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Wer ein weisses Plakat fürchtet, muss ja die Hose gestrichen voll haben.

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Theologin/Pfarreiseelsorgerin
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Herzlichen Dank für diesen Satz!

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Vielen Dank, Daniel Graf, für diesen sehr differenzierten und zum Nachdenken anregenden Text, der die Absurdität repressiver Systeme aufdeckt, den unglaublichen Mut vieler Menschen aufzeigt, aber auch unsere Haltungen als ZuschauerInnen und KommentatorInnen kritisch zu hinterfragen wagt.

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Слава Україні!
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Auch wenn es etwas Off-Topic ist, aber die Frage geht mir die ganze Zeit durch den Kopf.

Warum sind wir aktuell so konsequent? Ist es, weil es Russland ist? Ist es, weil es die Ukraine betrifft? Oder geht es generell um eine neue Weltordnung?

Und fast noch wichtiger:
Wie ernst meinen wir es mit unsren Strafen? Ist die Kriegskoalition im Jemen als nächsten dran? Würden wir unsre eigenen Unternehmen/Regierungen genau so konsequent boykotieren/abstrafen, wenn wir mal wieder diejenigen sind, die Völkerrecht brechen/ein Land in Schutt und Asche legen? (Nur zur Erinnerung: der völkerrechtlich illegale Einsatz von Drohnen zum Ermorden missliebiger Menschen wurde durch die USA nie eingestellt. Damit ist jeder ihrer Präsidenten seit Obama ein "Kriegsverbrecher")

Die Frage ist dahingend von zentraler Bedeutung als das wir uns als "Welt" definieren - und meinen, der Rest stehe geschlossen hinter uns. Wie kann aber eine Welt geschlossen "hinter uns" stehen, wenn sie sieht, dass gleiche Dinge unterschiedlich gehändelt werden? Das europäisches Leben deutlich höher gewichtet wird als arabisches, afrikanisches oder "asiatisches"?

Warum ich das schreibe? Weil die Signale aus der Ukraine jetzt so sind, dass es "bald" Frieden geben könnte - mit dem absurd hohen Preis, dass jetzt umso mehr verbrannte Erde hinterlassen wird.

Nur - es wird (hoffentlich bald) eine Zeit nach diesem Krieg kommen. Und die Fragen: was wird danach sein?

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Lieber Anonym1, ich teile Deine Beobachtung, dass die Konsequenz mit der das Vergehen von Russland im aktuellen Fall geahndet wird, eine nie dagewesene ist und auch ich hätte mir in vielen vorangegangenen Fällen mehr oder deutlichere Zeichen gegen Angriffskriege und zwischenstaatliche Händel gewünscht. Es ist hoch erfreulich, dass offenbar so viele jetzt bereit sind, sich zu äussern. Ich habe mich z.B. selber sehr aktiv gegen den Krieg der USA im Irak ausgesprochen und hätte jede Form von Bremse in den Handelsbeziehungen auch auf eigene Kosten mitgetragen, aber ja das wären wohl nur wenige gewesen. Ich finde es auch absolut haarsträubend, welchen Umgang wir mit unseren "Dissidenten" Assange, Snowden, Manning und auch mit Paul Grüninger etc. zulassen, und trotzdem sehe ich keinen Grund, die menschenrechtliche Situation in Russland und China nicht auf's schärfste zu kritisieren.
Der Vorwurf, nicht in jedem Fall mit gleicher Elle zu messen und vielleicht auch nicht für jedes Problem gleich viel Zeit und Aufmerksamkeit aufzubringen, ist aus meiner Sicht extrem schädlich für die Dynamik des Handelns und es wird immer wieder versucht, Personen damit zum schweigen zu bringen. Nach dem Motto: "wenn Du dazu nichts gesagt hast, darfst Du jetzt hierzu auch nichts sagen". Wir sind aber Menschen mit beschränkten Ressourcen, Zeit und Aufmerksamkeit und vielleicht auch Geduld und wir dürfen das auch sein. Wir als Individuen können sehr wohl vor fünf Jahren noch jährlich mit Saus und Braus in die Ferien geflogen sein und jetzt den Verbrauch von fossilen Energieträgern radikal kritisieren. Wir dürfen unsere Meinung ohne Angabe von Gründen ändern und ähnliche Situationen zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich beurteilen.

Mit Whataboutismus kann man vielleicht noch ein Gesetz oder eine Verordnung kritisieren, aber keine Menschen, die sich nun mal zu jedem Thema wieder neu entscheiden dürfen, wie wichtig und vordergründig das Problem für sie gerade ist, in vollem Bewusstsein, dass dies nicht immer konsistent mit früheren Entscheiden sein muss.

