Journalisten, die im Hellen tappen

Nach der Entführung des Präsidenten der eidgenössischen Impf­kommission zogen viele Medien voreilige Schlüsse. Dabei ist das, was man nicht weiss, genauso wichtig wie das, was man weiss.

Eine Analyse von Bettina Hamilton-Irvine und Basil Schöni, 15.04.2022

Synthetische Stimme
0:00 / 19:13

Journalismus, der Ihnen hilft, Entscheidungen zu treffen. Und der das Gemeinsame stärkt: die Freiheit, den Rechtsstaat, die Demokratie. Lernen Sie uns jetzt 21 Tage lang kostenlos und unverbindlich kennen:

Um die Wende zum 20. Jahrhundert lebte in Bern das Stadt­original Dällebach Kari, über das man sich noch hundert Jahre später Witze erzählt. Einer handelt davon, wie Kari eines Nachts betrunken nach Hause torkelt und dabei seinen Schlüssel verliert. Verzweifelt sucht er unter einer Strassen­laterne, als der lokale Polizist hinzustösst.

Er fragt Kari, was er suche, und beschliesst, ihm zu helfen. Lange und erfolglos inspizieren sie das Kopfstein­pflaster. Schliesslich fragt der Polizist Kari, wo er den Schlüssel denn verloren habe.

«Dort drüben», sagt Kari und zeigt weit weg ins Dunkle.

«Ja, und warum suchst du dann hier?», will der Polizist wissen.

«Drüben ist es dunkel wie in einer Kuh!», sagt Kari. «Hier habe ich wenigstens Licht.»

Vergangene Woche starben bei einer Festnahme in Wallisellen zwei Menschen, von denen einer zuvor den Präsidenten der Eidgenössischen Kommission für Impf­fragen entführt hatte. Seither fragen Schweizer Medien: Was war das Motiv? Wurde der Mann entführt, weil er Impf­experte ist – also aus politischen Gründen? Ging es bloss um Geld, wie der Betroffene selber vermutet? Oder war es womöglich eine seltsame Kombination aus beidem?

Täglich kommen neue Details ans Licht, die mal in die eine, mal in die andere Richtung weisen. Nur eine Sache steht selten im Zentrum: das Nichts. Die Abwesenheit starker Hinweise. Die Unsicherheit, die in derartigen Situationen dominiert, egal, wie gerne man sie aus der Welt schaffen möchte.

Was weiss man denn nun? Und was nicht? Um diese Fragen zu beantworten, bietet sich eine möglichst nüchterne Auslege­ordnung an.

Der mutmassliche Entführer: Mehr Lücken als anderes

Die Frage nach dem Motiv beginnt offensichtlich beim mutmasslichen Entführer. Das Problem: Über ihn ist bisher nur wenig bekannt.

Da gibt es zwei Einträge im Handels­register. Einer zu einem Unternehmen für Film­produktion und den Import und Verkauf von Lifestyle-Artikeln, das der 38-Jährige gemeinsam mit seiner Partnerin sowie einer Dritt­person besitzt. Und ein Eintrag zu einer Firma, die er mit einem Geschäfts­partner gegründet hat, die eine Smartphone-App für Nachbarschafts­hilfe betreibt.

Da gibt es einen Facebook-Account. Dort finden sich drei «Gefällt mir»-Angaben: zwei zu seinen beiden Firmen, eine zur Facebook-Seite eines Aargauer Schiess­instruktors.

Da sind die Berichte des «Tages-Anzeigers», wonach er regelmässig im Schiess­keller dieses Instruktors trainierte und Sympathisant einer Gruppierung namens «Civilian Training Unit» war, die den Häuser­kampf oder den Umgang mit Geisel­nahmen übte. Das bestätigten gegenüber der Tamedia-Zeitung Mitglieder des Schiess­kellers und der Schützen­vereinigung.

Ebenfalls breit thematisiert wurden finanzielle Probleme des mutmasslichen Entführers. Er habe hohe Kredite aufnehmen müssen, berichten der «Tages-Anzeiger» und SRF. Das würde auch zur Aussage des Opfers passen, das in einem Schreiben bekannt gab, dass der Entführer von ihm einen hohen Geld­betrag gefordert hatte.

So weit, so unumstritten. Doch richtet man den Blick auf das, was fehlt, werden Lücken deutlich.

