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Bin hin und her gerissen. Einerseits finde ich es grossartig, was Mouhssin Ismail für seine Schüler und Schülerinnen tut, damit sie eine Chance haben, ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Andererseits bedeutet dieses "Polieren" was Kleidung und Manieren angeht im Grunde doch auch, dass man diese andere ausschliessende Oberklasse in ihrem Dünkel im Grunde auch bestätigt.
Aber vermutlich geht das nicht anders.
Nur wer von Geburt an dazu gehört, kann sich erlauben, sich auch mal "daneben" zu benehmen. Das nennt man dann einfach "exzentrisch".
Danke für den interessanten Text!

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Nur wer von Geburt an dazu gehört, kann sich erlauben, sich auch mal "daneben" zu benehmen. Das nennt man dann einfach "exzentrisch".

Exactly! Und diejnigen, die von Geburt und Herkunft an nicht dazu gehörten, und sich mal "daneben" benehmen, nennt man dann einfach "Proll" und "Ausländer*in".

Wenn man alles richtig macht und Erfolg hat, dann ist man ein Individuum und hat man einen Namen. Doch wenn man nur etwas falsch macht, dann verliert man seinen Namen und ist man ein Nichts. Entindividualisiert und entwürdigt. Entwertet und exkludiert.

Danke, E. L., für den Hinweis auf die ambivalente und prekäre Situation, in der diese Schülerinnen und Schüler sind. Mir ging es ähnlich.

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Ich denke diesbezüglich geht es um ein "das System von Innen zerstören", wie es auch der letzte Satz andeutet:

Nur wenn sie die Regeln der Elite kennen und nach ihnen spielen, schaffen sie es dereinst vielleicht auch hinein. Und vielleicht zieht sogar eines Tages eine Asma oder ein Mohammed in 10 Downing Street ein. Es würde einen massiven Unterschied machen, weiss Ismail. «Denn im Gegensatz zu Cameron und Johnson wissen die, wie sich das Leben der normalen Leute anfühlt.

Die Hoffnung besteht darin, dass diese Kinder / Jugendlichen und später Erwachsenen, nicht einfach von der "Unterklasse" in die "Oberklasse" migrieren sondern doch noch eine (hoffentlich) gute Verbindung zu ihrem Ursprung behalten.

Da im Text ein Vertiefungskurs in Feminismus erwähnt wird, hoffe ich, dass auch die existierende "Klassenstruktur" in England explizit an dieser Schule vertieft wird.

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Aber wer steht hinter Mouhssin? Die Schule gibt es offensichtlich seit 5 Jahren. Von wem wurde sie gegründet? Wer gibt Geld, um die guten Lehrer zu bezahlen? Wieso gibt es nicht noch zahlreiche andere Schulen dieser Qualität in den ärmsten Gebieten? Was macht Mouhssin anders (abgesehen von Einsatz und Freude) wie seine zahlreichen Kollegen in anderen Stadtteilen? Fragen über Fragen …

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Was meinen Sie genau mit "wer steht hinter Mouhssin"? Das Newham Collegiate Sixth Form Centre (NCS) ist ein staatlich finanziertes Sixth Form college, in der die i. d. R. 16-18 jährigen Schüler*innen sich für das A-Level vorbereiten. Das entspricht also in etwa dem Kurzzeitgymnasium und der Matura.

Fun fact: State school vs. public school vs. öffentliche Schule

Hier noch der Link zum Daily Mail Porträt über Mouhssin Ismail.

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Doktorandin in Politikwissenschaften
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Grandios Solmaz! Während ich von Constantins Analyse zum 1. Mal wirklich enttäuscht war, weil ich absolut nichts Neues erfahren hatte, so hast du es in den letzten 3 Beiträgen geschafft, Geschichten und Personen aufzuzeigen, die ich in meinen 6Jahren auf der Insel nicht gesehen hab! Im Übrigen, erkenne ich sehr wohl, dass Constantins Artikel für viele bereichernd war und deshalb auch berechtigt ist. Deine stehen für mich heraus, weil sie noch eine Schritt weiter gehen und somit selbst Ortsansässigen was beibringen. Danke also hierfür!

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Danke dir, das Kompliment freut mich sehr, lg sk

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Herzlichen Dank Solmaz für das Gegenfeuer, diese 'Wortmeldung im Dienste des Widerstands gegen die neoliberale Invasion'. Und für den Einblick in das pseudo-meritokratische System Grossbritanniens, den Klassenkampf durch Bildung und den Gang durch die Institutionen der "Einwandererkinder". Alles sehr konkret, lokal verortet und nah am Menschen.

Als ehemaliger Werkstudent mit Migrationsvordergrund aus dem Arbeiter*innenmilieu - ticking all the right boxes - kam mir kultürlich vieles nur allzu bekannt vor. Gerade was System, Struktur, Habitus, aber auch familiäre und individuelle Willenskraft anbelangt.

