Aus der Arena

Fall Globegarden: Foulspiel im journalistischen Wettbewerb

Die NZZ und «20 Minuten» stellen die Republik-Recherche über die Kita-Firma nach einem Gerichtsentscheid infrage. Hätten sie doch das Urteil und unsere Artikel richtig gelesen.

Von Philipp Albrecht und Ronja Beck, 22.12.2020

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Ein Jahr nachdem die Republik über die Zustände und Arbeits­verhältnisse bei Globegarden berichtete, wird das Kita-Unternehmen in vielen Medien immer noch direkt mit dieser Recherche in Verbindung gebracht. Etwa wenn die Stadt Zürich die über 30 Einrichtungen auf Stadt­gebiet genauer anschaut oder Globegarden eine Anwalts­kanzlei für eigene Unter­suchungen beauftragt.

Das verschafft uns einen grossen Vorteil: Es zeigt der Öffentlichkeit, dass wir Journalistinnen genau hinschauen, unseren Job richtig machen.

Es hat aber auch einen gewichtigen Nachteil: Erhält Globegarden in einem Streit vor Gericht recht, stürzt sich die Konkurrenz auf uns. Auch wenn die Fakten dafür fehlen.

Genau das ist jetzt passiert.

Und zwar wegen der Globegarden-Kita in der Zürcher Gemeinde Thalwil. Die externe Krippen­aufsicht hatte dort mehrere Mängel festgestellt. Die Sozial­kommission schrieb der Kita-Kette im April 2019 neue Auflagen vor, um die Situation zu verbessern. Und drohte Globegarden damit, ihr die Betriebs­bewilligung zu entziehen, sollte sich die Firma nicht daran halten. Globegarden zog gegen die strengeren Auflagen vor Gericht.

Am 3. November dieses Jahres nun urteilte das Zürcher Verwaltungs­gericht – und pfeift die Sozial­kommission von Thalwil zurück. Der Beschluss der Sozial­behörde zeige gemäss Gericht «schwere formelle Mängel», deshalb kam es zu einem Urteil im Sinne von Globegarden.

Mehrere Medien deuten das Urteil nun als eine Entkräftung der Vorwürfe um, die drei Dutzend (Ex-)Angestellte von Globegarden geäussert hatten:

  • Am 18. November schreibt die «Zürichsee-Zeitung»: «Die Sozial­behörde behauptete gemäss Republik, dass die Firma den Betreuungs­schlüssel nicht einhalte und Personal beschäftige, das nicht die nötige Ausbildung habe.» Globegarden-Geschäfts­führerin Christina Mair sagt gegenüber der Zeitung: «Das Urteil des Verwaltungs­gerichts bestätigt uns auf ganzer Linie: Es gab und gibt keinen Personal­mangel bei Globegarden.»

  • Am 9. Dezember titelt die NZZ: «Die Kita-Kette Globegarden wurde hart kritisiert – nun bekommt sie vor dem Zürcher Verwaltungs­gericht recht». Die Republik habe die Kita-Kette in einem «ausführlichen» Artikel «massiv kritisiert». Das nun vorliegende Urteil «widerlegt» den Vorwurf eines ungenügenden Betreuungsschlüssels.

  • Am 16. Dezember titelt «20min.ch»: «Gericht gibt Kita Globegarden recht – ‹Republik›-Recherche war falsch.»

Es liegt in der Natur des journalistischen Wettbewerbs, dass man sich über Misstritte der Konkurrenz freut. Zu einem Problem wird das erst, wenn Unwahrheiten verbreitet werden – so geschehen bei «20 Minuten». Nach einer Intervention der Republik passte die Pendler­zeitung den Titel online an: «Gericht gibt Kita Globegarden recht». Für Printausgaben, in denen der ursprüngliche Titel gesetzt wurde, ist ein Gegendarstellungsbegehren hängig.

Die Recherche der Republik war weder «falsch», noch widerlegte das Verwaltungs­gericht die Ergebnisse unserer Arbeit. Der Streit zwischen Thalwil und Globegarden war ein Detail in der Recherche. Das Urteil widerlegt nicht, was uns unsere Quellen aus verschiedensten Globegarden-Häusern in stunden­langen Gesprächen berichteten. Und wir in mehreren Berichten zwischen Dezember 2019 und Februar 2020 verarbeiteten.

Das Verwaltungsgericht Zürich hat im Fall Thalwil über die Recht­mässigkeit der neuen Auflagen entschieden. Welche Zustände nun in der Kita herrschten, diese Frage war nie Gegenstand des Prozesses.

«Vorwürfe widerlegt», schreibt «20min.ch» und setzt die Thalwiler Auflagen mit der Recherche der Republik in Verbindung. Eine Verbindung, die nicht existiert.

Die NZZ schreibt: «Das Verwaltungs­gericht gibt Globegarden auf der ganzen Linie recht.» Das ist falsch.

Denn das Gericht entschied eine «teilweise Gutheissung». Es lehnte nicht alle Auflagen ab, die Thalwil der Kita-Kette gemacht hat. Es kam zur «Rück­weisung an die Beschwerde­gegnerin», sprich: Thalwil muss nochmals über die Betriebs­bewilligung entscheiden und dabei die Erwägungen des Gerichts berücksichtigen.

Den Prozess gewonnen hat Globegarden wegen formeller Fehler der Thalwiler Sozial­kommission. Die Behörde hat der Kita-Kette das rechtliche Gehör verweigert und ihre Untersuchungs­pflicht verletzt (weil sie den gesamten Aufsichts- und Bewilligungs­prozess faktisch an eine externe Firma ausgelagert hat).

Es ist nicht unsere Aufgabe, Berufs­kollegen vorzuschreiben, wie sie zu arbeiten haben. Doch in diesem konkreten Fall hätte es gereicht, das Urteil des Gerichts und unseren ersten Text zu lesen.

Darin erwähnten wir, dass sich Globegarden gegen verschiedene Gemeinden juristisch wehre und dass diese Praxis in der Branche sogar begrüsst werde. Darüber hinaus beschrieben wir in einem Absatz, dass in Thalwil die Krippen­aufsicht festgestellt habe, dass in der Globegarden-Kita der Betreuungs­schlüssel nicht eingehalten werde und Personal beschäftigt sei, das nicht die erforderliche Ausbildung habe. Ebenfalls erwähnten wir, dass Globegarden gegen die Verfügungen der Gemeinde rekurriert habe.

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