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Daniel Binswanger weist in seinem Beitrag auf Phänomene hin, die weit über Zürich hinausreichen und die tief in unserer Gesellschaft verwurzelt sind. Die von ihm beschriebene Indifferenz dem Antisemitismus gegenüber ist Ausdruck unserer Wohlstandsbehäbigkeit und Gleichgültigkeit, die unbequeme Fragen und Kritiken weit von sich weist und sich lieber von einer selbstgefälligen Trägheit einlullen lässt. Das betrifft ja nicht nur den Antisemitismus; denn dasselbe Verhalten zeigt sich auch gegenüber Rassismus, Rechtsextremismus, sozialen Ungerechtigkeiten, Flüchtlingselend und – wohl am verheerendsten – bei der Klimakatastrophe. Das ist, denke ich, auch ein wichtiger Grund, warum die bürgerlichen Parteien, und allen voran die SVP, eine so hohe Zustimmung finden, da sie uns in dieser Gleichgültigkeit und Trägheit bestätigen und beruhigen.
Oder, um mit Kurt Marti vielleicht doch noch einen leisen Hauch von Optimismus zu verbreiten:
Wo chiemte mer hi wenn alli seite wo chiemte mer hi u niemer giengti für einisch z`luege wohi dass mer chiem we me gieng.

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Johanna Rossi
pensioniert und voll im Leben
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Ich wollte gerade einen Kommentar schreiben zur "gesättigten Trägheit und der damit einhergehenden Indifferenz vielen akuten/aktuellen andern Themen gegenüber" – und lasse es! Denn da steht schon alles. Danke, Herr Kienholz!

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Leser
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Die Indifferenz dem Antisemitismus gegenüber? Geringste bis keine Erfahrung mit Schweizern jüdischer Tradition; noch nie einen Fuss nach Israel gesetzt; zufrieden damit, dass in Yad Vashem die Schweiz mit einer Netto Null Bilanz gezeigt wird (keine aktive Deportation von Juden im 2WW); es ok findend, dass die Schweiz zur Unterstützung der Judenverfolgung durch die Nazis den Judenstempel vorauseilend einführte; und ganz wichtig weil fundamental: Antisemitismus ist das Krebsgeschwür des Christentums. Der Wannsee Verein hat exakt ausgeführt, was Luther in seinem „von den Juden und ihren Lügen“ volksverhetzte.

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Wissen Sie, in der Schweiz haben wir für solche Angelegenheiten die Eigenverantwortung erfunden. Wer braucht schon eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Antisemitismus, wenn man das Problem an die Deutschen outsourcen kann? Sollen doch unsere Grosseltern dafür gerade stehen!

Raubkunst ist sicher ungebührle, aber es ging doch alles supino bis diese Diskriminierungshysterie aufgekommen ist. Alles Schall und Mauch!

Ich vertraue darauf, dass wie bisher die Beschwörung der humanitären Tradition das Problem wie magisch aus der Welt schaffen wird. Grämen Sie sich nicht mit Ihrem sogenannten Gewissen und geniessen Sie Ihren Aufenthalt auf der Weltkriegsinsel.

(Um Poes Gesetz zuvorzukommen, kennzeichne ich diesen Beitrag mit einem Smiley: 🤑)

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Multifunktional
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Raubkunst ist sicher ungebührle, aber es ging doch alles supino bis diese Diskriminierungshysterie aufgekommen ist. Alles Schall und Mauch!

Genial!

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(durch User zurückgezogen)
Beobachterin
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Haben Sie den Beitrag der Republik in "Was diese Woche wichtig war" mit der Schlagzeile "Amnesty International" wirft Israel Apartheid vor, präsent, die Reaktionen im Dialog angeschaut? Ich habe damals den Wunsch geäussert, die Republik würde den Bericht einordnen, so wie es zuerst Susann Brunner im SRF und dann die Woz taten. Ja, der Schweizer oder Zürcher Umgang mit Antisemitismus, mit Israel. Richtig aufgewacht bin ich, als meine Coiffeuse, die auch der SP-Politikerinnen-Prominenz die Haare schneidet, mir allen Ernstes weismachen wollte, die Wohnungsmieten an der Weststrasse stiegen, weil die Juden alles aufkauften. Ich versuchte dagegenzuhalten, mit Sachwissen. Sie blieb dabei. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich derart nur bei mir so äusserte. Jedenfalls suchte ich mir eine andere Coiffeuse. Ein Gutes hat für mich der Bührle-Bilder-Skandal: ich fing an nachzulesen. Ueber das Freikorps, über die Anfänge vom ersten Bührle. Wie Zürich und die Schweiz mithalfen, dass Deutschland nach dem 1.Weltkrieg trotz Verbot durch den Versaillervertrag seine Waffenindustrie aufbauen konnte, um sich auf den 2.Weltkrieg vorzubereiten. Auch wenn das jetzt anders ist: Zürich war über viele Jahrzehnte sehr deutschfreundlich, identifizierte sich mit preussischen Tugenden, dem hat auch der Landigeist nicht viel anhaben können. Gehen Sie einmal nach Zürich-Seebach, graben Sie dort in der Geschichte: Sie finden in nächster Nähe Wohnhäuser von Bürlearbeitern, die Contraves, und ein reformiertes Kirchgemeindehaus, das mit der Paul-Vogt-Stube an den ehemaligen Flüchtlingspfarrer erinnert, weil er in Seebach wirkte. Es gab in Seebach diejenigen, die stolz waren, dass Vogt bei ihnen Pfarrer war, und es gab diejenigen, die wohl froh waren nach der langen Krise, bei Bührle Arbeit gefunden zu haben. Dann, nach dem 2.Weltkrieg, war alles vorbei. Der Aufschwung für alle begann. Mit deutlichen Drohgebärden gegen alle, die sich an unrühmliche Geschichten erinnerten. Im kalten Krieg wurden die kritischen Stimmen sehr effektiv zum Schweigen gebracht. Ueberlebt und profitiert hat wer? Ja genau.

