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Vielen Dank für die interessante Zusammenschau! Tatsächlich finde ich persönlich es enorm wichtig, dass "Feminismus" heute auch immer die Rechte von Minderheiten meint, unabhängig vom Geschlecht.

Den Schweizer Männern ging nichts "verloren", indem sie die anderen 50% am politischen Prozess teilhaben liessen. Die Befürchtungen stellten sich als unbegründet heraus. Wäre es nicht genau so, wenn wir den Menschen ohne Schweizer Pass ein Mitbestimmungsrecht einräumen würden? Und denen, die noch nicht 18 sind? Den Menschen mit Beeinträchtigungen?
Es gäbe noch viel zu tun, weiteren grosse "Minderheiten" auch politische Rechte einzuräumen.

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Herzlichen Dank für Ihren Kommentar, liebe Frau L.! Ich finde es sehr schön und wichtig, dass Sie – und auch andere Kommentierende – betonen, dass es auch heute noch viel zu tun gibt. Denn noch immer hört man allzu oft, dass doch längst alle gleichgestellt seien – schön wäre es! Und dennoch ist es auch gut und wichtig, die vergangenen Erfolge und die Fortschritte, die es gegeben hat, zu würdigen. Ein schönes Wochenende Ihnen!

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Ich teile den Ansatz dieses Artikels nicht, weil er sich nicht auf das Menschenrecht stützt. Seine Basis ist Sozialdarwinismus: das Recht des Stärkeren; er anerkennt heute, dass die Männer das demokratische Recht hatten, über die Frauen und ihre Rechte zu bestimmen. Anders gesagt, dass die Demokratie über das Gleichheitsprinzip verfügen kann, wie es ihrer Willkür passt, respektive aus den Kräfteverhältnissen hervorgeht, einmal so, einmal anders. D.h. Demokratie ist das Recht des Stärkeren und steht über dem Menschenrecht.
Was Trump ungefiltert zelebrierte, das war Suprematismus: Kräfteverhältnisse, oben der Starke, Spott für das Recht, den Strohhalm der Schwachen.
Der Film "Die göttliche Ordnung" zeigt eine Demonstration, die Teilnehmerinnen skandieren : "Frauenrecht ist Menschenrecht." Gültig spätestens seit 1948: "Nie wieder" etwas wie in Deutschland ohne Menschenrecht. Die Republik weiss, dass das Menschenrecht immer entscheidend die verschiedenen Hürden mitprägte, vom Marsch auf Bern 1969, bis zum Bundesgerichtsentscheid zu Appenzell, wahrscheinlich auch beim Postulat von Nationalrat Peter von Roten, die Verfassung neu zu interpretieren statt sie zu ändern, was die zahlreichen Pseudoabstimmungen über das Menschenrecht und die Lächerlichkeit der Schweiz vermieden hätte.
Die Demokratie Schweiz benimmt sich wie die katholische Kirche (damals: Geozentrismus als Machtposition gegen die Physik bis zum Scheiterhaufen durchsetzen), wenn sie sich anmasst, über Naturgesetze (die Gleichheit der Frau) und das Menschenrecht "demokratisch", d.h.mit Mehrheiten, abzustimmen. Genau das macht sie jetzt mit dem Klima: die Demokratie der Suprematisten stimmt über das Erd-Klima ab. Es scheint mir, die Republik sollte bedenken, dass die Wiederholung des damaligen Allmachtsanspruchs der Kirche durch die Demokratie zur Farce wird.

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Krasser als Sie, Herr N., kann man die Aussagen und das Anliegen meines Textes vermutlich kaum missverstehen. Selbstverständlich sind die Menschenrechte die Grundlage von allem, ohne die Demokratie in unserem Sinne überhaupt nicht denkbar ist. Mein Text ist eine einzige Kritik an der Verweigerung des Stimmrechts für Frauen und die Kernthese ist, dass man diesen Zustand nicht ernsthaft Demokratie nennen kann.

