Briefing aus Bern

Väter ohne Urlaub, Bauern gewinnen immer – und die Preise der Ruag

Das Wichtigste aus dem Bundeshaus (15).

Von Elia Blülle, 07.06.2018

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Liebe Leserinnen und Leser

Oscar Wilde schrieb: «Väter sollte man weder sehen noch hören. Das ist die einzige geeignete Basis für das Familienleben.»

Das Familienleben hat sich seit Wildes Tod vor mehr als hundert Jahren verändert. Patriarchate sind aufgebrochen worden. Väter sind Erzieher, Betreuer und Ernährer.

Deshalb fordern mehrere Verbände einen Urlaub für Väter. Auch sie sollen nach der Geburt des Kindes vier Wochen bezahlte Ferien erhalten – gesetzlich garantiert.

Die Schweiz ist europaweit eines der letzten Länder, die keinen solchen Urlaub kennen. Das ändert nichts daran, dass der Bundesrat die Initiative ablehnt. Letzte Woche teilte er mit, das Anliegen sei zu teuer. Der Bundesrat will sich die 420 Millionen Franken pro Jahr nicht leisten und schreibt: «Dies würde die Wirtschaft mit zusätzlichen Abgaben belasten und die Unternehmen vor grosse organisatorische Herausforderungen stellen.» Stattdessen soll die Kinderbetreuung gefördert und Krippenplätze geschaffen werden. Dafür sieht der Bundesrat 130 Millionen Franken vor.

Am Dienstag hat sich die FDP in die Debatte eingemischt. Sie präsentiert einen Gegenvorschlag. Anstatt eines Vaterschaftsurlaubs fordert die Partei Elternzeit. Im FDP-Modell bekommt die Mutter wie bisher vierzehn Wochen Mutterschaftsurlaub. Zusätzlich haben die Eltern aber noch zwei weitere Wochen zugut, die entweder die Mutter oder der Vater beziehen kann.

Die Initiative wie auch der Gegenvorschlag müssen noch im Parlament behandelt werden. Vor dem Volk wird der Vaterschaftsurlaub wohl gute Chancen haben. Eine Studie des Link-Instituts im Auftrag von Travailsuisse rechnete hoch, dass 81 Prozent der Schweizer und Schweizerinnen einen Vaterschaftsurlaub befürworten.

Und hier kommt das Briefing aus Bern.

Zunächst die wichtigsten Entscheide der zweiten Woche der Sommersession

Schützen gehen auf die Barrikaden: Die Europäische Union verschärft das Waffenrecht, und die Schweiz muss nachziehen. Letzte Woche hat der Nationalrat den neuen Vorschriften unter Druck zugestimmt. Denn setzt die Schweiz das neue Gesetz nicht bis zum Mai 2019 um, droht der Ausschluss aus den Schengen/Dublin-Abkommen. Neu soll gelten: Wer eine halbautomatische Waffe kaufen will, muss Mitglied in einem Schützenverein sein oder belegen, dass damit regelmässig geschossen wird. Das Sturmgewehr 90 der Schweizer Armee ist von der Regel ausgenommen. Es ist gut möglich, dass die EU-Waffenrichtlinie zur Abstimmung kommen wird. Mehrere Schützenverbände haben bereits ein Referendum angekündigt. Zuerst geht die Vorlage aber in den Ständerat.

Bauern erringen symbolischen Sieg: Zurück an den Absender! Das sagt der Nationalrat zur umstrittenen Agrargesamtschau des Bundesrates. Das Planungspapier legt die Eckwerte für die künftige Agrarpolitik des Bundes fest. Der Bundesrat diskutiert darin einen Abbau des Grenzschutzes für landwirtschaftliche Produkte zugunsten des Freihandels. Nun fordert das Parlament, dass der Freihandel und die Agrarpolitik gesondert zu behandeln sind. Das ist ein Sieg für den Bauernverband. Er kritisierte die vorgesehene Liberalisierung der Landwirtschaft und sagte bereits im November: «Seine Gesamtschau kann der Bundesrat schreddern.» Voilà – der Nationalrat hat sie geschreddert. Nun geht die Gesamtschau zurück an den Bundesrat, der seine Agrarpolitik überdenken muss.

Zwei Initiativen abgesägt: Der Nationalrat hat zwei Initiativen über die Bundesterrasse gestossen. Er wird die Zersiedelungsinitiative der Jungen Grünen mit klarer Mehrheit ablehnen. Das Begehren verlangt, die Ausdehnung der Bauzonen zu stoppen. Für jede Einzonung soll eine vergleichbare Fläche ausgezont werden. Das heisst, es könnten keine zusätzlichen Flächen mehr für den Bau verwendet werden. Die Diskussion zeigt, dass der Vorschlag keine Chance haben wird. Definitiv entscheidet der Nationalrat aber erst nächste Woche.

