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Es gibt sie wohl, die aktuellen Utopien! Das Bedingungslose Grundeinkommen mit seiner Idee des Abkoppelns von Arbeit und Lebensunterhalt, ist eine solche zeitgenössische Utopie.

Für viele LGBTQ+ Leute auf diesem Planeten ist eine freie Lebensgestaltung eine Utopie. Für viele Frauen, auch in der Schweiz, ist Gleichberechtigung und gleicher Lohn für gleiche Arbeit eine Utopie.

Es ist wesentlich einfacher Dystopien zu entwerfen, statt Utopien zu entwickeln. Die Unterhaltungsliteratur und - filme der letzten Jahrzehnte sind voll von zumeist männlichen Endzeitfantasien und Zerstörungspornografie. The Handmaids Tale und Birdbox sind da neuere Ausnahmen aus einer weiblichen Perspektive. Diese Dystopieverliebtheit ist eine kulturelle Manifestation des Bedeutungsverlusts westlicher Industrienationen in internationalen Kontext. Der Wunsch nach Frieden und Wohlstand für Alle eignet sich leider nicht als Blockbuster...

Statt der industriellen Vergangenheit hinterher zu weinen, wäre eine positive zukunftsgerichtete Einstellung nützlicher, um gesellschaftliche Probleme wie Klimaschutz und Armut anzugehen.

Die Utopie ist der erste Schritt zur gesellschaftlichen Veränderung. Wer denkt, bewegt, gestaltet, verschiebt und verändert Standpunkte und Machtpositionen.

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Jonas Lüschers Fazit „Die Kampfeslust kommt mit dem Träumen!“ kann ich nur zustimmen. Als Psychotherapeutin, die zum Thema Umgang mit Träumen arbeitet, füge ich der Vollständigkeit halber einfach gerne an, dass dazu auch die nächtlichen Träume einen zukunftsweisenden Beitrag leisten – und das ganz ohne dass wir „sie ans Licht zerren“ und einer „Verwertungslogik“ unterziehen.
„Träume geschehen dem Menschen“, schreibt Jonas Lüscher. Zugleich aber sind sie eine Aktivität des Menschen, und zwar eine nächtliche Gehirnaktivität. Tag- und Nachttraum lassen sich daher durchaus der gleichen Seite zuordnen: Es sind Aktivitäten unseres Gehirns, einfach in unterschiedlichen Arten des Aktiv-Seins, was den Abstraktionsgrad betrifft. Die Forschungen aus den Traum-Laboren sowie die aus der psychotherapeutischen Praxis weisen darauf hin, dass nächtliche Träume schlicht die Fortsetzung gedanklicher Prozesse sind. Damit sind sie keinesfalls nur Bildergeschichten zu Vergangenem, sondern können durchaus z.B. auch gedankliches Probehandeln sein, das sich in die Zukunft richtet. Die Hinweise mehren sich, dass das nächtliche Regenerieren im Schlaf zentral ist für vernünftiges Handeln. Lassen Sie uns also in jeder Hinsicht träumen!

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Ein schöner verträumter Text. Ich bin einzig mit Jonas Lüschers letztem Absatz nicht ganz einverstanden. Da steht:

Die eine schwierige Frage, wie man vom Träumen ins Handeln kommt, die habe ich allerdings noch immer nicht beantwortet. Das scheint mir auch richtig so, denn das ist eine Frage, die, will man eben verhindern, in den Dystopien des zwanzigsten Jahr­hunderts zu landen, jeder für sich beantworten muss.

Doch gerade darin liegt die Krux. Denn auch Lüschers "Tagträume mittlerer Reichweite" bedürfen letztlich der Kooperation und Organisation. Wollen sie nicht bloss private Träumereien bleiben.

Doch stimmt, dass die Realisierung nicht mehr dem Prinzip Der Zweck heiligt die Mittel folgen darf. Denn viel zu viel wurde zur Erreichung eines fernen, angeblich erreichbaren Zieles geopfert. Nicht zuletzt die individuelle Freiheit und Menschenleben.

Die Devise muss daher lauten: Der Weg ist das Ziel. Das heisst, die "Stück für Stück"-Realisierung eines Tagtraumes mittlerer Reichweite ist nur dann legitim, wenn auch die einzelnen Schritte zum Ziel hin legitim sind. Das heisst demokratisch getragen und menschenrechtskonform durchgeführt.

Doch damit dies möglich ist, müssen ausreichend viele denselben Traum hegen - und dann auch realisieren wollen. Das wiederum heisst: Überzeugungsarbeit, strategische Planung und Organisation. Kurz: Aufklärung.

Einer, der genau dies versucht, ist Erik Olin Wright. In seinem Buch Reale Utopien.

Die andere Alternative zu "Gegenwart verwalten statt Zukunft gestalten" sind Irreale Retrotopien, wie sie Zygmunt Bauman in Retrotopia zu beschreiben und erklären versuchte. Oder eben die apokalyptischen Imaginationen eines gewaltsamen Endes der Welt von Kulturpessimisten. Womit wir wieder bei Fredric Jameson wären.

