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Rudolf Weiler
Enthusiast und Feedbäcker
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Vor wenigen Monaten habe ich meine Lebenspartnerin im Dilemma zwischen Palliative Care und Exit begleitet und finde, die gegenwärtige gesetzliche Regelung ist so schlecht nicht. Gerade weil sie diesen Graubereich, der eben vielleicht gar nicht vernünftig geregelt werden kann aufweist, ist eine gewisse Flexibilität möglich. Ein Missbrauch ist natürlich nicht auszuschliessen, aber eine umfassende und unabhängige Protokollpflicht für die Vorgänge könnte schon vieles klären. Es ist zwar so, dass die beiden Möglichkeiten nichts von einander wissen wollen oder sich gar etwas konkurrenzieren, aber "dass unter dem Deckmantel der indirekten aktiven Sterbe­hilfe häufig Leben verkürzt wird", ist doch ein humaner Akt, der wohl nur äusserst selten missbraucht wird. Wenn sich die Frage stellt, sollen die Todkranken noch ein paar Tage oder Wochen weiter leiden, dann soll man doch bitte nicht Lebensmüde um jeden Preis weiter leiden lassen, sondern dem ein Ende setzen können.

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Kuno Schedler
Mitherausgeber
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Vielen Dank für diesen Beitrag. Ich halte es jedoch für falsch, den Blick nur auf die Lebensdauer zu richten und nicht auf die Lebensqualität, die -würde oder den Lebenswunsch der Betroffenen.

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Vor vielen Jahren hat mein damaliger Lebenspartner, Dialysepatient seit 20 Jahren und schwer krank, beschlossen die Dialyse abzubrechen im Wissen um den sicheren Tod innert einer Woche. In dieser letzten Woche seines Lebens bekam er nur bei Bedarf schmerzstillende Mittel, die ihm einen allzu schweren,Todeskampf ersparen sollten. Bis zum einsetzen der allerletzten Phase waren das wunderschöne Tage mit viel Ruhe, Liebe und Zuversicht. Es mussten keine Medikamente verabreicht werden, um ihm die letzten schwierigen Stunden zu ersparen. Auch wenn nicht von friedlichem einschlafen gesprochen werden kann, empfand ich es als würdiges verlassen des erschöpften Körpers. Und das nur mit Schmerzmitteln und meiner ständigen Anwesenheit und liebevollen Zuwendung bis zum letzten Atemzug. So sieht für mich Palliative care aus. Natürlich eng begleitet von einem Arzt. Da alles daheim geschah mussten auch keine Protokolle verfasst werden, um zu dokumentieren, dass es sich nicht um etwas Widerrechtliches gehandelt hat. Alles in ein Gesetz zu giessen kann dann hilfreich sein, wenn aktive Tötung vermutet werden muss, aber ob das zielführend ist, bezweifle ich. Sollte mir Ähnliches widerfahren bin ich dankbar, wenn man sich in Palliative Art um mich kümmert, auch ohne jede Handlung zu dokumentieren, auch wenn dabei meine leibliche Existenz um ein paar Stunden verkürzt wird.

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Pflegefachfrau palliative Care
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Endlich kommt die Finanzierung der palliative Care an die Öffentlichkeit. Es muss dringendst etwas geschehen! In Hospize wird wie in Pflegeheime (Langzeitpflege) abgerechnet, obwohl es sich oft um hochakute und sich ständig verändernde Situationen handelt. Von Pflegefachpersonen ist ein grosses Know How gefragt. Eine palliative Care Ärztin brachte es auf den Punkt; Intensivstation für sterbende Menschen. Zugleich wird aber auch da dipl. Pflegepersonal abgebaut. Sie werden durch FAGE‘s und Pflegeassistent*innen ersetzt, da zu teuer. Der Stellenschlüssel soll aussehen wie im Pflegeheim. Wie soll ein würdevolles Sterben möglich sein, wenn es an kompetentem Personal fehlt? Leider ist die Sterberei in Zeiten von DRG zu teuer - bringt keinen Profit. Deshalb scheint sich auch die Politik seit Jahren Zeit zu lassen um die Finanzierung für ein würdevolles Sterben zu klären.