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Und, analog zur Kirche (Geozentrismus versus Heliozentrismus), ist meine Kernthese, dass es der Demokratie nicht zusteht, über Naturgesetze und Menschenrechte abzustimmen, weil beide zur uralten biologischen Ordnung gehören, folglich die längste Zeit ohne die Demokratie existierten. Konkret: Atomgesetze gibt’s solange es Atome gibt, also ca. 13'800'000'000 Jahre; die Gleichheit der Geschlechter gibt’s seit der Einführung der Zeugung unter den Vielzeller wie der Mensch durch die Evolution vor ca. 1'000'000'000 Jahren. Umgekehrt gehört eine «Demokratie», die zulässt, dass «Herr» über die Frauenrechte abstimmt, zur «Göttlichen Ordnung», wozu sich die Schweiz mit ihrem ersten Satz der Bundesverfassung bekennt.
Und schon beginnt das ….sprachliche Problem, also die Verständigung: DEMOKRATIE heisst: Volks-HERR-schaft. Wo sind da die Frauen, wenn es HERR-schaft ist? Die Schweiz handelte sprachgemäss und Platon-gemäss: denn dieser Säulenheilige aus dem Altertum, der hier immer noch von allen Geisteswissenschaften am Leben erhalten wird (er schrieb im Symposium, dass keine Frau tugendfähig sein kann, also definitiv regierungsunfähig ist) noblierte den Begriff «Republik», wozu sich die Schweiz zählt.
Zurück zur Politik: 1969 wollte/musste die Schweiz der europäischen Menschenrechtskonvention beitreten; Parlament und Regierung (?) beantragten dies unter der Bedingung, ohne Frauenstimmrecht. Platon samt Aristoteles lassen grüssen, wie in der heutigen katholischen Kirchenspitze. Diese Ungeheuerlichkeit führte zum Protestmarsch der Frauen nach Bern mit Emilie Lieberherr: «Frauenrecht ist Menschenrecht».
Hier muss festgehalten werden, dass es sich um biologische, zelluläre Gleichheit handelt: gespendetes Blut, transplantierte Zellen oder Organe sind primär weder geschlechts- noch identitätsgebunden, sie sind keine Produkte des Bewusstseins. Mit anderen Worten, Demokratie, mit DEMOS=VOLK im Wort, gibt’s körperlich gar nicht ohne Mann und Frau und deren Vereinigung mit je hälftigem Genbeitrag. Die «göttliche Ordnung» (Männer bestimmen über Frauen) ist widernatürlich; es gibt sie nicht in der Natur. In diesem Sinn kann sich die Frau nicht von der Natur emanzipieren, sondern von der «göttlichen Ordnung».
Daher bin ich nicht sicher, ob diese Frage auf eine Identitätsproblematik reduziert werden kann, diese erscheint mir weniger biologischer als kultureller «Natur» zu sein, aber ich muss darüber nachdenken.

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Demokratie wie wir sie heute kennen, hat per se nichts mit Menschenrechten zu tun. Es ist grossteils davon abhängig wo und von wem ich geboren wurde, ob ich irgendwo auf der Welt ein Mitspracherecht geltend machen kann. Selbst wenn ich de jure Mitsprache-berechtigt bin, heisst das noch lange nicht, dass ich davon auch gebrauch machen kann. Habe ich z.B. das Pech in Russland geboren zu sein, kann ich zwar für Vladimir Putin votieren, aber nicht gegen ihn, sonst drohen mir gewaltsame Konsequenzen. Habe ich noch mehr Pech, dann bin ich in Eritrea geboren und gehöre somit zum persönlichen Besitz des dortigen Präsidenten Afewerki und habe zu der Art und Weise meines Lebens nur etwas zu sagen, wenn ich mein Leben riskiere und flüchte. Bin ich dann in der, angeblich fortschrittlichen, Demokratie Schweiz angekommen, habe ich erstmal nichts zu sagen und bin reiner Bittsteller mit sehr schlechten Karten auf Erhörung. Selbst wenn meine Bitte erhört wird, und ich Asyl erhalte, sind meine gesellschaftlichen Mitspracherechte gleich null. Wen ich dann 12 Jahre hier gelebt habe, kann ich dann ein Einbürgerungsgesuch stellen, wo ich einer Gemeindeversammlung oder Behörde beweisen muss, dass ich Dinge über die Schweiz weiss, welche kaum ein Schweizer Beantworten kann, und wenn ich wieder Pech habe, wird mein Gesuch trotzdem abgelehnt, weil ich so eine unschweizerische Hautfarbe habe...
Demokratie ist das Recht derer die dazugehören. Sie haben die Macht mitzuentscheiden wer mitreden darf und wer eben nicht.
Das ist ungerecht. Gerecht wäre es nur, wenn ich überall wo ich lebe, Mitspracherechte habe, und ausserdem frei entscheiden kann, wo ich leben möchte.
Wie im Artikel erwähnt, es gibt noch viel zu tun, und das nicht nur für Minderheiten.

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"Demokratie wie wir sie heute kennen, hat per se nichts mit Menschenrechten zu tun." Denke ich nach über Ihren Satz, so kommt mir unweigerlich der heute verachtetste aller Philosophen des Altertums, Diogenes, in den Sinn, der am hellichten Tag in Athen mit angezündeter Laterne herumging, sie den Leuten ins Gesicht hielt und auf die Frage, was er suche, antwortete : "Menschen". (Übrigens war jener Clochard einer der wenigen, welche die Gleichheit von Mann und Frau vertraten, im Gegenteil zu den in unseren Universitäten bis heute hochverehrten Kapazitäten wie Platon und Aristoteles, für die Frauen entweder keine Menschen waren oder die vorgaben, es nicht zu wissen; ich meine, wir sollten da mal über die Bücher).
Ich vermute, Ihr Satz entspreche meiner Kritik an den Männerabstimmungen über die Rechte der Frau: Im Wort Demokratie steckt Demos: Volk. In der jetzigen Pan-
dem-ie richten sich die Behörden an was genau? an Menschen, die erkranken und sterben können und darum Regeln einhalten sollen. Wenn aber Menschen zum Volk gehören, dann gelten für diese die MENSCHEN-rechte. "Wenn Demokratie per se nichts mit Menschenrechten zu tun" hat, also Menschen nicht das Volk bilden, dann müssen Sie mir erläutern, was wir in Ihrem Sprachgebrauch unter Volk zu verstehen haben.
Könnte es sein, dass es wie das Wort zu "Kratie" "HERR-schaft" ein ernsthaftes Problem der Kommunikation ist? Was umso mehr erfordert, dass Demokratie nicht über, sondern UNTER das Menschenrecht gehört, weil Sie und ich als Menschen geboren wurden und als Menschen sterben werden, was ich als Facts bezeichne.

