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Nerds retten die Welt

Folge 12: Gespräch mit Avi Loeb, Professor für Astrophysik an der Harvard-Universität.

Von Sibylle Berg, 19.02.2019

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Abraham (Avi) Loeb, Professor für Astrophysik an der Harvard-Universität, veröffentlichte sechs Bücher und über 650 Publikationen. Unter anderem mit so spannenden Themen wie: die Suche nach ausserirdischem Leben, die Zukunft des Alls und schwarze Löcher.

Lieber Dr. Loeb, haben Sie sich heute schon um den Zustand der Welt gesorgt?

Sicher, eine ganze Menge Dinge geben Grund zur Sorge. Doch gleichzeitig gibt es auch viel Anlass zu Hoffnung. Es gibt ein berühmtes Zitat von Rabbi Nachman von Breslow: «Die ganze Welt ist lediglich ein sehr schmaler Steg, und das Entscheidende ist, keine Angst vor ihm zu haben.»

Nun, wohlan – oder wie Herr Schopenhauer sagt: Der Optimismus ist in den Religionen wie in der Philosophie ein Grundirrtum, der aller Wahrheit den Weg vertritt. Doch zurück zu interessanteren Themen als den kulturpessimistischen. Können Sie Ihren Beruf in drei Sätzen beschreiben?

Ich werde dafür bezahlt, um über den Himmel nachzudenken. Meine Hauptinteressen sind der Ursprung und die Zukunft des Universums, die Eigenschaften von schwarzen Löchern und die Suche nach ausserirdischem Leben. Ich wurde auf einem Bauernhof geboren und betrachte die Wissenschaft als ein Privileg, meine Neugierde auf die Welt, wie ich sie seit meiner Kindheit habe, fortzusetzen und weiterzuleben.

Sie sind auf einem Bauernhof aufgewachsen? In Israel?

In der Tat, das war im Moschaw Beit Hanan, etwa 20 Kilometer südlich von Tel Aviv.

Erinnern Sie sich an den Moment, als Ihnen klar wurde, womit Sie Ihr Leben verbringen wollen?

Als Kind interessierte ich mich vor allem für Philosophie. Ich fuhr immer mit einem Traktor in die Hügel meines Dorfes und las Bücher über den Existenzialismus. Mit 18 Jahren wurde ich allerdings zum Militär eingezogen. Da ich es vorziehe, intellektuelle Arbeit zu machen, habe ich mich darum bemüht, dass ich in physikalisch-technischen Projekten arbeiten darf. Dies brachte mir ein Postdoktoranden­angebot ein mit der Bedingung, dass ich in die Astrophysik und schliesslich in eine Dozentenstelle in Harvard wechseln würde. Dabei stellte ich schnell fest, dass die Astrophysik Raum für spannende philosophische Fragen bietet. Das Ganze war vergleichbar mit der Situation, in der man sich einer arrangierten Ehe unterwirft und dann erkennt, dass man letztlich seine wahre Liebe geheiratet hat.

Sie sind im interdisziplinären Zentrum Black Hole Initiative der Harvard-Universität. Von dem wunderbaren Namen, der mich zum Träumen bringt, mal abgesehen – was machen Sie da?

Die Black Hole Initiative, deren Gründungs­direktor ich bin, ist ein Zusammen­schluss von Astronomen, Physikern, Mathematikern und Philosophen, die alle an der Erforschung von schwarzen Löchern interessiert sind. Das Projekt ist einzigartig in der Welt. Die Astronomen hoffen, in den kommenden Monaten ein Bild von einem schwarzen Loch zu bekommen. Für mich schliesst sich der Kreis von meiner frühen Liebe zur Philosophie bis zu jener zur Astrophysik. Die Physiker hoffen, das Informations­paradoxon lösen zu können, die Mathematiker und Philosophen wollen herausfinden, was die Natur der Eigenheit im Zentrum eines schwarzen Lochs ist. Hier bricht Albert Einsteins Theorie der Schwerkraft zusammen, weil sie die Quanten­mechanik nicht berücksichtigt.

Die schwarzen Löcher, in denen laienhaft gesagt Materie verschwindet. Ähm … wohin verschwindet sie?