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Richtig aufgewacht bin ich, als meine Coiffeuse, die auch der SP-Politikerinnen-Prominenz die Haare schneidet, mir allen Ernstes weismachen wollte, die Wohnungsmieten an der Weststrasse stiegen, weil die Juden alles aufkauften. Ich versuchte dagegenzuhalten, mit Sachwissen.

Ich hab die Entwicklung der Weststrasse vor 6 oder 7 Jahren anders gehört.
Meine Züricher Freunde haben mir erklärt, dass die alte Weststrasse extrem befahren war, und die ansässige jüdische Community ihren Einfluss genutzt hat und dann die neue Weststrasse eine verkehrsberuhigte Strasse wurde. Und steigende Wohnqualität kostet...
Jeder kehrt vor seiner Tür , oder?

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Beobachterin
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Interessant was Sie von Zürcher Freunden gehört haben. Im Millionenzürich leben knapp 7000 Juden und Jüdinnen. Ich habe noch nie mitbekommen, dass sie ihre Interessen durchsetzen konnten, ganz im Gegensatz z.B. zur Familie Bührle. O doch, jetzt kommt mir etwas in den Sinn: die öffentliche Hand zahlt noch nicht so lange etwas an den Schutz jüdischer Einrichtungen. Aber vielleicht war das auch ein Abwägen zwischen Kosten für Schutz und Kosten für Imageschaden bei nicht nur vereinzelten Personenschäden. Es ist gut untersucht, dass Einfluss und Anzahl jüdischer Menschen krass überschätzt wird. Woher das wohl kommt, oder besser: wem nützt es?

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Muss man diese Haltung zum Thema Antisemitismus nicht in eine allgemeine Spezialität des Landes einordnen? Als Zugewanderter fällt mir die grosse Unfähigkeit der Schweiz zur Selbstkritik auf. Aus vielen medialen Kanälen bekommen die Bürger eingetrichtert, dass die Schweiz in allem eh immer das beste Land ist. Schuld sind die Anderen. Man könnte meinen die Welt wäre das Paradies auf Erden, wenn es nur die Schweiz gebe. Dieses tief verankerte Denken, immer die Besten zu sein, führt dazu, dass jede Kritik an der Schweiz reflexartig zurückgewiesen wird ohne den Inhalt zu prüfen, weil sie dieses Weltbild in Frage stellt. Ist die vermeintliche Unschuld beim Thema Antisemitismus nicht auch ein Ergebnis dieses Denken? Wir doch nicht, andere schon.

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Na, auch mir als Schweizer fällt die grosse Unfähigkeit der Schweiz zur Selbstkritik auf. Soooo mimosenhaft. Aber dann wird es kompliziert. Könnte die Unfähigkeit, die Palästina-Politik der israelischen Regierung zu kritisieren, auch mit dem immerwährenden Selbstvorwurf und der Scham von uns Schweizer:innen darüber zusammenhängen, dass die Schweizer Elite das Dritte Reich mehrheitlich unterstützt hatte? Dass die Verteidiger der israelischen Palästina-Politik dann immer die Antisemitismuskeule schwingen, macht es nicht einfacher.
Ein weiterer Grund, der eine offene Debatte erschwert, ist die Tendenz, alles zu skandalisieren. Unsere Medien haben eine intrinsische Motivation, von Beginn weg, bevor die Fakten auf dem Tisch liegen, nach dem Schuldigen zu suchen. Als Medienkonsument habe ich das satt. Es verhindert, aus Fehlern lernen zu können.

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Wo kippt berechtigte Kritik an der Politik Israels in Antisemitismus um? Als Linker wäre ich froh um eine Klärung dieser Frage in unseren Kreisen. Wobei wir, das zeigt mir Binswangers Beitrag sehr deutlich, auf keinen Fall in die Indifferenz-Falle trampen dürften!

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Leser
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Als Default kann gelten: Israel Kritik ist Antisemitismus. Period. Israel ist kein jüdischer Staat (dazu hört man den Azan viel zu oft und überall) aber es ist der Staat der Juden. Die offizielle Schweiz hat ganz klar braunen Dreck am Stecken (https://ethz.ch/de/news-und-veranst…enden.html). Für Informationen zu mehr oder weniger subtilen Antisemitismus in unserer Gesellschaft sei auf Clemens Heni verwiesen. Wie blank und duemmlich linker Antisemitism daher kommt, siehe Plakat der JuSo zur Konzernverantwortungsinitiative.

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Multifunktional
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Sie machen es sich etwas sehr einfach. Also hat der israelische Staat Narrenfreiheit? Kann Menschenrechte missachten ohne Kritik zu befürchten? Weil: Kritik an Israel ist Antisemitismus? Sind dann also auch (israelische) Juden, die Israels Politik kristisieren, antisemitisch?
Nein, da bin ich nicht einverstanden.
Im Prinzip ist es doch ganz einfach. Hören Sie in sich selbst hinein: Kritisieren Sie Israels Politik, weil diese zu berechtigter Kritik Anlass gibt, so wie Sie es bei gleichem Verhalten bei jedem anderen Staat so tun würden? Dann ist es nicht antisemitisch. Kritisieren Sie, weil Sie denken, diesen Juden könne man nicht alles durchgehen lassen? Dann ist es antisemitisch. Punkt.

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Simon Reber
Software Entwickler, Familienvater
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Der Staat Israel tut in den Palästinensergebieten fast exakt dasselbe, wie es die Nazis in den deutsch besetzten Gebieten anfänglich auch getan haben. Er enteignet die Palästinenser, sofern sie etwas von Wert besitzen, er drangsaliert sie mit willkürlichen Zwangsmassnahmen, schliesst sie vom gesellschaftlichen Leben aus und sperrt sie in Ghettos ein.
Und dafür soll man den Staat Israel, seine Militärmacht und politische Führung nicht kritisieren dürfen, ohne als Antisemit zu gelten?