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er anerkennt heute, dass die Männer das demokratische Recht hatten, über die Frauen und ihre Rechte zu bestimmen

Sehe ich nicht so: beschreiben, was war, heisst nicht, dass man es auch gutheisst.
Sie fordern einen Idealzustand: ein Menschenrecht, das sich quasi von selber durchsetzt, an den herr-schenden Machtverhältnissen vorbei. Wie stellen Sie sich das vor?
Eine 'Demokratie Schweiz' als personifizierte Instanz gibt es zudem nicht. Es gibt nur uns Landesbewohner*innen, die miteinander einen Staat bilden, der bestmöglich nach demokratischen Regeln funktionieren soll. Als 'work in progress' sozusagen und nicht als statisch fixierter Endzustand.

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Erlauben Sie mir den Hinweis, dass ein Teil meiner Entgegnung in meiner Antwort auf das "Missverständnis", wie es der Autor seines interessanten Artikels bezeichnet, dort zu finden ist.
Einig gehe ich mit Ihnen, dass sich das genannte Recht nicht von alleine durchsetzt. Aber Menschen bilden seit mehreren Millionen eine Art unter vielen, und leben die Gleichheit der Geschlechter biologisch. Allein die menschliche Kultur verhindert die b e s t e h e n d e Gleichheit. Der Satzteil im Menschenrecht: "frei geboren" nimmt bezug auf die (uralte) Natur, komplett bei Rousseau geht er weiter: "et partout il est dans les fers." Kein Eisen läuft frei herum. Allein Menschen graben Eisen aus, schmieden es, machen Schwerter und Pflüge, führten die Afrikaner im Eisen um Hals oder Fuss in die Sklaverei, machten Frauen zum Besitz der Männer. Wir müssen die Gleichheit, die in der Natur besteht, nicht schaffen, sondern unsere Kultur ihr anpassen.
Ich glaube nicht, einen Idealzustand zu fordern. Ich möchte, dass die Menschen aufhören, eine Kultur der Zerstörung zu zelebrieren mit Krieg und Wirtschaft, HERR-schaft über Mensch und Natur anzustreben (Moses 1;26-28), was insofern absurd ist, weil auf alle Fälle nichts von uns bleibt, wenn die Sonne zum "roten Riesen" mutiert. Wenn der Generalsekretär der UNO vom "Selbstmord-Krieg der Menschheit gegen die Erde" spricht, dann gibt er seinem Erstaunen Ausdruck, warum wir es mit der Selbstzerstörung so eilig haben. So hoffe ich mit Ihnen, dass das "work in progress" der lebenden Materie dient und uns nicht vorzeitig zu toter Materie werden lässt, die exponentielle Verdoppelung unserer kapitalistischen Warenproduktion alle 20 Jahre, genannt Wohlstand, und mit Stolz gefeiert, geht zielstrebig in die falsche Richtung .

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Geschäftsführerin, 2 erwachsene Töchter
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Danke für die Würdigung des jahrzehntelangen Einsatzes für das Stimm- und Wahlrecht der Frauen. Ich hab einige Biographien der Vorkämpferinnen gelesen, und war tief beeindruckt über die Opfer, die sie gebracht haben. Für mich persönlich ist dieses Recht darum auch eine moralische Verpflichtung, ein Privileg, das ich hoch achte. Verpasse darum keine Abstimmung, und bin stolz darauf, dass auch meine Töchter das auch so sehen. Und ja: es gibt noch viel zu tun!

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"All jene, denen gleiche Rechte verwehrt werden, bekommen sie offenbar erst, wenn sie mit langem Atem dafür einstehen, sich solidarisch zusammentun – und über die eigene Gruppe hinaus Verbündete finden." - Ich möchte dieses Zitat aus dem Beitrag von Daniel Graf als Aufruf an alle Bewohner*innen ohne Schweizer Pass verstehen und gleichzeitig auch an jene mit Schweizerpass, die die gegenwärtige Regelung bezüglich Ausländer Stimm- und Wahlrecht als unwürdig und menschenverachtend einstufen.

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Lieber Herr L., haben Sie vielen Dank. Ja, das möchte ich gerne unterstreichen. Dazu gibt es in anderen Texten Ausführlicheres. Zuletzt habe ich in diesem Zusammenhang hier ein paar Zeilen dazu geschrieben, besonders empfehlen möchte ich zum Thema aber diesen Text von Carlos Hanimann.

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Vielen Dank, Herr Graf - jedenfalls werde ich mich an meinem Wohnort für das Anliegen einsetzen, ohne Hoffnung auf baldigen Erfolg ("mit langem Atem"). Ich wünschte mir, dass sich auch die Betroffenen mit mehr Selbstbewusstsein für die Sache einsetzten - sie haben ein Recht auf Mitbestimmung, und demütiges Warten darauf, dass man ihnen dieses Recht gewähren würde, reicht nicht, das zeigt der Kampf um das Frauenstimm- und Wahlrecht in aller Deutlichkeit.

