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Gaby Belz
semi-Rentnerin, semi-Berufsfrau
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Hier in einem Hotelzimmer in Jerusalem sitzend sind meine Überlegungen und Gefühle zum angesprochenen Thema gerade sehr lebendig. Ich würde gerne umformulieren: ˋMan kann nicht unschuldig Mensch seiń, denn wir beteiligen uns täglich durch unsere Kaufentscheide wie auch durch unser sehr unvollständiges Informationsgewinnungs-Verhalten gegenüber anderen, natürlich auch am palästinensischen Volk, an den Vertriebenen Beduin:innen im Negev, aber auch (letzte Woche) an der ägyptischen Bevölkerung, die unter dem massiven und abstossenden Polizeistaat leidet (wir wurden von Port Said bis nach Kairo und zurück von Blailicht-Autos eskortiert, ohne ersichtlichen Grund). Prominente Bürger:innen von Israel reden übrigens von Apartheid (z.B. vor zwei Wochen die beiden Väter der ermordeten Töchter, oder der Historiker Moshe Zimmermann). Dafür müssen nicht alle Indikatoren mit der Apartheid Südafrikas übereinstimmen. Darum unterstütze ich ebenfalls den Boykott aller Produkte aus den Siedlungen (was gar nicht einfach zu identifizieren ist, natürlich absichtlich). Was ich gefährlich finde ist den Finger auf Israel/Palästina zu halten und sich über andere Länder mit ähnlichen Praktiken zu wenig zu informieren. Da ist dann ein Duft von Antisemitismus beteiligt.

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Lieber Herr Graf, ich empfehle Ihnen, Mahmood Mamdanis Buch " Neither Settler nor Native: The Making and Unmaking of Permanent Minorities" zu lesen.

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Lieber Herr N., danke für den Hinweis. Ich glaube, es gibt ein Missverständnis, das ich versuchen möchte aufzuklären. Mir geht es hier um die aktuelle Debatte um Annie Ernaux und ein Ausloten der Schwierigkeiten ihres Unterschrifts-Engagements, nicht um allgemeine Statements zu einem sehr komplexen Konflikt, dessen Beurteilung nicht in meiner Kompetenz liegt. Ich bin kein Nahost-Experte, kein Politologe, kein Historiker, sondern ein literaturkritischer Leser von Annie Ernaux, der ihre Bücher und ihre Bedeutung für die Gegenwartsliteratur hochschätzt und zugleich die Rhetorik und Darstellung der von ihr unterzeichneten Petitionen problematisch findet. Ich habe versucht, so eng wie möglich an der Debatte um Ernaux zu bleiben, dabei Pauschalisierungen sowie thetische Überspitzungen zu problematisieren und selbst zu vermeiden und stattdessen für rhetorische Deeskalation zu plädieren (mit den Komplexitäten, die Anonym 1 als Hin- und Herlavieren versteht). Aber vielleicht möchten Sie noch ausführen, inwiefern das von Ihnen erwähnte Buch hier wichtige Erkenntnisse beisteuert?

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Lieber Herr Graf,
Ich bin weder Politologe noch Literaturkritiker. Ich lese wenig fiktive Literatur (früher nannte man das Belletristik ... ?) aber ziemlich viel über die historischen Ursprünge der verzwickten Umstände, in denen sich die Welt heute befindet. Dabei habe ich sehr wenige Artikel oder Bücher gefunden, die eine grundlegende Analyse der Entstehung und der heutigen Politik Israels vermitteln, und vor allem eine Vorstellung davon, wie Israel wirklich ein demokratischer Staat werden könnte. Sie schreiben „Der Staat Israel kommt in dieser Darstellung ausschliesslich als Kolonial­macht und Apartheids­regime vor – ein Label, das man mit guten Gründen als Diffamierung betrachten kann.“ und „In Israel hingegen haben arabische Israelis dieselben Bürger­rechte wie jüdische“ und finden, dass die Feststellung «Israël est la puissance colonisatrice. La Palestine est colonisée. Il ne s’agit pas d’un conflit, mais bien d’un apartheid.» diffamierend. Das Buch von Mahmood Mamdani (in dem er die Geschichte der Vereinigten Staaten und der Indianer, mit denjenigen Südafrikas und des Südsudans vergleicht), zeigt, in meiner Ansicht, überzeugend, dass das, was Sie als Diffamierung bezeichnen, durchaus der Wirklichkeit entspricht. Es geht ihm aber überhaupt nicht darum, Israel zu verteufeln, sondern zu verstehen, wie eine Politik, die Israel zu einem wirklich demokratischen Land machen würde. Südafrika dient dabei als relativ positives Beispiel.

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Mir geht es hier um die aktuelle Debatte um Annie Ernaux und ein Ausloten der Schwierigkeiten ihres Unterschrifts-Engagements, nicht um allgemeine Statements zu einem sehr komplexen Konflikt, dessen Beurteilung nicht in meiner Kompetenz liegt.

Wie soll ersteres gehen, wenn Sie sich für letzteres als nicht kompetent erachten? 🤨

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Ah, ich sehe gerade, dass sich die Lektüreempfehlungen im Anschluss des Artikels geändert haben. Ich fragte mich bereits, weshalb nicht auf die Interviews von Ryser zum Thema "Apartheid" verlinkt und verwiesen wird.

Der Artikel selbst macht einige Schlenker, "falsche Fährten", führt die Lesenden entlang einer Tendenz, nur um sie relativierend auf eine andere zu führen, als ob der Autor selbst unentschieden hin- und her lavieren würde. Die literaturwissenschaftliche Einordnung nach der Einleitung fällt etwas aus dem Rahmen und ist für das zentrale Thema, finde ich, überflüssig.

Politik funktioniert leider – im Gegensatz zur Literatur (nicht immer zwar) und Wissenschaft – hauptsächlich mit Pauschalisierungen. Hier wie dort. Was in dieser komplexen wie vertrackten Situation problematisch ist. Die verlinkten Interviews versuchen eine Differenzierung.

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Liebe:r Anonym 2, vielen Dank für Ihre Worte, auch die kritischen. Eines meiner Grundanliegen mit dem Text war es, genau darauf aufmerksam zu machen, dass eine einseitige Positionierung in einem hochkomplexen Konflikt zwangsläufig problematisch ist. Und wenn das gezeichnete Bild von der Wirklichkeit gar so weit geht, das Bestehen eines Konfliktes zu leugnen und lediglich eine Seite pauschal als Grund allen Übels darzustellen (wie etwa in dem „Brief gegen die Apartheid“), dann wird es extrem schwierig und führt in Grauzonen zwischen Engagement und Ressentiment. Mir ging es also, auf der Metaebene, darum, die Problematik einer solchen Positionierung darzulegen; und keineswegs darum, die entgegengesetzte Position zu beziehen. Letztlich sollte mein Text plausibel machen, dass weder Antisemitismus-Vorwürfe gegen Ernaux noch die Antwort „alles kein Problem“ der Sachlage angemessen sind. Aber dies unmissverständlich darzulegen, ist mir anscheinend nicht ausreichend gelungen.

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(durch User zurückgezogen)