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Das ist doch sehr einfach. Jegliche Kritik am Staat Israel ist kein Antisemitismus. Ich kritisiere damit einen Staat und verbreite keine Vorurteile und Steriotypen gegen viele seiner Anwohner, wegen ihres Glaubens. Ich kritisiere einfach das staatliche Handeln. Wenn ich den Stast Iran kritisiere ist dies ja auch kein Antiislamismus, oder?

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Beobachterin
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Ich möchte noch anfügen, dass das Vorhandensein von Israel sehr direkt mit Antisemitismus in der Welt zu tun hat. Durch das Aufkommen der Nationalstaaten blieb den Juden nichts anderes übrig als zu versuchen, in einem eigenen Staat selber für ihr Überleben zu sorgen. Leider ist es nicht so, dass jüdische Menschen in europäischen Ländern sich genügend geschützt fühlen um nicht an Auswanderung denken zu müssen. So ist meine Überlegung sehr direkt, dass wir mit einer ehrlichen und ernsthaften Auseinandersetzung mit unserem Antisemitismus sehr wohl etwas beitragen könnten zur Entlastung der Situation im nahen Osten. Aber es scheint einfacher zu sein, sich für Israel zu interessieren als für unsere jahrhundertealte Geschichte mit unseren jüdischen Mitbewohner:innen.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Nein, das ist immer noch allzu einfach, sprich zu pauschalisierend. Was ist denn jeweils mit «Staat Israel» gemeint? Der «Staat Israel» ganz allgemein, von Beginn seiner Existenz bis heute, ja die Existenz überhaupt? Ersteres behandelt den «Staat Israel» undifferenziert als monolithischen Block, das Zweite unterstellt ahistorisch eine Kontinuität, die es so nicht gibt, und Letzteres führt zum Antizionismus.

Geht es bloss um den aktuellen «Staat Israel», die Verfassung, das Parlament oder die Regierung Israels? Was dort wie überall, also auch hier, legitimerweise und differenziert kritisiert werden könnte, sind policies und Politiker:innen (also auch Entscheidungen und Handlungen von Regierungen und Behörden).

Sachliche Kritik nimmt sachlich begründet zu bestimmten Fragen konkret Stellung. Sie ist offen für Einwände, argumentiert auf Basis von überprüfbaren Fakten und ist offen für rationale Gegenargumente. Sie zielt insgesamt auf realitätsbezogene Bewertungen und will konkrete Veränderungsmöglichkeiten und mithin Interner Link:politische Verhaltensoptionen aufzeigen.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Bitte lesen: «Israelbezogener Antisemitismus. Formen, Geschichte, empirische Befunde» (Deutsche Bundeszentrale für politische Bildung, BPB, 11.02.2021). Unter anderem:

Anders als es bisweilen in öffentlichen Debatten suggeriert wird, ist die Unterscheidung zwischen sachlicher Kritik von Politik oder Regierungshandeln und israelbezogenem Antisemitismus, der den jüdischen Staat und seine Bürger*innen diskriminiert und dämonisiert, relativ einfach. Sachliche Kritik nimmt sachlich begründet zu bestimmten Fragen konkret Stellung. Sie ist offen für Einwände, argumentiert auf Basis von überprüfbaren Fakten und ist offen für rationale Gegenargumente. Sie zielt insgesamt auf realitätsbezogene Bewertungen und will konkrete Veränderungsmöglichkeiten und mithin Interner Link:politische Verhaltensoptionen aufzeigen. So irreführend es folgerichtig wäre, Kritik an der israelischen Regierungspolitik automatisch mit Antisemitismus gleichzusetzen (was empirisch höchst selten geschieht, vgl. Schwarz-Friesel 2019), so offenkundig falsch ist es zu behaupten, "Israelkritik" könne nicht antisemitisch sein, wie etwa die britische Hochschulgewerkschaft University and College Union (UCU) reklamiert). [Der Lesefreundlichkeit halber Referenzen ausgelassen]

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interessierter Leser
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Ich sehe den Zusammenhang zwischen der Bührle-Geschichte und den Gemeindewahlen nicht so klar wie Herr Binswanger: bei „Bührle“ geht es wohl weniger um Antisemitismus, als um die schäbige Rolle der selbstgerechten Schweiz beim Geschäftemachen. Das hat ja noch nicht entscheidend geändert, wenn man das Scheitern der Konzernverantwortungsinitiative anschaut und die Argumente, die gegen sie vorgebracht wurden.

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Herr Binswanger schreibt ja von einem ‚Antisemitismus der Indifferenz‘, was das selbstgerechte Geschäftemachen ja einschließt.

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Die sonst so sympathische Woopi Goldberg schockierte kürzlich in ihrer Talk-Show mit der Aussage, beim Holocaust sei es nicht um Rassismus gegangen, denn das seien ja Weisse gegen Weisse gewesen.
Der Komiker David Baddiel erklärte darauf in der Good Morning Britain Show in wenigen Minuten, wie es zu solcher Indifferenz und unreflektiertem Antisemitismus kommt, und wie komplex Antisemitismus eben ist.
Ich kann den Beitrag nur empfehlen:
'She Got It Wrong' David Baddiel Reacts To Whoopi Goldberg's 'Dangerous' Holocaust Remarks.

David Baddiel hat übrigens auch ein sehr gutes Buch zu indifferentem Antisemitismus geschrieben: Jews don't count, auf Deutsch unter dem Titel Und die Juden? erschienen.

Vielleicht hätte die Tages Anzeiger Redaktion dieses Buch für seine Journalisten zur Pflichtlektüre erklären sollen, statt einfach einen Mitarbeiter zu feuern. So wird der Rest der Redaktion nicht klüger, sondern nur ängstlicher.