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Über 65 Jahre
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Für mich ist die Fragestellung in der Spannung zwischen "länger leben auf Kosten der Lebensqualität" und "Lebensverkürzung zugunsten Leidensvermeidung, -verminderung".
Persönlich ist mir die Lebenqualität viel wichtiger als die Lebensdauer.

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Mir scheint, wie überall im Umgang mit Medikation müsste auch bei der palliativen Sedierung am Lebensende gelten: so viel wie nötig, so wenig wie möglich.
Schmerz, Angst, Atemnot lindern, ohne den Eintritt des Todes zu beschleunigen ist sicher eine hohe Kunst, die qualifiziertes Fachwissen braucht und gut ausgebildetes Personal mit genügend Zeit, den Zustand der Betroffenen laufend zu begleiten. Betroffene, die sich idealerweise zu einem früheren Zeitpunkt Gedanken zum eigenen Sterben gemacht und sich mit ihren Nächsten über ihre Wünsche und Ängste ausgetauscht haben.
Dass das eine Idealvorstellung ist, ist mir bewusst, und sicher nicht billig. Aber wenn man sich anschaut, was unsere westliche Gesellschaft fürs andere Ende, den Anfang des Lebens an finanziellen und technischen Mitteln einzusetzen bereit ist, müsste ein Sterben in Würde und weitestmöglicher Selbstbestimmung auch drinliegen.
Ich sehe die Schwierigkeit einer gesetzlichen Regelung, die die Motive der Handelnden regulieren müsste und unterscheiden, ob bei einer terminalen Sedierung ein früherer Todeseintritt billigend oder sogar geplant in Kauf genommen wurde, oder quasi ungewollt als Nebenwirkung der Leidenslinderung eintrat.
Maximal zuwider ist mir der Gedanke, Todeszeitpunkte könnten mittels Sedierung so gesteuert werden, dass sie bspw. in einen Dienstplan passen. Administrative Belange dürfen nicht über Leben und Sterben entscheiden. Wenn es eine juristische Formulierung gäbe, die das unter Strafe stellt, ohne die hilfreichen, lindernden Aspekte der Sedierung zu behindern, würde ich eine gesetzliche Regelung befürworten. Und eine Aufstockung des Pflegepersonal sowieso und generell.
Diese Diskussion finde ich wichtig und ich danke der Republik und dem Autor für den Beitrag. Auch wenn er nicht für alle gleich weit entfernt ist, sind wir doch alle vom Tod betroffen. Die einen früher, die andern später.

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Vielen Dank für diesen Beitrag. Ein wichtiger Aspekt hätte durchaus Beachtung verdient: Eine gut abgefasste Patientenverfügung würde vielen strafrechtlichen Betrachtungen zuvor kommen. Der Wunsch der Patienten, wie handeln im Dilemma zwischen Linderung und Inkaufnahme der Lebensverkürzung, wäre klare Guideline. Ohne Patientenverfügung wird zu viel Verantwortung auf Pflegende, Ärzte und Angehörige geladen.

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Danke für diese differenzierten Überlegungen zu einem menschlich und juristisch sehr schwierigen Thema. Die ethischen und rechtlichen Richtlinien mögen noch so ausgefeilt sein, palliative Therapien bleiben in einem Spannungsfeld von Ängsten, Befürchtungen, Unabwägbarkeiten, offenen Fragen und dem Damoklesschwert juristischer Interventionen.
Aus meiner ärztlichen Erfahrung scheinen mir folgende Punkte wesentlich zu sein:
--- Eine tragfähige Beziehung zwischen den ÄrztInnen, Pflegenden und den Menschen am Ende ihres Lebens. Eine solche Beziehung braucht Zeit und Raum.
--- Eine gute und regelmässige Absprache mit den Angehörigen.
--- Eine gute Zusammenarbeit im Team.
--- Eine regelmässige und sorgfältige Überprüfung der Bedürfnisse des kranken Menschen, seiner medizinischen Situation und der palliativen Massnahmen.
--- Ich gehe mit Minelli einig, dass es kontraproduktiv ist, diese Fragen juristisch bis ins letzte Detail festlegen zu wollen. Diese Grenzsituation kann nicht allein administrativ gemanagt werden.
--- Eine grosse Gefahr sehe ich darin, dass mit Kostendruck, Personalengpässen, administrative Vorgaben (freie Betten etc.) ganz andere und womöglich kriminelle Faktoren die Palliativmassnahmen beeinflussen können. Dass im Fall des Bruders des Autors der Todeszeitpunkt so genau vorausgesagt werden konnte, irritiert mich sehr. Das Sterben ist keine exakte Wissenschaft.