Stephen Hawking hat vor fast einem halben Jahrhundert in einer detailgenauen Berechnung nachgewiesen, dass schwarze Löcher durch die Emission von Wärme­strahlung Materie verdunsten. Entsprechend dieser Berechnung gibt es nichts, was überlebt. Eine grundlegende Frage, an der sich Physiker nach wie vor abmühen, ist: Wohin gelangen die Inhalte, die in das schwarze Loch hineingegangen sind? Die Quanten­mechanik besagt, dass Informationen nicht verschwinden können, Hawkings Berechnungen hingegen haben gezeigt, dass sie es tun. Dieses Informationsparadoxon ist eines der ungelösten Probleme der modernen Physik.

Ich liebe dieses offenkundige Sich-intensiv-Beschäftigen mit etwas, das es vielleicht gibt. Vielleicht aber auch nicht. Es ist sehr ehrlich im Gegensatz zu vielem, was wir angeblich verstehen und behaupten.

Sie haben mit 24 Ihren Doktor in Plasmaphysik gemacht. So weit, so normal, aber was ist Plasmaphysik? Und was war das Thema Ihrer Doktorarbeit?

Meine Dissertation beschäftigte sich mit der Plasmaphysik, also der Physik der heissen Gase. Ihr Titel war: «Partikel­beschleunigung auf hohe Energien und Verstärkung der kohärenten Strahlung durch elektromagnetische Wechsel­wirkungen in Plasmen».

Ich verstehe natürlich, was das bedeutet, aber könnten Sie es kurz für Nicht-Astrophysikerinnen erklären?

Ich habe neue Wege aufgezeigt, um geladene Teilchen über viel kürzere Distanzen auf hohe Energien zu beschleunigen, als das mit bereits existierenden Beschleunigern wie dem Large Hadron Collider im Cern möglich ist. Werden diese Methoden eingesetzt, könnten künftige Beschleuniger wesentlich höhere Energien auslösen. Darüber hinaus habe ich neue Wege zur Erzeugung von Laser­strahlung untersucht.

Ha, das Cern. Ich vermute, das gibt es ebenso wenig wie Bielefeld. Apropos Irrsinn. Wie kann es einem Normal­begabten gelingen, sich die Unendlichkeit des Alls vorzustellen, ohne sich den Kopf gegen die Wand zu schlagen.

Stellen Sie sich einfach vor, Sie seien eine Ameise in einer Gross­stadt. Als Ameise brauchen Sie sehr viel Zeit, um die Stadt zu durchqueren, doch in Wirklichkeit ist einfach nur alles sehr viel grösser und weiter als in den Grössen­verhältnissen, in denen Sie als Nicht-Ameise leben. So gesehen ist hier aus qualitativer Sicht nichts schwer zu begreifen. Alles ist schlicht in der gleichen Weise grösser, wie der Abstand zwischen den Kontinenten grösser ist als Ihre Körpergrösse.

Was am Universum hingegen so überwältigend ist, ist sein Inhalt: hier zunächst die Tatsache, dass dieselben Gesetze, die die Natur selbst in Labor­versuchen regeln, eben auch auch das Verhalten des Universums auf enormen Mass­stäben bestimmen. Das ist keine Selbst­verständlichkeit. Das Universum hätte ja ebenso gut chaotisch sein können. Menschen unterwerfen sich den gesellschaftlichen Gesetzen nicht mit annähernd der gleichen Präzision wie die Natur den Gesetzen der Physik. Dies allein ist schon eine Tatsache, die mich zutiefst beeindruckt.

Olivia Falcigno
«Ich werde dafür bezahlt, um über den Himmel nachzudenken.»
Avi Loeb

Darüber hinaus birgt das Universum eine bemerkenswerte Fülle von Phänomenen, die weitaus aussergewöhnlicher sind, als wir sie auf der Erde finden. Ich sage nur: explodierende Sterne, die beschleunigte Ausdehnung des Universums, dunkle Materie, schwarze Löcher, eine Vielzahl von Planeten unterschiedlicher Form und Zusammensetzung und so weiter. Die Erkenntnis, dass es in diesem riesigen Raum, welchen wir beobachten können, mehr bewohnbare Planeten gibt als Sandkörner an allen Stränden der Erde, deutet für mich darauf hin, dass wir nicht allein sein können. Irgendwo dort draussen muss es einfach Leben geben. Wir müssen es nur finden. Und sobald wir andere intelligente Zivilisationen gefunden haben, lautet die Schlüssel­frage: «Sind sie klüger als wir?» Und wenn ja: «Was können wir von ihnen lernen?»

Ich bin vollkommen Ihrer Meinung. Aber die meisten Menschen haben ja schon Mühe damit, sich vorzustellen, dass es neben ihnen Milliarden andere Menschen auf der Erde gibt.

