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Tempo, Tempo, Tempo

17.03.2020

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Liebe Abonnentinnen und Abonnenten des Covid-19-Uhr-Newsletters

Sie lesen derzeit bestimmt viel zum Coronavirus. Wir auch. Manchmal zugegebenermassen zu viel. Zum Beispiel denselben Text mehrfach. Gefolgt von drei Youtube-Videos, die alle mehr oder weniger dieselben Kurven zeigen und dieselben Dinge empfehlen.

Einerseits, weil Wissen und Information das beste Antidot sein soll.

Aber auch, weil man schlichtweg nicht drum herumkommt: Es gibt im Moment so wahnsinnig viel zu lesen, zu schauen, zu hören. Und nicht nur von Journalistinnen. Wissenschaftler forschen unter Hochdruck. Noch nie haben Virologinnen, Epidemiologen, Bio-Medizinerinnen in so kurzer Zeit so viele Studien publiziert wie seit dem Ausbruch der Krankheit Covid-19 in China und schliesslich auf der ganzen Welt.

Die Forscher wissen, dass die Welt nicht warten kann. Es braucht ihre Erkenntnisse, damit die Politik die richtigen Massnahmen treffen und sich die Spitäler für die Pandemie rüsten können. Doch nicht alle Studien, die im Moment in Umlauf geraten, werden als Dienst an der Allgemeinheit verfasst.

In der aktuellen Flut an wissenschaftlichen Papers sammelt sich auch viel Ramsch. Manche Wissenschaftler nutzen die maximale Aufmerksamkeit zur Selbstprofilierung. Für sie ist Schnelligkeit plötzlich wichtiger als Qualität. Das Resultat: Einzelne Forscher arbeiten unsauber und streuen falsche Resultate, die dann in den sozialen Medien oder auf Blogs von Verschwörungstheoretikern ein gemütliches Dasein fristen. Für immer.

Die beiden Republik-Journalistinnen Marie-José Kolly und Ronja Beck erklären in ihrem Beitrag «Die Wissenschaft im Stresstest» die dunklen Seiten der schnellen Wissenschaft in der Zeit von Corona. Und zeigen, wie wir uns vor Falschinformationen schützen können: mit Vorsicht und Vertrauen.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Neuste Fallzahlen: Bis heute zählt die Schweiz rund 2650 infizierte Personen. Am Samstag waren es erst 1359 – die Fallzahlen verdoppeln sich zurzeit innerhalb von drei Tagen. Die Dunkelziffer dürfte nach wie vor hoch sein, da nur ein Teil der infizierten Personen auf Covid-19 getestet wird. (Mehr zur Dunkelziffer in diesem Artikel der Republik.)

  • Hilfe für Schweizer Wirtschaft: Die Chefin des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) hat heute informiert, dass ihre Behörde intensiv daran arbeite, der Privatwirtschaft unter die Arme zu greifen. Es gebe aber für die Bewältigung von Anfragen um finanzielle Unterstützung noch keine Instrumente. Kurzfristig setze das Seco vor allem auf Kurzarbeits-Entschädigung. Die Anträge auf Kurzarbeit seien in den vergangenen Tagen exponentiell gestiegen. Ab Donnerstag richtet das Seco eine Hotline für Unternehmen ein.

  • Schweizer Touristen im Ausland: Der Bundesrat hat gestern Reisende dazu aufgefordert, in die Schweiz zurückzukehren, weil die Gefahr bestehe, dass sie aufgrund von diversen ausländischen Reisebeschränkungen im Ausland stranden. Mit diplomatischen Schritten will das Aussendepartement nun festsitzenden Schweizerinnen die Rückreise ermöglichen. Jedoch betont der Bund, die Schweizer seien für ihre Rückreise selber verantwortlich und müssten auch die anfallenden Kosten übernehmen.

  • Grenzen zu: In die Schweiz darf bereits seit gestern Mitternacht nur noch frei einreisen, wer über einen roten Pass verfügt. Ausländerinnen ist die Einreise nur noch aus beruflichen Gründen, mit einer gültigen Aufenthaltsbewilligung oder zur Durchreise erlaubt. Alle anderen müssen draussen bleiben. Bisher wurden gemäss Bund rund 2300 Personen an der Landesgrenze abgewiesen. Heute werden die EU-Staats- und Regierungschefs wohl ebenfalls einen weitgehenden Einreisestopp in die Europäische Union beschliessen. Die dazu einberufene Videokonferenz läuft noch.