So finden sich vom mutmasslichen Entführer keine persönlichen Posts im Internet. Der erwähnte Facebook-Account weist abgesehen von den drei «Gefällt mir»-Angaben keine öffentlichen Informationen auf. Kein Profilbild, keine Posts, keine Freunde. Ähnlich ist es bei einem Instagram-Account, der mit hoher Wahrscheinlichkeit dem 38-Jährigen zuzuordnen ist (er trägt seinen Namen und hat ein Profil­bild, das höchst­wahrscheinlich ihn und seine Partnerin zeigt; jedoch ist das Bild nur in geringer Auflösung vorhanden, weshalb ein Irrtum nicht ausgeschlossen ist). Das Profil ist auf «privat» gestellt, was bedeutet, dass nur Accounts die Posts einsehen können, die der Inhaber explizit zugelassen hat.

Persönliche Posts wären wertvoll, weil sie eine Haltung des Mannes zu den Corona-Massnahmen oder dem Präsidenten der Impf­kommission offenbaren könnten. Wenn aber die Primär­quellen fehlen, bleiben nur Informationen aus zweiter Hand. So berichtet etwa der «Blick», der Entführer habe einem potenziellen Geschäfts­partner erklärt, dass er ungeimpft sei. SRF wiederum hat gehört, dass der Mann bei einem Foto­shooting für seine Firma darauf bestanden habe, dass nur Bilder verwendet würden, auf welchen Maske getragen und Abstand gehalten werde. Beide Informationen stammen von einzelnen Personen.

Ist es in einem Land mit 30 Prozent Ungeimpften ein starkes Indiz, wenn jemand betont, nicht geimpft zu sein? Ist es eines, wenn ein Geschäfts­mann bei Werbe­fotos darauf besteht, dass die Massnahmen eingehalten werden? Das sind Details, aus denen sich kaum ein vollständiges Bild zeichnen lässt. Beide lassen keine Schlüsse auf das Motiv für die Entführung zu.

Wie der «Tages-Anzeiger» zuletzt berichtete, sollen sich «die Hinweise verdichten», dass auch der mutmassliche Entführer und seine Partnerin an die Flat-earth-Verschwörungs­erzählung geglaubt haben. Also daran, dass die Erde in Wirklichkeit eine Scheibe sei. Zumindest habe «eine Quelle» das der Zeitung berichtet. Macht das eine ablehnende Haltung gegenüber den Corona-Massnahmen wahrscheinlicher? Ja. Lässt sich daraus schliessen, weshalb der 38-Jährige den Präsidenten der Impfkommission entführt hatte? Kaum.

Was bleibt, ist die Unsicherheit. Sicher sind nur die Lücken.

Solche gibt es zum Beispiel bei Telegram. Der Messenger­dienst ist die wichtigste Kommunikations­plattform der Corona-Skeptikerinnen und erfreut sich in verschwörungs­ideologischen Kreisen grosser Beliebtheit. Über die Telefon­nummer des mutmasslichen Täters findet man einen Account, den er bei Telegram hatte. Eine genauere Nachforschung zeigt jedoch, dass von diesem Account keine einzige Nachricht vorliegt und keine einzige Mitgliedschaft in den wichtigen Schweizer Corona-Chats. Zu diesem Schluss gelangt die Republik durch einen Abgleich mit einem während der letzten zwei Jahre gesammelten Datensatz, der mehr als 200 Chats der Schweizer Corona-Bewegung und mehr als 2 Millionen Nachrichten umfasst.

Auch ob der Mann an Corona-Demos teilnahm, ist nicht bekannt. Gut möglich, dass er an einer der vielen Demonstrationen dabei war. Gut möglich, dass er nicht dabei war. Wir wissen es nicht.

Der Geschäfts­partner: Fokus auf die flache Erde

Zum mutmasslichen Täter ist also vieles im Dunkeln. Was bietet sich nun an? Dort zu suchen, wo es Licht hat: beim Geschäfts­partner. Dieser ist nämlich ungleich offener auf Social Media unterwegs. Was dazu führte, dass die Bericht­erstattung der letzten Tage stark auf ihn fokussierte.