Apropos Unverständnis: Das All war … schon immer da?

Wir wissen nicht, was vor dem Urknall passiert ist. Dies ist eines der ungelösten Geheimnisse der modernen Kosmologie.

Das führt mich zum nächsten Problem meines begrenzten Verstandes. Das All war eventuell immer da und ist unendlich. Gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse, die Ihnen dabei helfen, mit diesen unbegreifbaren Basis­informationen umzugehen?

Ja, wir können nach Hinweisen aus der Anfangszeit des Universums suchen. Es gibt einige Beobachtungs­werte wie Gravitations­wellen oder die Statistik der Dichte­schwankungen, die uns darüber informieren können, was im Universum vor oder kurz nach dem Urknall vor sich ging.

Und was beinhalten diese Basis­informationen? Sie merken, ich suche immer noch Antworten auf die Fragen: Was war vor dem All? Wie kann etwas nicht enden? Und wenn es endlich wäre: Was schliesst sich an diese Endlichkeit an? Alles, was uns auf der Erde umgibt, hat Anfang und Ende, selbst die Luft ist begrenzt.

Wir kennen die Antworten auf diese Fragen noch nicht. Wir müssen Geduld haben und mit der Unsicherheit leben. Was wir sicher wissen, ist, dass Einsteins Theorie der Schwerkraft unvollständig ist, weil sie keine Quanten­mechanik berücksichtigt. Die Verbindung von Einsteins Schwerkraft mit der Quanten­mechanik wird den Schlüssel zur Beantwortung Ihrer Frage liefern. Wir werden vielleicht feststellen, dass das Universum aus dem Nichts herausgeschlüpft ist oder dass ihm eine Schrumpfungs­phase vorausgegangen ist.

Ich versuche es gerade. Man kann den überforderten Menschen also fast verstehen, der sich einen Gott vorstellt, der das All und die Erde herstellt. Wobei mir das auch nicht hilft. Der Gott, was ist das? Eine Superkraft? Woher kommt sie? Ist sie das All? Wo war sie, bevor das All geschaffen wurde, und was war dieses davor?

Es gibt bekanntlich viele Definitionen von Gott, von denen ich nur zu dem philosophischen Gott, wie Baruch Spinoza ihn beschrieben hat, eine Beziehung herstellen kann. In dieser Begriffs­bestimmung spiegelt sich die von mir bereits erwähnte erstaunliche Ordnung wider, die die Naturgesetze an den Tag legen: «Es ist gewiss, dass diejenigen die Ruhm­begierigsten sind, welche das grösste Geschrei erheben über den Missbrauch des Ruhmes und die Eitelkeit der Welt.»

Sagt Herr Spinoza – das führt zu der Frage: Gibt es wirklich Wissenschaftler, die bezweifeln, dass sich ausserhalb der Erde Formen von Leben im All befinden?

Ja, es gibt eine grosse Gruppe von Wissenschaftlern, die denken, dass wir einzigartig oder besonders sind. Für mich ist das ein Ausdruck von Arroganz. Ich ziehe den Grundsatz der «kosmischen Bescheidenheit» vor, demnach die Tatsache, dass wir existieren, darauf hindeutet, dass wir nicht allein sind, weil ein Viertel aller Sterne Planeten mit ähnlichen Oberflächen­bedingungen haben wie die Erde.

Kommen wir zu diesem Flugkörper, der zigarrenförmig oder in der Form eines verrosteten Weiss­brotes gesichtet wurde. Da Sie zu dem Thema schon viel gesagt haben, nur kurz nachgefragt: Hat Ihnen die vollkommen logische Erklärung, es handelte sich um ein Flugobjekt von Ausser­irdischen, geschadet?

Keineswegs. Allein letzte Woche haben sich fünf Film­produzenten mit mir in Verbindung gesetzt, die einen Dokumentar­film über mein Leben und meine Arbeit produzieren wollten.

Ist es nicht absurd, dass man Gefahr laufen kann, seine Reputation zu verlieren, wenn man neugierig ist, was ja eigentlich der Grund­antrieb allen Wissens, aller Erfindungen ist?

Da stimme ich Ihnen zu. Aber ich kümmere mich nicht darum, was andere Leute denken. Meine eigene Berufspraxis hat mich gelehrt, soziale Trends zu ignorieren und den Grundsätzen zu folgen, die ich für wichtig halte: Innovation und Risiko­bereitschaft sind unerlässlich, um Entdeckungen zu machen. Vorurteile sollten aus dem wissenschaftlichen Diskurs verbannt werden.

