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Even Meier
Thus play I in one person many ...
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Ziemlich schräg, wenn ein (Zutreffendes bitte ankreuzen)

  • westlicher?

  • gebildeter?

  • vermögender?

  • körperlich nicht eingeschränkter?

  • in der Religionsausübung nicht marginalisierter?

  • nicht illegalisierter?

  • wahlberechtigter?

  • cis?

  • hetero?

  • männlicher?

  • wahrgenommener?

  • ...

(und damit ziemlich privilegierter) Mensch zu Identität und insbesondere strategischem Essenzialismus schreibt.

Ja, strategischer Essenzialismus: Die Notwendigkeit, den offensichtichen Müll namens "Essenzialismus" (nein: wie korrekt festgestellt wird, gibt es keine "Essenz", an der eine Differenzierung zwischen Menschen hergeleitet werden könnte) strategisch zu nutzen, weil es für diskriminierte Menschen, und vor allem mehrfach, intersektionell diskriminierte Menschen Schutzräume braucht, damit sie trotz der Diskriminierung erst einmal atmen können.

Und dabei fehlt m. E. gründliche Recherche oder sie ist zumindest nicht durchscheinend: Ich bewege mich in solchen Schutzräumen. Dort ist sowohl der strategische Essenzialismus Thema, und dass dieser nur temporär sein darf, als auch Wahrnehmung und Berücksichtigung zahlreicher, intersektioneller Diskriminierungen, wie Armut, Obdachlosigkeit, etc.

(Völlig off ist der Satz:

Transsexualität etwa wird nicht mehr als Spiel mit Grenzen begriffen, sondern als drittes, genetisch festgelegtes Geschlecht.

Wenn, dann Transidentität: Bei trans geht es nicht um Sexualität. Dieser Begriff wurde gerade zur Ausgrenzung von trans Menschen konstruiert und verwendet. Wenn das "Spiel" mit einer massiv höheren Suizid(versuchs)rate einhergeht, werden die Privilegien bzw. Diskriminierungen zumindest erahnbar. Und bitte: Von einem dritten "genetisch festgelegten Geschlecht" spricht kein Mensch. Geschlecht ist ein soziales Konstrukt, sowohl das "soziale" als auch das "biologische". Wenn etwas "drittes" ist, dann der Wunsch nach einem positiven staatlichen Geschlechtseintrag auch für nicht binäre Menschen, für inter Menschen, für ... oder viel besser: Der Wegfall des staatlichen Geschlechtseintrags.

Womit sich der Kreis schliesst: Ziel des strategischen Essenzialismus ist gerade die Kritik bzw. Abschaffung der fantasierten Essenzen. Auch des sozialen bzw. biologischen Geschlechts.)

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Vielen Dank für diesen differenzierten und auch differenzierenden Beitrag. Tatsächlich ziehen Sie eine zusätzliche Ebene ein, die in der heutigen Diskussion eine grosse Rolle spielt, und sie dadurch auch sehr kompliziert und schwierig macht. Bitte verzeihen Sie meine Vereinfachung. Ich versuche Ihrem Einwand gerecht zu werden. Die Kolumne wendet sich, wie Sie richtig bemerken, gegen einen grassierenden biologischen Essentialismus, das heisst gegen die Vorstellung, körperliche Merkmale deuteten auf bestimmte Wesensmerkmale hin. Die Einstellung halte ich für gefährlich einerlei, ob die Merkmale positiv oder negativ gewertet werden. Und ich denke, dass auch Sie diese Haltung nicht teilen. Dagegen gibt es unterschiedliche Gegenpositionen: Der reine Konstruktivismus: "Gender ist nur eine gesellschaftliche Konstruktion" Dies Position halte ich für problematisch, ich habe darüber in einer früheren Kolumne geschrieben. Dann bleiben noch zwei. Meine wäre ein Kampf für die Auflösung der Grenzen: Biologie gibt es zwar, aber sie sollte keine Rolle spielen. Dafür steht Haraway, aber auch die frühe Judith Butler. Ihre ist die des strategischen Essentialismus (verzeihen Sie die alte Schreibweise, Sie sehen, ich bin Nostalgiker) Das heisst: im politischen Kampf vertreten wir die Position, dass Transmenschen so geboren wurden, um ihre Recht zu sichern, wir wissen aber, dass es keinen biologischen Determinismus gibt. So sehr ich Ihre Position verstehe, mit der meiner oder Haraways Haltung lässt sich in unserer Gesellschaft kein Blumentopf gewinnen, halte ich sie für brandgefährlich. Schon manch eine ist auf die eigene Verkleidung reingefallen, und glaubt sie am Ende selbst. Mein Eingangsbeispiel zeigt es: Der Antisemitismus der katholischen Oberschicht Spaniens war rein strategisch.