Sicher ist: Der 34-Jährige ist ein Anhänger der Flat-earth-Verschwörungs­erzählung. Viele Posts auf seinem Facebook-Profil behandeln das Thema, er betreibt eine Facebook-Seite dazu, und er gab in einem Interview sogar öffentlich dazu Auskunft. Ebenfalls verbreitet er auf seinem Facebook-Account Falsch­informationen zur Corona-Pandemie. Dass die Existenz des Virus nicht belegt sei zum Beispiel. Oder dass der PCR-Test nicht aussage­kräftig sei.

Auch dass er an mindestens einer Demonstration der Corona-Skeptiker teilnahm, ist belegt. In einem Video eines befreundeten Flat-earth-Anhängers ist er zu sehen, wie er im März 2021 in Liestal ein grosses Flat-earth-Transparent trägt. Darüber schrieb der «SonntagsBlick» vor ein paar Tagen.

Mittlerweile befindet sich der Geschäfts­partner in Unter­suchungs­haft, wie die Zürcher Staats­anwaltschaft am Montag bekannt gab.

Diese drei Fakten – dass der Mann ein Flat-earth-Anhänger ist, dass er an einer Corona-Demo teilnahm und dass er in Untersuchungs­haft sitzt – bewegten viele Medien dazu, den Geschäfts­partner des mutmasslichen Entführers ins Zentrum der Bericht­erstattung zu rücken. «Welche Rolle spielt Geschäfts­partner von B. V. beim Entführungs­drama?», titelte beispiels­weise «20 Minuten». Aus dem Folgenden kann man dann schliessen, dass man eben auch nicht mehr gewusst hat, als dass er in Haft ist, an einer Demo war und Dinge auf Facebook gepostet hat.

Bei der NZZ lautete die Schlagzeile zwischen­zeitlich: «Es beginnt mit einer harmlosen Geschäfts­partnerschaft und endet mit zwei Todesopfern». So als ob ein kausaler Zusammenhang zwischen der Geschäfts­partnerschaft und dem Verhaftungs­versuch mit Todes­folge schon feststünde.

Der «Blick» wiederum warf das Prinzip der Unschulds­vermutung gleich ganz über Bord. «Zweiter Entführer sitzt in U-Haft», schrieb die Zeitung am Dienstag in einen Titel (den sie später wieder änderte), obwohl das Entführungs­opfer selber nur von einem einzelnen Entführer gesprochen hatte. In einem Zwischen­titel dann heisst es, der Entführer habe «Hilfe» des «Mittäters» gehabt. Die Relativierung durfte dann immerhin der Medien­sprecher der Staats­anwaltschaft übernehmen: «Es gilt die Unschulds­vermutung.»

Der flat earther ist sowieso involviert? Weil er Verschwörungs­erzählungen verbreitet und an einer Corona-Demo teilnahm? Sollte man es sich so leicht machen?

Besser nicht. Auch im Fall des Geschäfts­partners bleibt nämlich einiges unklar.

So haben von den rund 80 öffentlichen Posts auf seinem Facebook-Profil die allerwenigsten einen tatsächlichen Bezug zur Schweizer Corona-Politik. Vier Links zu Schweizer Petitionen teilte er, gegen die Zertifikats­pflicht, gegen eine angebliche Kinder-Impfpflicht, für die Beibehaltung von kostenlosen Covid-Tests. Zudem drei Videos von Schweizer Protest­aktionen gegen die Corona-Massnahmen. Das wars dann aber auch schon. Zu konkreten Akteuren der Schweizer Corona-Politik – etwa zu Bundesrat Berset oder dem Präsidenten der Impf­kommission – findet sich kein einziger Beitrag. Auch zu den beiden Covid-Gesetz-Abstimmungen gibt es keine Posts.

Es gibt also keinen Hinweis darauf, dass der Geschäfts­partner eine starke Abneigung gegen einzelne Exponenten der Schweizer Corona-Politik hätte. Eher scheinen ihn die grossen Themen zu interessieren: Die Welt­gesundheits­organisation WHO, die Existenz der Schwerkraft, dass die Nasa uns belügt oder ob Menschen nicht eigentlich fliegen könnten, wenn sie nur die entsprechende Technik erlernten.

Schaut man sich das Auftreten der Flat-earth-Gruppe an der Liestaler Demonstration an, drängt sich zudem die Frage auf, ob es ihr nicht eher um das Missionieren für ihre flache Sache ging als um die Pandemie­politik. Eine Teilnahme an mehr als dieser einen Demo ist für den Geschäfts­partner ausserdem nicht belegt.