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Der Wunsch nach juristisch 100%-iger Sicherheit in dieser oft komplexen Situation ist alt und verständlich. Als Hausarzt habe ich mit Unsicherheit leben lernen müssen – auch in dieser Situation. Meist «geht es ja gut». Dank vielen engagiert Mittragenden aus Ärzteschaft, Pflegenden und Angehörigen. Mit Ausnahmen müssen wir wohl leben lernen, wie in vielen anderen Lebensbereichen auch. Wenn in 3% möglicherweise falsch gehandelt wird (laut der zitierten Studie), bin ich als Mediziner schon etwas beruhigt – in 97% scheint es gut gegangen zu sein. Diagnostische und therapeutische Prinzipien mit dieser Sicherheit gelten in der Medizin als sehr gute Evidenz.

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Es verbleiben bei den voll entscheidungsfähigen Patienten 12,2%, bei den nicht voll entscheidungsfähigen 14,7%, bei den gar nicht entscheidungsfähigen Patienten 20,2% Fälle, in denen weder die Betroffenen selber noch deren Angehörige noch frühere Willensäusserungen für den Entscheid herangezogen wurden.
(Aus der zitierten Arbeit von Bosshard et al. 2016.)

Das dünkt mich jetzt nicht wirklich beruhigend, zumal bei den voll entscheidungsfähigen Patient*innen sogar eine Abnahme gegenüber der Befragung von 2001 berichtet wird. Ich meine, da lohne sich genaueres Hinschauen. Was können Gründe sein, dass voll entscheidungsfähige Menschen nicht in Entscheide an ihrem Lebensende einbezogen werden?

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Medizin, Betreuung, Pflege ist keine exakte Wissenschaft. Sterben und Tod auch nicht.
Die palliative Medzin und -Pflege ist jung, deckt noch längst nicht den Bedarf ab. Dies nicht zuletzt der fehlenden Regelungen wegen und der Unattraktivität im Medizinischen Kontext. Sie ist hauptsächlich ausgerichtet auf Menschen, die eine zum Tod führende Krankheit haben. Hospize sind rar, in denen gesunde müde Alte, oder Hochbetagte ihre letzten Lebenstage würdig leben können. Der Tod kommt, er kommt ganz bestimmt: vorläufig noch ein Faktum! Die meisten Institutionen in der Altersebetreuung wollen keine Hospize sein. Hängt auch mit der Finanzierung zusammen. Unsere Welt ist eine andere, als noch vor vierzig Jahren. Auch bezüglich Medizin, Technik, Digitalisierung, Lebenserwartung, Lebensentwürfe, gesellschaftliche Werte, Bedrohungen von Lebensgrundlagen... Ich habe noch Zeiten erlebt, in denen eine Infusion auf der medzinischen Abteilung eine Einzelerscheinung war. Gesetzliche Anpassungen sind bei der rasanten Entwicklung allenthalben im Verzug.
Jetzt, da es wieder weniger Hochbetagte gibt, die an Covid 19 sterben, ist vielleicht auch der gesellschaftliche Diskurs über Leben und Sterben in unserer Gesellschaft wieder möglich. Ich jedenfalls als kerngesunde Alte, sehe meine Würde darin, weiterhin als vollmündiges Mitglied der Gesellschaft zu denken und zu handeln. Ergo: Sterben und Tod in mein Leben zu integrieren und dafür zu sorgen, dass ich ohne in das medizinische System eintreten zu müssen, ohne Familienmitglieder über das mögliche hinaus belasten zu müssen, in meiner letzten Phase umsorgt sein werde und nicht Planbares, wie im Leben auch, im Sterben zu zu lassen. I'm trying.