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Von wirklicher Gleichberechtigung können wir erst sprechen, wenn weibliche Qualitäten - egal, ob von Frauen oder von Männern gelebt- per se wirklich gleichberechtigt wahrgenommen und anerkannt werden. Und davon sind wir noch sehr weit entfernt oder wie mir scheint: entfernen wir uns immer mehr.
Zitat Nina Helene Tschopp: "Die Abwertung aller weiblichen Attribute und Qualitäten ist trotz vielen Gleichstellungsbemühungen fest in der Psyche von Millionen von Menschen verankert – oft unbewusst und ungewollt. Dies hat dazu geführt, dass ein Teil der feministischen Handlungen und Aussagen verzweifelte Bemühungen waren, zu beweisen, dass «Frauen es genauso gut wie Männer können». Was aber, wenn Frauen es zwar genauso gut, aber vielleicht auf andere Art können?"

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Der Text versucht den großen Bogen. Das Ich-will-es-genauer-wissen (generell eine klasse Idee, diese Einschübe) verlinkt auf ein Dossier zu Identitätspolitik und dieses auf eine Sammlung der "beliebtesten und kontroversesten Beiträge". Ich habe in einen älteren Text geklickt und zu diesem 28 Kommentare gefunden. Was ich für "kontroverseste" Beiträge wenig finde.

Vielleicht ist das Thema ja so ideologisch verbrannt, dass die Leser befürchten, von aktivistischen Mitdiskutanten mit Buchempfehlungen, Statistiken und Zitaten eingedeckt zu werden. Im Kommentar von @Regina_Probst habe ich den Begriff gelesen "so eine Art 'Mittelwert' der Verhältnismässigkeiten". Den finde ich treffend.

Auch ich finde manches mittlerweile unverhältnismäßig. Oder wie die Schriftstellerin Daniela Dahn schreibt: "Wegen ungünstiger Witterung ist die westdeutsche Frauen-Emanzipation in die Grammatik verlegt worden.” (Ha, ein Zitat!)

Tatsächlich ist niemand von meinen weiblichen Freunden Vorstand in einem DAX-Unternehmen. Diskriminierung! Aber Moment: Gerade fällt mir ein – auch keiner von meinen männlichen Freunden. Wahrscheinlich geben dann doch andere Ursachen als das Geschlecht den Ausschlag. (Ja, das hat so monokausal auch niemand behauptet; aber wie ein amerikanischer Autor schrieb: In dieser Lesart von Gerechtigkeit ist es okay, wenn einem Prozent der Leute 90 Prozent der Ressourcen gehören, solange dieses eine Prozent zu 50 % weiblich, 13 % schwarz, 17 % Latino, 4 % "or whatever" LBGTQ etc. wäre.)

In der reinen Lehre identitätskultureller Krieger dürfte ich mich gar nicht zu Wort melden zum Thema Diskriminierung. Diese neigen dazu, Leuten wir mir zu empfehlen, als privilegierter älterer, heteronormativer, weißer, westlicher CIS-Alman doch bitteschön das Maul zu halten ("bitteschön" sagen sie selten). Womit wir beim Thema der Opferkonkurrenz wären: Ich könnte eine Gegenrechnung aufmachen als Ostdeutscher und als Behinderter. Aber da ich nicht "behinderter Mensch" gesagt habe, wäre ich für einschlägige Kreise dennoch nicht auf der Höhe des Diskurses und damit nicht satisfaktionsfähig.

Meine Großmutter war Ende der Zwanziger aus der Slowakei eingewandert. Vielleicht gehe ich ja noch als Migrant der Dritten Generation durch.

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Lieber Herr K., vielen Dank für Ihre Gedanken. Vieles davon kann ich gut nachvollziehen und ich teile Ihre Vorbehalte gegenüber allen, die sich dogmatisch der reinen Lehre verschreiben. Allerdings glaube ich weder, dass man sich, wie Sie schreiben, auf eine «Opferkonkurrenz» einlassen, noch eine solche als Anliegen der Emanzipationsbewegungen beschreiben sollte. Das ist, glaube ich, ebenfalls vor allem ein Zerrbild, das nur dazu führt, dass verschiedene berechtigte Anliegen gegeneinander ausgespielt werden. Auch habe ich noch nie jemanden gehört, die oder der behauptet hätte, es sei ein Problem, dass niemand von den eigenen «weiblichen Freunden Vorstand in einem DAX-Unternehmen» ist. War das bei Ihnen anders? Wenn ja, könnten Sie die Person doch darauf hinweisen, dass das mit dem eigenen Freundeskreis ganz sicher nicht der Punkt ist – aber man sehr wohl fragen darf, wie es insgesamt um die Repräsentation von Frauen an verschiedenen Orten der Gesellschaft (oder hier: der Wirtschaft) steht. Ich glaube auch nicht, dass es unter den Anhänger:innen einer möglichst diskriminierungsfreien Sprache viele Menschen gibt, die Ihnen vorschreiben wollen würden, wie Sie selbst sich bezeichnen. Aber die Frage nach der Bezeichnung stellt sich wohl neu, wenn es darum geht, wie Sie (und wie wir alle) andere Menschen mit einem Handicap bezeichnen. Wenn diese Person eine andere Vorstellung hat, würden Sie darauf doch vermutlich auch möglichst Rücksicht nehmen wollen, oder? Auch da würde ich sagen: Man braucht in solchen Fällen gar nicht das grosse Schlagwort von der Identitätspolitik. Häufig geht es schlicht um Höflichkeit, Respekt, Aufmerksamkeit, Rücksichtnahme.

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Lieber Herr Graf,

vielen Dank, dass Sie sich zu einer Antwort aufgerafft haben.