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Beobachterin
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Warum gab es in der Schweiz einen Existenzen vernichtenden kalten Krieg, aber kein Verbot von Nazisymbolen? Ich meine mich zu erinnern ab und zu ein Raunen gehört zu haben, dass die Juden vielleicht doch ein bisschen selber schuld waren an der fast geglückten Ausrottung. Weil: zu fremd, zu international und einige sogar Kommunisten! Dann doch lieber vergessen, vergessen, vergessen was nicht zur Neutralität passt. Und vergessen, das brauchen Nazijünger auch.

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Theologe & Religionspädagoge
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Danke für diesen Beitrag. Nach mehreren Beiträgen zur Tagi-Affäre und Schweizer Antisemitismus in tachles habe ich fast gehofft, der Wochenendkommentar der Republik möge das Thema Antisemitismus aufgreifen.

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Sehr, sehr guter Beitrag. Gratuliere, Herr Binswanger!

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Mitverleger
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Geht es nun eigentlich um die Herkunft der Bilder oder um die Weisswaschung von Bührle ? Wenn man den Artikel von Binswanger liest, wird das nicht klar. Er verwischt beide Fragestellungen. Bührle weisszuwaschen wird nie möglich sein, er war und bleibt Waffenhändler ! Die Herkunft der Bilder und die Art und Weise ihrer Beschaffung wurde aber bereits mehrmals geprüft und dokumentiert. Warum kann Binswanger dies nicht einfach akzeptieren ? Weil er damit ein lange gehätscheltes Thema verlieren würde ?

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Theologe & Religionspädagoge
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Bührle und die Bilder sind das eine, aber Antisemitismus ist wohl auch für Sie nicht ein „lange gehätscheltes Thema“?

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Mitverleger
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Klares NEIN auf diese bösartige Frage, Herr P. Allerdings: ich lebe in der Agglo, gehöre einer Generation an, die noch nicht politisch ‚korrektiert‘ wurde und besuche auch ‚Stammtische‘. Das erstaunliche: ich höre viele Witze, über Jugos, Schwarze, Frauen, SVPler und andere gängige Witzobjekte. Aber praktisch nie über Juden ! Lebe ich in einer anderen Welt als Binswanger ? Vermutlich schon.

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Vor einem Tag habe ich mir gewünscht, dass in linken Kreisen eine Klärung der Frage, wann berechtigte Kritik an der Politik Israels - gegen Palästina, müsste noch hier angemerkt werden - in Antisemitismus umkippt, stattfindet. In den vergangenen vierundzwanzig Stunden habe ich im Halbstundentakt Mailmitteilungen über Kommentare (zu Kommentaren, zu Kommentaren ...) zu diesem Wunsch bekommen. Ich habe fast alle vollständig gelesen und möchte mich hier vorerst schon einmal bedanken für diesen, in meinen Augen guten, aber zugleich auch symptomatischen Ansatz zu der gewünschten Klärung. Was mir jedoch auffiel war, dass die Diskussion fast ausnahmslos aus der, entschuldigt den Ausdruck, selbstgerechten linken Schweizer Haltung heraus stattfand: Unsere Weste ist rein, wir waren nie Antisemiten, nie Imperialisten, schon ewig lange nicht mehr in Gebietsstreitigkeiten und Religionskämpfe verwickelt. Wir haben das alles sauber gelöst, zwar immer wieder ein bisschen von Antisemiten, Imperialisten etc. profitiert, aber nie als Täter. Dumm nur, dass wir im Moment in der Bührle-Raubkunst-Affäre total versagen - irgendwie scheint mir das, was Binswanger als den Antsiemitismus der Indifferenz bezeichnet, unser zentrales Problem zu sein, auch innerhalb der Linken (wobei ich den KommentatorInnen keineswegs unterschieben will, sie seine alle Linke...)

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Schön und gut, aber können Sie mir erklären, was an dieser Selbstgerechtigkeit spezifisch links sein soll? Auch wenn die Motive und Argumentationslinien nicht immer deckungsgleich sind, aber ich sie sehe rechts wie links.

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Nein, das kann ich nicht, und ich bin natürlich nicht der Meinung, dies sei ein "spezifisches" Problem der Linken - deshalb habe ich ja geschrieben, es sei "auch" ein Problem der Linken.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Lesenswert dazu ist auch der WoZ-Artikel «Linker Antisemitismus. Den Rassismus beim Namen nennen» (10.02.2022), der die beiden Fälle Goldberg und Brühlmann mit David Baddiel und seinem Buch «Jews Don’t Count» (jüngst auf Deutsch als «Juden zählen nicht» «Und die Juden?» erschienen) analysiert. So wird unter anderem analog der «Krake» auf die antisemitische Karikatur der «Spinne im Netz» verwiesen (hier ein Essay dazu) sowie auf die unbewussten «Ausrutscher» eines «passiven» linken Antisemitismus:

All diese Bilder wurden auch deshalb nicht als antisemitisch erkannt, weil man sich selbst ganz selbstverständlich als progressiv versteht und davon überzeugt ist, nicht rassistisch zu sein.
[…]
Denn dieser «unwissentliche», «unbeabsichtigte» Antisemitismus ist schlicht Antisemitismus in seiner reinsten Form: Aus dem Unterbewussten steigt offenbar wie selbstverständlich ein altes Ressentiment auf, «das Gerücht über die Juden» (Adorno) – und wird Wort.
[…]
Eine Entschuldigung reicht nicht, eine vertiefende Analyse wäre nötig gewesen. Denn diese «Ausrutscher» – ein Wort, das Baddiel explizit gutheisst: Es beschreibe treffend, wie eine «Kette unbewusster Annahmen» gegenüber Juden und Jüdinnen «herausrutschten» – geschehen nicht ohne Grund.

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Multifunktional
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Lieber Herr Rebosura,
ich habe nun noch den Artikel in der WOZ gelesen und kann die Argumentation von David Baddiel, welche Sie oben zitieren, nachvollziehen, wenn er über das Porträt der jüdischen Stadtratskandidation im Tagesanzeiger berichtet.