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Verleger
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Danke, dass Sie sich dieses Themas angenommen haben.
Beim Lesen des Beitrags hat mich gestört, dass mehrfach von einer lebensverkürzenden Massnahme die Rede ist, wenn im Vordergrund der Massnahme die Verminderung des Leidens steht. Im Vorfeld jeder medizinischen Entscheidung muss eine Abwägung erfolgen mit Einbezug der Beteiligten. Dies ist in der vorliegenden Situation aber nicht etwas Einmaliges, sondern ein Prozess, der idealerweise bereits zu dem Zeitpunkt beginnt, an dem klar wird, dass die zugrunde liegende Erkrankung nicht mehr beherrschbar ist. Wenn dann die besprochenen Massnahmen einen früheren Tod (woher weiss man das genau? Bei Menschen in solchen Situationen lässt sich der Tod nicht auf die Stunde, den Tag oder sogar die Woche einigermassen exakt vorhersagen) zur Folge haben, ist das bei transparentem Vorgehen ein von allen Beteiligten akzeptierter Nebeneffekt.
Bei vielen Entscheidungen in der Medizin gibt es Abwägungen, bei denen auch der Tod als die mögliche Komplikation z.B. einer Operation oder einer Medikation in Frage kommt. Ich bezweifle, dass hier immer transparent informiert wird.
In meiner annähernd 40-jährigen Tätigkeit als Onkologe habe ich auf dem Gebiet der Palliativmedizin eine erfreuliche Entwicklung miterlebt. Sicher gibt es wie überall vereinzelt schwarze Schafe, um die sich die Justiz kümmern muss. Es erscheint mir aber kontraproduktiv, wenn alle anderen, die sich nach bestem Wissen und Gewissen um die Patientinnen kümmern, bei allem, was sie im Einverständnis mit allen Beteiligten tun, den Hauch der Justiz in ihrem Nacken spüren.

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Ich arbeite auf einer Intensivstation und bin oft mit der Thematik Palliative Care konfrontiert. Jedoch aus einem ganz anderen Blickwinkel als Sie. Das heisst, ich sehe oft, dass "Therapien ohne Aussicht auf Erfolg" eben doch noch sehr lange durchgeführt werden. Die Änderung des Therapieziels auf eine Komforttherapie im Sinne von Palliative Care ist eine sehr schwierige Entscheidung, lieber geht man noch einige Schritte weiter und wartet noch paar Tage ob sich vielleicht doch noch was ändert. Ist das rechtens? Oder sollte da womöglich auch strafrechtlich untersucht werden, ob kompetent und richtig gehandelt wurde? Ich denke nicht.
Um so mehr finde ich es wichtig, dass die Palliative Care gestärkt wird, dass man wie bei der Spitzenmedizin den Fachpersonen ihre Kompetenz zu gesteht und nicht jede Morphin-Gabe hinterfragt. Denn es geht darum, sanft sterben zu können - wie lange dieser Prozess dauert ist doch sekundär.

PS: Ich habe noch nie erlebt, dass medizinisches Personal Angehörigen eines palliativen Patienten, einer palliativen Patientin einen exakten Todeszeitpunkt mit Uhrzeit vorausgesagt hätten. Das ist in der Tat schräg.

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Vielen Dank für diesen wichtigen Beitrag. Ich bin auch noch unschlüssig, ob und wie diese Situationen am besten geregelt werden können, aber finde es zumindest sehr wichtig, dass darüber nachgedacht und gesprochen wird.
Ich habe einen Angehörigen am Lebensende begleitet und daraus für mich mitgenommen, wie wichtig es ist, solche Grenzfragen unter den Beteiligten bewusst und möglichst objektiv zu thematisieren. Wenn dies nicht passiert, kann es m.E. zu unsorgfältigen Gratwanderungen kommen, zB. dass eine lebensverkürzende Sedierung weniger für den Sterbenden eingesetzt wird, als für die eigene Beruhigung angesichts des Sterbens.

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Lesepflicht zum Thema: Gott von Ferdinand von Schirach

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Ich hätte mir gewünscht, dass Sie auf einer Palliativstation nachfragen, ob man dort wirklich immer mit einem Fuss im Gefängnis steht. Kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Juristisch ist manches anders als praktisch, und die Juristerei hat die Medizin noch immer gerne in Ruhe gelassen. Man hielt und hält einander tendenziell für kompetent. Manchmal ist das gut. Manchmal weniger, z.B. wenn es um Höchstarbeitszeiten geht.