Mein DAX-Beispiel war naheliegend: Es ist dasjenige, das Journalisten besonders häufig bemühen (Google hat 3,5 Millionen Funde zu "Frauen DAX").

Eine Opferkonkurrenz ergibt sich schon dadurch, dass Vereine um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und um Fördermittel konkurrieren. Auch deshalb neigen sie zur besonderen Lautstärke. Die Diskussion wird ja oft von den Lautesten und Organisiertesten dominiert. Meine Vermutung ist deshab, dass Noelle-Neumanns Schweigespirale (man verschweigt seine Meinung, wenn man glaubt, sie entspräche nicht der Mehrheitsmeinung) auch in den einzelnen Gruppen wirkt.

Wie Sie schreiben: Es geht um Respekt und Rücksichtname. Wo die generell nicht vorhanden sind, hilft auch die neueste gutgemeinte Regelung der Sprachpolizei nicht weiter, selbst wenn sie von Gender-Studies-Lehrstühlen theoretisch untermauert wurde. Sie erheitert die Hater und vergrätzt die Gutwilligen. Und im Nu wird auch das neue Wort pejorativ, abwertend, gebraucht. Und ein noch neueres muss her. Und der "Mittelwert der Verhältnismäßigkeiten" gerät noch mehr außer Sicht.

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Bitteschön.

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Na geht doch. ,)

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Lieber Daniel, wenn ich Dich richtig verstanden habe, soll der Ausdruck «Identitätspolitik» verabschiedet werden, weil (1.) selbst ‹die Gebildeten unter seinen Verächtern› ihn missverstehen, «die Formulierung», wie Du schreibst, «in manchen Ohren nach blossen Partikular­interessen klingt». Sowie, weil (2.) der Begriff zu abstrakt und umfassend sei. Doch «Wer denkt abstrakt?»

Zu 1.: Also jedesmal wenn es Gegner schaffen, einen Ausdruck schlecht zu reden, etwa durch Verzerrung, Entstellung und Diffamierung, dann muss der Ausdruck verabschiedet werden? So wie bspw. in den USA der Ausdruck «communist», «socialist» oder gar «liberal»(?). Müssten wir dann bald Ausdrücke wie «Gender», «Social justice» oder «PoC» verabschieden? Wir müssen also aufpassen, dass wir nicht blauäugig in deren Falle tappen. Denn genau das ist es, eine Falle: Einen Ausdruck so lange zu diffamieren, bis er ein «verbrannter» Ausdruck ist und «von selbst» fallen gelassen wird. Und dass er «in manchen Ohren nach blossen Partikular­interessen klingt» erscheint mir gerade von den «Verächtern» scheinheilig, da es wie etwa beim Kampf ums Frauenstimmrecht ja gerade sie waren, die «blosse Partikular­interessen» verfolgten.

Zu 2.: Jeder Begriff ist bis zu einem gewissen Grad abstrakt, da es ja seine Funktion ist, mehreres zu umfassen. Die Alternative sind sozusagen Eigennamen sozialer Phänomene, etwa «Der Kampf um das Frauen­stimmrecht» oder noch genauer «der Schweiz». Was also übrig bleibt ist ein loses Bündel von Einzelphänomenen. Doch was, wenn man darin «Ähnlichkeiten» entdeckt? Wie referiert man darauf? Also kreiert man einen, nunmehr alternativen, Ausdruck (für den gleichen Begriff). Welcher könnte es sein? «emanzipatorischen Kämpfe»? Aber ist nicht auch dieser «ein abstrakter Container­begriff für verschiedenste Phänomene», bei dem «häufig unklar [bleibt], was genau damit gemeint ist? Also fängt der Zirkel wieder von vorne an (zumal er dann wieder von anderen «missverstanden» wird).

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Lieber Michel, vielen Dank! Ganz wichtige Punkte. Aber ich schreibe doch ganz explizit im Text, dass das Diffamieren des Begriffs durch die Polemiker:innen gerade nicht der Grund sein darf für eine sparsamere Verwendung, weil man sich sonst ja die Agenda der Diffamierungsversuche aufdrücken liesse. Sondern meine Überlegung ist, dass es zielführender ist, für Anliegen Unterstützung zu generieren, wenn man sie möglichst präzise benennt. Da sehe ich eine Schwäche des Sammelbegriffs, der ja bezeichnenderweise auch ganz überwiegend von Kritiker:innen verwendet wird (bzw. von Verteidiger:innen, sofern es um die theoretische Diskussion geht, nicht um bestimmte politische oder aktivistische Forderungen). Und auch wo es um die Zusammenhänge geht, wird man - je nach Auditorium - neu ausbuchstabieren müssen, was genau man jeweils meint. Allein der grosse Sammelbegriff erklärt das ja noch nicht.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Ja, Du schreibst das «ganz explizit im Text», aber scheinst es danach gleich wieder zurückzunehmen, wenn Du als ersten Grund zur Verabschiedung «Missverständnisse» nennst, so dass der Ausdruck «in manchen Ohren nach blossen Partikular­interessen klingt» – was ja gerade der Vorwurf der Polemik ist.

