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In dieser ausgezeichneten Analyse werden die wesentlichen Lektionen, die wir aus der jüngsten US-amerikanischen Geschichte auch für unsere Demokratien in Europa lernen können, sehr gut herausgearbeitet.
Was in dieser Analyse erwähnt ist, vielleicht aber noch deutlicher gesagt werden sollte, ist der zunehmende Verlust moralischer Grundprinzipien oder, wie es Felix Heidenreich sagt, „die Transformation zur Amoralität konservativer Parteien“, die ja auch bei uns zu beobachten ist. Faktenfreie Behauptungen, Lügen, Hetze, Relativierungen bis hin zu offenen Angriffen auf demokratische Strukturen werden zunehmend Alltag in unseren rechtsbürgerlichen bis rechtspopulistischen Parteien. So nach dem Prinzip: everything goes, solange es nur Stimmen, Geld und Macht bringt.
Es ist nicht nur eine Frage der Vernunft, sondern auch der Moral, dass wir uns solchen Tendenzen entschieden entgegensetzen.

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Johanna Wunderle
Muttersprache NL
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Lieber Herr Kienholz. Ich bin völlig mit Ihnen einig, dass nicht genug auf den zunehmenden Verlust moralischer Grundprinzipien hingewiesen werden kann. Dieser Verlust manifestiert sich einiges deutlicher in den rechtsbürgerlichen konservativen Parteien.
Gemäss Michael Sandel sind wir jedoch " alle durchdrungen vom Ethos der Meritokratie.." Was wir im Grunde auch alle beobachten und aus eigener Erfahrung wissen können. Darum liegt es in der Verantwortung von allen,
Werte die uns selber und dadurch auch das Gemeinwohl dienen, zu pflegen. Wie Sie das auch schon sagten in Ihren Kommentar.

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Mathematiker in IT, Bildung und Beratung
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Geschichte zu erleben, während sie geschrieben wird ...

Es ging mir ähnlich, als ich die Rede von Trump vor dem Sturm live mitverfolgt habe.

Die Ratio wehrt sich verzweifelt mit ‚Ich glaub es nicht! Ich glaub es nicht! ...‘ , während gleichzeitig das Unsägliche, das Verdrängte kalt den Rücken hoch schleicht und sich als Angst im Nacken festzusetzen beginnt - ungläubiges ‚der hetzt den Mob so auf, dass er demnächst zum Capitol marschieren wird und ... ?‘.
‚... und friedlich Transparente hoch hält.‘ - ätsch: nächste Verdrängung!

Was tun?
Mindesten versuchen depressive Ent-Täuschung in stärkende An-Erkennung der Realiät zu wandeln - so gut möglich.

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Die Zerstörung geschieht jetzt. Während ein Kleinkrimineller in den USA, vor allem ein schwarzer, wegen nichts für immer hinter Gittern verschwindet, schwingt der Regisseur des Aufstands unbehelligt in Florida den Golfschläger, werkelt vermutlich schon am nächsten Coup. In Washington sinnieren die, die er mit dem Tod bedroht hat, darüber nach, ob Strafe angemessen oder vielleicht doch nur obsolet ist. Die Demokratie wird genau jetzt gekillt, weil nie sonst so schreiend klar wird, wie ungleich lang die Ellen sind.

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Wenn man eine Milliarde USD braucht, um Präsident zu werden, kann man meiner Meinung nach nicht von Demokratie sprechen. Diese ist doch längst tot,

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mir scheint der erste punkt der wichtigste. der zynismus ist nur eine folge. sobald das konservative bürgertum seine profite bedroht sieht, greift es zum faschismus als vermeintliche rettung seiner herrschaft. siehe den „klassiker“ von reinhard kühnl:
„formen bürgerlicher herrschaft“.

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Zweiparteien Systeme haben eben nicht die Eigenschaft in normalen Zeiten für Stabilitaet zu sorgen. Sie arbeiten wie Pendel. Die Partei an der Macht übertreibt, und wenn die andere dann dran kommt, werden Beschlüsse von vorher aufgehoben. Das sind dann die Wahlversprechen. damit ist das erste Drittel der Regierungszeit schon weg. Dann kommen die normalen Beschlüsse, und im Dritten Drittel kommen die überzogenen Beschlüsse, quasi das Vorholen fuer die Zukunft, bevor's wieder wechselt. Zweiparteiensysteme arbeiten mit Schnellschüssen, welche schneller und kürzer sind, je weniger die Leute können. Und sind oft nur Kosmetik, wirkungslos.