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Danke für die ausserordentlich differenzierten und zum Teil sehr persönlichen Kommentare zu meinem Artikel. Ich habe versucht diese Rückmeldungen für mich zu strukturieren, um ein noch klareres Bild zu erhalten. Denn, dies schreiben einige von Ihnen, eine einfache Lösung gibt es nicht, falls überhaupt von einer Lösung gesprochen werden kann. Die Frage ist wohl eher, so verstehe ich die Kommentare, welche Stellschrauben bewegt werden können, um die Qualität noch weiter zu verbessern und Missbräuche möglichst zu verhindern.
Bestätigung findet bei den meisten die Meinung, dass es mit einem zusätzlichen Gesetzesartikel nicht getan ist. Diese Meinung wird auch im Artikel von den Experten vertreten. Letztlich geht es um das Handeln von Menschen, um die Zeit, die man sich für Sterbende nimmt, respektive nehmen darf und um die Kompetenz der betreuenden Personen.

Frage der Finanzierung
Sowohl Zeit als auch Kompetenz sind in der Pflege und ärztlichen Betreuung eine Frage der Finanzierung, oder wie es eine Pflegefachfrau in ihrem Kommentar schreibt: «Wie soll ein würdevolles Sterben möglich sein, wenn es an kompetentem Personal fehlt?»
Für die Sterbenden ist es dabei egal, ob das kompetente Personal fehlt, weil es gar nicht eingestellt wurde oder zwar vorhanden wäre, aber zu wenig Zeit für die Betreuung jeder sterbenden Person hat.
Mit der Forderung nach einer Protokollierung, welche einen allfälligen Missbrauch bekämpfen könnte, verschärft man die Zeit- und Finanzierungsproblematik natürlich weiter.
Wie auch immer man es dreht und wendet. Eine Verbesserung ohne Kostenfolge dürfte illusorisch sein.

Persönliche Entscheidungsfreiheit
Mehrmals wird in den Kommentaren aufgerufen, sich durch den Austausch mit Nahestehenden, den Ärztinnen und durch das Verfassen einer Patientenverfügung, einerseits mit dem eigenen Tod zu beschäftigen, solange man das noch kann und dann seinen Willen auch möglichst klar auszudrücken. Dies ist unzweifelhaft wichtig und richtig, sollte aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass damit nur sehr rudimentär Anweisungen zum eigenen Sterben festgelegt werden können – schon deshalb, weil einem in der Regel das medizinische Fachwissen fehlt und man keine Ahnung hat, wie und warum man dereinst sterben wird. Ganz am Ende müssen in der Regel medizinische Fachpersonen entscheiden, welche konkreten Massnahmen, mit welchen erwarteten Wirkungen, in den letzten Tagen und Stunden angezeigt sind.

Zu den Zahlen
Abschliessend noch eine Klärung zu den Zahlen, da diesbezüglich in den Kommentaren noch Missverständnisse zu bestehen scheinen. Im Artikel wird – auf der Grundlage der Forschung von Daniel Hürlimann – dargelegt, dass es den oft behaupteten Trade-Off von Schmerzlinderung und Lebensverkürzung nicht gibt. Das heisst, werden Schmerzlinderungsmassnahmen kompetent durchgeführt, dann stirbt eine Person nicht früher. Dafür braucht es kompetentes Personal – siehe oben.
Da dies aber gemäss der Untersuchung von Bosshard/Hurst/Puhan in der Praxis nicht der Fall ist, würden die für diese Massnahmen verantwortlichen Personen nach dem Buchstaben des Gesetzes mit einem Fuss im Gefängnis stehen. Wenn nun A. F. in ihrem Kommentar bezweifelt, dass dies in der Praxis so empfunden oder realisiert wird von den Mitarbeitenden der Palliativabteilungen, dann mag dies wohl so sein. Es ist sogar zu vermuten, weil sich die Staatsanwaltschaft gar nicht um solche Fälle kümmert.
Auch ein Satz aus dem Kommentar von I. S. deutet in diese Richtung: «Denn es geht darum, sanft sterben zu können - wie lange dieser Prozess dauert ist doch sekundär.» So, wie das von der Kommentatorin gemeint ist, ist das wohl richtig. Aus strafrechtlicher Sicht würde Ihnen eine Staatsanwältin aber kaum zustimmen.
Es gibt einen Graubereich. Die spannenden Kommentare haben geholfen ein noch klareres Bild dieses Bereichs zu gewinnen. Besten Dank.