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Слава Україні!
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Die spannende Frage ist - sind wir bereit, die aktuell gesetzten Massstäbe auch in Zukunft durchzuziehen?

Oder war es eine one-time-action. Weil sowohl der Feind als auch das Opfer gepasst haben?

Wenn das erste gilt, dann haben wir aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt.

Gilt jedoch das letzte, dann enden wir dort, wo wir vor dem Krieg schon mal waren: beim Vorwurf der Doppelstandards bzw absoluter Verlogenheit.

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Theologin/Pfarreiseelsorgerin
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Lieber Herr Graf, Herzlichen Dank für diesen klugen und lichtklaren (mir fällt kein anderes passendes Wort ein) Beitrag. Einen schönen Tag Ihnen, LG AB

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Liebe Frau B., haben Sie herzlichen Dank. Das Wort «lichtklar» freut mich ganz besonders!

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Theologin/Pfarreiseelsorgerin
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Sehr gerne geschehen! (Es ist die Übersetzung des Bildes, welches vor meinem inneren Auge entstand, als ich den Text las. Danke auch dafür, denn diesen Vorgang erlebte ich bisher nur im Bereich Musik.)

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The Flag
Ernst Jandl

a fleck
on the flag
let’s putzen

a riss
in the flag
let's nähen
where's the nadel

now
that's getan

let's throw it
werfen
into a dreck

that’s
a zweck

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Konkrete Poesie als Antwort auf konkrete Poesie – das ist natürlich besonders schön. Vielen Dank, Andrew Shields, für einen weiteren Jandl!

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Stefan Scheidegger
Projektleiter, SATW
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Und dann gibt es noch das Gedicht 183 Fahnen für Rottweil von Jandl. Leider finde ich es nicht im Netz, und zum auswendig können, reicht mein Gedächtnis nicht aus. Zur Lektüre sei es aber alle mal empfohlen.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Danke, Daniel, für den interessanten Text zum Wechselspiel von explizitem und implizitem Sinn. Doch möchte ich mit deinem «Postskriptum» beginnen: Dein Hinweis auf die Verantwortung derer, die nicht direkt beteiligt sind, die Protestierenden in Russland und Widerständigen in der Ukraine nicht zu unserer Selbst­beruhigung zu missbrauchen, finde ich sehr wichtig.

Jüngst machte der «Star-Philosoph» Richard David Precht folgende Aussage:

Natürlich hat die Ukraine ein Recht auf Selbstverteidigung, aber auch die Pflicht zur Klugheit einzusehen, wann man sich ergeben muss.

Dabei kam mir die Zeile aus Simone de Beauvoirs «Das Blut der anderen» (orig. 1945) in den Sinn (vgl. hier):

Es ist leicht, mit dem Blut anderer Menschen zu bezahlen.

Wer sind wir, dass wir Menschen in der Ukraine oder in Russland sagen können, was sie tun und lassen sollen? Dass sie sich einer übermächtigen Armee ergeben müssen oder gegen einen gewalttätigen Polizeiapparat aufbegehren müssen – und grösste, ja allergrösste Risiken eingehen müssen, während wir uns hier in der Komfortzone bequem machen?

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Doch um zum von Dir beobachteten Wechselspiel von explizitem und implizitem Sinn, von Logik und Sigetik (gr. sigan, Erschweigen), zurückzukommen, so erinnert dies in gewisser Weise an «Worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen» (Wittgenstein), denn «Im Anfang war die Tat» (Goethe), doch das, was unseren (Sprech-)Handlungen stets stillschweigend zugrunde liegt, ist unser implizites tacit knowledge, das deshalb selbstverständlich, «normal», «logisch», ja geradezu «natürlich» erscheint – ja, erscheinen soll (durch die Regeln und Normen der Gesellschaft, Tradition, Ideologie, Autorität und Macht).

Das paradoxe Explizitmachen des Erschweigens in Nischni Nowgorod durch das Zeigen der Leerstelle sagt (nicht) Nichts, zeigt aber die radikale Kontingenz auf – des Selbstverständlichen, Normalen, Logischen, Natürlichen, der Normen der Gesellschaft, Tradition, Ideologie, Autorität und Macht – und zeigt damit gleichzeitig die Möglichkeit von Allem zu Anderem auf.