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Alec Schaerer
Denkenwollen anstatt hinzunehmen
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Genau. Kanada bietet Anschauungsunterricht.

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Einmal mehr eine glaskare Auslegeordnung von in etwa dem, was an dumpfem Nachhall, losen Gefühlsfetzen und bisherigem Demokratieverständnis in meinen «Nähkistchen» sich so aufgestaut hat. Grazie1000!

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Ich fand einige der Reden diese Woche ausgezeichnet. Insbesondere hat mir die Verfassungsargumentation von Jamie Raskin gefallen. Es war eine rhetorisch und argumentativ gute Rede (solche Reden sind bei uns leider selten). Mit dem typisch amerikanischen Pathos und vielen historischen Bezügen (Gettysburg adress, Paine, declaration of independence) war sie trotzdem spot on und mit "Slave Republic" hat er auch klar gemacht, dass er für Geschichtsklitterung nicht viel übrig hat.
Unter normalen Umständen müsste die Faktenfülle und die klare verfassungstechnische Lage zur Verurteilung von Trump führen. Im Prinzip müssten die Senator*innen hier die unparteiischen Geschworenen geben und ihn mit grosser Mehrheit verurteilen und ihn so von künftigen Ämtern ausschliessen. Leider sind die "normalen Umstände" schon lange aus der amerikanischen Politik verschwunden. Dass allen schon von Beginn an klar ist, dass es für die nötige Mehrheit nicht reicht, zeigt den prekären Zustand der amerikanischen Politik besser auf als jede Analyse.
Bill McKibben hat im New Yorker deshalb richtigerweise geschrieben, dass Raskin hier für die Geschichtsbücher gesprochen hat und nicht "across the aisle". Die Republikaner wedeln ständig mit der Verfassung, aber die besteht für sie scheinbar nur noch aus dem 1. und 2. Amendment. Für den Rest haben sie nicht viel übrig...

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Suchtleser
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Vielen Dank Herr Binswanger für die ausgezeichnete Analyse. Ist auch mein Eindruck:
"Selten hat der blanke Zynismus eine jämmerlichere Fratze präsentiert."

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Ein Zweiparteiensystem soll Stabilität bewirken? Das sehe ich gar nicht so. Ausser man bezeichnet eine zweijährige Periode ohne grössere politische Verschiebungen als Stabilität. Was passiert, wenn bei den Midterms die Mehrheiten kippen oder gar nach vier Jahren Trump II an die Macht kommt? Genau damit muss man aber rechnen. Deswegen sind Verträge die man jetzt mit der Biden-Regierung abschliesst alles andere als stabil. Die Lehren aus dem Debakel der vergangenen vier Jahre müssten viel mehr umfassen, als das was im Artikel aufgelistet wurde. Die Aufgabe ist so gigantisch, dass sie nicht gelöst wird. Die USA werden wahrscheinlich bleiben was sie sind: eine unzuverlässige Plutokratie.

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Super Kommentar
Zweiparteiensystem ist ein Weg die Demokratie teilweise zu kontrollieren besonders, wenn die zwei Parteien sich von einander nicht gross unterscheiden.

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Zweiparteiensysteme waren immer schon polarisierend, ihr Vorteil gegenüber Mehrparteien - insbesondere Konkordanzsystemen liegt in der grösseren Dynamik, bestimmt nicht in der Stabilität. Aber das passt nur zum restlichen Unsinn in diesem Artikel...

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Kann Amerika noch gerettet werden?
Unwahrscheinlich.
Die USA erlebt (und nicht erst seit 4 Jahren) das selbe Schicksal, dass viele grosse Zivilisationen in der Vergangenheit erlebt haben. Sie scheiterten an innere Zerrissenheit, gegen Aussen blieben sie lange Zeit immun.
Kann Europa gerettet werden?
Möglich.
Aber nur, wenn Europa sich vom Vorbild Amerika emanzipiert und die katastrophalen Fehlern des amerikanischen Systems, die eine massive Ungleichheit zwischen den Menschen verursacht hat, korrigiert.
Und natürlich die Hoffnung stirbt zu letzt.

