgekoppelte Lohnunterschiede zwischen Kantonen oder auch eine überstarke Spreizung der Löhne zwischen den Bildungsstufen.
Wie alle quantitativen Studien basieren auch die nachfolgend ausgewerteten auf Durchschnittswerten. D. H. in der Gruppe der befragten Lehrpersonen gibt es solche, für die die Lohnhöhe eine sehr grosse Rolle spielt, dabei auch viele ganz andere.
Ich kenne Einzelfälle, in denen Lehrpersonen statt geleistete Überstunden vergütet zu erhalten lieber eine Reduktion der Unterrichtsverpflichtung bevorzugten (die ihnen nicht gewährt wird).

Als Berufswahlmotiv spielen nach Keller-Schneider (2011) «äussere Anreize» wie u.a. Lohnhöhe eine eher untergeordnete Rolle. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:d…ocs-147190
Sandmeier/Herzog (2022, S. 9 https://zenodo.org/record/6983545#.Y7Uq9hWZO3D) schlussfolgern. «Löhne sind in der Schweiz, wo Lehrpersonen vergleichsweise gut verdienen, kein Schlüsselfaktor für Kündigungen (Wolter & Denzler, 2009). Eine Erhöhung der Löhne kann regional eine temporäre Lösung sein, wird aber national das Problem nicht lösen.»
Viele der von ihnen vorgeschlagenen Massnahmen sind im Thread diskutiert worden.

5
/
0

Schulpflege, Schulleitung, Lehrpersonal, Schulärztlicher Dienst, Abwartung und Eltern etc. ,sind alles Beteiligte, die zum guten Vorankommen einer Schule zusammen arbeiten müssen. Das Zwischenmenschliche Verhalten in diesem System ist genauso wichtig, wie die Professionalität. Eine Vertrauensbasis zusammen haben, Erarbeitetes ausbauen und nicht ständig verändern wollen, einander unterstützen, keine Ueberforderungen noch Unterforderungen, Klarheit schaffen, Probleme nicht im Alleingang lösen wollen, usw., dienen zu einem gelungenen Schulleben. Das Idealbild funktioniert leider nicht so ohne weiteres. Das alle auch ihren eigenen Rucksack und die persönlichen Lebenserfahrungen mit in die Schule bringen ist auch eine Realität. Wir sind Menschen und keine Maschinen. Soziale, pflegerische und pädagogische Berufe sind überaus anspruchsvoll und nagen manchmal gewaltig an der Substanz.

4
/
0
· editiert

Die Frage ist, was passiert mit den neueingestellten "Lehrpersonen", die im besten Fall einen Sommercamp besucht haben, wenn sich die Lage normalisiert. Scheinbar seien sie zur Ausbildung zu motivieren. Man hört davon, dass hier unbefristete Anstellungen vergeben werden!??! Mit einem alljährlichen moralischen Zureden der Schulleitung wird hier bei vielen nichts passieren, da sie z.T. aus einem Berufssegment kommen, wo das Lehrpersonengehalt doch bündig Schoggi ist. Werden dann ausgebildete junge Lehrpersonen keine Stelle finden, wenn sich die Situation beruhigt, da sich die Metzgerinnen und Kosmetiker stillschweigend eingenistet haben? Eine befristete Anstellung oder Ausbildungsbestrebungen wären gegen eine schleichende Bildungserosion das Mindeste.

3
/
0
eher autodidaktisch veranlagt
·

habe mir die argumente für und wider hohe eintrittshürden für die lehrer:innenausbildung durch den kopf gehen lassen und frage mich, ob der volksschule gedient ist, wenn man lehrpersonen anspricht, denen v. a. soziales prestige und somit „etwas richtiges studieren wollen“ wichtig ist. ich finde, fachwissen wird in vermittlungsberufen fast immer komplett überschätzt. im zweifelsfall ist mir komplette ahnungslosigkeit mit guter sozialkompetenz lieber als umgekehrt. meine kantizeit ist nun auch wieder ein weilchen her, aber die gescheiterten professoren (maskulinum beabsichtigt), die dann als zweitbeste lösung halt kantilehrer wurden, waren bestimmt fachlich überqualifiziert, aber mit der rolle in den meisten fällen überfordert, womit allen beteiligten kein gefallen getan war. ich denke nicht, dass die mint-ausbildung besser wird, wenn man „fachidiot:innen“ mit hohen löhnen für die schule anwirbt.