Dabei liegt genau darin der entscheidende Punkt. Denn dieser «unwissentliche», «unbeabsichtigte» Antisemitismus ist schlicht Antisemitismus in seiner reinsten Form: Aus dem Unterbewussten steigt offenbar wie selbstverständlich ein altes Ressentiment auf, «das Gerücht über die Juden» (Adorno) – und wird Wort.

In diesem spezifischen Fall trifft dies sicher zu. Trotzdem kann man auch dies nicht einfach für die gesamte Bevölkerung übernehmen. Ich spreche jetzt ganz konkret von mir:
Bis vor kurzem und auch nur dank ihrer Kommentare in der Republik wusste ich nicht, dass der Krake oder eine Spinne im Netz von den Nazis als antisemitische Darstellungen missbraucht worden waren. Bei Darstellungen von Kraken, welche mit ihren vielen Armen etwas umfassen oder einverleiben, dachte ich vielleicht an ein Monster aus einem Horrorfilm und fand das Bild aber passend um eine Institution/Organisation usw. zu illustrieren, welche ihren Einfluss oder ihre Macht ausbreitet. Keine Sekunde, weder unbewusst noch bewusst, tauchte bei mir beim Bild eines Kraken ein Gedanke/Bild einer jüdischen Person auf. Warum sollte es auch? Ich verbinde das Judentum weder mit besonders viel Reichtum noch mit Macht oder Einfluss. Für mich ist das Judentum eine Religion mit sehr langer und leidvoller Geschichte und ich kenne selbstverständlich auch einige der antisemitischen Vorurteile, welche seit Jahrhunderten zirkulierten. Dies sind aber nicht meine Vorurteile und ich weiss seit ich das erstemal als Kind in einer Geschichte damit konfrontiert wurde, dass diese nicht stimmen und viel Leid in die Welt brachten. In meiner Jugend habe ich mich intensiv mit dem 3. Reich und dem Holocaust befasst und unzählige (Jugend-)Bücher usw. zum Thema gelesen. Wenn ich also an "Juden" denke, so ich dies überhaupt mache, dann sehe ich normale Menschen vor mir, keine Banker, keine Hakennasen oder was weiss ich. Ich denke z.B. an "Siri", dasMädchen aus dem Jugendbuch "Weisst du nicht, dass du Jüdin bist", welches ich damals mehrere Male gelesen habe und von A. Siegal, einer Auschwitz-Überlebenden über ihre Jugend in Ungarn geschrieben wurde. Das Buch endet mit der Deportation.
Weder im Judentum noch bei irgendeiner anderen Religion verbinde ich Eigenschaften der Gläubigen dieser Religion mit spezifischen menschlichen Eigenheiten oder Eigenschaften - weder positiv noch negativ. Ich glaube wirklich von mir behaupten zu können, weder bewusst noch unbewusst antisemitisch zu sein.

Nehmen wir jetzt einfach an, ich hätte vor 1 Jahr (bevor ich von Ihnen erfuhr, dass der Krake einen antisemitischen Ursprung hat) einen Artikel, sagen wir mal über die SVP geschrieben, welche mit ihrem vergifteten Pupulismus wie ein Krake die Schweiz vereinnahmt und hätte diesen Artikel mit einem Kraken mit dem Gesicht von Blocher illustriert. Ich wehre mich dagegen, dass dieser hypothetische Fall auch als "Antisemitismus in seiner reinsten Form" abgeurteilt würde. Wie kann etwas antisemitisch sein, wenn
a) ein grundsätzlich passendes Bild (Krake) absolut ohne bewusstes oder unbewusstes Wissen darüber verwendet wurde, dass dieses auch für antisemitische Propaganda gebraucht wurde
b) vor dem Innern Auge beim Verwenden des Kraken ausschliesslich Bilder von Blocher, Trump, Ospel, "der braunen Brühe" usw. auftauchen aber ganz sicher keine "hakennasigen jüdischen Weltverschwörer"?
Einverstanden, man könnte mich in obigem hypothetischen Fall belehren, dass das Bild des Kraken schlecht gewählt wurde und mich auf die Problematik hinweisen. Das wäre auch OK. Mir Antisemitismus zu unterstellen wäre aber nicht richtig. Auch wenn vermutlich aufgrund des ständigen Beschäftigens mit der Problematik Antisemitismus-Experten quasi als Berufskrankheit zuerst einmal von Vorurteilen ausgehen, plädiere ich dafür, auch anzuerkennen, dass es tatsächlich Menschen gibt, welche den gesellschaftlichen, historischen Antisemitismus überwunden haben. Wenn diese Menschen einen Kraken zeichnen, mag dies auf Unwissenheit aber sicher nicht auf unbewussten Antisemitismus zurückzuführen sein.

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Schon, aber: Unwissenheit schützt vor Rassismus nicht. Sie können nicht nur von ihrer eigenen, meinetwegen unbescholtenen Motivation ausgehen, sondern müssen auch reflektieren, wie das gesagte bei der Zielgruppe ankommt. Und da muss ein Journalist, Publizist, Schriftstellerin eben das entsprechende Wissen mitbringen.

Wir dürfen zwar schon spekulieren, dass Woopi Goldberg als PoC Amerikanerin Rassismus einfach als Ressentiment von Weissen gegen Schwarze verstand, und von der Europäischen Geschichte nicht viel versteht. Aber sie muss sich trotzdem berechtigterweise gefallen lassen, dass ihr Indifferenz, und wenn auch nur aus Unwissen, vorgeworfen wird: Wer sich als Journalist oder Talk-Show Masterin öffentlich äussert, kann im Nachhinein nicht einfach die Ignoranz-Karte zücken.