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Danke, Daniel Binswanger, für diesen berührenden Kommentar. Mir ging es ähnlich beim Verfolgen des Impeachments im Senat: Geschichte live! Besonders eindrücklich fand ich, wie die zwei Prinzipien „Wahrhaftigkeit“ und „Lüge“ in starken und sozusagen idealtypischen Bildern Gestalt annahmen. Ein seltenes Schauspiel.

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Urs Fankhauser
Citoyen
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"Diese politische Kultur ist auch die unsere. Was in Washington geschieht, kann auch in Berlin geschehen. Oder in Bern." Tatsächlich? Ich bin mit dieser Formulierung nicht einverstanden. Gewiss haben unsere Demokratien gemeinsame Wurzeln. Gerade unsere Demokratie hat viel von der amerikanischen übernommen (nicht zuletzt den Föderalismus und das Zweikammersystem - beide Demokratiepolitisch nicht unbedenklich).
Aber kein Land in Europa (mit Ausnahme von GB) leidet so unter einem Zweiparteiensystem wie die USA. Und im Unterschied zu den USA haben linke Parteien in den meisten Demokratien nach dem ersten Weltkrieg und noch stärker nach dem zweiten Weltkrieg phasenweise regiert oder mitregiert. Was Spuren in Form von Systemen sozialer Absicherung hinterlassen hat, welche wir in den USA weitgehend vergeblich suchen. Nirgends in Europa (mit Ausnahme der Schweiz) ist das Recht, sich zu bewaffnet, höher gestellt als elementare Menschenrechte. Diese drei Beispiele mögen illustrieren, weshalb der oben zitierte Satz bei mir Widerspruch erregt.

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Theologe
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Sehe ich auch so und verknüpfe das mit Einsichten zur Meritokratie und dem Verlust des Gemeinwohls.
Zynisch auch, dass die Tür zur „primären Barbarei“ vermutlich in den Anfängen unserer Zivilisation aufgestossen wurde und jederzeit mit Propaganda zur Hauptstrasse gemacht werden kann. Dass das nicht unsere evolutionär angelegte Biologie, sondern unsere Kultur ist, kann aber auch Hoffnung machen.
Kulturelle Errungenschaften können wir im Fall der Fälle rasch weiterentwickeln.

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Nein, da würde ich Ihnen widersprechen: Ich sehe ebenfalls, und so verstehe ich auch Daniel Binswanger, unsere menschliche Natur nur von einer dünnen, und von uns gerne überschätzten, zivilisatorischen Firnis überdeckt.

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Besten Dank, Herr Binswanger, für diesen interessanten Beitrag. Gespannt warte ich jeden Samstag darauf. Das will aber nicht heissen, dass ich immer mit Ihnen einverstanden bin. Heute stört mich der absolute Gegensatz zwischen Zivilisation und Barbarei, der sich aus historischer Sicht nicht halten lässt. Personenkult und Machthierarchien sind wohl eher zivilisatorischen Ursprungs. Andererseits hängt das Bekenntnis zu rechtsstaatlichen Prinzipien meines Erachtens ebenso von linken wie von rechten Parteien ab, auch wenn letzteres heute natürlich wichtiger geworden ist, da sich die Linke überwiegend zur Sozialdemokratie bekennt. Wie schon Aristoteles wusste, ist die Demokratie nicht per se ein Ideal, sondern es sind bestimmte Prinzipien wie die Rechtsstaatlichkeit, die Gleichberechtigung aller Menschen und das Konsensprinzip, welche wichtig sind. Und da gebe ich Ihnen natürlich recht, wenn Sie diese Prinzipien durch die neue Rechte bedroht sehen. Ich denke jedoch, dass sich auch bei "barbarischen" Gesellschaften gute Beispiele dafür finden liessen. Jedenfalls sollte mehr an diesen Prinzipien und den dahinter stehenden Werten gearbeitet werden, sei es in der Bildung oder im politischen Diskurs.

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Ja diese "veneer theory", nach der die Barbarei unter einer hauchdünnen Schicht von Zivilisation schlummert, finde ich auch zu simpel gestrickt. Rutger Bregmann hat mit "Humankind" letztes Jahr ein ganzes Buch zum Thema abgeliefert. Das geht vielleicht sogar etwas zu weit in die andere Richtung, trotzdem sollten es alle mal lesen, um nicht das "Gute" an der Menschheit nicht komplett zu vergessen.

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Ich hab das Bregmann-Buch hier rezensiert. Quasi nebenher widerlegt Bregmann noch das Stanford-Prison-Experiment (bei dem als Wärter eingeteilte Probanden angeblich von selbst zu Sadisten wurden).

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Mit Blick auf die «Weimarer Republik» könnte man hinzuzufügen: «das eine Mal als grosse Tragödie, das andre Mal als lumpige Farce». Überhaupt lassen sich überraschend-nichtüberraschende Parallelen zu den «Goldenen Zwanziger» ziehen und bei der Pandemiebewältigung auch zur «Spanischen Grippe» von 1918.

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Was vor dem Kapitol ablief, hat etwas mit der Psychologie der Massen zu tun. Wer mehr darüber wissen will, liest: Gustave Le Bon: "Psychologie der Massen"; erschienen vor über 100 Jahren und auch heute noch weitgehend zutreffend.
Eine Masse folgt anderen Gesetzen als das Individuum. Eine Masse überlegt nicht und kann durch einen als Gott ähnlich empfundenen Führer in jede Richtung gelenkt werden und spürt eine enorme Macht, jenseits von Gesetz und Vernunft.

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Vielleicht würden sich Norbert Elias ("Über den Zusammenbruch der Zivilisation", entstanden 1961/62 unter dem Eindruck der Eichmann-Prozesse und posthum 1989 in "Studien über die Deutschen" veröffentlicht) und vor allem Hannah Arendt ("Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft"; dt. Erstaufl. 1955) noch mehr zur Lektüre anbieten.

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Ich finde auch die folgende Frage interessant :
Was bringt überhaupt eine Masse zusammen?

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Johanna Wunderle
Muttersprache NL
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Unter vielem anderen : Eine fehlende BESSERE Identifizierungsmöglichkeit.

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Die Symptome des Amerikanischen Systems sind charakteristisch für Majorzsysteme. Um bei Majorzsystemen etwas zu bewegen muss die Opposition etwa gleich gross sein, dann koennen sie sich abwechseln. Deswegen sind's jeweils zwei sich abwechselnde Parteien. In Italien lief es frueher auch so. Allerding hat eigentlich keine Regierung die Periode durchgehalten. Irgendwann gab es dann keine festen Parteien mehr, sondern nur noch das Geröll des letzten Crashs und einen Phönix aus dem Nichts.

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Im bemühen das scheinbar abstruse verhalten ganzer bevölkerungsgruppen zu verstehen, ist ein unvoreingenommener blick auf beide us-parteien sehr wichtig - qualitätsjournalismus.
Meiner meinung nach kreuzen sich die linien der politischen polarisation und die öffentliche thematisierung der forschung über inequality (piketty usw.). Auch robert reich formuliert diesen zusammenhang einfach und treffend 2017 nach den wahlen:

https://gspp.berkeley.edu/events/we…bert-reich

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Death Metal , irgendwie Death Metal ...

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Suchender
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Ein interessanter erster Schritt weg vom Duopol: Die demokratische Partei spaltet ihren rechtem Flügel ab und wächst im konsevativen Lager …

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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off topic Müsste es nicht heissen «Bipol» (wie in «bipolar»)? Oder gar «Stereopol» («Stereo» als Antonym von «Mono»)? Ach, nein, eigentlich ja «Dipol» (wobei wirkliche magnetische Monopole gibt es nicht). Aber tatsächlich, «Duopol» (oder «Dyopol» gibt es auch (als Spezialform eines «Oligopols»). Mensch, warum einfach, wenn es auch kompliziert geht :)

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Suchender
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Ich bin mit allem einverstanden, wobei der Bezug zu Oligopol und dessen Bezug zu Oligarchie mir am besten passt (sofern das überhaupt Kriterium sein soll).

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Alec Schaerer
Denkenwollen anstatt hinzunehmen
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Dass der Lack der Zivilisation derzeit nicht mehr ist als eine hauchdünne Glasur, wurde doch schon lange klar. Dafür hat die Stimmung im globalen Entscheidungsgefüge doch schon seit vielen Jahrzehnten gesorgt. Dieses ist nicht nur als cash cow, sondern auch als Erziehungsmassnahme wirksam geworden. Für den heute massgeblichen Zustand siehe z.B. www.armstrongeconomics.com, Der Kapitol-Sturm muss nicht überbewertet werden; er ist nur ein Symptom mehr von etwas, das durch Vernunft der konservativen Kräfte, weniger Machtkalkül und bessere Parteiensysteme noch lange nicht auflösbar wird.

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