Das einzige, was mir ein wenig fehlte an der positive story, war die Ambivalenz, die andere Seite der 'kulturellen Appropriation' von unten. Wie empfinden etwa die Schüler*innen das elterliche 'Einbläuen', das eiserne 'Schmieden' zur Elite und das konformistische 'Polieren' des Habitus - gerade jene, welche vielleicht damit hadern, sich nicht 'assimilieren' wollen oder gar leistungsmässig durchfallen?

Wie dem auch sei, ich fand den Artikel grossartig und ich freue mich schon auf deine nächsten 'Wortmeldungen'.

Für die's interessiert, weiterführende Literatur:

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Lieber Michel, danke für deine Anmerkung. Da ich Anfang des Schuljahres dort war, hatte ich nicht die Möglichkeit mit den SchülerInnen zu sprechen. Aber dieselben Fragen habe ich ihm auch gestellt. Er gab zu Bedenken, dass sich die meisten diese Fragen nicht stellen, weil es in erster Linie darum geht aus der Armut raus zu kommen. Dass sie sich assimilieren müssen - bzw. denken sich assimilieren zu müssen - und damit das System nur perpetuieren wird nicht zur Kenntnis genommen, da ihre prekäre Situation viel zu sehr im Vordergrund steht und sie bereit sind alles zu tun, um dieser zu entfliehen. Ihm ging es genauso, er meinte in dem Fall auch: "Ignorance is a bliss."

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Danke Solmaz für den Nachtrag, der in etwa meine Vermutungen bestätigt. Denn so ähnlich kenne ich es aus den Philippinen und Hongkong - aber auch hier in der Schweiz. Dieser unbedingte Wille zum Aus- und Aufstieg, dieser permanente Leistungs- und Assimilationsdruck und die dafür notwendige Disziplinierung und Opferbereitschaft kommt mit einem Preis.

Interessant fand ich folgende Aussage von Mouhssin Ismail im Interview mit der Daily Mail:

‘I come from a very loving family where my parents were always around, even though my dad worked incredibly hard. I wanted to be there for my child.

‘I didn’t want him looking back in a few years’ time and saying: “You gave me everything money could buy but you weren’t there for me.”

‘That night, when I left the office, I thought: “That’s it, I’m finished.” When I got home, I told my wife: “I’m not going to do it anymore.”

‘She said: “You must do whatever you want to do that makes you happy.” So the next day I typed up my resignation and handed it to my supervisor. I felt relief.

‘For a lot of people, when you’re in that lifestyle and getting a big salary, it’s very difficult to leave. I was lucky I didn’t have kids at a private school or a big mortgage.

Diese Aussagen sind womöglich exemplarisch, d. h. sie geben vielleicht den Lebensweg vieler wieder. Wohin führte er, wenn er gerade weiter (und hinauf) gegangen wäre? Es brauchte einen Unterbruch, ja eine Krise - und Glück - zur Wende. Auch von materiellen zu immateriellen Werten. Und wiederholt nun den Kreislauf, in dem er anderen denselben Weg ermöglicht. Eine aufwärtsgehende Spirale. Mit glücklichen Wendungen. Oder ohne.

Vielleicht ist dies schlicht der Lauf der Welt.

Dieser zumindest.

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Zum konformistischen Polieren des Habitus: Meine Erfahrung in GB war, dass sich die Schweiz und GB in diesem Punkt sehr stark voneinander unterscheiden. Die Idee, dass sich Junge mit individueller Kleidung oder kreativen Frisuren oder "Rebellion" profilieren können und sollen, ist dort total verpönt - auch in den Staatsschulen. Alle haben Uniformen (obwohl sie das nicht müssten), wenn ein Kind mit Jeans oder blauen Haaren in die Schule kommt, wird es überall sofort nach Hause geschickt.
Später, beim Einstieg ins Arbeitsleben, ist allen klar, dass die Kleidung "conservative" sein muss. Es ist schlicht undenkbar, mit Dreadlocks oder in zerrissenen Jeans irgendwo eine Stelle finden zu wollen. Sogar Leute, die in einer staatlichen Schule einen Gastworkshop anbieten (wie ich das z.B. für Amnesty International getan habe), dürfen nicht in Jeans kommen. D.h. der konservative Dresscode ist in GB wirklich allgegenwärtig. Kinder, die in diesem System aufwachsen, wissen genau, wie wichtig das ist, und werden froh sein über das entsprechende Training in dieser Schule. Es scheint mir eher eine subversive Art der Rebellion gegen das System zu sein.
Und das Leistungsdenken? Dazu eine Anekdote. In einer der staatlichen Primarschulen, die ich für Amnesty International besuchte, standen auf dem Whiteboard in der Aula folgende Sätze, stehengeblieben von einer früheren Veranstaltung:
"Warum ist Sport und sportliches Training so wichtig? Weil auch später nur die allerbesten einen Job bekommen. Also strengt Euch an."
Die SchülerInnen dort sind 4-11 Jahre alt. Mir wurde kurz schlecht.

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Sehr spannender Artikel. Danke. Es würde sich lohnen, auch bei uns einmal genau hinzuschauen. Private Nachhilfeschulen, Lerninstitute und wie sie alle heissen, schiessen wie Pilze aus dem Boden. Wer es sich leisten kann, schleust so einen Sprössling durch die Matur, der es auf dem "Normalweg" nicht schaffen würde. Die führt dazu, dass später an gewissen Positionen Leute sitzen, die die Anforderungen formal zwar erfüllen, intellektuell aber überfordert sind.

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Ein Problem des Liberalismus. Die Zulassung von Privatschulen ermöglicht zwar auch integrativen Unterricht für Behinderte, was an öffentlichen Schulen oftmals nicht geht, aber es bildet sich auch ein elitäres Umfeld. Ich denke wir wären besser dran, wenn wir die öffentlichen Schulen verbessern würden und daneben keine Privatschulen mehr zulassen würden. Das Abwerben der besten Lehrkräfte durch die Privatschulen führt auch zu einer Aushöhlung der öffentlichen Schulen. Zudem geht die soziale Durchmischung flöten, es bilden sich Blasen wo die einen zu viel, die anderen zu wenig Selbstvertrauen entwickeln. Es ist ja schon erstaunlich mit welch unerschütterlicher Überzeugung viele Kaderleute aus den Eliteschmieden ihre eher dürftigen Leistungsausweise als Begründung für ihre fürstlichen Gehälter ins Feld führen.

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Drei Stunden individuelles Lernen jeden Tag, fünf Stunden am Samstag, fünf Stunden am Sonntag - das ist ein hoher Preis, den die Kinder für den späteren Erfolg bezahlen. Es bleibt kaum Zeit zum Spielen oder zum selbstständigen Entdecken und Erforschen der Welt. Ich erinnere mich an das Interview, das Solmaz Khorsand mit dem britischen Psychologen Nick Duffel geführt hat:
https://www.republik.ch/2019/09/24/…erwachsene
Er kritisiert das System der Eliteschulen scharf, nicht nur wegen der Abschottung einer Elite vom Rest des Volkes, sondern auch, weil die Schulen komplett versagen in der Bildung von Selbst- und Sozialkomptenz. Als Beispiele für Geschädigte nannte er Tony Blair, David Cameron und Boris Johnson. Ich fürchte, dass am NCS ähnliche Methoden angewandt werden müssen, um zu erreichen, dass 95 %(!) aller SchülerInnen den Eintritt in eine Eliteuniversität schaffen. Für die AbsolventInnen des NCS mag das gut sein. Es ist aber nicht die Methode, um die grundsätzlichen Probleme, die Nick Duffel beschreibt, zu lösen.

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Ich meine, so lässt sich das nicht vergleichen. Ein grosser Unterschied liegt in meinen Augen in der früheren Kindheit und der Bindung z.B. zu den Eltern oder weiteren Bezugspersonen. Die ist, gemäss Duffel bei Besuchern von Eliteschulen gelinde gesagt im Argen. Durch das starke Engagement insbesondere der Lehrkräfte am NCS, diesen Kindern eine Chance geben zu wollen, entsteht m. E. eine andere Beziehungsqualität als im hoch kompetitiven Umfeld der Eliteinstitute und dem Bedürfnis der Eltern, ihre Kinder zu ‚versorgen.‘

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Ja, Sie haben Recht. Ich habe übersehen, dass es sich um ein Gymnasium handelt und nicht um eine Primar- oder Sekundarschule. Die Leistungen des Schulleiters, der Lehrpersonen und der SchülerInnen verdienen grossen Respekt, keine Frage. Mein Unbehagen rührt daher, dass es überhaupt so ein System gibt, das nur den ausserordentlich Begabten und Leistungsbereiten ein gutes Leben zugesteht. Die öffentliche Schule müsste auch in den unteren Stufen viel mehr investieren - nicht nur im Vereinigten Königreich. Das ist aber nicht die Aufgabe des NCS.

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Intergenerationale Einkommenselastizität wird oft als Messlatte gebraucht für die Durchlässigkeit und soziale Mobilität einer Gesellschaft - über das ganze Spektrum und nicht nur and der Spitze der herrschenden Klasse - z.B: https://milescorak.com/2012/01/12/h…-progress/

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"Sie sollen wissen, wie sie sich richtig, freundlich und zuvor­kommend am Telefon vorstellen, wie sie Konversation machen, auf welcher Seite am Tisch das Glas steht und auf welcher Seite das Brot liegt, sodass sie nicht aus Versehen das Brot des Nachbarn anknabbern. Ihnen wird beigebracht, wie sie sich anziehen sollen, welche Länge ihre Sakkos haben müssen, welcher Stoff edel ist und welcher Ramsch, und dass es immer besser ist, eine Spur zu formell als zu leger gekleidet zu sein."
Diese süffisante Art von unfreiwillig-lächerlicher Überheblichkeit in der Beschreibung dieser Schule ist grotesk. Lernen die SchülerInnen allenfalls auch, dass der linke Fuss in den linken Schuh gehört und der rechte in den rechten, damit sie in den feinen Kreisen voll dabei sind?

Erziehungsdrill, um möglichst viele Leute in Elite-Unis zu bringen, sollte weder in Eton noch in East-London als Erfolgsmodell angepriesen werden.

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