  • Frankreich verhängt Ausgangssperre: Präsident Emmanuel Macron hat gestern die Bewegungsfreiheit der französischen Bevölkerung stark eingeschränkt. Seit heute Mittag dürfen die Franzosen ihr Haus nur noch in ganz bestimmten Fällen und für ihre Arbeit verlassen. Die Regelung gilt vorerst für die nächsten 14 Tage. Ähnlich strenge Regelungen haben Italien, Spanien und Österreich bereits letzte Woche verhängt.

  • Fussball-EM verschoben: Die Europäische Fussball-Union hat die Europameisterschaft wegen der Pandemie um ein Jahr verlegt. Das Turnier hätte diesen Sommer stattfinden sollen.

Die besten Tipps und interessantesten Artikel

  • Die NZZ hat zusammengefasst, wie sich die gestern beschlossenen Massnahmen des Bundesrates auf unseren Alltag auswirken.

  • Viele Menschen sind im Moment auch verunsichert, weil im Internet gerade massenhaft Informationen umherschwirren. Manchmal widersprechen sie einander, oft sind sie falsch. Die «Zeit» hat einen Leitfaden dazu erstellt, wie man mit Nachrichten und Gerüchten zu Covid-19 umgehen sollte.

  • Wenn es Frühling wird, flacht die normale Grippewelle ab. Das Wissenschaftsmagazin Spektrum.de geht der Frage nach, ob die warmen Temperaturen auch die Covid-19-Ausbreitung abschwächen wird. Die Antwort: Es ist kompliziert.

Frage aus der Community: Verschlimmert Ibuprofen einen Covid-19-Erkrankungsverlauf?

Die kurze Antwort: Darauf gibt es bis jetzt keine eindeutigen Hinweise. Aber Vorsicht schadet in dem Fall nicht – es gibt eine günstige und genauso einfach erhältliche Alternative: Paracetamol.

Hier die ausführlichere Antwort:

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) rät seit Sonntag davon ab, bei einer Erkrankung an Covid-19 den Entzündungshemmer Ibuprofen einzunehmen. Wer Ibuprofen im Rahmen einer längerfristigen Behandlung einnehmen muss, soll sich mit seinem Arzt absprechen. Die WHO zog am Dienstag nach und empfiehlt Paracetamol.

Vergangenes Wochenende wuchsen plötzlich die Zweifel an Ibuprofen: Auf Whatsapp ging eine Sprachnachricht viral, die behauptete, der Arzneistoff würde den Verlauf der Krankheit verschlimmern. Diese Meldung stellte sich kurz darauf als Falschinformation heraus. Es gibt zurzeit keine wissenschaftlichen Untersuchungen, die beweisen, dass Ibuprofen den Verlauf einer Erkrankung an Covid-19 verschlechtern könnte – das sagt auch das BAG.

Aber Achtung: Das bedeutet nicht, dass Sie unbekümmert Ibuprofen schlucken können, sollten Sie an Covid-19 erkrankt sein. Gemäss dem BAG seien «Einzelfälle» beobachtet worden, bei denen nichtsteroidale Antirheumatika, wie eben Ibuprofen, zu einem «schwereren Krankheitsverlauf» geführt hätten. Es würden deshalb weitere Überprüfungen laufen.

Zum Schluss eine gute Nachricht (hoffentlich jedenfalls):

Ein Forscherteam aus Utrecht und Rotterdam hat einen Antikörper gefunden: Er bekämpft das Virus Sars-Cov-2, indem er die Infektion, die es auslöst, blockiert. Der Antikörper könnte zum zentralen Puzzleteil von Tests auf oder Medikamenten gegen Covid-19 werden. Die Forschenden suchen bereits jetzt die Zusammenarbeit mit einer Pharmafirma, die aus dem Antikörper ein Medikament herstellen könnte.

Die Resultate der Studie sind aber noch nicht gesichert: Sie liegt im Moment erst als sogenannter «Preprint» auf dem Server bioRxiv und ist bei der renommierten Zeitschrift «Nature» in Begutachtung. (Genau um solche Preprints und um den wissenschaftlichen Publikationsprozess geht es in unserem Beitrag «Die Wissenschaft im Stresstest»).

Bleiben Sie umsichtig, bleiben Sie freundlich, bleiben Sie gesund.

Bis morgen

Ronja Beck, Oliver Fuchs, Marie-José Kolly, Constantin Seibt und Elia Blülle

PS: Haben Sie Fragen, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

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