Wie die Reaktion von Juden wie David Baddiel auf Goldberg's Patzer (siehe mein untenstehender Kommentar mit Link zu seinem Interview)), und auch die Reaktion von Schweizer Juden auf den Tages-Anzeiger Artikel zeigt, besteht von Seiten der Betroffenen durchaus Verständnis für Unwissenheit, und die Bereitschaft, eine Entschuldigung zu akzeptieren, solange davon ausgegangen werden kann, dass die Person, welcher der rassistische Ausrutscher passiert ist, ernsthaft zu verstehen gibt, den Patzer zu bereuen und aus der Geschichte gelernt zu haben.

Letzten Endes ist es für die Betroffenen wichtig, ernst genommen, und respektiert zu werden. Sich nach einer Entgleisung nicht einfach mit einem "das war nicht so gemeint" oder "das wusste ich halt nicht" davonzustehlen, sondern sich zu entschuldigen..., na ja, ich glaube da muss man durch!

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Gerne nehme ich Ihre Ausführungen auf, v. a.:

Keine Sekunde, weder unbewusst noch bewusst, tauchte bei mir beim Bild eines Kraken ein Gedanke/Bild einer jüdischen Person auf.
[…]
Ich glaube wirklich von mir behaupten zu können, weder bewusst noch unbewusst antisemitisch zu sein.
[…]
dass es tatsächlich Menschen gibt, welche den gesellschaftlichen, historischen Antisemitismus überwunden haben. Wenn diese Menschen einen Kraken zeichnen, mag dies auf Unwissenheit aber sicher nicht auf unbewussten Antisemitismus zurückzuführen sein.

Wie beim Rassismus und Sexismus gibt es auch beim Antisemitismus «unbewusste», subtilere, ja strukturelle Formen der Diskriminierung. Hierbei ist es wichtig sich bewusst zu sein, dass es weniger darum geht, jemanden als «Rassist:in», «Sexist:in» oder «Antisemit:in» tout court zu verurteilen, also dass diese Person diese «böse» Einstellung oder Absicht hätte, sondern vielmehr um Äusserungen und Handlungen, die auf kulturell tradierten Wissen und strukturell reproduzierten Normen beruhen – und dass das Problem damit weniger ein individuelles, als vielmehr ein systemisches, d. h. soziales ist.

Es hiesse nicht: «X ist Antisemitin», sondern: «X hat eine antisemitische Äusserung/Handlung (re-)produziert».

Es geht also weder um Ihr unbewusstes noch bewusstes Bild in Ihrem Kopf und ob Sie antisemitisch «sind» oder den Antisemitismus «überwunden» hätten (falls dem so wäre, gratuliere!), sondern, ob Sie aufgrund kulturellen und sozialen Gründen antisemitische Äusserungen und Handlungen reproduziert und damit weiter tradiert, kolportiert, «das Gerücht» weiter verbreitet haben oder nicht. Und Letzteres ist nicht alleine von Ihren Intentionen, d. h. den Bildern, Gedanken, Absichten, Motiven, Einstellungen in Ihrem Kopf abhängig. Ja, nicht einmal von denen jener Leute, die sie früher vollzogen haben, als etwas nicht als antisemitisch (oder rassistisch oder sexistisch) galt.

Zur «Krake» kann ich übrigens Marina Weisbands Text «Über strukturellen Antisemitismus» nur empfehlen. Darin auch die Stelle im letzten Abschnitt «Die weltumspannende Krake wird leider immer antisemitische Konnotationen tragen»:

Natürlich kann man für seine legitimen Inhalte antisemitische Karrikaturen zitieren – aber dann ist es halt doof.

Andere Beispiele für diese Diskussion über Absicht, Wirkung, Kontext und Struktur gerade in anderen Dimensionen der Diskriminierung sind etwa:

Ersterer Text gibt folgende Analogien:

Stellen Sie sich vor, Ihnen tritt in der Bahn oder im Supermarkt jemand auf den Fuß. Sie schrecken auf, doch statt sich zu entschuldigen, beginnt der Andere eine Abhandlung über Füße und ihre Funktion als Agenten unserer Freiheit, und versichert, er habe Ihnen ja nur Platz machen wollen. Ihre Empörung sei also grundlos, Sie sollten sich deshalb nicht so anstellen.

Oder:

Haben Sie eine Haftpflichtversicherung? Hoffentlich, denn wer etwas kaputt macht, zahlt den Schaden - egal, was er oder sie sich dabei dachte. Jedem Kind erklären wir, dass Unwissenheit vor Verantwortung nicht schützt. Dass sich auch kümmern sollte, wer jemanden unabsichtlich verletzt hat.

Von banalen Alltagskonflikten bis in die Verästelungen unseres Strafrechts ist die böse Absicht nur ein, nie der Faktor bei der Schuldfindung. Eine Richterin interessiert zwar die Niedertracht eines Täters, jedoch bleibt mangelnder "Vorsatz" höchstens strafmildernd. Diese simple Regel schützt uns, indem sie uns alle zur Vorsicht erzieht. Sie wird kaum jemals grundsätzlich verhandelt, weil ihr Gegenteil so undenkbar wäre: Dass man sich mit "War keine Absicht!" aus aller Verantwortung stehlen könnte.

In vielen Debatten rund um Rassismus hört man jedoch: "Aber es war doch gar nicht so gemeint". Ohne böse Intention, meinen manche, könne kaum etwas Rassismus sein - jedenfalls keinen rassistischen Schaden anrichten. Hier haben wir eingeübt: Erst eine böse Absicht macht eine Tat - und das kann auch ein gesprochenes Wort sein - zur Tat. Das meiste andere ist ein bedauerlicher Unfall. Im Alltag sagen wir: "War nicht böse gemeint", im US-Amerikanischen auch "No offense" - also: kein Angriff. Und stellen uns selbst einen Freispruch aus. Doch allein diese intentionale Brille ist bei rassistischen Begriffen, die enorme historische und soziale Hypotheken mit sich tragen, der falsche Schliff, will man die Welt scharf sehen: Rassismus ist ein System, kein Ereignis.