Dieses Flugobjekt … Warum kam die Meldung der Sichtung nicht in allen Nachrichten zur Haupt­sendezeit? Ich habe zum Beispiel trotz überbordender Neugier und Konsum aller Nachrichten erst sehr spät davon gehört.

Letztlich ist es so gekommen. Ich habe nicht mit einer so grossen Resonanz gerechnet. Wir schrieben ein normales wissenschaftliches Papier, das eine Abweichung in den Daten erklären sollte, nämlich die zusätzliche Kraft, die die Flugbahn des Objekts Oumuamua zusätzlich zur Schwerkraft der Sonne zeigt, ohne dass eine sichtbare kometenmässige Gas­entwicklung auftritt. Wir haben die These aufgestellt, dass Oumuamua vom Sonnenlicht getrieben werden könnte, wie die Lichtsegel, die wir derzeit in der Initiative Breakthrough Starshot entwickeln, an der ich beteiligt bin.

(Frau Berg nickt, den Mund leicht offen.)

Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr habe ich ein weiteres Papier publiziert, das eine Anomalie eines ungewöhnlich kalten Gases im frühen Universum erklärt, wie im Experiment Edges gezeigt wurde. In diesem Papier haben wir die Vermutung geäussert, dass dunkle Materie eine geringfügige elektrische Ladung aufweist, um so die Anomalie zu erklären. Dieses Papier zur dunklen Materie wurde innerhalb weniger Wochen zur Veröffentlichung freigegeben und fand in den Medien nur wenig Beachtung.

Wie erklären Sie sich das ?

Es erhielt die normale Aufmerksamkeit einer neuen wissenschaftlichen Idee. Das war so weit nicht ungewöhnlich. Die Medien interessieren sich natürlich viel mehr für Politik als für Wissenschaft. Doch man sagt ja oft, die Zeitung von gestern werde eh verwendet, heute den Fisch damit einzuwickeln. Die Aufmerksamkeit der Medien ist also kein Mass für die langfristige Bedeutung.

Haben Sie ein Beispiel dafür, dass Ihre Arbeit auf ein grosses Medien­interesse stiess, ohne unbekannte Flugobjekte zu thematisieren?

Die Resonanz auf das Lichtsegel-Papier war anders. Ich hatte nicht geplant, eine Presse­mitteilung dazu herauszugeben, aber der Redaktor von «The Astrophysical Journal Letters» schrieb mir in einer E-Mail: «Du solltest über eine Presse­mitteilung zu diesem Thema nachdenken.» Bevor ich dazu kam, haben zwei Blogger über unseren Beitrag auf arXiv berichtet, wo ich regelmässig Beiträge veröffentliche, bevor sie zur Publikation freigegeben werden, um Kommentare von der Community zu erhalten, bevor der Beitrag abgeschlossen ist. Innerhalb weniger Tage ging der Artikel auf Social Media viral.

Seitdem erhalte ich täglich Dutzende von Anfragen von Fernseh-, Radio- und Zeitungs­unternehmen. Also, ja ... das war völlig unerwartet. Aber ich tue mein Bestes, um diese öffentliche Aufmerksamkeit für einen guten Zweck zu nutzen: um zu erklären, dass die Pionier­wissenschaft die meiste Zeit über mit Unsicherheit aufgrund von Datenmangel verbunden ist, dass Innovation und Risiko­bereitschaft unerlässlich sind, um Entdeckungen zu machen, dass Vorurteile aus dem wissenschaftlichen Diskurs verbannt werden sollten und dass Fehler toleriert werden sollten, damit sich Innovationen durchsetzen können.

Glauben Sie, dass – Teile von – Regierungen durchaus über ausserirdisches Leben Bescheid wissen, es aber relativ wenig kommuniziert wird, weil die menschliche Abneigung gegen alles Fremde besser auf Erdbewohner beschränkt wird, um damit zu politisieren?

Nein, ich glaube nicht, dass die Regierungen kompetent genug sind, um diese Geheimnisse für eine lange Zeit zu bewahren.

Erinnern Sie sich an den Roswell-Zwischenfall? Was war das?

Ich bin mir nicht sicher, ob die Interpretation richtig ist, aber wahrscheinlich war es ein Wetterballon.

Extraterrestrisches Leben kann gasförmig sein, es kann Formen haben, die wir uns nicht vorstellen können mit unseren limitierten Hirnen, die nur auf Bekanntes zurückgreifen können. Stellen Sie sich ab und zu vor, es würde Ihnen und Ihrem Team gelingen, Kontakt mit Ausserirdischen aufzunehmen? Wie könnte das aussehen?