Wenn wir aber nur noch präzise Benennungen für «Minderheiten-Anliegen» – ein Ausdruck der ja ebenfalls blosse Partikular­interessen zu implizieren scheint – haben, stellt sich die Frage, ob und wie wir das lose Bündel nun nennen wollen. Oder sollen wir gar keinen Sammelbegriff mehr benutzen? Was vereint Sklavenbefreiungsbewegung, Arbeiterbewegung, Frauenbewegung, Civil Rights Movement, BLM-Bewegung und LGBTQIA*-Bewegung? Hast Du einen anderen Sammelbegriff vor Augen? Und wäre dieser nicht selbst wieder notwendigerweise abstrakt? Ist nicht fast jeder grosse Sammelbegriff nicht selbst-erklärend?

Bekanntlich schrieb Hegel, nicht ohne bissigen Humor, gegen seine Gegner, die ihm vorwarfen, abstrakt zu sein, die Schrift «Wer denkt abstrakt?». Die Antwort ist: Alle! Alle, die in der Alltagssprache eine Eigenschaft von Personen substantivieren und als Namen verwenden, etwa «Mörder», «Frau», «Burkaträgerin» usw. Abstrakt denkt also nach Hegel, wer über die «einfache Qualität alles übrige menschliche Wesen» an konkreten Individuen «vertilg[t]». Die Dialektik hingegen vollziehe das konkrete Denken, da es mit jedem weiteren Schritt die Situation, die Lebenswelt der Individuen konkretisiere.

Dies spräche nun gegen die sog. «Identitätspolitik». Warum sprechen wir nicht bloss von «Menschen», wie manche fordern? Oder nur noch von konkreten Individuen? Doch wenig überraschend gibt es auch hier eine Dialektik: von Herr und Knecht, von Nichtdiskriminierten und Diskriminierten, von Unmarkiertem und Markiertem, wie wir mit dem Soziologen Eviatar Zerubavel sagen könnten.

Das Markierte ist das Auffällige, Besondere, also dasjenige, das sich nicht von selbst versteht. Das Unmarkierte hingegen ist das Normale, Allgemeine, also das Selbstverständliche, das im Hintergrund steht. Das bekannteste Beispiel hierfür ist wohl Beauvoirs «Das andere Geschlecht» (zumindest in der deutschen Übersetzung), das ausgehend von der unmarkierten universalen Vernunft des männlichen Individuums markiert wird.

Die Frage ist also auch, wer wen diskriminiert/markiert/benennt. Eine Diskriminierung, die selbst bei formaler, rechtlicher Gleichheit vonstatten gehen kann.

Weshalb mir nun «identity politics» dennoch treffend erscheint, ist, dass es um Selbst-Identifikation, also Selbst-Bestimmung, Auto-nomie geht. Was ja auch der Sinn des Ausdrucks «Emanzipation» ist. Diese ist nur durch formale und materiale Gleichheit und Freiheit zu erreichen. Es geht um Selbstermächtigung, die eigene Stimme zu erheben und sichtbar zu werden. Also sich selbstbestimmt selbst zu markieren und zu benennen. Mit dem paradoxen Ziel dereinst unsichtbar sein zu können. Doch erst wenn alle als sie selbst sichtbar sind, können alle Unterschiede anerkannt und «normalisiert» werden, so dass die radikal pluralistische Demokratie realisiert werden würde.

Wie Du richtig schreibst, Daniel, geht es bei «identity politics» im Prinzip also um die Verwirklichung des Universalismus. Dies war schon bei den Sklav*innen so und ist es noch bei den Arbeiter*innen, Frauen, Poc, LGBTQIA* usw. Welche «politics» können behaupten, nicht «identity politics» zu betreiben? Menschheits-Politik? Zu vermessen. Partei-Politik? Gründet letztlich auch auf Identitäten. Individuelle Politik? Blendet Sozialisierung aus und erscheint als Privileg Unmarkierter. «Der Mensch» ist also zu abstrakt, Individuen zu konkret. Analog zur «Color Blindness» – bzw. diese verallgemeinernd – könnte man von «Identity Blindness» sprechen.

Versteh mich nicht falsch, ich habe aufgrund des Studiums der kritischen Theorie, Existenzialismus und Dekonstruktivismus selbst grosse Vorbehalte gegenüber dem Begriff der Identität und daher auch der «identity politics» (wenn sie essenzialistisch ist). Aber ich frage mich, ob wir mit der Verabschiedung nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.

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Ich bin noch jung und fühle mich nicht wirklich schuldig für das Zögern meiner Ahnen. Wichtig ist, dass wir es jetzt besser beziehungsweise richtig machen. Wo haben wir noch Nachholbedarf in Bezug auf die Gleichstellung vor dem Staat? Naiv gesehen, fühle ich mich als Mann heutzutage eher benachteiligt den als Frau. Dies aufgrund der Wehrpflicht. Ich muss fast ein Jahr meines Lebens für den Staat Opfern oder kräftig zahlen. Nicht zu vergessen ist die Pflicht mein Leben zu Opfern. Frauen müssen dies nicht. Wo werden Frauen heutzutage vor dem beziehungsweise durch den Staat noch mehr diskriminiert?

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Bezüglich Wehrpflicht verstehe ich dein Anliegen, dass du findest, dass in diesem Bereich keine Gleichberechtigung stattfindet. Spannend wäre zu wissen, ob es überhaupt ein Militär mit Wehrpflicht in dieser Form heutzutage gäbe, wenn bei der Gründung des Militärs Frauen an der Macht gewesen wären. Wie wäre das Militär geprägt, wenn es Frauen aufgebaut hätten? Für ein obligatorische Militärpflicht für Frauen (auch nicht für Männer;)) bin ich deshalb nicht, sondern es müsste vorher eine Umstrukturierung stattfinden, die von uns Frauen mitgeprägt ist - wie wäre es beispielsweise mit einem obligatorischen Jahr Zivildienst?