Hatte der Mann, der sich offensichtlich nicht erst während der Pandemie radikalisiert hat und schon seit Jahren an eine Welt­verschwörung glaubte, also nichts mit der Entführung des Präsidenten der Impf­kommission zu tun? Immerhin verdächtigt ihn die Staats­anwaltschaft der Beteiligung an der Freiheitsberaubung, der Entführung und der versuchten Erpressung.

Die unbefriedigende Antwort ist einmal mehr: Wir wissen es nicht. Eine Untersuchungs­haft ist kein Urteil, ein Verdacht kann sich als unbegründet erweisen.

Die Partnerin: Ferien­fotos und ein Telegram-Account

Wenig Aufmerksamkeit fiel bisher auf die Partnerin des mutmasslichen Entführers, die mit ihm in der gemeinsamen Wohnung lebte. Ob sie in die Entführung involviert war, ist bisher unbekannt. Sicher ist, dass sie während des Festnahme­versuchs laut Polizei­angaben durch die Waffe ihres Partners getötet wurde.

Sie betrieb zwei Instagram-Profile, auf denen sie viele Bilder aus ihrem Privat­leben veröffentlichte: in den Ferien, beim Essen, in der gemeinsamen Wohnung. Ab und zu ist ihr Partner abgebildet. Im Zusammen­hang mit der Entführung scheinen die Fotos irrelevant zu sein. Masken, Massnahmen oder Beamte kommen nicht vor. Einzig zwei Bilder und zwei Videos sind interessant: Sie zeigen die 28-Jährige in einem Schiess­keller, beim Abfeuern von Pistolen und Gewehren.

Abgesehen davon findet sich noch ein Telegram-Account, der mit ihrer Telefon­nummer verknüpft ist. Im Datensatz der Republik findet sich ein einziger Eintrag im Zusammen­hang mit ihrem Profil: eine Nachricht zum Beitritt zu einer mittlerweile nicht mehr existierenden Gruppe namens «Rainbow Warriors Chat». Dabei handelt es sich um einen Community-Chat des Influencers Gabirano, der während der Pandemie allerlei Verschwörungs­erzählungen verbreitete.

Während es in der Gruppe anfangs noch um die Community und Gesundheits­themen ging, dominierten ab Mai 2021 vor allem weitergeleitete Nachrichten aus anderen Chats, welche krude englisch­sprachige Verschwörungs­erzählungen aus dem QAnon-Spektrum enthielten. Die Partnerin trat dem Chat im Juni 2021 als Teil einer grösseren Beitritts­welle bei, die 142 Neumitglieder umfasste. Ob sie wegen der vielen heftigen Verschwörungs­posts beitrat oder eher, weil es sich um die Gruppe eines bekannten Schweizer Influencers handelte, bleibt unklar.

Von der 28-Jährigen selbst versendete Nachrichten finden sich in keiner einzigen Telegram-Gruppe im Republik-Datensatz.

Fazit: Auch das, was man nicht weiss, ist relevant

Vieles bleibt also im Dunkeln. Warum ist das so wichtig?

Das hochtourige Berichten über Details, die vielleicht Hinweise auf das Motiv hinter der Entführung geben können, ist erwartbar. Denn die Frage, ob das Verbrechen aus politischen Gründen im Zusammen­hang mit den Corona-Massnahmen verübt wurde, ist von grosser Relevanz. Ein solcher Schluss liegt nun mal nahe – in Anbetracht der schnellen Radikalisierung der Corona-Bewegung in den letzten zwei Jahren, angesichts der grossen Menge an Drohungen und Anfeindungen gegenüber Exponentinnen des Bundes und der Kantone im Zusammenhang mit der Pandemie sowie im Lichte von Gewalt­delikten und Morden, die im Ausland aus verschwörungs­ideologischen Kreisen begangen wurden.

Wie berechtigt diese Befürchtung war, offenbart sich auch an den Reaktionen aus der Corona-Bewegung auf die erste Bericht­erstattung über die Entführung des Präsidenten der Impf­kommission. Von über 400 Emoji-Reaktionen auf einen Post im Kanal des bekannten Streamers Roger Bittel war bloss eine einzige negativ. 304 zeigten einen hochgestreckten Daumen. Anderswo hiess es, der Impfchef sei «ein Verbrecher».