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"Und die Juden?", lautet der Titel der deutschen Ausgabe. Der Verlag hatte Angst, missverstanden zu werden. Womöglich haben es die Deutschen nicht so mit der Ironie, meinte der Autor selber dazu.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Danke, Adrian Züblin, für die Korrektur (die ich gleich übernahm). Wollte zuerst die Übersetzung hin schreiben und hab sie dann fälschlicherweise als Titel verwendet.

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Architekt / Journalist
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Velowege sind den Zürcher SP-Wähler:innen wichtiger als Bührle. Darum wählen sie eine «Velopolitikerin» (was ist das eigentlich genau?) in den Stadtrat – eine Politikerin, die auf genau eine Frage genau eine Antwort hat. Praktisch, nicht?

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... und wie lange ist die SP schon gut vertreten in der Stadtregierung? Wowo Velowäg?

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Zu Daniel Binswangers Stichworten «Antisemitismus der Indifferenz» und «linker Antisemitismus» kommen mir frühere Diskussionen im Republik-Dialog zu den (latent) antisemitischen Topoi der «Krake» und dem «raffenden Geld» in den Sinn. Das eine im Kontext der Kapitalismus- und Technik-Kritik gegenüber Facebook & Co., das andere im Kontext der 99%-Initiative der JuSo und ihrem Slogan «Geld arbeitet nicht. Du schon.».

Ich warf dabei niemandem expliziten, d. h. bewussten und absichtlichen Antisemitismus vor – weder dem Illustrator noch der JuSo oder Daniel Binswanger. Im Gegenteil wollte ich vor allem davor warnen, dass der Gebrauch solcher Stereotypen latenten Antisemitismus auch in linken oder kapitalismus- und technik-kritischen Diskursen und Milieus triggern und manifest werden lassen kann – und sogar für Rechte bzw. Querfronten anschlussfähig wird.

Dennoch wurde mir vorgeworfen, zu empfindlich zu sein, diese Zusammenhänge seien absurd, übertrieben, lächerlich. Man fragte mich, ob die Betroffenen tatsächlich davon betroffen sein könnten. In anderen Zusammenhängen auch typische Diskursstrategien, um unbequeme Wahrheiten und unliebsame Nestbeschmutzer:innen zum Schweigen zu bringen.

Denn nur allzu gerne verschliessen wir vor diesen unsere Augen, wollen wir uns die Hände (und Augen) nicht schmutzig machen, waschen sie lieber in Unschuld und lassen wir lieber Sündenböcke leiden – nur um unsere naive, indifferente, unwissende «schöne Seele» rein zu halten.

«Ich wusste nicht, dass dies antisemitisch konnotiert ist» heisst es, «also ist es nicht antisemitisch konnotiert» folgert man daraus. «Das war nicht antisemitisch intendiert», sagt man gegenüber Betroffenen, «also ist es nicht antisemitisch», verallgemeinert man, um sich selbst rauszureden. «War nicht so gemeint», «Sei nicht so empfindlich!» – bis, ja bis es einem selbst ins Gesicht fliegt, explodiert und die unbequeme, verdrängte Wahrheit wie Schuppen von den Augen fällt.

Hoffentlich nicht nur bei den Anderen, sondern auch bei sich selbst.

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Johanna Wunderle
NL Nicht Philosophisch
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Lieber Herr Rebosura,

"Ich wusste nicht, dass dies antisemitisch konnotiert ist" heisst es, "also ist es nicht antisemitisch konnotiert" folgert man daraus

Die Schlussfolgerung, die Sie hier ziehen, scheint mir nicht für jedermann stimmig.
In den Kommentaren zur "Krake" schien mir offensichtlich, dass Bereitschaft da war, sich mit Ihrer Warnung auseinanderzusetzen.

Sie besitzen ein sehr ungewöhnliches Mass an Wissen und sind hochbegabt. Wenn Sie die Ihnen eigenen Fähigkeiten als Selbstverständlichkeit voraussetzen bei Ihre Mitmenschen, kann das leicht einmal zu Unterstellungen führen. Herzlicher Gruss, JW

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Liebe Johanna Wunderle, vielen Dank für Ihre wohlmeinenden Worte. Ich habe diese selbst-exkulpatorische Floskel nicht auf konkrete Mitdiskutierende bezogen, sondern auf das «Man», also auf die unzähligen Menschen, die unzählige Male diese Floskel in der einen oder anderen Weise (miss-)brauch(t)en. Dasselbe «Man», das in anderen Fällen auf den «gesunden Menschenverstand» sich beziehend die «Andere» verurteilende Floskel sagt:

Unwissenheit schützt vor Torheit nicht. Oder: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.

Nur bei sich macht man selbstverständlich eine Ausnahme.

Man tut eben alles, um im Neutralen Zone der Indifferenz zu bleiben.

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· editiert

das mit dem Slogan verstehe ich nicht, sorry. Das ist doch von einer Bankwerbung (ZKB?) abgeleitet. Oder? Wie hängt das mit Antisemitismus zusammen?
Edit: Ich habe es nachgelesen, ist ja verlinkt. Finde das aber jetzt wirklich etwas schwierig nachzuvollziehen. (Ich werde es versuchen.)

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"...ihn als Problem zu ignorieren." So löst die offizielle bürgerliche Schweiz die Probleme. Und angehängt auch die Linke. Situationsgerecht. Je nach Lage der Stimmung im Volke. Weil gefragt sind Wähler&Innen links wie rechts. Und die florierende wirtschaftliche Potenz des Unternehmers. Die Bilder der Impressionisten sind kontaminiert, bis zu derem Betrachten. Die Gräueltaten des Kommunismus wurden ignoriert. Die Ausbeutung des Kapitalismus verdrängt. Die Zähne sollten am Bankgeheimnis ausgebissen werden von Seiten des Bundesrates und die Toten in der Pandemie sind Kollateralschäden, die Kranken hinzunehmen, ausser sie überlasten die Krankenhäuser und Monika Rühl von der Economiesuisse will nicht, dass sich die Bevölkerung an "Väterchen Staat" gewöhnt. Also bitte nicht einfach Strassen befahren oder Kinder einschulen, sondern immer auch nach privaten Alternativen suchen. Der Bundesrat beendet Massnahmen gegen die Pandemie, weil es leichter gehe ohne. Ignoriert das Virus, damit die Glocken der Freiheit nicht überhand nehmen. Auch wegen der Rentabilität. Erst einmal!