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Wenn es um Diskriminierung geht, kommen immer irgendwo Männer zum Vorschein und kramen die Wehrpflicht heraus. Als könne man das vergleichen mit dem viel grösseren Risiko von Frauen, Gewalt oder Armut zu erleben. Es ist auch wirklich das einzige, wo Männer benachteiligt sind. Aber auch das ist eine Folge von Sexismus, ein antiquiertes Männlichkeitsbild. Umso mehr ein Grund euch als Männer auch für Gleichstellung einzusetzen. Warum begehrt ihr nicht einfach auf gegen die Wehrpflicht?

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Dieses Muster fällt mir auch auf. Vor einer Weile schrieb ich zur diskriminierenden Wehrpflicht:

Ja, Männer werden diskriminiert, aber sie werden durch Männer an der Macht diskriminiert. Und es ist eben doch sein Reduit, weil:

  • Männer die Armee gründeten und auch heute noch hauptsächlich organisieren.

  • Rechtsbürgerliche Männer - wie Frauen - das Militär befürworten und gegen Angriffe von Links verteidigen.

  • Rechtsbügerliche Parteien - allen voran die SVP - den Vorsteher stellten bzw. heute die erste Vorsteherin stellen.

  • Das Militär selbst, in denen Männer vorherrschend sind, die Diskriminierung aufrechterhalten, anstatt progressive Reformen anzustossen.

  • Hauptsächlich Männer und Rechtsbürgerliche inkl. Mitte gegen die Abschaffung der Wehrpflicht waren.

  • Offenbar Militarismus v.a. eine Domäne der Männer und der Rechtsbürgerlichen war und ist.

Deshalb ist es falsch wie verkehrt die Diskriminierung oder die fehlende Abschaffung dieser Feminist*innen und progressiven Linksliberalen anzulasten, wie Sie schreiben:

Die Gleichstellungsdebatte, Feminismus und all die sog. fortschrittlichen Linksliberalen haben sich bezeichnenderweise nie daran gestört, dass mit dem Dienstzwang oder der 3%-Männersteuer auf Verfassungsebene die Diskriminierung eines Geschlechts festgeschrieben wird.

Es ist auch falsch, weil:

Verständlich aber ist auch, dass Frauenorganisationen und Linke darauf beharren, dass gleiche Pflichten auch gleiche Verteilung von "Lasten" und entsprechender "Kompensation" voraussetzen. Also reale Lohngleichheit, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und gleichmässigere Verteilung von Lohn- und Care-Arbeit fordern - was auch den Vaterschaftsurlaub beinhalten würde. Oder eben eine allgemeine Miliz-Pflicht für Männer wie Frauen.

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Schutz vor Diskriminierung gilt für alle. Dies hat sich die Eidgenossenschaft gar in die Verfassung geschrieben und festgelegt, dass sie sich hierfür aktiv einsetzen muss:

Art. 8 Rechtsgleichheit
1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
2 Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebens­form, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.
3 Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tat­sächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
4 Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behin­derten vor.

Damit hat der Staat nicht nur die Aufgabe, selber nicht zu diskriminieren (Militär, Individualbesteuerung, Care-Arbeit, ...), sondern muss neben der rechtlichen Gleichstellung, die noch nicht erreicht ist, für tatsächliche Gleichstellung sorgen.

Besonders schön dabei ist: Schutz vor Diskriminierung hilft allen. Ein seltenes win-win-win-win-win-... Ereignis.

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(Wenn die Eidgenossenschaft ein Verfassungsgericht kennen würde, wäre dort die Militärdienstpflicht wohl bereits zur Verhandlung gestanden.)

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Tatsächlich fühle ich mich, ebenfalls jung und männlich, auch eher benachteiligt vor dem Gesetz. Ich sehe natürlich ein, dass Frauen gesellschaftlich benachteiligt werden (z.B. Lohngleichheit). Doch im Gesetz sehe ich, dass Männer zum Teil, allein aufgrund des Geschlechtes, benachteiligt werden (Militärdienst, Rentenalter). Schrieb nicht die Republik kürzlich, wie ungerecht es wäre, das Frauenrentenalter auf 65 zu erhöhen? Für mich wäre das nur ein logischer Schritt in Richtung Gleichberechtigung.

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Ja, 50 Jahre. Und fast ebenso lang geht mir derselbe Gedanke durch den Kopf, praktisch reflexartig. Denn allzu häufig empfand ich die Langsamkeit oder gar in Rückständigkeit der Schweiz zu unrecht belächelt: Die kleine Schweiz, ein «Schrebergarten» Europas, ist mit seiner direkten Demokratie ein Laboratorium der besonderen Art. Wo auf dieser Welt, musste eine Mehrheit der Abstimmenden direkt davon überzeugt werden, ein Privileg zu teilen und (vermeindliche) Macht abzutreten? Darunter selbstredend auch Heerscharen von Machos, Dummbacken und Präpotenten, wie es sie notabene überall gibt? Gesprächspartnern aus Nachbarländern gab ich regelmässig zu bedenken, wie lang sowas wohl andernorts in einem vergleichbaren «Schrebergarten» gedauert hätte. Sagen wir mal in der Lombardei (halb so gross wie die Schweiz, aber 2 Mio. mehr Einwohner), in der Provence (3/4 so gross, 5 Mio. Ew.), in Baden-Württenberg (etwas kleiner als die Schweiz, aber 3 Mio. mehr) oder gar Bayern (etwas grösser und 5 Mio. mehr Ew.), wäre das da «überhaupt schon durch», wenn man etwas mehr als 50% aller K...köpfe hätte persönlich davon überzeugen müssen, etwas abzutreten», wenn auch nur vermeindlich?