6
/
4

In gut 40 Jahren in und mit Schule beschäftigt, erlebte ich oft den "segensvollen" Einfluss von LehrerInnen mit Berufslehre. Im Klassenzimmer und im Kollegium. Die Aufnahme in die PH mit Berufsmatur sollte sich durchsetzen.

2
/
0

Gute Zusammenfassung der Problemlage an Schulen. Herr Gagliardi spricht von 2 bis 3 Kindern pro Schule, die als äußerst aufwändig gelten (Primarstufe). Was machen dann Schulen, die 3 bis 5 solcher Kinder in jeder Klasse haben und auch nicht mehr Personal. Da nützt auch keine noch so tolle Werbung für den Lehrerberuf und AnfängerInnen in den ersten Monaten/Jahren zu begleiten bleibt vollkommen auf der Strecke.

1
/
0

Mit den Lehrern sei es manchmal wie mit der Fabel des Hirten­jungen, der ständig «Wolf!» brüllt, sagt Gagliardi. «Wenn du immer herummotzt, wirst du nicht ernst genommen, wenn es dann wirklich ernst ist.»

«Das ist schade», ergänzt er. «Denn jetzt gibt es gute Gründe zu motzen.»

Dieser Abschnitt wirkt für mich sehr arrogant für einen, der seit sieben Jahren im Beruf ist.
Mein Blick durch die Augen meines Umfeldes zeigt: In dem Beruf ist schon länger vieles im Argen. Nur schon die Strukturen! Lehrer*in hat Aufgaben und Verantwortung einer Kadermitarbeiterin, aber ist alleine mit der ganzen Verantwortung. (Bei grossem Glück gibt es für LP Unterstützung durch ihre Schulleitung.) Und hat keine Aufstiegs- oder Verbesserungsmöglichkeiten. Spätestens nach zwei Jahren wieder komplett neue Klasse/Eltern. Kein Lob, keine Arbeitskontrolle durch andere (z.B.: Du hast diese Woche tolle Arbeit geleistet. Oder: Achtung, du hast jetzt schon zwei Wochen Überzeit, die du bis Ende Jahr noch abbauen musst.) Einziges Feedback für die Arbeit kommt (indirekt) von Schulkindern und deren Eltern.

Für einmal ein zu oberflächlicher Artikel in meinen Augen für ein extrem wichtiges Thema.

16
/
16
Elia Blülle
Journalist @Republik
·

Mist. Jetzt habe ich mir so Mühe gegeben, dass der Artikel nicht oberflächlich wird. :)

Danke für die Ergänzung.

19
/
2

Geschätzter Herr Blatter. Genau das besagt die Theorie von Deci/Ryan: Selbstbestimmt als Lehrperson lernen zu können ist der Schlüssel. 3 zentrale Punkte: Autonomie, Soziale Eingebundenheit, Gewissheit zur eigenen Wirksamkeit. Setzen wir uns dafür ein!

5
/
1

Autonomie, Soziale Eingebundenheit, Gewissheit zur eigenen Wirksamkeit

Das glaube ich gern!

2
/
0

Leicht am Thema vorbei, aber ich frage mich öfters was die Alternative zum Schulsystem ist. Ich war die Ausnahme, aber ich hasste das Schulsystem schon seit dem Begin der Spielgruppe bis zum Lehrabschluss. Umso weniger Schule ich hatte, umso glücklicher, neugieriger und motivierter wurde ich. Ich hatte das Glück fast konstant in kleinen Jahrgängen mit 8 bis 12 Schülern zu sein, daran hat es nicht gelegen. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass diese Gruppen von Kindern in Konstant ähnlichen Bedingungen das gesellschaftliche Optimum der Bildung darstellen soll.

0
/
2