Was Väter wollen

Wie ist das heute so als Vater? Wie gelingt der Spagat zwischen Job und Kind? Wäre ein Vaterschafts­urlaub hilfreich? Vier Männer erzählen von ihrer Rolle in der Familie.

Von Bettina Hamilton-Irvine (Text und Audio) und Simon Landrein (Illustration), 21.09.2020

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Früher war die Rollen­aufteilung klar: Der Vater ist der Ernährer, der das Geld nach Hause bringt, die Mutter ist die Erzieherin, die sich um Kinder und Haushalt kümmert. Heute ist das in der Regel nicht mehr so klar getrennt: Die meisten Männer wollen eine zunehmend aktivere Rolle im Leben ihrer Kinder spielen, wollen mehr Zeit mit ihnen verbringen, zu ihrer Entwicklung beitragen, miterleben, wie aus dem Baby eine Persönlichkeit wird.

Doch deswegen gleich das Pensum reduzieren? Das geht vielen Männern dann doch zu weit. Nur gerade 14 Prozent aller Väter mit Kindern unter vier arbeiten Teilzeit, während es bei den Müttern 82 Prozent sind.

Wie entscheiden sich Väter heute für ein Familien­modell? Wie schwierig ist für sie der Spagat zwischen Beruf und Kindern? Was heisst es für sie, ein guter Vater zu sein? Und was würde ihnen ein Vaterschafts­urlaub bedeuten?

Wir haben mit vier Vätern aus Politik und Privat­wirtschaft gesprochen, die unterschiedliche Rollen­aufteilungen gewählt haben, und sie gefragt: Wie ist das so, heute, als Vater? Ihre Antworten aus den je etwa halbstündigen Gesprächen finden Sie – auf ein paar Minuten zusammen­geschnitten – als Audio­version oder in einer schriftlichen Kürzest­zusammenfassung.

1. Der bürgerliche Pionier mit traditionellem Familienmodell

«Meine Frau hatte immer den Wunsch, sich der Familie widmen zu können – und mir kam das entgegen.»
Martin Candinas, CVP-Nationalrat aus Graubünden, Versicherungs­fachmann und dreifacher Vater

Er ist quasi der bürgerliche Pionier in Sachen Vaterschafts­urlaub: Martin Candinas, 40-jähriger CVP-National­rat aus Chur, hat sich bereits 2014 mit einem Vorstoss im Parlament für einen zwei­wöchigen Vaterschafts­urlaub starkgemacht. «Für mich ist es schon wichtig, dass man den Bezug zum Kind hat in der Anfangs­phase», sagt der Vater von drei Kindern im Alter von zehn, sieben und fünf. Der Versicherungs­kaufmann hatte selber das Glück, bei einem Unter­nehmen zu arbeiten, das ihm bei der Geburt jedes seiner Kinder zwei Wochen Urlaub gewährt hat.

Im Alltag leben Martin Candinas und seine Frau Eliane aber ein traditionelles Familien­modell, bei dem er die bezahlte Arbeit leistet und sie sich um die unbezahlte Arbeit zu Hause und die Kinder­erziehung kümmert. Darüber habe es nie Diskussionen gegeben, weil seine Frau immer den Wunsch gehabt habe, sich der Familie widmen zu können, sagt Candinas – «und mir kam das entgegen». Er sei zwar eher wenig zu Hause, sagt der National­rat. Trotzdem versuche er, sich so oft wie möglich den Kindern zu widmen, mit ihnen Ausflüge zu machen oder Sport zu treiben – «alles natürlich in einem beschränkten zeitlichen Rahmen, berufsbedingt».

2. Der Büezer, der auch mal zu Hause einspringt

«Es ist nicht Aufgabe der Allgemeinheit, zu finanzieren, dass andere zwei Wochen Ferien haben, wenn sie Kinder bekommen.»
Christian Imark, SVP-Nationalrat aus Solothurn, Unternehmer und zweifacher Vater

Er hat eine eigene Firma, sitzt für die SVP im National­rat und hat zwei Kinder im Alter von zwei Jahren und vier Monaten: Christian Imark ist ein viel­beschäftigter Mann. Und weil seine Engagements sehr unregelmässig seien, müsse auch seine Familie flexibel sein, sagt der 38-Jährige: Manchmal sei er am Wochen­ende beruflich im Einsatz, dafür könne er auch mal spontan einspringen zu Hause. «Und wenn man dann da ist, muss man halt einfach mit allen Sinnen da sein.»