Und für alle im Artikel erwähnten Projekte gilt nach wie vor das selbe: ein Laboratorium der direkten Demokratie, im Schrebergarten Europas. Notabene, auf dieses Laboratorium möchte ich aber nicht verzichten, in aller Regel schätze ich unsere Bedächtigkeit. Ein Problem wird’s allerdings angesichts der virulenten Umweltproblematik, aber das ist ein anderes Thema.

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Leserin
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Jeder und jede kann sich benachteiligt fühlen: die Frau und der Mann, jede(r) für sich, schon angesichts der längst erforschten Diskrepanzen, die beispielsweise die nicht oder selten reflektierte Koedukation mit sich bringt. Und damit in engem Zusammenhang die Ungerechtigkeiten und Konflikte in typischen Männer- oder Frauenberufen. Erst eine friedliche, ausgleichende, solidarische Gesellschaft wird dieses Problem mit den vielen anderen lösen können. Fangen wir doch bei der Basis an, bei der Macht, die teilt und herrscht und solche absurden Auswüchse wie ein Verhüllungsverbot ermöglichen kann; uns erst noch aufeinander hetzt mit Haltet die Diebin oder Wir sind die besseren Feministen. Danke Republik fürs hartnäckige Demaskieren der vollverschleierten Lobbys und Demagogen. Die restliche Zeit spaziert oder sitzt es sich gut am See oder im Wald oder mit inspirierenden Menschen beim Wein.

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Gerade im Postfach: das IPG-Journal, eine Online-Zeitschrift der Friedrich-Ebert-Stiftung. Darin ein Beitrag von Sheri Berman, Professorin für Politikwissenschaft an der Columbia University: Wir gegen die.

Quintessenz: Die unversöhnliche Polarisierung entsteht anhand kultureller, identitätspolitischer Gräben. Als Parteien noch in Wirtschaftsfragen miteinander konkurrierten, seien Kompromisse möglich gewesen. Mit der Kultur hat die Moral übernommen. Antidemokratische Aktionen gegen Gegner der eigenen Meinung würden als akzeptabel oder notwendig gelten.

"Wenn aber in der Politik die Moral den Ton angibt und des einen Gewinn des anderen Verlust ist, werden politische Gegner schnell als Bedrohung, der Verlust von Wahlen als Gefahr wahrgenommen. In einem solchen Umfeld können tief verwurzelte politische Loyalitäten und stark differenzierte Parteien eine Störung oder gar den Zusammenbruch der Demokratie herbeiführen."

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"Wenn aber in der Politik die Moral den Ton angibt und des einen Gewinn des anderen Verlust ist, werden politische Gegner schnell als Bedrohung, der Verlust von Wahlen als Gefahr wahrgenommen."

Genau! Und genau aus solchen "moralischen" Gründen wurde ich von der Redaktion gesperrt. Mit der hahnebüchenen Moralkeule, ich würde Rassismus verbreiten. Dabei habe ich gegen Diskrimination geschrieben.

Diese moraline Cancel-Kultur, der leider auch die Republik verfallen ist, wird unsere Gesellschaft zerstören.

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So düster sehe ich weder die Republik noch die Welt, wobei ich zu Ihrem Fall nix sagen kann, da von mir nicht bemerkt. Aber ja, oft lohnt es sich nicht, in Filterblasen zu stechen, weil deren Bewohner auf völlig unangemessene Weise aggressiv reagieren.

Hier in der Republik finde ich es angenehm, dass und wie Autoren mit ihren Lesern diskutieren (Standardverfahren anderer Zeitungen: Artikel abgeliefert, nach mir die Sintflut). Leser voten natürlich in der Regel nach unten, was nicht der Tendenz des Artikels (und damit oft der eigenen Meinung) entspricht, aber die Diskussion verläuft immer höflich, wenn auch mitunter absurd (z. B. wenn Mitdiskutanten nach "rechtem" Gedankengut fahnden; aus ähnlichen Gründen grummelt gerade die SPD in Sachsen-Anhalt gegen einen Wahlkampfauftritt Sahra Wagenknechts).

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Dass die Wider­stände, so gross und anhaltend sie waren, überwunden werden konnten, kann auch Inspiration für andere Gruppen in ihren emanzipatorischen Anliegen sein.

Genau! So ist es mir ergangen. Für mich ist der Feminismus die Inspiration für den Kampf gegen die Diskriminierung der Velofahrerinnen.

Allerdings habe ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die Redaktion der Republik hat diese Inspiration als Verharmlosung der Frauen-Diskriminierung interpretiert und mich umgehend und ohne Möglichkeit mich zu verteidigen für insgesamt 6 Monate gesperrt.

Soviel zur Solidarität unter den Diskriminierten.

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