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Zumindest jenen, die Patientenverfügungen entwerfen, ist der strafrechtliche Graubereich wohl bewusst, enthalten doch die meisten Vorlagen einen ähnlichen Passus der juristischen Absicherung:

bewusstseinsdämpfende Mittel zur Beschwerdelinderung, wenn alle sonstigen medizinischen Möglichkeiten zur Schmerz- und Symptomkontrolle versagen. Die Möglichkeit einer Verkürzung meiner Lebenszeit hierdurch nehme ich in Kauf.

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Wenn es irgendwie geht, muss ich als Betroffener selbst entscheiden und aus dem 'Sterben lassen' ein 'Sterben wollen' machen und andere von diesem Entscheid entlasten. Als EXIT Mitglied habe ich diese Option, natürlich muss ich zeitig 'dran' sein, solange ich selbst entscheiden kann. Was darüber hinausgeht, kann ich via eine Patientenverfügung regeln (z.B. klare Formulierung, dass Schmerzlinderung vor Lebenserhaltung kommen soll und dass Forschung und Experimente ohne direkten Nutzen für mich als Patienten in jedem Fall zu unterlassen sind). Damit kann man alle Betreuer und Beteiligten vor der Justiz schützen.
Was ich sehr begrüssen würde: Pallativ Care, welche mir - wenn immer möglich - in meinen eigenen vier Wänden zuteil wird. Wenn man nämlich an diesem Punkt angelangt ist, nützen die vielen Möglichkeiten in einem Spital ja nichts mehr (ausser eben für Experimente...).

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Der Artikel stösst viele Fragen und Herausforderungen an, mit der sich die Palliative Care konfrontiert sieht. Er lässt aber auch vieles offen, wozu es in der Palliative Care durchaus bereits schlüssige Antworten gibt. Palliative Care kommt dann zum Tragen, wenn es aufgrund einer fortgeschrittenen Erkrankung primär um eine bestmögliche Symptomlinderung und den Erhalt der Lebensqualität geht und nicht in erster Linie um eine Heilung. Gleichwohl ist Palliative Care nicht einfach mit Sterbebegleitung gleichzusetzen, sondern kann durchaus auch begleitend zu einer kurativen Behandlung erfolgen. Noch weniger darf sie als Sterbehilfe betrachtet werden. Vielmehr erachtet die Palliative Care das Sterben als normalen Prozess und will den Tod weder beschleunigen noch verzögern.

Im Zentrum der Palliative Care stehen der Patient, die Patientin und immer auch die Angehörigen. Autonomie und Selbstbestimmung stehen im Vordergrund. Mit dem Konzept von Advance Care Planning ermitteln die Gesundheitsfachpersonen gemeinsam mit Patienten und Angehörigen die Strategien und Behandlungsziele. Geht es darum, noch möglichst lange zu leben, um vielleicht noch die Geburt eines Enkelkindes zu erleben? Oder ist es der Patientin besonders wichtig, möglichst keine Schmerzen zu verspüren? Das wird in regelmässig geführten Gesprächen erfasst und angepasst. Betroffene und ihre Angehörigen werden aufgeklärt, welche Behandlungen und Medikamente welchem Zweck dienen und mit welcher Wirkung zu rechnen ist. Palliative Care besteht also zu einem guten Teil aus Gesprächen und Erklärungen. Das ist im Fall des Bruders des Autors offenbar deutlich zu wenig geschehen.

Das im Artikel von Nationalrat und Arzt Franco Cavalli 2001 zitierte «Unwissen» ist heute, immerhin 20 Jahre später, einem grossen Fachwissen der in die Palliative Care involvierten Berufsgruppen gewichen. Nicht zu vergessen, garantiert das vom Schweizer Dachverband palliative ch initiierte Qualitätslabel «qualité palliative» Standards, an denen sich gut ermessen lässt, auf welchem Niveau sich Palliative Care 2021 bei zertifizierten Angeboten befindet.

Im ebenfalls zitierten Papier der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) «Umgang mit Sterben und Tod» ist zu lesen, dass die «optimale Linderung von Schmerzen und anderen Symptomen» bei der Betreuung von sterbenden Menschen eine Kernaufgabe ist. Und weiter: «In komplexen Situationen sollen die Angebote der spezialisierten Palliative Care beigezogen werden.» Als allgemein akzeptierte medizinische Praxis werden der Verzicht oder Abbruch von lebenserhaltenden Massnahmen, medikamentöse Symptomlinderung und auch die Sedierung bei therapierefraktären Symptomen genannt, also dann, wenn eine Therapie nicht mehr anschlägt. «Eine mögliche oder sichere Beeinflussung des Todeszeitpunktes wird dabei in Kauf genommen, aber nicht beabsichtigt.» In der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift «palliative ch» wurde die palliative Sedierung thematisiert und auch jüngere Studien, als die im Artikel erwähnte, beleuchtet. Bei einer Sedierung laufen klar geregelte Prozesse ab. Symptome wie Angst und existentieller Stress, aber auch Atemnot, Schmerz oder Delir können zu einer palliativen Sedierung führen, die entsprechenden Prozesse sind klar geregelt. Dabei ist zu beachten, dass der Leidensbegriff schwer fassbar ist und sehr unterschiedlich interpretiert werden kann. Zudem gibt es heute durchaus auch palliative Sedierungen, die nur vorübergehend vorgenommen werden.

Als Fachorganisation für Palliative Care in den Kantonen Zürich und Schaffhausen (palliative zh+sh) begrüssen wir die angestossene Debatte. Denn bei Palliative Care geht es um weit mehr als nur um die fehlende Finanzierung. Mit Blick auf die demografische Entwicklung wird Palliative Care in Zukunft eine immer wichtigere Rolle einnehmen.

Ilona Schmidt, Präsidentin palliative zh+sh

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Pflegefachfrau palliative Care
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eine Sedierung kann durchaus auch Leben verlängern, da es in akuten Situationen deeskalierend wirken kann, indem das ganze System runter gefahren und entlastet wird, bsp. Lungenödem.

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nachdem ich ihren beitrag nochmals durchgelesen habe, frage ich mich warum sie drei jahre nach dem tode ihres bruders , sich mit dem gedanken beschäftigen, ob bei der verabreichung von genügend sedativum, nicht doch etwas ungesetzliches hätte entdeckt
werden sollen /können. ich wünschte mir für sie beruhigende erinnerung an die letzen tage ihres bruders mit möglichst wenig schmerzen und atemnot.
die palliative medizin steht definitiv nicht mit einem bein im gefängnis.

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Der Beitrag ist informativ. Vielen Dank.
Ein weiteres Gesetz ist nicht nötig, s. Dr. Minelli. Das ganze ist komplex und Bedarf nebst Erfahrung, Fachwissen und Ausbildung.
Als ehemalige Fachperson in der Altenpflege, ist Sterbebegleitung, auch im Endstadium fast täglich da.
Das Fachwissen, betreffend Medikamente, Wirkung und Nebenwirkung, so wie " was geschieht biologisch im Alter und während des Sterbeprozesses", ist für Laien eine Herausforderung.
Sie sehen das Leiden und das stark wirkende Medikament (Opiat). Sogar Abhängigkeit und Sucht wird dann ein Thema.
(Die Alkohol-, oder Nikotinsucht mit organschädigenden und psychischen Folgen sind weitaus mit erlaubten "Mittel" lebensverkürzend.
Gerne weise ich auch auf die sogenannten Medikamentencocktails (Mischungen spezifisch wirksamer Medikamente) hin. Bei schwerst erkrankten Menschen, z. B. in der Palliativpflege Onkologie angewendet.
Etliche ältere Menschen bekommen schon über längere Zeit, schon lange vor den letzten Lebenstagen, Medikamente zur Schmerzlinderung. Z. B. sogenannte transthermale Pflaster mit kontinuierlicher Morphin-(Fentanyl)abgabe. Wenn die Wirkung gegen zunehmende Schmerzen nicht mehr reicht, wird die Dosierung erhöht. Schmerz und auch Angstgefühle entstehen primär im Gehirn.
Das wäre auch noch ein zusätzliches Thema für die Aufklärung. Bei Angstgefühlen, sind u.U. zusätzliche Sedierungen nötig.
Die Vorerkrankungen sind meist da, ebenso die Zerbrechlichkeit und das evtl. Abnehmen der Funktionen der innern wichtigen Organe im Alter.
Viele alte Menschen sind, weil sie nicht mehr oder wenig essen und trinken, sehr dünn geworden. Das ganze Knochengerüst, die Muskulatur schmerzen bei Druck oder bei der Lagerung. Es können auch Magen- Darmprobleme sein, weil die Verdauung gestört ist. Die Sehnen sind verkürzt und die Glieder versteift. Der Mensch würde schreien, hätte er die starke Schmerzlinderung nicht.
Die psych. Verfassung, die Einstellung zum Leben und zum Tod, so wie zum Alter ist ebenfalls sehr massgeblich. Auch schlussendlich beim Sterben.
Das Pflegefachpersonal und die Aerzte wissen sehr wohl, dass eine kontinuierliche Morphinabgabe das Leben verkürzen kann. Die ganze Krankheits-und Lebensgeschichte sollte darum mit einbezogen werden. Es brauchen und wünschen auch nicht alle Sterbenden die Morphinabgabe.
Für Patienten*Patientinnen, die schwerst erkrankt sind oder psychisch leiden, Angst vor dem Sterben haben etc., ist die Befindlichkeit und die sorgfältige Begleitung und Anteilnahme massgebend.
Darum ist eine Patientenverfügung und die öffentliche Aufklärung weiterhin notwendig.
A. S.
PS: FENTANYL GEHÖRT ZUR GRUPPE DER STARK WIRKENDEN OPIOIDE ((kein Morphin) UND GEHÖRT DARUM VON GESETZES WEGEN, ZUR EINTEILUNG UNTER DIE MEDIKAMENTE DER BETÄUBUNSMITTEL.
Bei Verkauf und Gebrauch muss strickte die Kontrolle eingehalten werden. Ein-und Ausgänge, ja sogar die Entsorgung gehen schlussendlich an die Heilmittelkontrolle des Kantons. Diese bringt diese Medikamente selber in die Verbrennungsanlage.