Seine Frau unterrichtet einzelne Tage. Dafür, dass sie nicht sieben Tage in der Woche für die Familie da sein wolle, habe er «vollstes Verständnis, und das bringen wir organisatorisch auch durch», sagt Imark. Vom Vaterschafts­urlaub hingegen hält er nichts: Es sei nicht die Aufgabe der Allgemeinheit, zu finanzieren, «dass andere zwei Wochen Ferien haben, wenn sie Kinder bekommen», sagt er. Zwar wisse er, dass es für Frauen emotional schwierig sei nach einer Geburt: «Aber auch hier ist es für mich überhaupt nicht entscheidend, ob man den Vaterschafts­urlaub hat oder nicht, denn nach ein paar Tagen ist ja schon alles wieder ganz anders.» Zudem werde die Bindung zwischen Vater und Kind erst nach ein paar Monaten stärker, das habe er bei seinen Kindern selber erlebt.

3. Der moderne Vater, der ein Fifty-fifty-Modell lebt

«Elternzeit wäre für die Familie extrem wichtig – und für die Gesellschaft wichtig.»
Marco Kistler, Firmen­gründer, SP-Politiker und Vater einer Tochter

Dass er und seine Partnerin sich die Familien­arbeit zu je 50 Prozent aufteilen, sei «keine besondere Leistung, die man würdigen muss, sondern der Standard für ein modernes Familien­bild», sagt Marco Kistler. Trotzdem sei er sich bewusst, dass sie sich auch in einer privilegierten Situation befänden, so der 35-Jährige, der mit der SP-National­rätin Mattea Meyer eine drei­jährige Tochter hat: «Wir haben beide Jobs, die Flexibilität auch erlauben.»

Kistler, der mit seiner Familie in Winterthur wohnt, aber ursprünglich aus dem Glarner­land stammt, setzt sich für den Vaterschafts­urlaub ein, obwohl er zwei Wochen als «lächerlich» bezeichnet. Trotzdem sei auch das «absolute Minimum» von zwei Wochen wichtig, gerade weil heute vor allem die bereits privilegierteren Männer Vaterschafts­urlaub erhielten – zum Beispiel Mitarbeiter von Tech-Firmen. Ideal wäre für Kistler «Eltern­zeit, vielleicht ein Jahr, 50/50 aufgeteilt»: «Das wäre für die Familie extrem wichtig – und für die Gesellschaft wichtig.» Der nächsten Generation von Vätern wünscht er, «dass es selbst­verständlich ist, dass man Teilzeit arbeiten kann». Und: «Dass man mehr Zeit für Care-Arbeit generell aufwenden kann und der Unterschied zwischen den Geschlechtern diesbezüglich irgendwann verschwindet.»

4. Der Vater im Pensions­alter, der eine neue Rolle entdeckt

«Diese Beziehung zum Kleinen – da braucht es am Anfang ein paar Wochen, lieber ein paar Monate –, die lebt danach weiter.»
Hanspeter Danuser, pensionierter Kurdirektor St. Moritz, Vater von zwei erwachsenen und einem sechsjährigen Sohn

Einen «idyllischen Zustand» nennt Hanspeter Danuser seine Familien­situation: Weil er vor sechs Jahren im Alter von 67 nochmals Vater wurde, kann er sich heute als Pensionierter voll seinem kleinen Sohn widmen. Dabei kennt der ehemalige Kur­direktor von St. Moritz auch das traditionelle Familien­modell: Seine ersten beiden Söhne, die heute Anfang 40 sind, wuchsen mit einem Vater auf, der nur am Wochen­ende und in den Ferien bei der Familie war und sonst von einem stressigen Job und seinen Aufgaben im Militär absorbiert wurde. Er habe von der Erziehung nicht viel mitbekommen, aber glücklicher­weise habe sich seine «sehr tüchtige und liebe Frau» darum gekümmert.

Er bevorzugt das zweite Modell – «natürlich!». Und spricht sich für einen Vaterschafts­urlaub aus: Er fände es gut, «wenn auch der Mann von Anfang an die Möglichkeit hätte, mitzumachen, und die Frau eben genau dann entlasten könnte, wenn sie ziemlich geschwächt ist, rein physisch, aber auch psychisch». Da sei es «mehr als legitim, dass der Mann einspringt und dann auch gerade ein bisschen auf den Geschmack kommt». Jüngeren Vätern würde der heute 73-Jährige generell empfehlen, sich mehr Zeit für die Kinder zu nehmen: «Diese Beziehung zum Kleinen – da braucht es am Anfang meines Erachtens nach mindestens ein paar Wochen, lieber ein paar Monate –, die lebt danach weiter.»

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