Es wäre ein Schock, denn höchstwahrscheinlich wären sie viel fortschrittlicher als wir. Ich bin allerdings sehr zuversichtlich, dass wir noch zu meinen Lebzeiten Kontakt aufnehmen werden.

Sie haben diesem Gedanken sicherlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt als die meisten von uns. Wie würden Wissenschaftler den Prozess der Kontakt­aufnahme mit fremden Wesen tatsächlich angehen?

Wenn wir zu diesem Punkt kommen, sollte die Uno einen internationalen Ausschuss von Wissenschaftlern und politischen Entscheidungs­trägern ernennen, der alle Fakten berücksichtigt und entscheidet, wie am besten zu handeln ist.

Im Zweifel immer erst mal freundlich sein. Vielleicht sind die Ausserirdischen ja nicht höher entwickelt, sondern auf dem geistigen Stand von – sagen wir – Nazis.

Nun, ein anderes Thema. Sie forschen zu Licht­segeln. Können Sie das Prinzip mit einfachen Worten erklären?

Wir entwickeln im Grunde die Technologie, ein Segel mit Licht so anzutreiben, wie ein Segel auf einem Segelboot von der von seiner Oberfläche reflektierten Luft vorangetrieben wird.

Das Licht der Sonne nehme ich an? Wie weit sind Ihre Forschungen?

Entweder das Licht der Sonne wie im Fall der Ikaros-Mission der japanischen Raumfahrt­agentur Jaxa oder das Licht eines leistungsstarken Lasers wie im Projekt Breakthrough Starshot.

Gelingt es Ihnen, die momentane politische Entwicklung – hin zu sich absichtlich idiotisch stellenden Diktatoren, gesponsert von neoliberalen Kräften, zur Wissenschafts­feindlichkeit im Namen des Wählers – auszublenden, oder bekommen Sie das mit, und wie sehr beleidigt es Ihren Verstand?

Was ich so höre, lässt mich bisweilen bezweifeln, dass unsere Zivilisation intelligent ist. Möglicherweise sind wir das Gespött der fortgeschritteneren Zivilisationen, sollten sie uns beobachten.

Was ist Ihrer Meinung nach Ihre bisher grösste Leistung?

Meine wichtigsten wissenschaftlichen Errungenschaften betrafen die Erstellung innovativer Vorhersagen über das Universum, die sich als wahr erwiesen. Die zwölf besten von ihnen sind in diesem Dokument zusammengefasst.

Haben Sie noch ein paar weitere Leseempfehlungen?

Mein Vortrag «The Case for Cosmic Modesty» ist recht gut, Sie finden ihn auf Youtube. Aber noch besser ist die folgende Liste meiner Meinungsartikel (mit anklickbaren Links).

Herr Doktor, können Sie uns am Ende noch ein wenig Optimismus mitgeben?

Ich bin zuversichtlich, dass Wissenschaft und Technologie unser Leben auf bislang kaum vorstellbare Weisen verbessern werden, mit Medikamenten, die die durchschnittliche Lebens­dauer der Menschen über ein Jahrhundert hinaus verlängern, und Robotern, die all die schwere Arbeit übernehmen, die in der Vergangenheit von Menschen geleistet wurde. Ich bin zuversichtlich, dass die heutige junge Generation einige unserer grossen Herausforderungen und existenziellen Probleme lösen wird, ohne die Vorurteile und Diskriminie­rungen, die frühere Generationen gekennzeichnet haben. Und schliesslich bin ich zuversichtlich, dass wir uns erfolgreich in den Weltraum wagen und nicht alle unsere Eier in einem Korb, nämlich der Erde, aufbewahren werden.

Eines der Gebiete, die ich unterstütze, ist die Weltraum­archäologie, also die Suche nach Relikten alter Kulturen, die nicht mehr existieren. Nur findet die Suche eben im Weltraum statt und nicht, wie es Archäologen sonst beim Graben in der Erde tun. Meine Hoffnung ist, dass uns das Auffinden von Relikten toter Zivilisationen im Weltraum eine wichtige Lektion lehren wird, damit wir uns zusammenreissen und unseren Planeten und andere Menschen besser behandeln, sodass wir ein vergleichbares Schicksal vermeiden werden.

Herr Doktor, ich danke Ihnen für Ihre Zeit und Ihren Optimismus.

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