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"Wenn aber die Hoffnung auf eine bessere Zukunft schwindet, dann verlagert sich die Hoffnung auf die Vergangen­heit, die – zumindest in der Erinnerung – besser war (...) Es ist also nicht erstaunlich, dass diejenigen Gehör finden, die den Traum von alter Grösse wieder aufleben lassen." So begründet Jonas Lüscher sein Plädoyer für den Tagtraum. Tagträume sind Geschichten; man muss den Dystopien positive Utopien entgegenhalten, ist Lüschers Credo, man könnte auch sagen, der verführerischen Fakegeschichte eine bessere wahre.

Gerade erst hat Lukas Bärfuss, ein anderes Schwergewicht der CH-Literatur, dies für den Journalismus mit Furor in Abrede gestellt: Journalisten sollen gemäss der "Prämisse des Journalismus" gefälligst Tatsachen berichten, nicht Geschichten erzählen. Dabei reiht er in seiner Begründung eine Behauptung an die andere, teilweise auch tendenziell widersprüchliche: " Die meisten Menschen haben sich nie die Frage gestellt, wie Geschichten zustande kommen, wie sie wirken und warum sie erfunden werden."- "Jenseits der Instinkte, die wir mit den Tieren teilen, sind es allein die Geschichten, die uns als Menschen das Über­leben garan­tieren", oder: "Die menschliche Vorstellungs­kraft unterscheidet nicht nach Wahrheit oder Lüge. Sie urteilt nach anderen Kategorien: nach An­schaulich­keit und dem Grad der affektiven Beteiligung." Letztere Behauptung widerspricht diametral der Meinung des Linksintellektuellen Edouard Louis, der im grossen Interview von Daniel Binswanger mit seinen Geistesverwandten Didier Eribon und Geoffroy de Lagasnerie in der Republik zu Wort kam: "Sie können nur einen Einfluss haben auf die Welt, wenn Sie etwas Wahres sagen. Nur die Wahrheit produziert einen Effekt."

Schriftsteller sind Autoritäten des Geistes, wer ihnen widerspricht, exponiert sich. Was aber, wenn sie sich selbst so dramatisch widersprechen? Für die Streitfrage, ob eher die (triste) Wahrheit oder eine (blumige) Lüge wirkungsmächtig sei, hält uns die jüngste Geschichte genügend Antworten bereit. Im Magazin vom 12. Januar wird überzeugend dargelegt, wie es diversen Rechtspopulisten durch geplante Lügen- und Verunglimpfungskampagnen trotz schlechter bis aussichtsloser Ausgangslage gelang, "demokratische Mehrheiten" zu gewinnen. Offensichtlich erhebt Louis seine Wunschvorstellung zur Wahrheit und die Meinung von Bärfuss ist (zu dieser Sache) eher mit der Wirklichkeit kompatibel. Umso erstaunlicher ist sein Fazit, man sollte das Storytelling aus dem Journalismus verbannen. Was können denn nackte Fakten gegenüber guten Geschichten, wahren oder erfundenen, ausrichten? Wer will solche überhaupt lesen?

Es geht für gute Journalisten nicht darum, keine, sondern bessere Geschichten zu schreiben, besser auch im Sinne eines tieferen Wahrheitsgehalts. Und es geht für den Leser darum, alle Geschichten kritisch zu hinterfragen, dies fällt der Social-Media-Generation schon viel leichter, als ihrer Elterngeneration, die noch gelernt hat, alles für bare Münze zu nehmen, was schwarz auf weiss steht. Den kritischen Geist zu schulen und zu fördern, ist eine zentrale Aufgabe einer demokratischen Gesellschaft, das ist beileibe keine neue Erkenntnis.

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Teilweise ok, die Aufklärung hat zum Glück wieder etwas Konjunktur. Über die aktuelle Psychologie der Träume sollte sich der Autor besser etwas schlau machen, die Psychoanalyse ist es nicht. Und zu guter Letzt sollte er den Massstab "mittlere Reichweite" ganz redlich auch bei 13 Jahren Merkel anlegen, statt des ewigen linken Bashings.

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.... da dachte ich sofort an Robert Pfaller's "zweite Welten oder andere Lebenselexiere".....

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ursula & claudio bohren & magoni
traum ist die dämmerung des vielleicht
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danke für diese gedanken und nun bepflanze ich den morgenregen.

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Die Träume und Visionen, die zur französischen Revolution, zum Kommunismus,
zur EU führten, liegen nun ja schon weit zurück. Was ist mit dem Alptraum?
Als den können wir den jetzt gelebten Kapitalismus doch sicher sehen. Die Krise
der Sozialdemokratie, der Demokratie, der EU könnte sich auch dadurch erklären,
dass alles ein Ablaufdatum hat. Wer das nicht akzeptieren will, muss sich aktiv in
die res publica einbringen. Wie vom Traum zur Realisierung? Just do it! ist sicher
in vielen Fällen richtig, bei Misslingen darf dann aber nicht gejammert werden.
Diese Republik ist ein Beispiel für Wirklichkeit gewordene Utopie!

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