Der französische Philosoph und Sinologe François Jullien würde dies eine «Strategie des Sinns» nennen. In seinem Buch «Umweg und Zugang» (orig. 1995) sagt er zu den chinesischen Diskursstrategien (unter dem Absolutismus, später Kommunismus):

Während der direkte Ausdruck, sowie wir ihn gewohnt sind, eine Veränderung durch Hervorhebung dessen ausdrückt, was sich geändert hat, bringt der indirekte Ausdruck […] eine Veränderung mittels dessen zum Ausdruck, was nicht dasteht, indem man einfach fortfährt zu sagen, was sich nicht geändert hat (und damit – durch Deduktion – zu erkennen gibt, was sich hat ändern können). Ein wohlüberlegter Effekt aus Loch, Lücke und Schweigen.

Als Beispiel dient ihm hierzu u. a. die kommunistische «Volkszeitung» Renmin Ribao. Es wäre interessant herauszufinden, ob es ähnliche «Strategien des indirekten Sinns» im russischen Pendant «die Wahrheit» Prawda gegeben hat.

Die direkte Konfrontation der griechischen Phalanx und Logik, welche die Vernichtung, zur Destruktion des Gegners zum Ziel habe, stehe laut Jullien im Kontrast zur indirekten Desintegration der chinesischen Kriegskunst und Antilogik, welche die Vereitelung und Destrukturierung des Gegners noch vor dem eigentlichen Kampf über «Umwege» erwirkt.

Die «allusive Distanz» ermögliche (auch im Feld der Ästhetik):

Was sich noch nicht aktualisiert und noch keine konkrete Form angenommen hat, profitiert umso stärker von den Ressourcen des Möglichen und entgeht jeder gezielten Beobachtung von aussen, die es ermöglichen würde, die eigenen Pläne zu konterkarieren. Indem sie in diesem Stadium des Virtuellen operiert, gestattet die indirekte Beziehung, selbst die Initiative zu behalten und gleichzeitig unangreifbar zu bleiben. daher dient die indirekte Beziehung als Figur der Vereitelung.

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Ihnen würde man gelegentlich auch ein weisses Plakat wünschen.... Dieses Name-dropping und das obergscheite Herumstochern in einem sprachphilosophischen Text über die Unterschiede zwischen abendländischer Denktradition und chinesischem Denken schiebt sich frech vor die mehr oder weniger stummen Aufschreie aus Russland.
Und vor Daniel Grafs sensiblen Text.
Was um Himmels Willen hat das Thema des französischen Intellektuellen mit der hier angedeuteten Not existenziellen Ausmasses zu tun?
Das ist doch keine Kunstperformence hier, die wir zur Darstellung unserer Bildung und Belesenheit instrumentalisieren können. Diesen Zugang finde ich noch fast respektloser als Prechts Anmassung, die Sie mMn zu Recht kritisieren.

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Lieber Michel, herzlichen Dank für Dein Feedback und die weiterführenden Gedanken! Wittgenstein (oder auch Musil) als Referenz – da gehe ich in diesem Zusammenhang vollständig mit. Und besonderen Dank auch für den Verweis auf Jullien, den ich nicht gelesen habe. Was Du von ihm zitierst, würde ich ebenfalls unterschreiben. Ein Begriff, den ich in diesem Kontext weniger stark machen würde als Du, ist der der radikalen Kontingenz. Und zwar weil diese Sprechakte eben immer schon in einem konkreten historischen Setting verortet sind. Dessen Entstehen hat sich zwar unter Kontingenzbedingungen vollzogen, führt im Ergebnis aber dazu, dass die Bandbreite an plausiblen Deutungen etwa für das weisse Plakat sich sehr konkret durch das vorhandene Weltwissen verringert. Die Möglichkeit des Zeigens also entsteht gerade aus der Kontingenzreduktion im Hier und Jetzt. Oder nochmal anders: Historisches Kontingenzbewusstsein ja, vollkommene semiotische Offenheit der Sprechakte: eher nicht. Aber so hast Du es vermutlich auch gemeint und wir reden ohnehin nur über die Frage, welches Schlagwort am direktesten zum Verständnis der Protest-Botschaften führt? Vielen Dank jedenfalls nochmals für Deine Kommentare und die spannenden Lektürehinweise!