Leider hätte es die wenigsten erstaunt, wenn der Präsident der Impf­kommission entführt worden wäre, weil er der Präsident der Impf­kommission ist. Nur: Ob dem so war oder ob seine Funktion irrelevant war, weiss man bis heute noch nicht.

Medienethisch erscheint gerade auch in diesem Zusammenhang die Entscheidung diverser Medien als besonders heikel, den Namen des Entführungs­opfers zu nennen. Wenige Minuten nachdem die Tamedia-Zeitungen den Präsidenten der Impf­kommission in einem Online-Artikel identifiziert hatten, stoppte dieser die Nennung seines Namens mit einer super­provisorischen gerichtlichen Verfügung.

Das erste Medium, das sich darüber hinwegsetzte, war die «NZZ am Sonntag», danach auch «Watson». Beide stellten sich auf den Standpunkt, die Verfügung habe für sie «keine Gültigkeit» und der Name des Opfers dürfe genannt werden, da das Thema von öffentlichem Interesse sei.

Vergessen geht bei dieser Argumentation, dass die Frage, ob das Opfer eines Verbrechens medial genannt werden darf, nicht einzig und allein anhand des Kriteriums entschieden werden soll, ob es eine Person von öffentlichem Interesse ist. In Erwägung gezogen werden sollte genauso, inwiefern eine Identifikation die Person und ihre Familie gefährdet. Der Präsident der Impf­kommission bezog sich in der super­provisorischen Verfügung denn auch explizit darauf, dass eine Namens­nennung Nachahmungs­täter motivieren könnte.

Es ist hinlänglich bekannt, dass öffentlich gemachte Taten oder Drohungen Nachahmer provozieren. Die meisten Politikerinnen sprechen deshalb auch nicht über Drohungen, auch wenn eine Mehrheit von ihnen regelmässig bedroht und beschimpft wird.

Der mediale Umgang mit dem Fall offenbart überdies eine weitere Problematik: Konzentriert sich die Bericht­erstattung so sehr auf das, was man weiss, dass man das, was man nicht weiss, aus dem Fokus verliert, kann das gefährlich werden. Denn mit dem Fokus auf derart ungesicherte Informationen geht ein Medium jedes Mal eine Wette ein. Und der Wetteinsatz ist die eigene Glaubwürdigkeit.

Das zeigt sich gerade an den neuesten Reaktionen der Corona-Bewegung. «Framing vom Feinsten», titelten die «Freunde der Verfassung», nachdem der Präsident der Impf­kommission in einem Schreiben mitgeteilt hatte, dass es dem Entführer seinem Empfinden nach nur um wirtschaftliche Interessen gegangen sei. In manchen Telegram-Kanälen wird hinter der Art der Bericht­erstattung Absicht vermutet. Man wolle die Bewegung diskreditieren, heisst es dort.

Nun kann man Exponentinnen der Corona-Bewegung, die solche Dinge schreiben, als für die etablierten Medien verloren bezeichnen. Man sollte aber nicht vergessen, dass in den letzten zwei Jahren ein breiter Graubereich entstanden ist. Eine Menge von Leuten, die noch nicht alles ablehnen, was die etablierten Medien berichten – aber eben auch nicht so weit davon entfernt sind.

Die Corona-Krise offenbarte auch eine Vertrauens­krise der Medien. In der Schweiz entstand eine Protest­bewegung, aus der heraus sich eigene, sogenannte «alternative» Medien bildeten, die eigene «Fakten» herumreichen, weil sie sich von der gemeinsamen Realität abgewandt haben. Solche Entwicklungen passieren nicht im luftleeren Raum. Sie werden verstärkt, wenn Medien sich unglaub­würdig machen.

Wenn gewichtige Ereignisse geschehen, ist die Verlockung gross, jedem auffindbaren Stück Information viel Beachtung zu schenken – es könnte einem ja etwas Wichtiges erzählen. Dort zu suchen, wo es Licht hat, wenn es andernorts zu dunkel ist.

Wenn der Schlüssel aber im Schatten liegt, wird man ihn nicht finden. Egal, wie gut man sucht.

Rund 27’000 Menschen machen die Republik heute schon möglich. Lernen Sie uns jetzt auch kennen – 21 Tage lang, kostenlos und unverbindlich: