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Schön, Selbstwidersprüche für einmal nicht herablassend als Defizit um die Ohren geknallt zu bekommen, sondern als unausweichliche Folge menschlicher Konflikthaftigkeit mit einem Augenzwinkern ausgelegt als das, was uns allem Streben nach Selbstoptimierung und (moralischer) Perfektion zum Trotz zutiefst menschlich unperfekt sein lässt. Und damit der Zukunft einen Spalt offenhält. Was über alle Massen tröstlich ist.

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Advocatus diaboli
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Nach welchem Prinzip man auch immer sein Leben ausrichtet, am Ende landet man vermutlich bei folgender Erkenntnis: «Ich selbst bin der Überzeugung, dass jene glücklicher sind, die alles unversucht lassen, aber dazu ist es jetzt zu spät, damit muss man früher im Leben beginnen.» (Wolfgang Hildesheimer, Vergebliche Aufzeichnungen)

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Vielen Dank, Daniel, für die gute Ausrede – und Weiterführung unseres ununterbrochenen Dialogs! Besonders der Witz mit dem, wie soll man es nennen, «paradoxen Messianimus'» gefiel mir sehr. Je tugendhafter, umso leidvoller und je «sündhafter», umso glücklicher, ja umso eher ereignet sich das Wunder der «notwendigen Umkehr» – «Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch» (Hölderlin).

Dämmert am Horizont eine Art «Die anti-protestantische Ethik des Anti-Kapitalismus»? Wobei – auch laut Luther könne nur der Mensch, der sich seine Sündhaftigkeit eingesteht, auf die rettende Gnade Gottes hoffen. Aber ich bin kein Theologe.

Jedenfalls erinnert mich deine Argumentation (u. a.) an Rüdiger Safranskis «Wieviel Wahrheit braucht der Mensch?», der – ebenfalls, prima vista für einen Philosophen untypisch, aber im Gefolge Nietzsches – im Konsequentialismus der Wahrheit die Gefahr des unlebbaren Fanatismus sieht.

Im «Gestell» der totalen «Mega-Maschine» wird alles und werden alle zu einer (humanen) Ressource und zu einem Werkzeug «instrumentalisiert». Im «Weltinnenraum des Kapitals» erscheint dann das Recht auf Faulheit wie auf die faule Ausrede als Form des Widerstands. «Seid schlechte Werkzeuge!» sozusagen.

Oder wie der Daoist Zhuangzi sagte: Die geraden Bäume werden gefällt, während ein krummer Baum stehen gelassen wird, aber dafür wachsen kann. Ein Aphorismus, den auch Bertolt Brecht in «Mutter Courage und ihre Kinder» zitiert.

Übrigens erwähnt Aristoteles am Rande seiner Ethik auch den bios chrematistes, die am Erwerb und Reichtum orientierte Lebensform, die er ebenfalls disqualifiziert (vgl. «Chrematistik» vs. «Oikonomia»). Denn zwar seien «äussere Güter» – ganz anti-asketisch – ebenfalls Bedingungen für die Eudaimonia («Glück», aber auch «Gemeinwohl»), doch nur Mittel zum Zweck. Als Selbstzweck wird der Tausch nicht mehr zur Bedarfsdeckung betrieben oder um die Autarkie und das Gemeinwohl des Hauses oder Staates zu erhalten, sondern um Reichtum anzuhäufen. Dieser losgelöste «Glaube» wecke die Illusion, Reichtum und Besitz seien unbegrenzt und könnten unendlich wachsen.

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Advocatus diaboli
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Ich lese die Kommentare von Ihnen immer mit grossem Vergnügen und plädiere stark dafür, dass Ihnen die Republik ebenfalls eine eigene Kolumne anbietet, allenfalls im Wechsel mit Herrn Strassberg.

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Hi,hi - griechische Philosophie für uns Normalbürger - und völlig verständlich - gratuliere!

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Danke liebe Republik für die beiden hervorragenden, Zuversicht verbreitenden Texte für die jetzt wieder dunkle Stunde 1 nach der Ankunft des Republik-Mails! Ihnen Herr Strassberg für das Augenzwinkern im letzten Abschnitt, der Lust auf den jetzt dämmernden Tag macht: Einpflanzen von neuen Himbeeren und zwei (dornenlosen!) Brombeerstöcken, die in den nächsten Jahren - "(nicht) ganz unbemerkt und (nicht) gegen jeden Plan" - jährlich Früchte tragen werden.