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Even Meier
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Danke!

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Even Meier
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Brisanter Beitrag, auch mutig. Danke.
Manchmal habe ich aus aktuellem Anlass fast den Eindruck, es gebe auch kein Mensch-Sein mehr, das Menschen 'auf natürliche Weise miteinander verbindet', sondern nur noch Corona-Befürworter oder -gegner*innen. Die moderne Gretchenfrage lautet: sag, wie hältst du es mit dem Virus? Glaubst du an Maske oder nicht? Bist du ein eigenverantwortlicher Mörder aller Alten und Schwachen oder ein solidarischer Hüter aller Risikogruppen? Bist du ein Aluhut oder glaubst du an Wissenschaft? Es gibt nur Schwarz oder Weiss, Zwischentöne werden ausgeblendet. Das führt zur absurden Darstellung solipstistischer Spiegelfechter*innen, die mit sich selber Eile mit Weile spielen, eine Frage stellen, dann auf der anderen Brettseite den Mit- und Gegenspieler vom Stuhl schubsen, ihren eigenen Spielzug beantworten und wieder zurückflitzen, um die nächste Frage abzufeuern. Oder wie ein Kommentator andernorts bemerkte: lauter Pawlowsche Hunde.
Wie schützt man sich vor Selbstüberhöhung in einer Zeit, die so vollgepackt mit Überforderung ist?

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Even Meier
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Grossartig:

Das führt zur absurden Darstellung solipstistischer Spiegelfechter*innen, die mit sich selber Eile mit Weile spielen, eine Frage stellen, dann auf der anderen Brettseite den Mit- und Gegenspieler vom Stuhl schubsen, ihren eigenen Spielzug beantworten und wieder zurückflitzen, um die nächste Frage abzufeuern.

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Ist das in deinem Alltag so? Oder doch eher in den halbanonymen Social-Media-Kanälen und Kommentarspalten?
Ich erlebe in meinem Alltag viel "Mitte", viel "Grösse 42" (wie es Yonni Moreno-Meier vor kurzem auf Watson so schön ausdrückte), also Menschen, die recht besonnen agieren und reden und von den Extremen eher abgestossen sind.
Das Schwarz-Weiss erlebe ich im Alltagsleben in der Corona-Krise gerade mal bei einer Person in meiner Verwandtschaft, von dieser aber übermässig laut. Der ganze Rest meiner Verwandten und Bekannten ist "Grösse 42".
Auf Social-Media und in Kommentarspalten treffe ich das provokative Schwarz-Weiss hingegen schon sehr viel öfter an. Zumindest bei kurzen Statements hilfts natürlich der Profilierung und Positionierung. Durch Zeichenzahlbegrenzung wird dieser Trend gefördert.
Meine Versuche, dem durch differenziertes Schreiben entgegenzuwirken, erscheinen mir oft ein wenig sisyphus-haft...

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Danke der Nachfrage. Ja, auch in meinem Alltag spielen aggressiv vorgetragene Extrempositionen seltener eine Rolle, und ich kann mich in der Regel auch besser distanzieren. Wäre sonst ja nicht auszuhalten. Selbstüberhöhung mittels Abwertung anderer verletzt mein Gerechtigkeitsempfinden, woran auch immer sich diese Abgrenzungen festhaken. Man kann Verhalten ablehnen, aber das Einteilen in höher- und minderwertig von allem und jeder geht mir an die Nieren. Wahrscheinlich gibts auch in meiner Ahnenreihe irgendwo einen Sisyphus. Oder eine Sisypha...

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Ich bin überrascht, einen solchen Beitrag hier zu lesen. Voll auf den Punkt gegen eine - wie ich finde - äusserst bedenkliche Entwicklung.

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Der Artikel von Herrn Strassberg ist grandios!Zu diesem Artikel passt das Buch von Shlomo Sand,
„Warum ich aufhöre , Jude zu sein.“

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Philip Pohlodek
Ergänzender
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Der Rassismus ist nicht nur > Begleit­erscheinung der Aufklärung der wissenschaftlichen Objektivität (ist ein Zitat aus dem Text, habe aber die Formatierung nicht bewältigt…), sondern auch integraler Bestandteil der Geburt unserer liberalen politischen Ordnung.
Für Diejenigen, die auch historisch Interesse an dieser Thematik haben, kann ich sehr den italienischen Philosophen und Historiker Domenico Losurdo empfehlen: Liberalism: A Counter-History
Und um dem Argument vorzubeugen, dass der Rassismus halt eben nur eine historisch kontingente Begleiterscheinung (wie Herr Strassberg, vermutlich eher unbedacht feststellt) der Aufklärung war, empfehle ich den jamaikanischen Philosophen Charles Mills. Er stellt ziemlich überzeugend fest, dass wir die Rolle des Rassismus bei der Entwicklung der liberalen Theorie nicht als eine Anomalie einklammern, sondern dass wir sie als eine grundlegende Gestaltung dieser Theorie betrachten sollten. Die Grossgrundbesitzer in den amerikanischen Kolonien ("Südstaaten") waren, ähnlich den Angehörigen der athenischen Polis mehr als 2000 Jahre zuvor, gerade auch dank ihren Sklaven, sehr wohlhabend und konnten sich mit Ideen von liberty auseinander setzen. Als dann die Britische Kolonialmacht mit den Townsend Acts (1767) neue Steuern eingeführt hat, fing das Ganze so richtig an zu brodeln…
So wie Feminist*innen und Qeeraktivist*innen darauf pochen, die vorherrschende Form des Liberalismus als einen patriarchalen Liberalismus zu sehen, so schlägt Mills vor, dass wir ihn als einen rassifizierten Liberalismus sehen sollten. Black Rights - White Wrongs.
Immanuel Kant (Person/Autonomie), John Locke (Individuum/Privateigentum), John Rawls (Ideale Gerechtigkeit)… um nur einige der wichtigen weissen, männlichen Aufklärungsphilosophen angeführt zu haben, die bei genauerer Betrachtung bei der Grundlegung von (nicht nur) materiellen Kriterien zur Marginalisierung beigetragen haben. Einen spannenden und nun an dieser Stelle von mir auch letzten Literaturtipp in diese Richtung ist das grad druckfrisch erschienene Werk der deutschen Philosophin und Kulturwissenschaftlerin Iris Därman: Undienlichkeit - Gewaltgeschichte und politische Philosophie.

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Märchentante*onkel
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"Der Rassismus war und ist als Begleit­erscheinung der Aufklärung der wissenschaftlichen Objektivität verpflichtet. Es gibt keinen Rassismus ohne Wissenschaft, nur dass heute die Genetik und Theorien über hoch- und minderwertige DNA die äusseren physischen Merkmale verdrängen." Wenn eine Wissenschaftlerin im 21. Jahrhundert Genetik und Theorien über hoch- und minderwertige DNA verbreiten würde, wäre das zweifellos das Ende ihrer wissenschaftlichen Karriere.

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Dem ist ja schon so. Wie sonst soll Crispr eingesetzt werden? Da wird doch geurteilt. Und auch X/Y-ist DNA bestimmt und entsprechend wird selektioniert (wenn auch eigentlich nicht legitim, doch ständig - bei IvF, Aborten etc.).

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Adorno hat „Identität“ als Form der Fremd- und Selbstzuschreibung kritisch durchleuchtet: Es geht darum, zu reflektieren, dass Bedürfnis und Anspruch auf Andersein oder Selbstsein „Gesten unter Zwang“ bleiben. Das im Leiden als primär Erfahrene, d.h. das „Nichtidentische“, ist bereits gesellschaftlich formiert - ein Abgeleitetes und kein Unmittelbares oder Erstes. Es gibt kein „richtiges“ im „falschen“ Leben.

Die feministische Machtkritik hat bereits in den 80er Jahren mit einer „offenen Form der Individuierung jenseits aller Systemzwänge als zwangslose Einheit einer kommunikativ verflüssigten Ich-Identität“ dagegen gehalten (Brigitte Weisshaupt, 1987). Der Widerstreit und die Dissidenz zur herrschaftlichen Identifikation sei von einer Position zu führen und zu bezeugen, der eine „permanente Identitäts-Krise zugrunde liegt“ (B. Weisshaupt).

Durch die Reflexion auf die „Partialität“ des eigenen Wissens und Selbstseins könne dieses womöglich überschritten werden. Ursula Streckeisen und Judith Janoska-Bendl prägten dafür den Begriff der „erotischen Solidarität“ (Janoska-Bendl, 1982; Streckeisen, 1986).

