Was diese Woche wichtig war

Weinstein schuldig, Assange vor Gericht – und Deutschland erlaubt die Sterbehilfe

Woche 09/2020 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Philipp Albrecht, Ronja Beck, Oliver Fuchs und Christof Moser, 28.02.2020

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Ein wichtiges Urteil für die #MeToo-Bewegung

Darum geht es: Im Prozess gegen den Ex-Film­produzenten Harvey Weinstein vor dem State Supreme Court in New York hat die Jury ein Urteil gefällt: Weinstein hat sich der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung schuldig gemacht, befand sie am Montag. Ihm drohen damit zwischen 5 und 25 Jahren Haft. In drei Fällen hat ihn die Jury freigesprochen, darunter dem des «raubtier­haften sexuellen Angriffs».

Die Schauspielerinnen Caitlin Dulany, Lauren Sivan und Sarah Ann Masse (von links) gehören zu den Frauen, die dem Film­produzenten Harvey Weinstein sexuelle Übergriffe vorwerfen. Chris Pizzello/AP/Keystone

Warum das wichtig ist: Im Herbst 2017 wurde der damals erfolg­reiche Film­produzent Harvey Weinstein enttarnt: In Beiträgen der «New York Times» und des «New Yorker» berichteten Dutzende Frauen, wie sie von Harvey Weinstein sexuell belästigt, missbraucht oder vergewaltigt wurden. Die Berichte zogen sich über eine Zeit­spanne von über 30 Jahren. Nach Veröffentlichung der Artikel posteten Tausende Frauen in den sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #MeToo Szenen sexueller Gewalt, die sie, meist unabhängig von Weinstein, erfahren mussten. Der Hashtag wandelte sich in kurzer Zeit zu einer globalen Bewegung gegen sexuelle Gewalt an Frauen. Der jetzige Prozess gegen Harvey Weinstein drehte sich primär um die Produktions­assistentin Mimi Haleyi und die Friseurin Jessica Mann. Weinstein hat Haleyi 2006 zum Oralsex gezwungen und Mann 2013 vergewaltigt. Sechs Haupt­zeuginnen sagten vor Gericht gegen Weinstein aus. Seine Verurteilung wird als Wendepunkt für die #MeToo-Bewegung gewertet. Und auch für die Straf­verfolgung: Das Urteil gegen Weinstein erfolgte ohne physische oder forensische Beweise für die Straftaten.

Was als Nächstes geschieht: Am 11. März wird Weinstein vom Gericht offiziell verurteilt, und das Straf­mass wird verkündet. Ihm drohen bis zu 25 Jahre Haft. Bis dahin muss Weinstein ins Gefängnis. Seine Verteidigerin Donna Rotunno hat angekündigt, gegen das Urteil sowie die sofortige Festnahme vorgehen zu wollen. Es wird nicht der einzige Prozess gegen Weinstein bleiben: Anfang Januar hat die Staats­anwaltschaft von Los Angeles ebenfalls Anklage gegen Weinstein erhoben. Ihm wird erneut Vergewaltigung und sexuelle Nötigung vorgeworfen.

Coronavirus verbreitet sich weiter

Darum geht es: In mindestens 50 Ländern haben sich inzwischen Menschen mit dem neuen Corona­virus Sars-CoV-2 infiziert, die Fallzahlen sind auf über 80’000 gewachsen (regelmässig aktualisierte Daten, wo bisher wie viele infizierte Personen bekannt sind, finden Sie hier). Aufgrund eines unauffälligen Erkrankten, der nicht isoliert wurde, sind besonders in Italien die Zahlen vergangene Woche stark gestiegen. In der Schweiz sind inzwischen offiziell 7 Menschen an der vom Virus ausgelösten Lungen­krankheit Covid-19 erkrankt (Stand: Donnerstagabend).