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Eine kleine Nebenbemerkung zu dem tollen Aufsatz: Schön wäre es, den Namen der zitierten ÜbersetzerIn von Aristoteles genannt zu haben (sagt ein Übersetzer).

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Sie haben völlig recht, lieber Herr Shields, das Problem der Zitierweise ist noch nicht gelöst. Ihre Bemerkung soll nun Anlass sein, die mit der Redaktion zusammen, grundsätzlich anzugehen. Vielen Dank

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Danke für die wunderbare Kolumne! Gerne empfehle ich hier, wieder einmal Gerhard Meier zu lesen. Glück, Zufriedenheit, Neugier, Sehnsucht, alles gelebt im Mikrokosmos des Dorfes "Amrein".

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Schöner Beitrag. Meine guten Ausreden, aber auch die schlechten, möchte ich jedenfalls nicht missen. Zu oft rettet mich die eine oder andere.

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Ausreden retten uns als Einzelpersonen, nicht das Klima oder unsere Lebensgrundlagen.

Das Klima wird durch Rahmenbedingungen gerettet, die den Bedarf an Ausreden minimieren.

Herr Strassberg

Wie kommen Sie im letzten Satz zum Schluss, dass die Klimakrise aufgrund kognitiver Dissonanz plötzlich unbemerkt und gegen jeden Plan gelöst werden könnte? Und dass diese Möglichkeit sogar Grund zur Hoffnung bietet?

Führt kognitive Dissonanz nicht viel eher dazu, dass jede noch so surreale Hoffnung akzeptiert wird, solange sie eine Alternative bietet zur Anpassung des eigenen Verhaltens?
Und ist kognitive Dissonanz nicht sehr wohl durch die soziale Wissenschaft erfassbar und damit für klimapolitische Massnahmen eigentlich planbar?
Betrifft kognitive Dissonanz alle gleich, oder sind neurotypische Menschen davon stärker betroffen als Menschen des autistischen Spektrums wie etwa Greta Thunberg? Was würde Greta zu Ihrer Kolumne sagen?

Im Kontext der kognitiven Dissonanz besteht aus meiner Sicht die Hoffnung darin, dass die diesbezügliche Forschung im Gesetzgebungsprozess berücksichtigt wird. Wie Sie schreiben, darf Klimapolitik nicht auf die Einsichtsfähigkeit des Einzelnen setzen, da sie sonst scheitern wird.

Ein Hoffnungsschimmer in der Klimakrise ist für mich immer wieder eine Republik, die sich für Wissenschaft interessiert und diese ansprechend kommuniziert. Wie wär's, wenn Sie das Versagen in der Klimakrise bei Gelegenheit aus der Perspektive von state capture durch die fossile Energieindustrie betrachten? Für die wissenschaftlichen Grundlagen kann ich Prof. Julia Steinberger der Universität Lausanne empfehlen.

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Lieber Herr L., vielen Dank für Ihren Kommentar, der mir zu einer Klärung Gelegenheit gibt: Meine Kolumne war ein Plädoyer für klare gesetzliche Rahmenbedingungen, weil ich die Appelle an das Umdenken und an die Einsichtsfähigkeit der Menschen für fruchtlos halte, denn sie scheitern an den Ausreden.

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Und ist kognitive Dissonanz nicht sehr wohl durch die soziale Wissenschaft erfassbar und damit für klimapolitische Massnahmen eigentlich planbar?

Kognitive Dissonanz dient dazu, unangenehme Gefühle zu vermeiden. Leider sind Menschen etwas komplexer verfasst als bspw. Wassermoleküle, die auf gleicher Höhe über Meer alle bei gleicher Temperatur den Aggregatzustand wechseln. Menschen reagieren individuell, abhängig von Lebensgeschichte, situativen Einflüssen, mentaler Verfasstheit etc. Auch noch die Zweiteilung in neurotypische und solche mit Merkmalen aus dem autistischen Spektrum ist nur ein grobes Raster. Daraus berechenbare Verhaltensvorhersagen für anonyme, hochgradig inhomogene Menschenmassen ableiten zu wollen halte ich persönlich für ausgeschlossen.
Da bringt mMn Aufklärung wie sie bspw. der heutige Artikel über investitions­rechtlichen Streitigkeiten zwischen Staaten und multi­nationalen Unternehmen bietet, mehr. Oder natürlich auch Wissensvermittlung über unoffene Einflüsse im Hintergrund, Interessebindungen der Politik oder das von Ihnen angesprochene state capture etc.

Was Artikel wie den vorliegenden von Daniel Strassberg aus meiner Sicht trotzdem so wichtig macht: sie helfen gegen Resignation und erhöhen so die Schwelle, wo wir eig. handlungsrelevantes Wissen abzuwehren beginnen, weil die Aufgabe einfach zu gross scheint, oder mehr technisch ausgedrückt, in eine kognitive Dissonanz kippen, die uns vor Ohnmachtserleben schützt.
Dass die einen eher von math. Modellen angesprochen werden und die anderen eher vom Staunen über die Wunder der Natur und der Trauer über deren zunehmend rasantes Verschwinden, halte ich für eine Konstante, die man berücksichtigen muss, wenn man nicht Gefahr laufen will, die einen oder anderen abzuhängen.

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Ja so kompliziert und widersprüchlich sind Menschen. Das macht uns auch liebenswert. Ideologien sind im Kern unmenschlich, auch Marx`sche. Wir entscheiden uns täglich mehrmals aufgrund von Kognitiven Dissonanzen - und sehr selten mehr zugunsten der moralischen Prinzipien. Meist ein Kompromiss. Dieses Sammelsurium an zur Verfügung stehenden Entscheidungsfaktoren nennen wir "heuristisch" und setzt sich zusammen aus dem Wissen, den Konsequenzen, den vorhandenen Überzeugungen und auch den damit verbundenen Emotionen. Das deuten wir dann für den Augenblick. Dabei kommen dann halt auch recht viele "Ausreden" zustande.
Wir bewegen uns bestenfalls im Lauf des Lebens immer etwas näher an "das Gute für Alle", werden gelassener, weiser. Was nicht gleichgültig bedeutet, sondern grosszügiger und toleranter, empathischer. Und so finden Menschen dann gemeinsam viel bessere Lösungen für Probleme. Was dann eben plötzliche Wendungen in politischen Entscheidungen sein können.
Die reine Ausrede ist aber nicht wirklich zu beschönigen als Akt.

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Zum Schlusssatz von Herrn Strassberg "Wenn man berücksichtigt, dass wir alle auf Sicht fahren und uns dabei ständig in Widersprüche verwickeln, besteht auch die Möglichkeit, dass die dringend notwendige Umkehr sich plötzlich doch vollzieht ...":
Inzwischen fahren wir in unserer schnelllebigen Zeit nicht mehr, sondern fliegen, was sich nur auf Sicht nicht empfiehlt. Irgendwann sollten Widersprüche aufgelöst werden und schliesse mit der dritten Wortwiederholung: Aus meiner Sicht zum Thema passend Philipp Blom in der Sternstunde Philosophie vom Januar 2021 "Wie sieht unser Lebensmodell nach Corona aus?" (https://www.youtube.com/watch?v=VhRbFA53He8)

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Sehr interessantes, auch berührendes Gespräch mit Philipp Blom. Danke für den Link.

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Lieber Strassberg Sie schreiben mir aus dem Herzen, falls ich Sie richtig verstanden habe. Lacan spricht diesbezüglich ja von der Subversion des Begehrens. Wir möchten das Klima schützen, aber dann ist man sich doch selbst näher als dem Klima. Schön wäre dieses intrinsische Wollen des Einzelnen anzuerkennen und sich diskursiv daran abzuarbeiten. Sprich anstatt nach Endlösungen zu suchen, der Kreativität Raum zu geben und auf dem Basar der Politik miteinander verhandeln. Blöde ist, dass die politischen Grundmuster so stereotyp aufeinander treffen. Eigenverantwortung (FDP) geht zusammen mit „wo ein Wille ist, ist ein Weg“ (SVP). Das trifft auf „der Staat muss es richten“ (SP). Der Ausgleich (die Mitte) hilft dann auch nicht, wie das Scheitern des Co2 Gesetz gezeigt hat, um nur einige Positionen anzudeuten. Ich glaube auch wir brauchen noch mehr Chaos, obwohl mir das langsam auch etwas unangenehm wird.

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Sehr geehrter Herr Strassberg, ich muss gestehen, dass ich Ihre letzte Schlussfolgerung nicht nachvollziehen kann. Ich verstehe einfach nicht, was Sie damit meinen:

Im Talent zur Ausrede liegt aber auch Hoffnung: Wenn man berück­sichtigt, dass wir alle auf Sicht fahren und uns dabei ständig in Wider­sprüche verwickeln, besteht auch die Möglichkeit, dass die dringend notwendige Umkehr sich plötzlich doch vollzieht – ganz unbemerkt und gegen jeden Plan.

Ja klar, die Hoffnung stirbt zuletzt und niemand kann in die Zukunft sehen. Aber meinen Sie, dass wir Menschen plötzlich Entscheidungen treffen, die dann ungewollt und ungeplant die weitere Aufheizung des Klimas verhindern? Und wenn ja, was hat dann unser Talent zur Ausrede damit zu tun? Ich bin etwas ratlos.

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Lieber Herr H., vielleicht haben Sie mich selbst bei einer Selbsttäuschung ertappt. Vielleicht wollte ich auf einer positiven Note enden, obwohl ich im Grunde sehr pessimistisch bin. Was ich jedenfalls sagen wollte ist folgendes: Es gibt zwei mögliche Wege, der Klimakrise zu begegnen, durch "Umerziehung" und durch Gesetze. (Ähnliches gilt für die Impfdebatte) Ich beziehe mich einzig und allein auf den ersten Weg. Ich bin der Meinung, dass man ein Umdenken nicht planen und nicht erzwingen kann, was aber nicht heisst, dass nicht doch ein Umdenken stattfinden kann. Dass es Gesetze braucht, und zwar schnell, das steht für mich ausser Frage. Nun besser verständlich?

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Vielen Dank für Ihre Antwort, Herr Strassberg! Ja, Ihre Absicht habe ich jetzt verstanden. Aus dem oben zitierten Abschnitt lese ich es nach wie vor nicht heraus. Dass man die anstehenden Probleme nur über Gesetze bzw. die politischen Rahmenbedingungen angehen kann, haben Sie meinem Empfinden nach in Ihrer Kolumne „Nachhaltig in die Katastrophe“ viel deutlicher gemacht. Danke nochmals für den Austausch!

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Lieber Herr oder Frau NZ, vielen Dank für Ihren Kommentar, der mir aber, ganz im Sinne der Kolumne widersprüchlich scheint: Sie monieren das Fehlen der äusseren, politischen Dimension, sagen aber, dass Entfremdung für jeden etwas anderes bedeutet. Ist nicht genau der Wettbewerb und die Konkurrenz die politische Dimension der Entfremdung? Bitte helfen Sie mir !

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Ein hilfreicher Aspekt eines glücklichen Lebens wird für mich zu Unecht ausgeblendet:
das Verhalten und die Eigenarten der über 100-Jährigen! Seien es die der blauen Zonen. Jene aus dem Hunzatal. Die Fischer aus Bolivien…

Was ihnen eigen ist: Ernährung mit unbehandelten Lebensmitteln. Archaische Kochweise. Ein Hauch von Unbequem und Verzicht. Viele Kontakte und Begegnungen. Natürliche Bewegung.

Wir sind auf der Suche nach einem Grundstück und Region, um das zu verwirklichen ohne Normen und Vorgaben was richtig, gut… ist.
Georgien ist das Land unserer Wahl.

Glückliches Leben ist - meinesache.ch

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Horizonterweiterung durch überraschende Sichtweisen: immer wieder ein Schleck. Danke Herr Strassberg

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Sehr geehrter Herr Strassberg,
daran anschliessend: Gibt es (ein) konkrete(s) Beispiel(e) aus der Geschichte, wo eine drängendes (politisches, wirtschaftliches, gesellschaftliches) Problem durch Planlosigkeit, Selbsttäuschung, Ausreden, Widersprüche unerwartete eine Lösung produziert hat ?

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advocatus naturae
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Jetzt weiss ich endlich, warum ich manchmal so dusselig bin und mir keinen Lappen ums Gesicht hänge im Ö.V. : Es ist die kognitive Dissonanz. Ich würde ja so gerne im Überdruck-Astronauten-Anzug im Bus sitzen, jedoch gibt es da diese Diskrepanz zwischen Überzeugung und Handeln, welche anscheinend das menschliche Merkmal schlechthin ist. Besten Dank Herr Strassberg für den wunderbaren Text.

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