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Pädokrimineller soll verwahrt werden

Von Brigitte Hürlimann, 28.03.2019

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«Das Warten und die Ungewissheit über den Richter­spruch bedeuten für ihn immerhin ein klein bisschen Hoffnung.» So endet ein vor zwei Monaten erschienener Artikel in der Republik über den Prozess gegen einen mehrfach einschlägig vorbestraften Pädo­kriminellen, der sich gegen die Verwahrung wehrt. Nicht zum ersten Mal. Die jüngste Prozess­runde hat der bald 60-jährige Schweizer jedoch verloren.

Stirbt die Hoffnung wirklich zuletzt?

In einer Medien­mitteilung informiert das Bezirks­gericht Zürich kurz und knapp über die Anordnung der nachträglichen Verwahrung; diese war von der Staats­anwaltschaft und vom Amt für Justiz­vollzug verlangt worden. Das Gericht ist zur Auffassung gelangt, dass die Voraussetzungen für eine Verwahrung des Schweizers vorliegen. In der Mitteilung heisst es: Der Mann habe die Integrität des Opfers schwer beeinträchtigt, es bestehe eine deutliche Rückfall­gefahr, und es liege eine psychische Störung vor, die in engem Zusammenhang mit den Taten stehe: «Die Verwahrung erweist sich schliesslich als verhältnismässig, weil keine leichtere Massnahme infrage kommt, um dem Sicherungs­bedürfnis der Allgemeinheit Rechnung zu tragen.»

Der Beschluss des Bezirks­gerichts ist nicht rechtskräftig, der Mann kann ihn beim Ober­gericht anfechten. Danach steht ihm noch der Weg ans Bundes­gericht offen.

Der Schweizer und sein Verteidiger, Stephan Bernard, kämpfen um die Freilassung; es ist anzunehmen, dass sie das neuste Verdikt nicht akzeptieren werden, denn es geht um viel, um sehr viel. Verwahrt zu werden bedeutet, vielleicht nie mehr oder erst im hohen Alter zurück in die Freiheit entlassen zu werden. Dann, wenn man alt, krank und gebrechlich ist. Wer verwahrt worden ist, hegt nicht mehr viel Hoffnung.

Der Pädo­kriminelle befindet sich seit bald zehn Jahren hinter Gittern, die Freiheits­strafe von drei Jahren hat er damit um ein Mehrfaches abgesessen: Das ist möglich, weil neben der Freiheits­strafe noch eine stationäre Massnahme verhängt worden war, auch «kleine Verwahrung» genannt. Der Mann ist sichtlich gealtert in den langen Gefängnis­jahren, er schlottert in seinen Kleidern. Er hatte vor Bezirks­gericht beteuert, sich nie mehr mit Minder­jährigen einzulassen, und vorgeschlagen, man möge ihm Fuss­fesseln anlegen, ihm Anweisungen erteilen, er werde sich daran halten.

Der Verteidiger sagt, die Voraussetzungen für eine nachträgliche Verwahrung seien nie und nimmer gegeben.

Das Bezirks­gericht will von solchen Argumenten und Vorschlägen nichts wissen. All die schlimmen Vorstrafen! Und dann will der Schweizer das letzte (und bisher harmloseste) Delikt nicht begangen haben. Erstmals legt er kein Geständnis ab. Eine Therapierung im Gefängnis kommt für ihn nicht infrage, er misstraut den Justiz­vollzugs­therapeuten. Diese Verweigerungs­haltung, so die Staats­anwältin, dürfe nicht mit einer Entlassung belohnt werden.

Also wird bestraft, wobei eine Verwahrung in der Logik des Straf­rechts gar nicht als Strafe, sondern als eine sogenannte Massnahme gilt. Die aber darin besteht, dass man open end im Knast eingesperrt und so ziemlich jeder Perspektive beraubt wird. Weil vermehrt nicht mehr «nur» vergangene Untaten gesühnt werden sollen. Es geht um die Verhinderung eines möglichen, eventuellen, hypothetischen, mutmasslichen Handelns in der Zukunft. Um das Vorausahnen künftigen menschlichen Verhaltens. Das wird Prävention genannt. Oder Vollkasko­mentalität, verbunden mit Nullrisiko-Ansprüchen. Oder, wie im Beschluss des Bezirks­gerichts Zürich: «Sicherungs­bedürfnis der Allgemeinheit».

Beschluss DA 180041 vom 28. Januar 2019, schriftlich eröffnet Ende März 2019.

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