Erhältlich sind diese
Medikamente nur mit einem nummerierten Spezialrezept.
In den Heimen, Apotheken und Spitäler sind diese Medikamente in einem speziell dafür vorgesehenen verschlossenen Ort gelagert.
Bei Erhalt, Rückgabe und für den Gebrauch beim/der Patientin wird Buch geführt. Es unterzeichnet auch jedes mal die Fachperson für jede Handlung. Inkl. Datum.
Eine interne Betäubungsmittelkontrolle
wird regelmässig von einer bestimmten Fachperson erwartet. So können allenfalls Missbräuche aufgedeckt werden. Ebenfalls wird so die Medikamentenabgabe beim/der Patient
in genau erfasst.
Noch dies, obwohl ja die Straffälligkeit ist das Thema ist.

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Der Staat fragt vor meiner Geburt auch nicht, wie ich denn aufwachsen müsste im Falle einer Schwangerschaft. Später sorgt er vor allem für die Reichen und so soll er mich sterben lassen, wie und wann es mir behagt. Eine rezeptfreie Tötungspille in der Apotheke wäre die Lösung.

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Meine Beobachtungen zu diesem Thema. Als Patient vermeidet man die Palliativabteilung. Denn dort ist man ganz, ganz falsch. Es mag Ausnahmen geben, zB wenn man den Kinder die letzte Möglichkeit für einen Abschied geben möchte. Mein Vater rutschte irgendwie rein, ohne es zu realisieren. Seine Frau hat's auch nicht realisiert. Ich gehe ihn also besuchen, in der Palliativabteilung. Er wird umsorgt, bekommt Morphium nach Gutdünken gegen seine schnell fortschreitende Lungen Fibrose. Er bekommt Sauerstoff. Die Ärzte kommen ihn hin und wieder holen, um "etwas" zu probieren. Unter anderem, um die fortschreitende Verholzung per Röntgen zu dokumentieren. Ein Hobby des Arztes, denn dem Patienten bringt es nichts, der Forschung auch nicht. Ich gehe täglich hin, organisiere die Tochter, die Schwester, andere für einen Besuch. Er freut sich über den unerwartet vielen Besuch. Als er dann realisiert, dass er nicht mehr raus kommt legt er in der Nacht die Sauerstoffmaske ab.
Man sollte sich nichts vormachen. Palliativmedizin ist nicht für den Patienten, sondern für die Angehörigen, und das Spital.

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