Dienstag, 11. Oktober 2022
Sagt Ihnen der Name Yves Donzallaz noch etwas? Genau, der SVP-Bundesrichter, den die Partei vergebens auf Linie zu bringen versuchte. Geschadet hat es ihm offenbar nicht.
Yves Donzallaz soll kommendes Jahr Präsident des höchsten Gerichts der Schweiz werden, so schlägt es das Bundesgericht vor. Es war im Sommer 2020, als die SVP dazu aufrief, einen «ihrer» Richter nicht wiederzuwählen – weil sich Donzallaz erdreistet hatte, Urteile zu fällen, die nicht auf Parteilinie lagen. Der Sturm misslang, Donzallaz wurde mit einem Glanzresultat bestätigt. Die Affäre hatte den Nebeneffekt, dass in breiten Kreisen klar wurde, wie die Richterposten unter den Parteien verschachert werden. Der Zürcher Obergerichtspräsident sagte damals im Gespräch mit der Republik zum Vorgehen der SVP: «Es ist ein erstmaliger Vorgang und eine unheilvolle Entwicklung.» Die Lektüre lohnt sich auch heute – genauso wie die Auslegeordnung von Brigitte Hürlimann im Vorfeld der schliesslich grandios gescheiterten Abstimmung zur Justizinitiative.
Bei der SVP in Ungnade gefallen, und dann auf zu höchsten Ämtern: Diesen Plot gabs doch schon einmal? Allerdings. Und er wird gerade aufgeführt.
Es wird viel über Publikumsschwund geredet, aber mit «EWS – Der einzige Politthriller der Schweiz» hat das Theater Neumarkt in Zürich einen Hit gelandet. Falls Sie hinwollen: Schnell reservieren! Es ist ein beschwingter Abend, zu dem die Kabarettistin Lara Stoll das Ihre beiträgt. Die Geschichte des Anti-Blocher-Putsches und der Widmer-Schlumpf-Inthronisierung bleibt der aufwühlendste Politplot der jüngeren Schweizer Geschichte. Das Stück, für das Piet Baumgartner und Julia Reichert verantwortlich zeichnen, kann im besten und auch in einem kritischeren Sinn als «Edelboulevard» bezeichnet werden. Das Komödiensetting bleibt relativ hemdsärmelig, wird aber mit etwas Marthaler-Ästhetik aufgewertet. Die Durchdringung des Stoffs hat nicht unbegrenzten Tiefgang, ist aber temporeich und unterhaltsam. Im dramatischen Kontext der heutigen Zeit ist es doch tröstlich, dass Schweizer Politik ein sicherer Wert bleibt für Komödienstoff!
Falls Sie es sich lieber zu Hause gemütlich machen: Hier eine Leseempfehlung zu einem schweren, aber wichtigen und leider nach wie vor hochaktuellen Thema.
Stellen Sie sich vor, Ihr Kind schafft es seit Wochen kaum aus dem Bett. Sie suchen Hilfe, und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie heisst es: Kommen Sie in sechs Monaten wieder. Dies sei derzeit in der Schweiz die durchschnittliche Wartezeit, vermeldete gestern das «Echo der Zeit». Die Situation ist seit Jahren prekär, durch die Pandemie hat sich die Zahl der Hilfesuchenden nochmal deutlich erhöht. Im Frühjahr hat die Republik die Geschichten der beiden Jugendlichen Lana und Jim erzählt. Sie zeigen, was der Notstand konkret bedeuten kann.
Lesen Sie hier die beiden Teile der Serie.
Zu einer News von heute. «Postcard geht leider nicht.» Diesen Satz kennen Sie. Gestern nun aber, nach Jahrzehnten der Pein, ein kleiner, später Triumph in Hunderten Coop-Filialen für sämtliche Besitzerinnen von Postfinancekarten: Niemand konnte mehr bargeldlos bezahlen – ausser sie.
Und was tut die Post heute? Sie stellt ein neues Geschäft vor – mit Bankkarten.
In 154 Postfilialen werden neu Prepaidkarten der Tessiner Cornèr Bank angeboten. Die Kooperation präsentierte Post-CEO Roberto Cirillo heute in Lugano. Will er damit etwa die eigenen Karten der Postfinance konkurrenzieren? Der Hintergrund ist ein anderer. Vor vier Jahren verhinderte die Politik aus Gründen des Service public, dass die Post ihre defizitären Poststellen schliesst. Heisst: Der Gelbe Riese muss Wege finden, die schwindenden Einnahmen von Briefsendungen und Einzahlungen am Postschalter zu kompensieren. Cirillo versuchts mit Dienstleistungen anderer Firmen. Er setzt dabei nicht nur auf Bankenservices: In ausgesuchten Postfilialen sind in den letzten Wochen auch Krankenkassen eingezogen. Ob sie der kränkelnden Post nachhaltig Gewinne in die Kassen spülen, darf bezweifelt werden.
In die Ukraine: Im ganzen Land heulten heute die Luftalarme, erneut kam es zu zahlreichen Angriffen.
Warmes Herbstlicht auf der bleichen Fassade eines Hauses, das überall stehen könnte. Das Bild strahlt Ruhe aus. Und als es unser Fotograf Lesha Berezovskiy vor ein paar Tagen in Kiew aufgenommen hat, war es dort tatsächlich noch ruhig. Gestern Morgen früh änderte sich das jäh. Lesha hörte eine Explosion. Und dann noch eine und noch eine, wie er uns von seiner Campingmatte im Flur aus berichtet. Der Krieg ist zurück in Kiew.
Zum Abschluss und zur Auflockerung: eine Bildgalerie.
Seit Montag wissen wir, dass SVP-Nationalrat Albert Rösti Bundesrat werden will. Seine Chancen stehen so gut, dass der «Tages-Anzeiger» bereits titelte: «So sieht ein Bundesrat aus». Karikaturisten dürften also bereits einmal zu üben beginnen, Rösti zu zeichnen. Wer Hilfe braucht, dem sei empfohlen, einen Blick auf einen schon etwas älteren Tweet von Komiker Karpi zu werfen. Dort gibts gleich noch Zeichnungsanleitungen für diverse andere Politikerinnen. Karpi scheint dabei selber etwas irritiert zu sein von seiner Arbeit: «Es ist echt nicht gesund», schreibt er dazu.
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