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Märchentante*onkel
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Die bisherige Diskussion hier hat sich mit der wichtigen Frage befasst, ob es auch Antisemitismus darstellen kann, wenn sich jemand gar nicht bewusst ist, dass er oder sie antisemitische Klischees bedient. Hinsichtlich H. W.s Fragen glaube ich, dass es keine Rückkehr zur Unschuld gibt. Was passiert ist, ist passiert, in seiner ganzen unfassbaren Entsetzlichkeit. Es gibt uns die Pflicht zur Erinnerung. Im Roman eines Schicksallosen von Imre Kertesz fragen sich zwei jüdische Teenager, denen das Tragen des Judensternes aufgezwungen worden ist, ob sie anders seien als die anderen Kinder. Die Freundin des Ich-Erzählers ist überzeugt, dass sie auch in ihrem Wesen anders sei. Aber der Erzähler gibt ihr folgendes zu bedenken: "ein Bettler und ein Prinz, die sich, von diesem Unterschied abgesehen, von Antlitz und Gestalt auffällig, bis zum Verwechseln ähnlich waren, vertauschten aus reiner Neugier ihr Schicksal, bis dann schliesslich aus dem Bettler ein richtiger Prinz und aus dem Prinzen ein richtiger Bettler wurde. Ich habe dem Mädchen gesagt, sie solle versuchen, sich das für ihren eigenen Fall vorzustellen." Daraufhin geschieht etwas, was für den Erzähler merkwürdig ist; das Mädchen bricht in Tränen aus. Der Erzähler versucht sie zu trösten. "Mir lag schon auf der Zunge, ihr zu sagen, sie solle sich nichts daraus machen, denn in meinen Augen habe das alles überhaupt keine Bedeutung, ich verachte sie nicht für ihre Rasse; doch dann habe ich gleich gespürt, dass es ein bisschen lächerlich wäre, wenn ich das sagte, und so habe ich nichts gesagt."
Der Ich-Erzähler geht an anderer Stelle zum Bäcker. "Er hat meinen Gruss nicht erwidert; es ist ja in der Gegend allgemein bekannt, dass er die Juden nicht mag. Deshalb hat er mir auch um etliche Gramm zu wenig Brot hingeworfen. (...) Und irgendwie, wegen seines wütenden Blicks und seiner geschickten Handbewegung, habe ich auf einmal die Richtigkeit seines Gedankengangs verstanden, nämlich warum er die Juden in der Tat nicht mögen kann: sonst müsste er ja das unangenehme Gefühl haben, er betrüge sie."
Rassismus ist keine Krankheit, die die einen erwischen, andere hingegen nicht, weil sie 'immun' sind, sondern eine Art fehlgeleitete Denkleistung, die neben materiellen Motiven auch Selbstwertgefühle betrifft.

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Leser
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Ich frage mich gerade, was die Republik hier abzieht. Ein Haufen Anonymer, die das übliche BDS-Mainstream Gerülpse von sich geben, obwohl sie noch keinen Fuß auf Israelischen Boden gesetzt haben geschweige denn Business mit Israelis machen noch Freunde aus traditionell jüdischen Kreisen (Säkulare) treffen. Noch keinen Gedanken daran verschwendend, warum Israelische Palästinenser in keinem anderen Land der Welt als in Israel leben möchten. Warum Menschen in Nazareth die rhetorische Frage stellen: Wie heisst das Land im Nahen/Mittleren Osten, in welchem ein Muslim / eine Muslima die grösste Freiheit, Sicherheit und den größten Lebensstandard genießen kann?

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Multifunktional
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Haben Sie einen schlechten Tag?
Erstens sind gerade in dieser Diskussion fast alle mit Klarnamen unterwegs, zweitens hätten zu Zeiten der Apartheid in Südafrika wohl die meisten Weissen auch gefunden „den Schwarzen gehts doch gut! Was beklagen sie sich eigentlich?“, drittens sagt hier niemand in Israel sei alles schlecht und viertens gibts im nahen Osten vielleicht nicht viele Demokratien, aber bezüglich Lebensstandard (Vermögen) sind diese Nationen ganz weit oben (Dubai, Katar, Saudiarabien) - zumindest für die einheimische Bevölkerung. Die Arbeitsmigranten sind wieder ganz ein anderes Thema - genauso wie das Leben der Palästinenser in den besetzten Gebieten - und denen in Ostjerusalem, denen die Häuser enteignet werden.
Die Augen vor den Problemen zu verschliessen und in den absoluten Verteidigungsmodus schalten, der keine Kritik zulässt, ist höchst naiv, gefährlich und das Gegenteil von konstruktiv.

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Woher nehmen Sie eigentlich diese unbedingte Gewissheit, dass Israelische Palästinenser in keinem anderen Land der Welt leben möchten? Haben Sie diese Information von Ihren palästinensischen Freunden? Haben Sie solche Freunde?

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Kann mir bitte jemand mitteilen, was am Artikel von Kevin Brühlmann über die Stadtratskanditatin Sonja Rueff-Frenkel antisemitisch war. Vielen Dank!

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kurz gefasst, dass der Inhalt hauptsächlich aus Stereotypischen Fragen zu ihrem Jüdisch-Sein bestand und nicht aus den aktuellen politischen Fragen und Anliegen der portraitierten Frau.

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Viel Text, viele Tehemn etwas diffus zusammen gestöpselt. Um was gings im Artikel? Irgendwie Antisemitismus. Find gut das schwurbligen Verschwörern und Rassisten die Stirn geboten wird mit guten Argumenten, engagiert vorgetragen.

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