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Zum Stil

Ich weiss um meine eigene Befriedigung, wenn ich ein (Fremd)Wort treffend platziert habe (am Besten noch mit Link zwecks Bildung). Fremdworte, mit denen ich deutlich machen kann, dass ich mich im Thema auskenne.
Beim Lesen des Rebosura'schen Beitrags begann also auch ich mich daran zu stossen, dass sein Text so volle Lesekonzentration forderte. Gleichzeitig finde ich ihn ihm eine Konflikt-Perspektive formuliert, die mich ahnen lässt: Hier musst Du nachgraben. Das liess mich wieder grosszügig - oder lesensleidebereit werden. Wahrscheinlich liebe ich die deutsche Sprache zu sehr, als dass ich ihre Fähigkeit etwas mit stets vertiefbarer Genauigkeit ausdrücken zu können durch Fremd- und Fachwörter umgehen möchte.

Zum Inhalt:

Das paradoxe Explizitmachen des Erschweigens in Nischni Nowgorod durch das Zeigen der Leerstelle sagt (nicht) Nichts, zeigt aber die radikale Kontingenz auf

Die Widersprüchlichkeit liegt wohl besonders in dem Gegensatz von sagt Nichts und gleichzeitig sagt Alles und wie Daniel Graf bemerkt, die eigentlich Schweigen wollten machen sich selbst zu Angeklagten. Wirklich genial!

Die direkte Konfrontation der griechischen Phalanx und Logik, ... stehe laut Jullien im Kontrast zur indirekten Desintegration der chinesischen Kriegskunst und Antilogik, welche die Vereitelung und Destrukturierung des Gegner noch vor dem eigentlichen Kampf.

Ich lese daraus: Im Gegensatz zur abendländischen Tradition der Konfrontation zeigt der chinesische Ansatz eine friedensorientierte Vereitelung von Konflikten, indem eine Atmosphäre hergestellt wird, in der keine Konflikte nötig sind. Mit Worten von Uesheiba Morihei

Wahres Budo dient jedoch nicht einfach dazu, den Gegner zu zerstören; es ist viel besser, einen Angreifer geistig zu besiegen, sodass er seinen Angriff gerne aufgibt (True Budo is practiced not only to destroy an enemy, it must also make him, or his own will, gladly lose his spirit (seishin) to oppose you.)»

Das weisse Blatt aus Nischni Nowgorod halte ich für einen neuen Griff in diesem Aikido.

Ich möchte hier unterscheiden zwischen Streit (mit der zugehörigen -Kultur) und Konflikt. Zu einem Konflikt gehört gewöhnlich mehr als einer. Vielleicht liegt die Lösung eher "über" als zwischen uns, besteht also gar nicht unbedingt in einem Kompromiss, sondern in einer originellen Lösung.
Nur schöne Worte angesichts der Tragik?
Das empfohlene Buch von Jullien mit 400S. (!) ist jedenfalls bestellt

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Danke vielmals, lieber Daniel Graf, für Ihren ausgezeichneten, erhellenden und sehr hilfreichen Beitrag!

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Auch ich danke für diesen „lichtklaren“ Text! Die eigene Emotionalität kritisch hinterfragen. Auch wenn wir zwischendurch weinen.

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Simon Reber
Software Entwickler, Familienvater
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Wenn die Gewalt nicht so ungeschminkt zutage treten würde, wäre es einfach nur lächerlich, mit welchem Eifer sich die Schläger auf diesen Mann mit einem weissen Plakat stürzen. Es ist mir immer wieder ein Rätsel, wie sich Menschen für so etwas Erniedrigendes hergeben können, und dabei noch so tun können, als seien sie stolz darauf. Schande über all die feigen Speichellecker.

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Theologin/Pfarreiseelsorgerin
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Das mit dem weissen Plakat war eine Frau. Der Mann hatte schwarz auf weiss etwas geschrieben. Und ja, es wäre in beiden Fällen lächerlich, wäre es nicht so fürchterlich, wie die "Ordnungshüter" reagieren.

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Nicht immer, aber diesmal zur Gänze überzeugt. Ein sehr lucider Text!
"Die Menschen in der Ukraine und die Mutigen in Russland aber haben mehr verdient als unsere [blosse] Ergriffenheit." - Das muss ich noch verarbeiten, das muss sich noch setzen!

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Theologe & Religionspädagoge
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Weisse Rosen (oder Plakate) machen Diktatoren Angst. Sie werden blindwütig geknickt und ihr Umfeld verwüstet.
Wie viele wird es brauchen, um den Diktator in die Knie gehen zu lassen? Wir sollten das Unsere dazu tun, um den Schergen keine Ruhe zu gewähren.

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Vielen herzlichen Dank Ihnen allen für Ihre Rückmeldungen und fürs Lesen!

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