Diskussionsfreudige Runde im Letzigrund: Matthias Kamber, Mikael Krogerus, Hajo Seppelt, Grit Hartmann (v. l. n. r.). Republik

Aus der Redaktion

Dopen Fussballer?

An einen sauberen Sport glaubt schon lange niemand mehr. Doch der Kampf gegen Doping ist keineswegs aussichtslos. Das zeigt eine Podiumsdiskussion der Republik.

Von Isabelle Schwab, 13.06.2018

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«Sport, Doping und Politik – das ist das Bermuda-Dreieck.» Mit diesen Worten eröffnet Moderator Mikael Krogerus vom «Magazin» das Podium, zu dem die Republik in den Zürcher Letzigrund geladen hat. Um zu fragen, warum die Verbände und die Funktionäre nicht durchgreifen. Warum auch so viele Journalisten so zahnlos sind. Hajo Seppelt von der ARD-Dopingredaktion knöpft sich gleich mal die Gilde der Sportreporter vor. Klar, Sport sei Unterhaltung, aber «ist es die Aufgabe von uns als Journalisten, dieses Ereignis zu inszenieren? Es zu dramatisieren? Nein, ist es nicht. Denn ein Journalist hat am Ende einen Job: der Wahrhaftigkeit verpflichtet zu sein.»

«Die Gegenwart produziert kranke Menschen.»
Grit Hartmann, Journalistin

Gespielt wird um Geld

Sport ist ein Kulturgut – und wird als solches gefördert, aber auch instrumentalisiert. Mit Sport lassen sich Emotionen wecken. Und mit Emotionen lässt sich viel Geld verdienen. Sponsoren profitieren von erfolgreichen Spitzensportlern wie etwa LeBron James. Hajo Seppelt sagt, Nike habe dem Basketballprofi für einen lebenslangen Vertrag 858 Millionen Dollar bezahlt. Aber die nationalen Antidoping-Agenturen unterstützten Sportmarken wenig oder gar nicht.

Kaum je ein Fussballer ist beim Doping erwischt worden. Sind Fussballer deshalb «sauber»? Ist ausgerechnet diese Sportart frei vom Krebsgeschwür Doping? Nein, da war sich das Podium einig. Eher liegt es daran, dass die Fifa erreicht hat, dass Fussballer viel lascher kontrolliert werden als andere Leistungssportler. Und daran, dass hier unendlich viel Geld da ist, um die Sportler von den besten Ärzten mit den besten Präparaten fit machen zu lassen.

Auch das Fernsehen verdient an sportlichen Grossanlässen mit: Werbung lässt sich während der Übertragung von Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften teurer verkaufen. Die hohen Einschaltquoten sorgen für begehrte Werbeplätze. Vom Verkauf der Fernsehrechte profitieren wiederum die Funktionäre. Im Fall der Olympischen Spiele beispielsweise das Internationale Olympische Komitee. 1,3 Milliarden Euro hat das IOK mit den Übertragungsrechten der Spiele für Europa für die nächsten sechs Jahre eingenommen.

«Wir brauchen kritischen Sportjournalismus.»
Hajo Seppelt, Journalist

Interesse an unabhängigen Dopingkontrollen habe allerdings kaum jemand. Die Entscheidungsträger bei nationalen Dopingkontrollen seien zu oft mit den Sportverbänden verbandelt. Seppelt beschreibt die Situation so: «Die Steuerprüfung macht ja auch das Finanzamt. Im Sport ist das anders: als würde die Kontrolle nicht vom Finanzamt, sondern vom Unternehmensberater gemacht.» Doping aufzudecken, sei geschäftsschädigend und Journalistinnen, die über Doping berichten, gälten als Nestbeschmutzer.

Auch in der Schweiz hat es die Dopingbekämpfung nicht leicht: «Wir können nur 2000 Kontrollen im Jahr machen. Das ist viel zu wenig», sagt Matthias Kamber, lange Jahre Leiter von Antidoping Schweiz: Auch die Sportler würden sich einen sauberen Sport wünschen und sich vor dem Dopingverdacht schützen wollen. Es fehle aber an Geld.

In Online-Foren erklärten Sportler einander, wie sie am besten dopen und dabei nicht entdeckt werden. «Es kommt auf die richtige Dosierung und den Zeitpunkt der Einnahme an», sagt Grit Hartmann, Kollegin von Hajo Seppelt und erfahrene investigative Reporterin. Seppelt ergänzt, dass es darauf ankomme, ob Urin, Vollblut oder Blutserum untersucht werde: Eine Dopingkontrolle könne immer nur einen Teilbereich abdecken. Auch hier fehle es an Geld. Und die Sportverbände mauerten.

«2000 Dopingtests im Jahr sind zu wenig.»
Matthias Kamber, ehemaliger Chef Antidoping Schweiz

Von den Athletinnen wünschen sich Grit Hartmann und Hajo Seppelt mehr Engagement, in jeder Beziehung. «Athleten unterschätzen, welche Macht sie haben», sagt Seppelt. Denn das Entscheidende sei das Bild im Fernsehen. Schon kleine Gesten könnten einen Unterschied bewirken – sei es ein regenbogenfarbenes Armband in Sotschi, seien es kniende Football-Spieler in den USA.

Kamber hält dagegen: Die Sportlerinnen müssten sich auf ihr Training und die Wettkämpfe konzentrieren. Eine einzelne Sportlerin könne auch schnell unter Druck geraten. In der Pflicht sieht er deshalb vielmehr die Funktionäre.

Der Westen zu Gast in Russland

Dass Bilder manchmal mehr als Worte zählen, gilt auch für die Politik: Putin instrumentalisiere die Fussball-WM für innenpolitische Zwecke, sagt Seppelt. Man könne noch lange vom Dialog mit Russland reden. An der WM in Russland werde ein Bild der Einigkeit vermittelt: «Klar muss man mit Russland im Dialog bleiben, aber muss man mit Putin auf einer Ehrentribüne stehen?»

Grit Hartmann stimmt zu. Putin wolle zeigen, dass der Westen gern in Russland zu Gast sei – um jeden Preis. «Das aktuelle Budget ist nicht ernst zu nehmen. Russland steuert auf Verhältnisse wie bei Sotschi zu.» Die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 hätten so viel gekostet wie alle Winterspiele zuvor gemeinsam, rechnet Hartmann vor.

Alle sind sich einig: Es braucht mehr Kontrollen. Kamber will eine stärkere Dopingbekämpfung, mehr Tests und mehr Geld für die Prävention. Seppelt und Hartmann zählen auf einen kritischen Sportjournalismus. Nur so könne der organisierte Sport wieder an Glaubwürdigkeit gewinnen.

Gespannte Stille: Die Gäste hören den Ausführungen der Expertinnen aufmerksam zu. Republik

Podium – Wir müssen reden: über Sport, Doping und Politik

Am 4. Juni 2018 besuchten rund neunzig Personen das Podiumsgespräch «Wir müssen reden: über Sport, Doping und Politik» im Letzigrund-Stadion. Unter den Gästen waren Verlegerinnen und Leser der Republik, Athletinnen, Medienschaffende, Vertreter von Swiss Olympics und ein Vertreter der Bundesanwaltschaft.

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