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Dorian Mittner
wohlwollend kritisch
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"Transsexualität etwa wird nicht mehr als Spiel mit Grenzen begriffen, sondern als drittes, genetisch festgelegtes Geschlecht."

–Tut mir leid, aber an diesem Satz sind aus meiner Sicht so viele Dinge falsch, dass ich einfach nicht anders kann:

  1. wird der Begriff "Transsexualität" von vielen Transmenschen als pathologisierend/beleidigend empfunden und

  2. ist der Begriff auch irreführend: Transidentität hat nichts mit Sexualität zu tun

  3. ist die Ansicht, dass eine vom bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht abweichende Geschlechtsidentität genetisch bedingt sei, weder in der Wissenschaft, noch in der Gesellschaft klar vorherrschend

  4. stellt "Transsexualität" oder "Transidentität" kein drittes Geschlecht neben männlich und weiblich dar: viele Transmenschen identifizieren sich eindeutig als Männer oder Frauen.

  5. Für den Fall dass eigentlich "Transvestivismus" (auch: "Cross-Dressing") gemeint war, wird dieser durchaus als Spiel mit Grenzen (der Geschlechterrollen) begriffen und

  6. ist Transvestivismus/Cross-Dressing ganz klar eine Verhaltensweise, die auch von vielen Cis(=Gegenteil von Trans)-Menschen praktiziert wird und ganz sicher nicht genetisch festgelegt.

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Auch die Hautfarbe ist eine blosse Einbildung

Ergo muss mensch schlussfolgern, das Black Lives Matter genauso rassistisch (oder eben nicht rassistisch) ist, wie White Lives Matter (vgl. 16 Fragen an BLACK LIVES MATTER (20:37).

Ich würde dem Autor raten, sofort einen Augenarzt* aufzusuchen, oder sich gleich einen Blindenhund zuzutun.^^

Und der Republik würde ich raten, beim Korrekturlesen nicht nur aufs Gendern zu schauen.

Immerhin wird mal die Problematik der Identitätspolitik angeschnitten. Danke dafür!

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So tönt es, wenn jemand (ein Philosoph ?) über die ANDEREN schreibt ... - historisch kann ich ein paar Sachen lernen - wobei ich im Detail (aus heutiger Sicht) nicht ganz nachvollziehen kann, wo hier der kategoriale Unterschied ist: "nicht Sache eines minder­wertigen Körpers, sondern einer Seele von schlechter Qualität".

Zuerst spricht man über jene, die willkürlich 'objektivierte' persönliche Merkmale dazu verwenden, gesellschaftliche Gruppen zu bezeichnen und auf dieser Grundlage zu diskreditieren und diskriminieren.

Dann spricht man über jene, die sich selbst solche diskriminatorisch eingeführten 'naturalistisch' begründeten Bezeichnungen aneignen, um trotz und mit diesen Etiketten für ihre Gruppen eigenständig Gleichberechtigung zu reklamieren.

Ich bin zwar einverstanden, dass dies ein gefährliches Spiel ist, weil natürlich alle identifikatorischen Bezeichnungen missbraucht werden können;
aber ich sehe da doch einen kategorialen Unterschied zwischen Leuten, die andere zum Zwecke der Diskriminierung etikettieren, und Menschen, die sich selbst solche Etiketten zur Rehabilitierung gegen Diskriminierung aneignen.

Nun könnte man sich noch fragen, wie es sich mit aktuell ins Kraut schiessenden Etikettierungen verhält, die keinerlei 'naturalistische' Begründung bemühen, sondern ganz willkürlich aufgrund von vermuteten und auch böswillig unterstellten 'Gesinnungen' nach Belieben, aber in klar diskreditierender und in der Folge auch diskriminierender Absicht (Ausschluss aus dem etablierten 'reinen' Diskurs) zugeordnet werden.
Aber das ist hier im Rahmen der REPUBLIK vielleicht schon etwas schwierig, wenn man sich an die Berichterstattung über die berüchtigte Berliner "Hygienedemo" erinnert:
Die ganze Charakterisierung und 'kritische' Auseinandersetzung mit der politisch differenziert begründeten und motivierten Demo von Tausenden von Menschen fasst sich zusammen als
"Ein Potpourri von Menschen verschiedenster Gesinnung ... Impfgegnerinnen, Verschwörungsgläubige, Sektenmitglieder, Reichsbürgerinnen und Neonazis".

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