Warum das wichtig ist: Verschiedene Länder wie Dänemark, Brasilien, der Irak oder auch die Schweiz verzeichneten diese Woche ihren ersten Krankheits­fall. Die neuen Erkrankungen waren vergangene Woche erstmals höher im Ausland als in China, wo Sars-CoV-2 seinen Ursprung hat. Die Welt­gesundheits­organisation WHO beobachtet besonders die Situation in Italien, Südkorea und dem Iran mit Sorge. In allen drei Ländern sind die Zahlen in kürzester Zeit massiv angestiegen, Italien ist nach China und Südkorea mit über 500 bestätigten Fällen momentan das am drittstärksten betroffene Land. Die WHO sehe «Epidemien in verschiedenen Teilen der Welt», wollte aber noch keine Pandemie ausrufen. Der australische Premier­minister Scott Morrison sagte am Donnerstag als erstes Staats­oberhaupt, dass «alles darauf hindeutet, dass wir bald in die pandemische Phase eintreten». Es werde deshalb auf Regional- und Staats­ebene nun ein Pandemie-Notfallplan umgesetzt. Mit den weltweit ansteigenden Fallzahlen sind die Börsenkurse weltweit geknickt oder eingebrochen. In China laufen Millionen von Unter­nehmen Gefahr, in einen Bankrott zu rutschen. Die Zentral­bank hat deshalb Sonder­kredite in Höhe von 43 Milliarden Dollar versprochen. In Ländern weltweit wurden Schulen geschlossen und Veranstaltungen abgesagt.

Im Iran sind über 200 Menschen an der Lungen­krankheit Covid-19 erkrankt, mehr als zwei Dutzend sind daran gestorben. Fariq Faraj Mahmood/Anadolu Agency/Getty Images

Was als Nächstes geschieht: Wissenschaftler gehen weltweit von weiter wachsenden Fallzahlen aus. Die Anzahl neuer Erkrankungen, wie sie von offizieller Seite mitgeteilt werden, geht in China indessen seit Tagen zurück. Die Schweizer Behörden zeichneten an einer Pressekonferenz am Donnerstag ein eher düsteres Bild. «Es ist absolut zu erwarten, dass in den nächsten Tagen in der Schweiz mehr Fälle dazu­kommen werden», sagte Daniel Koch, Leiter der Abteilung für übertragbare Krank­heiten beim Bundes­amt für Gesund­heit. Und weiter: «Das System, wie wir es jetzt betreiben, wird rasch an seine Grenzen stossen.» Unterdessen wurde eine nationale Informationskampagne gestartet. Am Freitag, dem 28. Februar, um 12 Uhr will zudem das Gesundheits­departement Basel-Stadt entscheiden, ob die Fasnacht kommende Woche stattfinden wird.

Was Sie zum Coronavirus wissen sollten

Das Virus ist in der Schweiz angekommen. Sollten Sie Angst haben? Und wenn ja: Was dann? 15 Antworten – so eindeutig wie möglich, so schwammig wie nötig.

Auslieferungsprozess gegen Julian Assange gestartet

Darum geht es: Am Montag haben in London die Anhörungen im Fall von Wikileaks-Gründer Julian Assange begonnen. Die US-Justiz wirft dem Wikileaks-Gründer vor, geheimes Material von US-Militär­einsätzen veröffentlicht zu haben, und fordert seine Auslieferung. Ihm soll unter anderem wegen «Verschwörung» der Prozess gemacht werden. Bei einer Verurteilung in allen 18 Anklage­punkten drohen Assange in den USA bis zu 175 Jahre Haft.

Warum das wichtig ist: Die US-Justiz sieht den Wikileaks-Gründer als Spion und nicht als Journalisten. Die Veröffentlichung von Hundert­tausenden Dokumenten, die unter anderem mutmassliche US-Kriegs­verbrechen zeigen, habe Staats­geheimnisse verraten und Menschen gefährdet. Von Organisationen wie «Reporter ohne Grenzen» dagegen wird die Anklage und die drohende Auslieferung von Assange an die USA als «Angriff gegen die Pressefreiheit» gewertet. Der Uno-Sonder­bericht­erstatter für Folter, Nils Melzer, erhebt zudem schwere Vorwürfe gegen die Staaten, die Assange in den vergangenen Jahren verfolgt haben. Er spricht im Interview mit der Republik von einer «Verschwörung» gegen Julian Assange, von «psychologischer Folter» und einem «Exempel, das statuiert werden soll, um andere Journalisten einzuschüchtern». Der Prozess­auftakt wird vor dem Londoner Gerichts­gebäude von laut­starken Protesten begleitet, und auch weltweit gehen Unter­stützer von Julian Assange in diesen Tagen auf die Strasse, um für seine Freilassung zu demonstrieren.

In London protestierten Unterstützerinnen von Julian Assange gegen seine drohende Auslieferung an die USA, wo ihm eine Freiheitsstrafe von bis zu 175 Jahren droht. Peter Summers/Getty Images

Was als Nächstes geschieht: Die Anhörungen am Woolwich Crown Court sind zunächst für eine Woche angesetzt und sollen am 18. Mai für weitere drei Wochen fortgesetzt werden. Assange sitzt derzeit im Hochsicherheits­gefängnis Belmarsh im Osten Londons. Seine Anwälte fordern eine Lockerung der Haftbedingungen.

Deutschland kippt Verbot für professionelle Sterbehilfe

Darum geht es: Das deutsche Bundes­verfassungs­gericht hebt das Verbot der Suizidhilfe auf. Ärzte, Suizid­helfer und schwer kranke Menschen hatten dagegen geklagt.

Warum das wichtig ist: Seit Dezember 2015 galt der Artikel 217 im Straf­gesetz. Der Bundestag stellte damit die «geschäfts­mässige Förderung der Selbst­tötung» mit bis zu drei Jahren Freiheitsentzug unter Strafe. Einzig Familien­angehörige blieben straffrei. Der Einführung des Straf­rechts­paragrafen gingen lange Kontro­versen voraus. Danach klagten diverse Betroffene und Interessen­gruppen. Unter anderem befürchteten Ärzte und Personal aus der Palliativ­medizin, dass sie sich mit Beratungs­gesprächen strafbar machen könnten. Sterbe­willigen mit unheilbaren Krank­heiten blieb nichts anderes übrig, als nach Holland, Belgien oder in die Schweiz zu reisen, wo professionelle Sterbe­hilfe erlaubt ist. Am Mittwoch entschied nun das Bundes­verfassungs­gericht in Karlsruhe: «Der Paragraf 217 ist mit dem Grund­gesetz nicht vereinbar.»

Was als Nächstes geschieht: Das Urteil bedeutet, dass Ärzte über Sterbe­hilfe aufklären dürfen. Auch die passive Sterbe­hilfe ist wieder erlaubt. Konkret darf Sterbe­willigen ein tödliches Medikament zur Verfügung gestellt werden. Wie die Sterbe­hilfe im Detail geregelt werden soll, darüber kann der Bundestag noch bestimmen. Sicher ist: Eine gewerbliche Suizid­hilfe bleibt verboten – denn der juristische Ausdruck «geschäfts­mässig» bedeutet lediglich so viel wie «auf Wiederholung angelegt».

Zum Schluss: Trumps Mann fürs Grobfahrlässige

US-Präsident Trump hat sich in den vergangenen Tagen mehr­mals über das Corona­virus ausgelassen. Insgesamt kommt man um den Eindruck kaum herum, dass er den Ausbruch als persönliche Beleidigung auffasst. Nachdem er eine ganze Reihe von Falschheiten und Lügen dazu verbreitet hatte, setzte er am Mittwoch nun einen Corona-Verantwortlichen ein: seinen Vize­präsidenten Mike Pence. «Er hat ein bestimmtes Talent dafür», sagte er zur Personalie. Und da hat er völlig recht. Pence hat Erfahrung mit Epidemien. Als Gouverneur von Indiana hatte Pence das Gesundheits­budget zusammen­gestrichen und das Spritzeneintausch-Programm für Süchtige ausgebremst. Und damit die schlimmste HIV-Epidemie in der Geschichte des Bundesstaates mitverantwortet.

Was sonst noch wichtig war

Die Top-Storys unserer Verlegerinnen und Verleger

Gesichtserkennung mal zwei Ein Mann sieht sein Gesicht in der deutschen Tagesschau. Das Bild stammt aus einem Test­versuch des Innen­ministeriums, es ging um automatische Gesichts­erkennung. Die Bilder sollten nicht mal für Bundes­polizisten ersichtlich sein, wurde ihm versichert. Am Schluss sieht sie das ganze Land. Der Lesetipp stammt von Republik-Verleger und -Freelance-Autor Benedict Wermter: «Was für ein ironischer Schicksals­schlag in der Gesichts­erkennung. Unglaublich

Tiefseeschätze Der Meeres­grund birgt wertvolle Roh­stoffe wie Kupfer, Platin oder Gold. Das weckt Begierden. «Werden Mineralien ungeachtet der unabsehbaren Umwelt­schäden abgebaut, oder geben wir der Wissen­schaft Zeit, das Unerforschte besser zu verstehen?», fragt Republik-Geschäfts­leiterin Erica Dubach: «Das Wettrennen sei im Gang, hier eindrücklich beschrieben».

Wem gehört die Stadt? Die Frage treibt Berlin seit einiger Zeit um. Verleger R. F. teilt mit uns eine Reportage über den Kampf um ein begrenztes Gut: Boden.

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Illustration: Till Lauer

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