Auch die sogenannte Hornkuhinitiative hatte keine Chance. Sie fordert, dass Bauern finanziell unterstützt werden, die ihren Tieren die Hörner belassen. Der Nationalrat hat sich dagegen ausgesprochen. Mit dem Argument, dass Tierhörner nicht in die Verfassung gehörten. Lanciert hat diese ungewöhnliche Initiative der Bauer Armin Capaul. Wer er ist, erfahren Sie in einem Videoporträt der NZZ.


Hat die Ruag zu hohe Preise verrechnet?

Das müssen Sie wissen: Die Ruag ist ein Rüstungskonzern und gehört dem Bund. Das Unternehmen wartet auch die Kampfjets der Armee, die alle 300 Flugstunden in den Rundumservice müssen. Vor drei Jahren hat die Eidgenössische Finanzkontrolle begonnen, die Preispolitik der Ruag bei Aufträgen des Bundes zu untersuchen. Der Verdacht: Die Ruag hat dem Bund zu hohe Rechnungen für die Wartungen der Luftwaffe ausgestellt und mit den Geldern andere Geschäfte quersubventioniert.

Das ist passiert: Im November 2016 hat die Eidgenössische Finanzkontrolle Strafanzeige erstattet. Die Bundesanwaltschaft hat die Untersuchungen eingeleitet. Nun berichtet der «Tages-Anzeiger», aus internen Ruag-Dokumenten gehe hervor, dass die Ruag die erlaubte Rendite von 8 Prozent überschritten habe. In derselben Zeitung dementiert der Waffenkonzern diese Zahlen. Die Ruag habe die zulässige Gewinnspanne nicht übertreten.

So geht es weiter: Die Prüferinnen haben Anfang Jahr dem Bundesrat geraten, von der Ruag einen transparenten Finanzbericht einzufordern. Das Verteidigungsministerium liess verlauten, man habe die Empfehlung zur Kenntnis genommen und prüfe eine Umsetzung dieses Anliegens.


Geldwäschern wird der Kopf gewaschen

Das müssen Sie wissen: Geldwäsche wird betrieben, indem Kriminelle «dreckiges Geld» in den legalen Wirtschaftskreislauf einschleusen. So verwischen sie Spuren oder vermeiden Steuern. Die Steuerhinterziehung ist nicht vollständig geregelt. Es gibt Lücken im Gesetz. Darum hat der Bundesrat letzte Woche eine Gesetzesrevision vorgestellt, die das ändern soll. Neu ist: Anwälte und andere Berater müssen bei Verdacht auf Geldwäscherei die Geschäftsbeziehung sofort abbrechen.

Darum ist das wichtig: 2016 hat ein Netzwerk von Journalistinnen die «Panama Papers» ausgewertet und eine grossflächige Steuervermeidung und -hinterziehung aufgedeckt. Unter den 14’000 involvierten Banken und Anwaltskanzleien befanden sich 1200 Schweizer Unternehmen, die geholfen haben, Briefkastenfirmen zu gründen.

So geht es weiter: Als Nächstes geht der Entwurf des Bundesrates in die Vernehmlassung, bei der sich Parteien, Kantone und Organisationen zum Gesetz äussern können. Die SP fordert bereits eine Meldepflicht für betroffene Unternehmen, andere kritisieren den zusätzlichen Bürokratieaufwand.


Zahlen der Woche: Zu viel Tabak und weniger Strafen

Die Hochrechnungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigen, dass in der Schweiz im Jahr 2025 immer noch 21 Prozent der über 15-jährigen Schweizer regelmässig Tabak konsumieren werden. 2010 lag diese Quote bei 25 Prozent. Die WHO kritisiert, dass die Schweiz mit diesen Zahlen das Ziel, die Raucherquote bis 2025 um 30 Prozent zu senken, nicht erreichen wird.

Andere Nachricht, bessere Aussicht: 2017 gab es in der Schweiz 5 Prozent weniger Strafurteile. Insgesamt wurden 105’000 Urteile ausgesprochen. Davon waren 87 Prozent reine Geldstrafen. Auch spannend: 80 Prozent aller Ausländer, die mit einer Freiheitsstrafe bestraft wurden, hat die Schweiz des Landes verwiesen.

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